Episode 12/14 (vom 16.05.) Run 52/2

Welcome back, Omae!

Vielen Dank, dass Du auch heute wieder reinschaust.

Derzeit On The Run sind: AvEraGe, Blackstone*, Blood, Chang, Steel, Metge, Mystère, Shark Finn und Snowcat. (*Spieler war nicht anwesend)

Datum in unserer SR-Timeline: 21.05.2073

Was bisher geschah: UC bekommt von der Nonne Schwester Christina Gonzales den Auftrag, eine Ladung Ingredienzien der Firma Pyramid Arcane Supplies aufzuspüren, aufzuhalten und wenn möglich noch den genauen Bestimmungsort in Erfahrung zu bringen. Angeblich ist die Ladung für ein Ritual bestimmt, dass Aztechnology gerade für oder mit Prä-Kolumbianischen Artefakten entwickelt. Viel ist nicht über die Ladung bekannt. Man weiß nur, dass sie L.A. innerhalb der nächsten Woche -eventuell in Richtung Bogotá- verlassen soll. UC stellt das Team zusammen und Snowcat nimmt Kontakt mit Doc Hollywood auf, um ein Safehouse und Fahrzeuge zu mieten. Außerdem fragt man Metge, einen neuen Kontakt und Arzt, ob er nicht mit auf den Run möchte, da er bereits Interesse bekundete. Metge nimmt die Einladung an.

Wir schalten und kurz vor dem Abflug nach L.A. in das Geschehen zurück.

Deine Kommentare zur Episode passen am besten unter „A Tale So Far Part VII“ [LINK].

Eine Beschreibung der Runner findest Du hier [LINK].

Hat ein Wort im Text eine andere Farbe, verbirgt sich darunter wahrscheinlich ein Link und es wird im Glossar erklärt. Du kennst ein anderes Wort aus dem Shadowslang nicht? Dann schau doch einfach auf gut Glück im Glossar vorbei. [LINK]

Noch eine Kleinigkeit: die Songs zum Text sollen lediglich zur Stimmung beitragen und sind keine versteckten Hinweise. (Ich versuche immer Videos ohne störende Werbung raus zu suchen. Ich kann allerdings nicht garantieren, dass sie auch ohne Werbung bleiben. Manchmal werden die Videos von Songs sogar schneller komplett entfernt, als ich die Episode hoch laden kann, darum nenne ich vorsichtshalber Künstler und Titel neben dem Link. Wegen Lizenzrechten muss ich bei You Tube immer öfter auf Coverversionen oder schlechte Live-Varianten zurückgreifen, oder ich finde ein anderen Anbieter. Die komplette Episoden-Playlist findest Du hier [LINK].)

Bereits Omae? Na dann los!

[Song 1: Soundgarden - Live To Rise] Sparky und Arcade hatten Snowcat und Shark Finn noch vor Morgengrauen zum Flugfeld in - wie sollte es anders sein? - den Redmond Barrens gebracht.

Die Maschine von ‚Shadowflight Airlines‘ war bereits gelandet. 

Eine Airline mit dem Namen gab es natürlich nicht. Aber ‚Shadowflight Airlines‘ klang so viel freundlicher, als nur von ‚den Schmugglern‘ zu sprechen, die sie mitsamt ihrem illegalen Equipment irgendwie im Tiefflug oder unter Vorspiegelung falscher Konzern-Tatsachen über die Grenzen schaffen würden.

Die Hecktür der Transportmaschine war runter geklappt und die beiden ameri-inidanischen Piloten in ihren Overalls unterhielten sich gerade mit Mystère, der in seiner hochgewachsenen, glatzköpfigen, elfischen Gestalt von 2.30 m stets imposant und ungemein attraktiv wirkte. Obwohl sie bereits Mai hatten, trug Mystère sein Lieblingsoutfit bestehend aus schwarzem Rollkragenpullover aus dünnem Material und schwarzer Hose.

Blood sah wie immer Bilderbuch-mäßig umwerfend gut aus. Sein über zwei Meter großer athletischer Körper steckte in einer schwarzen Jeans und einem schwarzen T-Shirt, welches so eng saß, dass sich die Muskeln seines Eightpacks darunter abzeichneten. Seine Gesichtszüge konnten es mit jedem männlichen Model aufnehmen und sein schwarzes Haar brachte das Stahlblau seiner Augen besonders zu Geltung und unterstrich das südamerikanische Flair, welches ihn umgab. Das heißeste an diesem Kerl war jedoch, zumindest aus Snowcats Sicht, die raubtierhafte Ausstrahlung einer Killermaschine, die von jeder seiner fließenden Bewegungen ausging und die von der nur unterbewusst wahrgenommenen Cyberware verstärkt wurde. Blood war ja auch eine Killermaschine, wenn er das wollte. Einige mochte das abschrecken. Snowcat empfand genau das als aufregend. Blood war jedenfalls ein Sahnestückchen von Mann und vielleicht würde sie irgendwann in Zukunft einmal davon kosten. Wer konnte das schon sagen? Derzeit hatte sie jedoch nur auf einen einzigen Mann Appetit und wer weiß, vielleicht hielt das ja auch bis in alle Ewigkeit an?

Ein dummer, romantischer Gedanke, der sich warm und wohlig in ihr ausbreitete. Träumen war niemals verboten. 

‚Natürlich nicht, Elfenmädchen, solange Du nicht den Sinn für die Realität verlierst.‘, mahnte Katze sanft im Vorbeigehen und begab sich dann schon mal im Schlendergang in die Transportmaschine. 

Blackstone stand mit verschränkten Armen in Bloods Nähe. Der Größenunterschied zwischen ihm und Blood war enorm, aber dennoch wirkte Blackstone nicht unscheinbar. Seine schwarzen Schuhe waren blank geputzt Des mir den geputzten Schuhen hatte sich in den Jahren nicht geändert. Würde er irgendwann mal irgendwo mit ungeputzten Schuhe erscheinen, würde Snowcat sehr vorsichtig sein, denn dann war der schwarze Zwerg wahrscheinlich übernommen worden. Ansonsten trug Blackstone heute eine leichte, aber lange schwarze Stoffhose, ein weißes Hemd und eine weiße Oakley-Sonnenbrille mit orange getönten Gläsern. 

Steel war auf den ersten Blick nirgends zu sehen. Dennoch parkte er ebenfalls dicht in Bloods Nähe, als oder besser in einem Motorrad. 

Metge, er hatte sich in irgendeinem Anzug geworfen, von dem er wohl glaubte, dass man ihn derzeit in L.A. standardmäßig tragen würde und der durchaus okay, jedoch nicht gerade von hoher Qualität war, stand neben Average und die beiden unterhielten sich, während man noch auf letzte Anweisung durch das ‚Personal der Airline‘ wartete.  Selbstverständlich musste Metge zu Average auf sehen, bei Zwergen war das nun mal so. 

Average bot einen ungewohnten Anblick. Er trug ein schwarzes T-Shirt, -seine Wampe war einige Zentimeter kleiner geworden- dazu eine schwarze Cargohose, schwarze Sneeker und eine verspiegelte Sonnenbrille. Der mechanische Steampunkdrache saß auf seiner Schulter und Chido stand mit starrem Blick an seiner Seite. 

Um sicher zu gehen, kontrollierte es Snowcat noch mal, doch nein, Average hatte sich keinen Fehlgriff geleistet. Das grenzte schon fast an ein Wunder, dachte sie in sich hinein und grinste dabei.

Shark Finn hatte sich optisch schon voll auf den Surfer-Boy aus Kalifornien eingestellt. Er trug eine helle 7/8-Hose, leichtes Schuhwerk und ein Oakley Sonnenbrille, die der von Blackstone nicht unähnlich war, nur war seine eben Schwarz. Finns rotblondes, schulterlanges gelocktes Haar und sein gebräunter Teint passten dazu ebenso, wie seine zwei riesigen Taschen - und in einer davon befand sich tatsächlich Surfequipment. 

Snowcat selbst trug einen schwarzen Catsuit. Genauer gesagt einen Urban-Explorer Jumpsuit aus einem leichten modernem Material mit abnehmbaren Ärmeln, der in doppelter Hinsicht maßangefertigt worden war. Erstens saß er figurbetont und wie angegossen und zweitens konnte man hier nicht, wie bei anderen Modellen aus der Linie, farbliche Applikationen zuschalten, denn dieses Feature hatte für die (Lack)Leder-Optik weichen müssen. Snowcat konnte jetzt einzig und allein zwischen mehr Lack oder mehr Leder variieren. Die Spezialanfertigung hatte sie vor über drei Jahren ihre ersten Verdienste als Shadowrunner gekostet. Früher hatte sie fast nur schwarz und den gepanzerten Anzug sehr oft getragen. Derzeit war ihr nur noch selten danach, aber das Teil sah immer noch so gut wie neu aus und Snowcat sah darin immer noch heiß aus, auch mit der leicht gebräunten Haut und dem nun silberblonden Haar, dass eine kleine Spur unauffälliger war als ihr eisweiß. Sie grinste. Unauffälliger war eigentlich geprahlt, aber unauffällig wollte sie auch nicht sein. Zum Schutz der Kopfhaut trug sie ein Bandana

Metge war nicht der einzige Neue, der hier auf dem illegalen Flugfeld in den Barrens stand. 

Nicht weit von Blood wartete ein menschlicher Mann, gerade etwas mehr als 1,70 m groß, schlank, offenbar asiatischer Herkunft, mit schwarzem, kurz geschnittenem Haar, der in eine schwarze Stoffhose, eine schwarze Weste mit chinesischen Schriftzeichen, ein weißes Hemd, einen schwarzes langen Mantel und schwarze, weiche Schuhe gekleidet war. Fast wäre Snowcat der Asiate gar nicht aufgefallen. Er reihte sich einfach nahtlos in das vorhandene Bild ein. Das war also der Kontakt, von dem Blood erzählt hatte.

Blood kannte den Mann aus dem Dojo in das er regelmäßig ging um zu trainieren und zu meditieren, obwohl Sangre y Acero keine asiatische Kampfsportart war. Wie genau das Verhältnis zwischen den beiden war, wusste Snowcat nicht. Doch Blood hatte nachgefragt, ob der Mann nicht mal auf einen Proberun kommen könne und Doc hatte sein Okay ebenso gegeben, wie Mystère, Blackstone und sie selbst. 

Snowcat lächelte in die Runde und die Gruppe von Runnern hätte von der Ausstrahlung her auch eine Gruppe von Freunden sein können, die sich auf einen Campingausflug begeben wollte, gewürzt mit einer gewissen Aura der Gefahr.

Blood stellte den Neuen als Chang vor, der daraufhin schüchtern lächelte und sich verbeugte. 

Im Anschluss fragte Blood in Richtung Motorrad, „Soll ich dich schieben?“

Worauf Steel mit übertrieben laut aufheulenden Motor in die Transportmaschine fuhr.

Blackstone und Shark Finn nahmen Snowcat in die Mitte und setzten sich neben sie. 

Wie selbstverständlich verabschiedete sich Seattle mit einer gehörigen Portion Regen von den Runnern. 

In L.A. würde es wohl keinen Regen geben, aber L.A. war eben völlig anders als Seattle. 

Snowcat hatte Changs Anwesenheit fast vergessen, als er sagte, „Die Sonne scheint bei Regen auch über den Wolken.“

Snowcat sah in Richtung Fenster. Se waren noch nicht über die Wolkengrenze hinaus und von der Sonne war noch nichts zu sehen. Sie blickte zu Chang, der entspannt, in gerader Haltung und mit im Schoss gefalteten Händen auf seinen Platz saß. Er lächelte leicht und betrachtete Snowcat einen Augenblick.

Snowcat schmunzelte in sich hinein, lächelte charmant zurück und öffnete dann ihr Kunstgeschichte Buch. Da heute Sonntag war, gab es noch keine Vorlesungen nachzuholen. Das berühmte Werk - eine Biografie seiner Zeitgenossen - von Giorgio Vasari, der im 16.Jahrhundert gelebt hatte, war immer noch DAS Buch der Kunstgeschichte. Historisch waren die Biografien an einigen Stellen ungenau, doch es gab einfach kein anderes so umfassendes Werk. Immerhin hatte Vasari die 108 Männer über die er geschrieben hatte, zum Großteil persönlich gekannt, darunter Donatello, Raphael und Leonardo da Vinci. Zudem hatte er als Zeitzeuge Werke von den Künstlern gesehen, die heutzutage nicht mehr erhalten waren. Vasari galt praktisch als der erste Kunsthistoriker überhaupt und er hatte immerhin der Begriff der Gotik eingeführt und als erster von der Renaissance gesprochen. 

Snowcat Kopie des von Vasari teilweise selbst illustrierten Werks, war nicht nur zweisprachig -auf Englisch und im Italienischen Original - und verfügte über zahlreiches Bildmaterial zu den beschriebenen Werken, ihre Datei enthielt auch eine Unmenge von Ehran geschriebenen Anmerkungen. Ehran wies auf so manchen historischen Fakt hin, stellte eine politische Situation oder Gegebenheit dar oder machte die eine oder andere Bemerkung die klang, als wäre sie mehr an ihn selbst gerichtet, wie ‚Demnächst muss ich wohl auch die Übersetzung selber anfertigen.‘  Dieses komplette Paket fesselte Snowcat so, dass sie alles um sich herum vergass und während sie das las, ließ sie das eine oder andere Gespräch mit Ehran im Geist Revue passieren. Ihr Kopf konnte beides gleichzeitig verarbeiten und als er das tat, stellte er urplötzlich einen Zusammenhang an unerwarteter Stelle her. 

Snowcat hatte in den letzten Wochen und sogar Monaten immer wieder philosophische Gespräche mit Ehran oder Harlequin geführt und gerade war ihr bewusst geworden, dass die Beiden auf völlig unterschiedliche Art von den selben Dingen gesprochen hatten. 

Harlequin hatte plaudernd von den spannenden Reise auf verschlungenen Pfaden erzählt, die jeder im Leben so machte - das Ganze stets gewürzt mit der einen oder anderen Anekdote - und davon, wie sich die Welt und man sich selbst mit der Zeit änderte und zudem alles durch die veränderte innere Einstellung in einem anderen Licht betrachtete. Das neue Licht verhalf einem dann zu Einsichten, die man vorher noch nie gehabt hatte.

Ehran hatte über das Rad des Lebens doziert und dabei erklärt, wie man in verschiedenen  Lebensabschnitten sich selbst und die Welt erkundete und sich so nach und nach immer mehr Fakten offenbarten und Geheimnisse entschlüsselten, jedoch erst wenn man selbst dafür bereit war. 

Sowohl Ehran als auch Harlequin hatten dafür natürlich jede Menge Worte benutz und bis eben hatte Snowcat vor allem bei Ehran darin nur eine Begründung gehört, warum er ihr nur selten alle Fakten gab. Doch darum war es Ehran nicht gegangen. Hierbei hatte es sich wirklich um die Einstellung zum Lauf der Welt gehandelt und die teilte er mit Harlequin.

Shark Finn funkte Snowcat an, ‚Hey, der Neue beobachtet dich, oder sieht dich zumindest gerne an.‘

Snowcat nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. Aber mal ehrlich, verwunderlich war das nicht. In einer Transportmaschine gab es auf einem Flug nicht sonderlich viel Interessantes zu sehen. Da lag Changs Wahl nahe. Natürlich war auch die Vorsicht von Finn verständlich. Chang war der Neue und Shark Finn hatte immer auch Snowcats Schutz im Sinn, selbst wenn sie wie jetzt eigentlich nur gemeinsam auf einem Run waren. 

Katze saß am Fenster und gähnte gelangweilt.

[Song 2: Mower - California Dreamin’] L.A. war gar nicht so heiß, wie Snowcat einmal geglaubt hatte. Jedenfalls nicht, was die Temperaturen anging.

L.A. war einfach nur trocken. Es regnete hier im Mai durchschnittlich nur 0,6 Tage lang. 

Dennoch hatte es die Sonne in den letzten 4 Jahren nicht geschafft das Wasser, welches der Tsunami zurück gelassen hatte, zu reduzieren. Jedenfalls nicht an allen Stellen. Wie weit nun etwas über oder unter dem Meeresspiegel lag, war auf magische Art verschoben worden. Ein, - da waren Snowcat und Mystère sich einig- , höchst faszinierender Umstand. Zudem hatte sich nach den Twins ein sogenanntes ‚Ersetzendes Alchera’ materialisiert und unter einem Teil des Sprawls eine Landschaft aus Höhlen und Lagunen gebracht, die bisher immer noch nicht wieder verschwunden war. Die Gerüchte darüber hatten sich erst vor gut einem Jahr bestätigt. Seitdem Snowcat während des Studiums mehr magisches Hintergrundwissen besaß, war ihre Neugier in diesen Punkten noch größer geworden. 

Stadt und Run waren interessant und so verließ Snowcat die Transportmaschine in freudiger Erwartung auf das, was da immer kommen möge. Sonnencreme mit dem Faktor 50+ hatte sie vorsichtshalber jedenfalls aufgetragen und das trotz leicht magisch vorgebräunter Haut. Schließlich wusste man ja nie, wann man sich plötzlich in einer Gegend mit magischer Hintergrundstrahlung wieder fand und einen gewisse Fähigkeiten verließen. Schon gar nicht in einer Stadt wie L.A.

Auf dem privaten Teil des John F. Kennedy-Flughafens erwartete das Team keinerlei Kontrollen, das war im Service von Shadow-Flight-Airlines inbegriffen. 

Und natürlich war L.A. eine verdammt heiße Stadt, wenn man eben nicht von den Temperaturen sprach. 

Am Hangar standen drei Wagen. Ein feuerroter Eurocar Westwind der aussah, als stünde er in Flammen, eine Rover SUV und ein Bulldog-Stepvan Transporter. Als Average den Westwind sah, bekam er leuchtende Augen. 

Snowcat schmunzelte. Der Wagen hatte Average so beeindruckt, dass er den sonnengebräunten, blonden Mann mit dem Lächeln aus der Zahnpasta-Werbung glatt übersehen hatte. Der Westwind gehörte Doc Hollywood, der im Freizeitanzug lässig an den Wagen gelehnt stand - und der würde Average seinen Wagen ganz sicher nicht fahren lassen. 

Zur Freude von Hollywood küsse Snowcat ihn zur Begrüßung auf die Wange.

Er übergab ihr die Schlüsselcodes für die beiden Wagen, die Keycards für das Safehouse und dann nannte er Snowcat die Adresse, „Kann ich sonst noch etwas für euch tun?“, fragte er.

Snowcat lächelte charmant, „Nein, erstmal nicht. Wenn was ist, melde ich mich und ich setze darauf, dass wir in den nächsten Tagen einen Kaffee zusammen trinken gehen.“

Doc Hollywood strahlte, „Ja, aber unter zwei Bedingungen. Ich darf dich einladen und das Café aussuchen.“

Snowcat hob eine ihrer schmalen Augenbrauen, „Hmm? Dich das Café aussuchen zu lassen, ist schon sehr gewagt.“ Sie zögerte und lächelte dann kokett, „Aber ja, ich werde mich dennoch darauf einlassen.“

Snowcat entschied den Landrover zu fahren. Mystère, Shark Finn, Blackstone und Chang stiegen bei ihr ein, während Metge und Chido im Bulldog bei Average mitfuhren. 

Blood fuhr Motorrad. Halblaut meinte er, „Irgendwas ist bei der Einteilung eben falsch gelaufen, wir wollten doch, dass Snowcat auf dir fährt.“

«Du müsstest halt besser Auto fahren können.», konterte die Stimme von Steel.

„Dann wäre Snowcat immer noch im Wagen geblieben.“, rief Shark Finn ihnen zu, „Hinter getönten Scheiben ist sie eifach sicherer.“

Blood grinste wölfisch und dann fuhr er mit Steel vor. Die Vorstellung, dass das Gehirn des Mannes jetzt in dem Motorrad schwappte und er so das Motorrad war, fand Snowcat weiter ein wenig befremdlich. 

Ihr Safehouse lag direkt in Malibu. Einst Vorort, Gegend für die Elite von L.A. und berühmt für seine Strände, war das Gebiet nach den Twins in den Bereich ‚schlechte Gegend‘ katapultiert worden. Ein Großteil der Häuser war im Meer versunken oder zumindest während des Tsunamis soweit zerstört worden, dass sie nicht mehr bewohnbar gewesen waren. Es gab hier alle Arten von unterschiedlichen Zerstörungsgraden und geplündert hatte man sie inzwischen alle.

Auch von den Strassen war nicht mehr sonderlich viel Qualität übrig und so bewegte man sich auf Überresten von Strassen zwischen zur Hälfte versunkenen Palmen auf stellenweise matschigem Untergrund und arbeitete sich von ‚Insel‘ zu ‚Insel‘. In der Umgebung musste der Wagen vorsichtshalber einen hohen Radstand haben und abgedichtet sein oder man fuhr gleich einen Hovertruck. Von der sichtbaren Strecke abzukommen war nicht ungefährlich. 

Sie schlängelten sich unter strahlend blauem Himmel durch die Gegend, folgten den Wegen zu ihren Koordinaten und hielten irgendwann auf eine Insel mit einem geräumigen Haus und einem Bootssteg zu. Der Steg sah aus, als wäre er jüngeren Baudatums und ein Motorboot und vier Jetskies waren daran fest gemacht. Hollywood hatte vor der Taser-Diebstahl-Sicherung der Wasserfahrzeuge gewarnt, aber Tote trieben nicht daneben, also hatte wohl niemand versucht, sich die Teile zu beschaffen.

Bei dem Haus handelte es sich um eine kleine Villa, die sicher schon bessere Tage gesehen hatte, aber äußerst stabil wirkte, mit 2 Etagen, großen Fenstern, die so eingestellt waren, dass man nicht hinein blicken konnte und flachem Dach, die der Tsunami im Gegensatz zu ihren Nachbarn, nicht weggerissen hatte. Das Haus stand somit einzeln auf einem grasbewachsenem Hügel an dessen Rand fünf Palmen standen. 

Sie parkten direkt vor dem Haus. Chido schnüffelte in der Gegend herum und bedachte Average mit kalten Blick, als dieser ihn rief. Doch zumindest folgte der Mähnenwolf der Anweisung gehorsam. 

Snowcat zog die Schlüsselkarte durch das Schloss und gab im Anschluss zusätzlich einen Code ein. Nichts, was einen Hacker aufgehalten hätte, aber ein 0 8 15 Plünderer würde nicht so leicht einbrechen können, zumal die Tür schwer war, also aus einem verstärkten Material bestand. 

Zu Snowcats Überraschung fand sich hinter der verstärkten Tür eine weitere Gittertür. 

Blood betrat das Gebäude zuerst, dann folgten die anderen. Shark Finn trug Snowcats Gepäck. Steel bleib vor dem Haus stehen, was sich ein wenig merkwürdig anfühlte, aber bei einem Cyborg musste man sich einfach vom normalen Denken freimachen, genauso wie bei einigen anderen Wesen mit denen man es als Shadowrunner zu tun bekam. 

Im Inneren stellte sich zunächst heraus, dass das, was von Außen wie Fenster ausgesehen hatte, gar keine Fenster waren. Das waren Bildschirme hinter verstärkten Wänden. Das Haus besaß einen geräumigen, passabel eingerichteten Wohnbereich mit offener Küche, vier Schlafzimmer, von denen Snowcat als einige Frau im derzeitigen Team, eines für sich ganz allein haben würde, und drei Bäder. Die Klimaanlage funktionierte, das Haus war angenehm temperiert und besaß neben der Vorder- eine Hintertür und eine Dachluke als Zugang.

Als Snowcat die Dachluke inspizierte, stießen sie und Shark Finn auf Chang, der sich offenbar ebenfalls ganz genau ansah, wie man hier raus und rein kommen konnte. 

Im Kühlschrank der Küche befanden sich Bier, Wasser, Saft und einige Dosen koffeinhaltiger Getränke. Der Vorratsschrank war mit Soykaf-Bechern, Fertiggerichten und ähnlichem gefüllt. Nichts Dolles, aber gut genug, um damit längere Zeit überleben zu können. Average begann bereits damit alle Dosen und Schachteln mit dem TAG-Eraser zu bearbeiten. 

Shadowrunner beschäftigten sich aus Gewohnheit nicht sonderlich viel mit dem Auspacken, also versammelten sie sich schon einige Minuten nach ihrer Ankunft im Wohnzimmer des Safehouses.  

„Wonach soll ich denn nun suchen, um diese Landung zu finden? Habt ihr irgendwelche Stichworte für mich?“, fragte AvEraGe sofort voller Tatendrang.

Snowcat lächelte ihn an, „Ja, das ist ein gute Frage, die ich mit Mystère schon diskutiert habe. Im Großen und Ganzen könnte die Ladung aus allem bestehen, aber es muss ja einen Grund geben, warum man sie von L.A. aus abtransportieren lässt. Die Gegend um L.A., besonders die Mojave Wüste, ist voll von Telesma, allerdings ist das Suchen und Finden dort beschränkt oder sogar verboten. Deshalb gehen wir von 3 Möglichkeiten aus. Entweder hat Pyramid irgendwo das Suchen bestimmter Materialen in Auftrag gegeben oder sie haben in den letzten Tagen alles vorhandene Material aufgekauft oder die Ladung wird einfach nur über ein Zwischenstopp in L.A. weiter transportiert. Wir nehmen aber an, dass man auch bei Möglichkeit drei schmuggeln wird, denn im PCC sind die Gesetzte sehr streng, was das Ernten von Telesma angeht.“ Snowcat hatte weit ausgeholt, um alles zu erklären, darum holte sie nun tief Luft, „Also höre dich nach Orten oder Leuten um, an, beziehungsweise bei denen, man Telesma kaufen kann und schau, ob irgendwo mehr Telesma gekauft wurden. Sollte das nichts bringen, sehen wir weiter und kümmern uns eventuell um Pyramid Arcane Supplies direkt.“

Average zögerte, „Ähm und das Telesma kann jetzt wirklich alles sein?“

«Hat sie doch gesagt.», funkte Steel im barschen Ton dazwischen, «Such einfach nach dem Begriff Telesma.»

Average hob die Hand, „Ja, mache ich ja gleich. Ich wollte es nur besser verstehen.“

Snowcat erklärte, „Telesma kann tatsächlich alles sein, aber nicht alles eignet sich gleich gut. Je reiner, natürlicher oder magischer das Material ist, desto besser ist es geeignet und gerade für schwierige Rituale werden sie gutes Telesma brauchen und Gestein aus der Wüste ist gut. Zähne oder Klauen von Crittern wären noch besser und so weiter.“

Blackstone frage nach; „Wie ist es denn eigentlich mit Metamenschen. Könnte es sich nicht auch um Metamenschen bei der Ladung handeln?“

Snowcat erwiderte, „Das könnte rein theoretisch so sein. Doch an metamenschliches Material würden die Aztlaner im Kriegsgebiet viel leichter kommen. Wenn es um Lebendiges geht, kämen mir eher Critter in den Sinn.“ Etwas von dem Snowcat hoffte, dass es das nicht sein würde.

Blackstone zuckte erst mit den Schultern, nickte dann aber zustimmend. 

Average rieb sich die Hände, „Also keine weiteren Parameter?“, fragte er nach.

«Man, Average,» fauchte Steel, «magische Parameter nützen Dir gar nichts. Oder bist du jetzt doch magisch?»

„Nein, das nicht, aber…“

Blood unterbrach ihn, „Hör auf, von Zeug zu quatschen, von dem du keine Ahnung hast und such einfach.“

Metge hob eine Augenbraue und Average zog die Stirn in Falten, machte sich dann aber an die Arbeit. 

Schon nach wenigen Minuten, es war jetzt kurz nach 11.00 Uhr, sah Average in die Runde der Anwesenden, „Okay. ich hab jetzt was. Also: Die erste gute Anlaufstelle für Telesma ist Hahn Island. Eine Zeltstadt, die auf dem nicht versunkenen Gelände des ehemaligen Hahn Parks entstanden ist und durch Boote erweitert wurde. Da gibt es kaum Kameradrohnen, denn die Drohnen, die sich blicken lassen werden abgefangen, runter geholt, in ihre Einzelteile zerlegt und verkauft. Auf Hahn Island kann man dafür wirklich alles kaufen, auch Telesma aus der Mojave Wüste. Nebenbei gesagt, Telesma gibt es in der Wüste wirklich eine Menge und das Sammeln und Verkaufen ist tatsachlich nur Wenigen erlaubt. Ich hab noch ne Datei mit eine Liste von Material angelegt, das es in der Wüste so gibt.“ Average schob eine Datei ins Teamnetzwerk. „Da könnt ihr ja mal gucken, wenn euch das genauer interessiert.“

Blood wollte wohl etwas sagen, aber Snowcat stoppte ihn mit einem Blick. Sie selbst war erfreut über Averages Engagement. Es war gut, wenn er mehr machte als sonst und man ihn nicht um jede einzelne Suche bitten musste. Sie wollte seinen Eifer in keinem Fall dämpfen.

Average fuhr fort, „Generell sind die Burning Angels, oder auch die Los Ángeles Ardientes, wie sie lieber hören, ein guter Tipp, wenn es um Telesma geht.“

Ein Fakt, der Snowcat nicht überraschte. Sie wand ein, „Das sie etwas darüber wissen, ist sogar sehr wahrscheinlich, denn sie arbeiten wohl öfter mit Aztechnology zusammen, heißt es. Allerdings sollten wir die nicht fragen, denn sie würden sicher hellhörig werden und petzen.“

„Also sprechen wir mit ihren Feinden.“, wand Mystère ein.

Snowcat nickte, „Das denke ich auch. Ein Feind der Gang sind die Ancients, aber bei denen zu fragen, würde ich lieber auch hinten anstellen. Ich besitze gute Verbindungen dahin, aber die will ich nicht früher als unbedingt nötig auf uns aufmerksam machen.“ 

Blackstone nickte zustimmend. Snowcat war sich ziemlich sicher, dass sie jede Auskunft von Roza und ihren Mädchen und Jungs erhalten würde. Und sie war sich ebenso sicher, dass Roza die Anfrage nicht für sich behalten würde. 

Sie lächelte Average an, „Das war schon mal ne Menge. Doch ich habe dich unterbrochen. Hast du noch mehr?“

Er nickte, „Es gibt da noch das Koshari-Syndikat. Eine indianische Verbrecher-Organisation, die ihr Geld in Prostitution, Glücksspiel, Telesma-Schmuggel und Tempo-Deal machen. Ich hab sogar einen Anlaufstelle, den Black Snake Shop und sein Besitzer Peter Blacksnake in Covina. Und weil eben das Wort Konkurrenz fiel, die Koshari befinden sich auf dem Kriegspfad mit den Anasazi, die wiederum die Wüste als ihre Heimat betrachten. Der Kriegspfad geht soweit, dass sie gegenseitig ihre Skalps jagen. Also im wahrsten Sinne des Wortes jagen die einander und schneiden sich total widerlich die Skalps ab. Die Anasazi arbeiten übrigens gern mit den Burning Angels zusammen.“

„Womit sich der Kreis schließt.“, meinte Snowcat. „Sehr gut Average, danke dir.“

Metge fragte, „Und wo wollen wir nun mit der Suche beginnen?“

„Mir scheint der Black Snake Shop am vielversprechendsten. Die könnten wissen, was ihre Konkurrenz macht oder zumindest könnten sie es herausfinden.“, meinte Snowcat.

„Und was willst du da machen?“, wollte Average wissen, „Ich meine, wenn du einfach fragst und noch nicht weißt, wo nach wir suchen, wird man dir Nichts sagen.“

Snowcat zuckte mit den Schultern, „Ich werde mich vortasten. Erstmal fragen, was es gibt und dann sehen.“

„Hmm?“, Average schien nicht überzeugt. „Ich weiß ja nicht, wie das bei magischen Sachen so ist…“

Diesmal unterbrach ihn Steel, «Genau, Du weiß nicht wie das ist. Also hör auf, immer über Themen zu reden, von denen Du nichts verstehst.»

Blood fügte hinzu, „Kümmere dich besser um die Dinge, die du verstehst, wenn du überhaupt etwas verstehst.“

Metge blickte in die Runde und sah Average an, „Ich bemerke eine gewisse Aggression bei Steel und Blood Dir gegenüber, ist da etwas vorgefallen, was wir klären müssen?“

Average zuckte mit den Schultern „Ja, ich hab auch schon eine gewisse Feindseligkeit mir gegenüber bemerkt. Aber ich wüsste jetzt nicht, was ich falsch gemacht hab.“

Blood meinte kalt, „Mir gehen nur deine andauernden unnützen Zwischenfragen auf die Nerven. Tu was Nützliches oder halt die Klappe.“

Snowcat lenkte ein, „Gerade heute hat Average schon eine Menge Nützliches geleistet, also lasst mal gut sein,“

Average sah etwas bedripst rein, „Ich weiß aber echt nicht, was ich Falsches gesagt habe.“

Chang meldete sich überraschender Weise zu Wort. Er sagte an AvEraGe gewandt,  „Ein altes chinesische Sprichwort sagt: Nicht die Worte, sondern deine Taten bestimmen dein Leben!“ 

Blood grinste und Steel meinte, «Jetzt erinnere ich mich, Du hast erzählt, Chang ist ein wandelnder Glückskeks.»

Snowcat verkniff sich ein Lachen. 

„Also zum Black Snake Shop.“, fasste Average zusammen, „Ich glaub zwar nicht, dass die was über ihre Geschäfte verraten, aber gucken wir mal.“

Snowcat lächelte Average an, „Irgendwo müssen wir ja anfangen und Average, hast Du jemals erlebt, dass mir irgendjemand gar nichts sagt?“

„Hmm,“ gab Average zu, „Stimmt schon, wenn man den Snowcat-Faktor berücksichtigt, bekommen wir vielleicht doch etwas raus.“

[Song 3: O Brown feat B-Real - Los Angeles] Bis nach Covina waren es gut 40 Meilen und da sie nach knapp 10 Meilen auf Instand-gesetzte Hauptstrassen umsteigen konnten, kamen sie gut voran und erreichten nach unter einer Stunde das Zielgebiet. 

Die Gegend hier war kaum besser als die Marschen von Malibu. Auch hier war viel überflutet, dafür war es hier aber stärker besiedelt. Von den Schönen und Reichen fehlte zudem ebenso jede Spur, wie vom Glanz Hollywoods. Dafür gab es jede Mange Gangs, Metas, Indios und Latinos und das alles in jeder möglichen Kombination. Setzte man die in einem Sprawl üblichen Gesetze an, so war davon auszugehen, dass die Meisten in der Gegend eine Zugehörigkeit zum Koshari-Syndikat besaßen. 

Die jugendlichen Metamenschen, die am Strassenrand herum lungerten, unterschieden sich nicht sonderlich von denen in schlechteren Gegenden von Seattle, sie zeigten auf Grund der Wetterlage nur etwas mehr Haut. 

Ihre beiden Wagen und Blood, der auf Steel fuhr, wurden genauesten beäugt, als sie vorbei cruisten. Die Autos waren zu verbeult, um interessant zu sein und Blood strahlte zu viel Gefahr aus, um leichte Beute darzustellen. Raubtiere erkennen einander und Blood und Steel hätten wohl dutzende der Ganger zum Frühstück verspeisen können.

In der Nähe des Blake Snake Shops gab das Blood-Steel-Duo Gas und überholte. «Vier Ganger halten von gegenüber Ausschau.», meldete Blood kurz darauf.

Average, der mit Metge, Blackstone und Chido unterwegs war, parkte so, dass er den Rover immer noch sehen konnte. 

Snowcat hielt an der Ecke. Sie, Shark Finn, Mystère und Chang legten die letzten paar Meter zum Geschäft zu Fuss zurück.

Snowcat warf aus dem Augenwinkel einen Blick auf die vier Metamenschen, die den Laden im Auge behielten. Ihre Hosen saßen tief, sie trugen Panzerfesten über sonnengebräunten Oberkörpern und bunte Bandanas. Einer tippte seinem ‚Atze' mit dem Ellenbogen in die Seite, um ihn auf die 'aufgebitchte Braut' aufmerksam zu machen, dieser grinste nur breit. 

Shark Finn öffnete die Tür und warf einen Blick in den Snake Shop, bevor er Snowcat eintreten ließ.

Es duftete nach Kräutern und Tabak. In den Regalen standen Medizinbeutel, Talismane, Kräutertees, Glückssteine und diverser anderer Schnickschnack umher. Die Auswahl an Traumfängern war riesig, aber magisch war hier absolut nichts, wie Snowcat nach einem astralen Blick feststellte. Chang war nahe der Tür stehen geblieben, Shark Finn blieb dicht bei Snowcat und Mystère und sie traten an die Theke. 

Justament kam aus einem Hinterzimmer ein alter Ameri-Indianer durch einen Vorhang. Er lächelte Snowcat freundlich an.

Snowcat versuchte sich vorsichtig an das Thema heranzutasten und fragte nach echten Telesma, woraufhin ihr der Mann verriet, dass es verboten war Steine aus der Wüste zu verkaufen, aber er könne ihr seine besten Medizinbeutel zeigen. Als er sich hinter den Tresen bückte, trat Shark Finn ein Stück vor und schob Snowcat hinter sich.

Als Black Snake wieder auftauchte, war dieser äußerst verwundert und fragte sich kurz wo Snowcat denn abgeblieben war. Der Mann hatte keine Schrotflinte, sondern tatsächlich nur einen Medizinbeutel in der Hand. Allerdings war dieser ebenfalls völlig magielos, obwohl Snowcat nicht ausschloss, dass sich darin reine Materialien befanden. 

Sie wagte einen zweiten verbalen Anlauf und Mystère unterstützte sie, doch dann wurde ihr klar, dass das nichts werden konnte. Der Ameri-Indianer konnte Snowcat gar nicht trauen. Also kam sie direkt zur Sache, „Ich möchte Informationen kaufen. Ich möchte wissen, ob irgendwer in den letzten Tagen oder Wochen gute Telesma in größeren Mengen gesucht oder aufgekauft hat und wenn ja, worum es sich dabei handelt. Ich glaube, dass sie diese Informationen besorgen können. Wenn sie sich vorsichtig danach umhören können, bin ich beriet, dafür zu bezahlen.“

Blake Snake hatte bis eben so ausgesehen, als verstünde er nicht, worauf sie hinauswollte. Als Snowcat die Bezahlung erwähnte, begann er zu grinsen. „Wie viel?“, fragte er nur.

„500 NuYen, 100 als Anzahlung.“

Er nickte.

Sie lächelte, „Fein, dann kommen wir morgen wieder, sagen wir ungefähr um die gleiche Zeit?“

Black Snake meinte nur, „Abgemacht.“

Sie suchte sich noch einen schönen Traumfänger aus und bezahlte 120 NuYen ‚dafür‘.

«Auf zur nächsten Adresse, der Hahn Insel.», meinte Snowcat zufrieden. Das eben konnte man zwar nicht gerade als Erfolg verbuchen, aber es war auch kein Fehlschlag gewesen. Ob es was gebracht hatte, würden sie erst morgen erfahren, aber so war Beinarbeit nun mal. 

Nach über einer Stunde umherlaufen auf der Hahn-Insel hatten Snowcat und die anderen ein ziemlich gutes Bild davon, wie es hier zu ging. 

Um es kurz zu machen, niemand hatte im größeren Umfang bestimmte Telesma aufgekauft oder danach gesucht. Alles bewegte sich im normalen Bereich. Die Variante mit dem grundsätzlichen Aufkauf von Telesma rückte nach hinten. Wenn sie mit dem Weitermachen nicht bis morgen warten wollten, dann brauchten sie einen neuen Ansatz.

Mit einem kurzem Teamgespräch zum Ideensammeln, fanden sie etwas. Wenn Pyramid Arcane Supplies Telesma-Suche oder Schmuggel in Auftrag gegeben hatte, dann würden Mitarbeiter sich mit Kontakten treffen müssen.

«Dann höre ich mich also gleich mal nach Suits oder gar Execs von Pyramid um, die sich mit Gangern oder Telesma-Verkäufern getroffen haben.», bot Average an.

Blood brauste auf, «Aber doch nicht gleich im Wagen, wo wir Gefahr laufen, dass man währenddessen Teile vom Auto abschraubt, um sie zu verhökern.»

Generell war Snowcat regelrecht begeistert von Averages Tatendrang, doch auch wenn Snowcat es anderes ausgedrückt hätte, im Punkt Sicherheit hatte Blood recht. Im freundlichen Ton sagte sie, «Average, Du hast die Suchanfrage genau richtig zusammen gefasst, aber bis wir wieder im Safehouse sind, muss das noch warten.»

«Okay.», kam von Average zurück.

Im Safehouse übergab Shark Finn Snowcats Sicherheit an Blackstone, um unter den wachsamen Sensoren von Steel eine Runde auf dem Wasser zu surfen. 

Snowcat nahm sich aus dem Vorratsschrank eine Portion Gemüsegratin, in der sich entgegen des ansprechenden Bildes weder Brokkoli, noch Tomaten, Pilze oder gar Käse befanden und erhitzte sie in der Mikrowelle. 

Snowcat hatte den ersten Bissen ihrer absolut vollwertige Soymahlzeit noch nicht mal richtig runtergeschluckt, als sich Average schon mit Informationen meldete. Täuschte sie sich oder war auf seine Wangen im sonst so ungesund grauen Teint ein zartes Rosa getreten? 

Average berichtete, „Es gibt einen Club, der den selben Namen trägt, wie sein Besitzer: Gnacher, Das ist eine Mischung aus Dance- und Fight-Club mit viel Leder und Nieten und so. Im Gnasher finden jeden Abend Mano a Mano, also Mann gegen Mann oder auch Frau, Kampfveranstaltungen statt und außerdem wird dort auf Trids aztlanischer Bloodport übertragen. Auch Live. Das ist ein Club mit ziemlich hartgesottener Kundschaft, doch wer unter den Gästen eine Prügelei anfängt, findet sich schnell im ‚Käfig‘ wieder, damit er das dort austragen kann. Auf die Kämpfe kann auch gewettet werden.“ 

Average schob einen AR-Flyer ins Teamnetzwerk. Dann fuhr er fort, „1x im Monat veranstaltet Gnasher im Gnasher eine spezielle Fight Night, in der Paracritter gegen Paracritter kämpfen.“ Average machte eine kurze Pause, denn jetzt kam er zum wichtigen Punkt, „Und dort hat sich ein Pyramid Exec mit Anasazi getroffen. Bilder habe ich leider keine und auch keine Namen. Es gibt zwar angeblich Bilder von der Nacht im Club, aber ohne P2.0 Rating hab ich keinen Zugriff darauf, denn die wurden nur da geteilt. Und das P2.0 Netzwerk kann man nicht hacken.“

„Man nicht, oder du nicht?“, wollte Blood wissen.

Snowcat antwortete für Average, „Man. Wie auch immer das funktioniert. Sparky und Arcade haben auch gesagt, dass P2.0 nicht gehackt werden kann und hinzugefügt, dass das zwar so nicht ganz korrekt wäre, man könne alles hacken, aber bei P2.0 würde sich der Aufwand nicht lohnen, ein Fake würde keine 3 Sekunden halten und das Risiko, von jeder Menge Ärger wäre auf einem Run zu groß.“ 

Average nickte mehrmals, dann sagte er „Ich habe hier noch ein paar Connections. Vielleicht können die mir eine P2.0-Einladung besorgen?“ Er lehnte sich zurück und ging voll VR.

Eine von Snowcats SIN’s hatte ein P2.0-Rating, sie hatte die Einlandung von keiner Geringeren als Roza Azul, dem Captain der Ancients hier in L.A. für den Preis von 10.000 Y erworben. Das war auch gleich ein Grund, warum sie ihren Account nicht bei der ersten Anfrage nutzen wollte. 

Die betreffende SIN war genau die, mit der sie vor einigen Tagen in New York gewesen war. Auf der Horizon-Theme-Park-Eröffnung hatte ihr Rating einen gewaltigen Push nach oben erfahren und zwar in allen drei Ratings und das, obwohl sie nicht einmal in L.A. gewesen war. Dies war ein weiterer Grund, warum Snowcat sehr vorsichtig dabei sein würde, im welchen Zusammenhang sie ihren Account aktivierte.

Average blickte missmutig drein, „Die Chummer sind irgendwie nicht online. Egal. dann muss ich mich eben in den Club hacken.“

Snowcat nickte, „Eine sehr gute Idee, Average. Wie wäre es, wenn du bis heute Abend wartest? Wir könnten in den Club gehen und uns dort Real Life umsehen. Du hackst dich vom Auto aus rein. Vielleicht gibt es ja etwas, was wir vor Ort zusätzlich raus bekommen können. Oder wir können jemandem folgen oder ähnliches.“

Mystère rieb sich das Kinn, „Hört sich doch gut an. Als Ablenkung oder um an Kontakte zu kommen, könnten Blood und Chang in den Käfigen gegeneinander kämpfen.“

„Genau, Chang.“ sagte Blood in Richtung des unauffälligen Menschen. „Dann bekämen die mal ein paar echte Experten zu sehen. Hey,“ Blood sah zu dem anderen Neuen, dem Zwerg rüber, dem das Thema nicht sonderlich zu behagen schien, „und Metge kann zeigen, was er kann und uns hinterher wieder zusammen flicken und fit machen.“

Metges Akzent kam stark zum Vorschein, „Das sehe ich nicht so. Warum sollte ich euch heilen, wenn ihr euch freiwillig verletzt? Außerdem sind das doch Kriegerverletzungen auf die die Kämpfer stolz sind. Ein Zeichen ihrer Ehre.“

Blood schüttelte amüsiert das Haupt, „Nee, also für mich nicht. Ich muss Verletzungen nicht länger rumtragen als nötig. Ich hab auch nichts dagegen, wenn man mich danach wieder hübscher macht.“

Metge grinste, „Ah, verstehe. Soll ich gleich damit anfangen?“ 

Blood lachte.

Metge lachte mit, wurde dann aber wieder ernst, „Natürlich werde ich euch heilen, wenn ihr verletzt seid. Doch bisher gibt es doch keinen Grund, zur Ablenkung zu kämpfen.“

Snowcat betrachtete Metge einen Moment lang aufmerksam, er schien wohl nicht sonderlich viel für das Kämpfen übrig zu haben. 

Chang hatte wieder nicht wirklich an dem Gespräch teilgenommen, Snowcat sah ihn an und startete einen Test, lächelnd sagte sie, „Hey Chang, erzähl doch mal etwas über dich.“

Wie Snowcat vermutet hatte, hatte die Anfrage den Asiaten völlig überraschend getroffen, sein Blick sprach Bände und er sagte Nichts. Snowcat ließ ihn nicht lange zappeln, „Na, dafür ist es vielleicht auch noch ein bisschen zu früh.“ Sie widmete sich dem Rest ihrer Mahlzeit, es gab keinen Grund zur Eile. Irgendwann würde sie ihm all seine Geheimnisse entlocken.

‚Bestimmt tust du das, Elfenmädchen. Natürlich nur, wenn er dafür lange genug am Leben bleibt.‘ Katze sprang auf den Tisch und schnupperte an Snowcat Essen, nur um sofort missbilligend die Luft aus zu stoßen. 

‚Hey Katze! So schlecht, dass du darauf spucken musst, ist es nun auch nicht.‘, protestierte Snowcat.

‚Das vielleicht nicht, Elfenmädchen, aber hätte ich wirklich darauf gespuckt, würde es den Frass nicht schlechter machen.‘

Average sprach Chang nun ebenfalls an. Katze beäugte ihn überrascht und aufmerksam. „Du sag mal Chang, kannst du eigentlich auch mit einer Waffe kämpfen?“

Chang wandte sich ihm leicht zu und erwiderte, „Meine Stärke liegt im waffenlosen Kampf.“

Average nickte freundlich, „Ja klar, das hat Blood ja erzählt, aber wenn man dir eine Waffe in die Hand drücken würde, könntest Du dann damit umgehen?“

„Meine Stärke liegt im waffenlosen Kampf.“, wiederholte Chang

Average probierte es noch ein bisschen, aber Chang rückte nicht mit der Sprache raus, was dann auch schon wieder eine Menge über ihn aussagte.

❄❄

Blood, Mystère, Chang und Shark Finn würden Snowcat in den Club begleiten. Steel parkte zwischen den Autos und Blackstone würde mit Chido im Wagen bei Average bleiben, um auf ihn aufzupassen. 

„Was ist mit dir Metge, möchtest du mit rein?“, fragte Snowcat.

Metge schüttelte den Kopf, dabei passte er mit seinem Akzent doch so gut nach L.A., „No, Snowcat das ist nichts für mich. Außerdem habe ich hier sämtliches 1.Hilfe Equipment parat. Dann kann ich bei einem Notfall schneller helfen.“

Snowcat lächelte, „Gut. Natürlich hoffe ich, dass wir keine 1.Hilfe brauchen.“

[Song 4: Rammstein - Feuer frei] Das Gnasher war dunkel, heiß und laut. Es roch nach Schweiß, Blut und Bier und die Luft war geschwängert mit jeder Menge Testosteron. Die Musik donnerte ihre harten Rhythmen laut in die Gegend. Das aufbrandete Gejohle und die Anfeuerungsrufe um die Kampfarenen herum, übertönte die Musik mit Leichtigkeit. Man würde laut sprechen müssen, um sich zu unterhalten, aber zumindest musste man nicht brüllen. Getränke wurden in Blechbechern und Blechkrügen diverser Größen serviert, die von den Gästen immer wieder klappernd auf Tische und gegen Wände geschlagen wurden, um damit zu klatschen, anzufeuern oder seinen Unmut kund zu tun.

In einem großen und zwei kleinen Käfigen fanden die Mano a Mano-Kämpfe statt. Zuschauer drängten sich darum und gaben mit hektischen Bewegungen und begleitet von Rufen über AR ihre Wetteinsätze ab. Auf einem großen Tisch kämpften Teufelsratten gegen einander und weiter hinten wurden in einer kleinen Arena Hähne aufeinander losgelassen. 

Das Mobiliar bestand aus Metal, Plast und Synthleder und wies diverse Gebrauchsspuren auf, doch die drei riesigen Trideoschirme, auf denen Live der beste Bloodsport aus Aztlan übertragen wurde, waren sota. Ein fast unsichtbares Netz schützte die Trids vor Wurfgeschossen. Das Haussystem bot jedem angemeldeten Gast umgehend diverse Feeds an, auf denen man alles wie hautnah miterleben konnte. Auf der linken Seite gab es eine Bar und weiter hinten eine kleine Tanzfläche.

Was die Kleidung der Gäste anging, war Schwarz die vorherrschende Farbe und Lack und Leder die beliebtesten Materialien. Einiges von dem Leder war sogar echt und mit Nieten und Dornen wurde nicht gesparrt. So gut wie alle Rassen waren vertreten, Frauen befanden sich in der Minderheit. Snowcat schätzte, dass ein Viertel der Metamenschen hier weiblich waren. Teilweise leicht bekleidet, teilweise martialischer angezogen, als ihre männlichen Artgenossen. 

Snowcat passte mit ihrem Outfit ganz gut hier rein. Sie hatte ihren Catsuit anbehalten, ihn auf die höchste Lackstufe eingestellt und den rechten Ärmel abgenommen. Den Reißverschluss trug sie bis zur am stärksten gewölbten Stelle ihres Busens offen, was tiefe Einblicke gewährte. Der Spitzen-BH im hellen Neonblau kam gut zur Geltung. Doch um nicht versehentlich noch mehr zu zeigen, hatte sie einen Stopper in den Reißverschluss getan. Dazu trug sie schwarze Stiefeletten mit 8 cm Pfennigabsatz aus Metal. Ihr mehr als hüftlanges, derzeit silberblondes Haar, hatte sie am Nacken mit einem Lederband zusammen gebunden. Zudem hatte sie eine Sonnenbrille mit schwarzen, runden Gläsern aufgesetzt, die allerdings nur zur Zierde dienten. Für die klare AR-Sicht trug sie Kontaktlinsen. Aus den reichhaltigen Vorrat von AR-Handschuhen, die Snowcat in diversen Formen und Farben besaß, hatte sie heute den ausgesucht, der auf Daumen, Zeige- und Mittelfinger Metallkrallen setzte, die über schwarzen Ketten am Handgelenk befestigt wurden.

Snowcat zog viele Blicke auf sich. 

Doch Shark Finn, der zu Combat-Boots und schwarzer Hose nur eine Panzerweste über seinem gewaltigen, muskulösen Oberkörper trug, was seine chromfarbenen Cyberarme mit den schwarzen Tribals besonders gut zur Geltung brachte, blieb mit seinen 2, 30 so dicht bei ihr, dass ihr niemand zu nahe kommen würde, wenn sie es nicht wollte. Ein roter Punkt wanderte auf seiner schwarzen Sonnenbrille hin und her. 

Mystère war nur wenige Zentimeter kleiner als Shark Finn, doch heute schien es, als überrage er ihn. Den Kopf seiner deutlich schlankeren Gestalt zierte ein Zylinder. Er trug einen zerrissenen Frack und ein vergilbtes Rüschenhemd und die obere Hälfte seines Gesichts war mit der knochigen Maske eines Totenschädels bedeckt.

Blood, der immerhin 2 Meter 7 maß und einen breiten trainierten Oberkörper zu bieten hatte, hatte eine schwarze Lederhose, schwarze schwere Kampfstiefel und ein eng sitzendes T-Shirt an, dass auf den ersten Blick ebenfalls schwarz wirkte. Sah man einen Augenblick länger hin, tropfte Blut am T-Shirt herab, sammelte sich am Saum und versickerte irgendwann. 

Chang fiel mit seiner schmalen, kleinen Gestalt deutlich aus dem Rahmen von Hünen, der Snowcat begleitete. Und sein Körperbau, war nicht das einzige, womit er sich unterschied. Er war zwar in schwarz gekleidet, doch der Stil des Anzuges war ein völlig anderer. Geschlossene Jacke und Hose waren aus weichem Stoff, der ohne die Figur zu betonen locker am Körper zu Boden fiel. In Asien wäre die Art sicher weiter verbreitet, aber hier war sie ein Unikum und viele würden so etwas außerhalb von Chinatown wohl nur zum Schlafen gehen tragen. Allerdings strahlte Chang Gelassenheit, Selbstbewusstsein und Ruhe aus und das alles ohne jegliche Aggression, so dass es sich jeder zwei mal überlegen würde, ob er einen Versuch wagte. Es kam einfach nicht gut, wenn ein ganzer Kerl mit einem Leichtgewicht im Käfig landete und dann von ihm verdroschen wurde.

Sie wollten nicht als große Gruppe durch den Club ziehen und teilten sich ein wenig auf. Blood und Chang entfernten sich ein paar Schritte.

Snowcat bewegte sich mit ihrem Königinnen-Gang durch den Club. Den Rücken gerade, das Kinn einen Hauch zu hoch und die Hüften schwingend, allerdings eine Spur dezenter als sonst. Cannonball hatte den Gang so betitelt.

Ihnen fiel eine Gruppe von 5 Burning Angels auf, die nahe bei einem der Mano a Mono Käfige stand und dort zusah. Die jungen Männer, alles Menschen - was aber nicht zum Credo der Gang gehörte- hatten ihren Spaß. Das indianische und lateinamerikanische Blut, welches in ihren Adern floss, stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Solche Vorfahren zu haben, gehörte sehr wohl zum Credo der Gang. 

Dicht bei den ‚Los Angelos Andientes' standen drei weitere männliche Natives, allerdings ohne Gangfarben. Sie waren definitiv mit den Burning Angels hier in Kontakt. Sie kannten sich nicht erst seit heute Abend, das war offensichtlich. Zumindest zwei von ihnen unterhielten sich angeregt mit den Angels, der dritte hatte nur Augen für die Blood-Sport-Übertragungen und stand ein wenig Abseits, an einem kleinem Tisch. 

Die Männer konnten durchaus Anasazi sein. Snowcat wusste nicht viel über die Anasazi, außer, dass es sich dabei auch um eine Völkerübergreifende Kultur handelte. Das Wort stammte aus dem Navajo und hieß übersetzt ‚die alten Feinde‘ was auf einen Konflikt mit den Hopi zurück ging. 

Blackstone funkte, «Average hackt jetzt das System.»

«Copy.», bestätigte Blood.

Snowcat positionierte sich im Rücken der Gruppe und nahm astral wahr, um sich die Natives näher anzusehen. Die zwei bei den Angels waren mundän und unverdrahtet, der leicht Abseits stehende Mann Mitte 30 hingegen war magisch. Sein Magieattribut war recht hoch, er hatte keine Cyberware, trug einen Kraftfokus im Ohr und sein Zopfband mit einer schwarzen Perle und Adlerfedern war ebenfalls ein Fokus. 

Snowcat gab die Informationen schriftlich über AR ans Team weiter und dann war es an der Zeit sich den Mann optisch genauer anzusehen. Der Mann war gut 1,90 m groß und von athletischem Körperbau. Sein indianisches Blut spiegelte sich in seinem rabenschwarzen Haar, das ungefähr schulterlang und simpel zusammen gebunden war und seiner männlichen Adlernase wieder. Adler als Totem wäre zumindest optisch ein Treffer. Seine Haut hatte die ungefähre Farbe von Terrakotta. Gekleidet war er in eine schwarze Jeans, ein rotes Hemd, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte und eine schwarze Weste. Hinten in einer Hosentasche konnte Snowcat noch den kleinen Zipfel eines rot-schwarzen Bandana entdecken. 

Justament meldete Average sich, «Ich hab jetzt was, der Exec war auch letzten Freitag hier und hat sich da mit ein paar Anasazi getroffen. Sein Name ist Patrick Goodman und laut der Akte, die Gnasher von ihm angelegt hat, hat er sich ganz doll für die Paracritter interessiert und gefragt, wo sie herkommen und so. Ansonsten steht er darauf, hier auf die Kämpfe zu wetten und er steht auf Blondinen. Ich schick euch die Bilder.»

Im Teamnetzwerk öffnete sich ein Fenster und als Snowcat den Inhalt betrachtete, musste sie grinsen.

«Ey, dass ist ja genau der Typ den ihr da gerade im Auge habt.», stellte auch Blackstone fest.

Mystère meinte sofort, «Es wäre gut, wenn wir die Daten von seinem Commlink hätten.»

«Daran hab ich auch schon gedacht.», erklärte Snowcat.

«Ich kann ihn hacken. Ich muss ihn nur finden.», bot Average an.

Snowcat lächelte zufrieden, «Genau, hier ist es ganz schon voll. Ich glaube das Finden können wir dir einfacher machen. Wir wäre es damit, wenn ich dem Kerl einen Stealth-TAG zustecke? Dann kann Average ihn leichter erkennen, wenn er rauskommt und wir können ihn zudem noch besser verfolgen. Und wenn ich ihm noch sein Bandana abnehme, haben wir sogar etwas, wodurch Chido ihn suchen kann.»

Mystère war von der Idee begeistert, von seinem französischen Akzent mit dem er manchmal sprach, war nichts zu hören, als er sagte, «Eine sehr gut Idee und wenn du den Magier richtig ablenkst, könnte ich zaubern und nachsehen, ob er oder seine Leute etwas von einer Ladung wissen.»

Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden, also machte Snowcat sich bereit. Zuerst verspürte sie keine große Lust auf einen intensiven Flirt. Doch dann packte sie die Vorfreude auf ein aufregendes Spiel.

[Song 5: Soho Dolls - No Regrets] Sie nahm Blickkontakt auf. Er brauchte nicht sonderlich lange, um sie zu bemerken und er reagierte sofort. Er betrachte sie länger, scannte sie ab und dann lächelte er. 

Snowcat sah ihn einen Augenblick an, dann wandte sie sich erstmal ab. Sie wartete eine zeitlang, bestellte sich einen Drink und fragte über Comm, «Blood, kannst Du mich mal eben breefen was da gerade beim aztlanischen Blood-Sport abgeht? Ein bisschen was weiß ich, aber ich brauche Details über Moves und Kämpfer.»

Blood antwortete, «Kann ich Dir liefern. Obwohl ich denke, dass Du solche Sachen gar nicht brauchst, um bei ihm zu landen.»

Während Blood Snowcat etwas über den aztlanischen Kampfsport erzählte, sah Snowcat immer mal wieder zu dem Anasazi rüber. Nach und nach hielt sie längeren Blickkontakt, aber bevor sich eine stumme Kommunikation aufbauen konnte, sah sie wieder weg. 

Als alle Fakten saßen, bat Snowcat Blood ihr immer mal wieder etwas aufs Commlink zu schicken, dann schlenderte sie unter dem Schutz von Shark Finn Richtung Erfrischungsräume und kehrte aus anderer Richtung zurück. 

Sie trat fließenden Schrittes schräg hinter den Anasazi. Er bemerkte ihre Annäherung und wandte sich ihr zu, sie kam ihm noch etwas näher und raunte mit verführerischer Stimme direkt in sein Ohr, «Wenn Xiuhcoatl mit seinen Grimas einen seiner berühmten Kopftreffer landet, sieht Pilli sicher gleich nicht mehr so königlich aus.» Sie drehte sich dicht an ihm entlang uns stellte sich seitlich neben ihn, dabei achtete sie darauf, ihm nicht die Sicht auf den Trideo-Schirm zu nehmen .

Er lachte. „Ja, das würde dem ‚Prinzen‘ nicht gefallen.“

Snowcat legte sich ins Zeug. Sie lächelte, legte den Kopf ein wenig schief und kam ihn immer mal wieder näher, berührte ihn aber noch nicht. Sie unterhielten sich über den Kampf im Trid und dank Blood als Souffleur meisterte sie das Thema mit Bravour.

Fünf Minuten später kannte sie den Namen des Anasazi, er lautete Jared Kwahu.

Der erste Körperkontakt bestand aus einer Haarsträhne, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte und über seinem Unterarm strich.

Weitere zehn Minuten später sahen sie zwar gemeinsam den Kampf an, doch Snowcat stand immer mehr im Fokus von Jareds Aufmerksamkeit. 

Snowcat beherrschte das Spiel, ein Augenaufschlag hier, ein intensiver Blick dort und eine zufällige Berührung da.

‚Cat‘ hatte kein Problem damit, dass beim Kampf Blut spritzte, aber wenn es auf dem Trid besonders grausam zuging, drehte sie sich in Jareds Richtung und sah extrem weiblich weg.

Jareds Weste war aus echtem Leder und er selbst roch nach einer Mischung aus dezentem After Shave, Tabak und Kräutern.  Alles in allem war Jared nicht uninteressant. Er war selbstbewusst und befehlsgewohnt. Allein seine Magie sorgte sicher für einen gewissen Respekt, den er gewohnt war zu bekommen. Snowcat ging vorsichtig vor und gab dem vorhandenen Macho in ihm gelegentlich das Heft in die Hand. Sie beobachtete ihn genau, blieb aber ab einem gewissen Punkt reserviert. Er sollte nicht das Gefühl bekommen, sie gleich am ersten Abend erlegen zu können.

Als der Kampf zu Ende war, fragte Jared, „Lust zu tanzen?“

Snowcat lächelte bezaubernd, „Ja gern.“

Shark Finn blieb in ihrer Nähe.

Als sie nach einiger Zeit zurück an den Tisch kehrten, kommentierte Blood, «Du hast ihm voll am Haken.»

Einer der Hauptkämpfe des Abends stand an. Um den großen Käfig herum wurde es lauter, zudem wurde der Kampf auf einem der Trids übertragen. Es störte Jared nicht im mindesten, dass sie dichter zusammenrücken mussten, um sich weiter unterhalten zu können. Snowcat hatte jetzt Jareds komplette Aufmerksamkeit. Sie musste nicht mehr viel tun, um ihn abzulenken, als Mystère, der jetzt aussah als wäre er ein übergewichtiger Weißer aus einem Bikerclub, ihr das Zeichen gab. Mystère würde gleich zaubern.

Ein Spruch, ein Lachen und eine zarte Berührung, mehr brauchte es nicht.

«Alle acht wissen etwas über eine Ladung in den nächsten Tagen.», gab Mystère kurz darauf bekannt.

Bingo!

Ein paar Minuten später war es an der Zeit die Sache hier abzuschließen. Nun gab Snowcat den anderen ein Zeichen.

Als der Trideoschirm in Nahaufnahme und Zeitlupe zeigte, wie einem der Kämpfer der Arm gebrochen wurde, konnte sie ‚einfach nicht hinsehen‘. Snowcat  drehte sich Jared zu und suchte Zuflucht an seiner Brust. Dabei steckte sie ihm den Stealth-TAG an die Weste und zog ihm das Bandana aus der Hosentasche. 

Der ‚BIker‘ setzte sich in Bewegung und kam im Gedränge so dicht an ihnen vorbei, dass Snowcat ihm das Bandana problemlos zustecken konnte. 

Jared fragte, „Hast Du heute noch was vor?“

Cat schüttelte den Kopf und unterdrückte ein Gähnen, „Nein, nicht wirklich. Für mich ist auch langsam Zeit nach Hause zu fahren. Mein Tag war lang und ich bin müde.“, was nicht mal gelogen war.

Jared schien zu bedauern, dass sie gehen wollte. Er versuchte es sich aber nicht anmerken zu lassen. „Gehört der da “, er deutete in Richtung von Shark Finn, „eigentlich zu dir?“, fragte er stattdessen. 

Snowcat nickte, „Ja. Er passt auf mich auf.“

„Ah. Okay!“, bemerkte Jared mit einer Mischung aus Verständnis und Überraschung in der Stimme.

„Wann bist Du denn wieder mal hier?“, wollte Snowcat wissen.

„Morgen.“, lautete die knappe Antwort, „Und du?“

Snowcat überlegte kokett, „Ja, morgen … oder übermorgen.“

Jared nickte, „Übermorgen geht auch. Und wir wollen nicht doch noch irgendwo zusammen hinfahren?“ fragte er nach.

Snowcat schüttelte den Kopf, „Nein, heute nicht mehr.“

„Dann morgen vielleicht?“

Snowcat legte den Kopf leicht schief und sagte unter einem langsamen Augenaufschlag und mit schnurrende Stimme, „Ja vielleicht. - Oder übermorgen.“

Sie verabschiedete sich mit einem zarten Kuss auf die Wange und verließ von Shark Finn gefolgt das Gnasher ohne mit Jared Comm-ID’s ausgetauscht zu haben

«Wenn die etwas mit unserer Ladung zu tun haben, wird diese nicht vor Mittwoch transportiert.», schlussfolgerte Snowcat.

«Wieso?», fragte Average.

Blood antwortete, «Na weil er sonst nicht gesagt hätte, dass er morgen und übermorgen ins Gnasher kommt, um Snowcat wieder zu treffen.»

«Leuchtet ein.», fand Average.

Kurze Zeit später kam das Team in den Wagen zusammen und es verstrich nicht viel Zeit, bis Jared, seine beiden Kollegen und die fünf Burning Angels das Gnasher ebenfalls verließen. 

Dank des Signals war es ein leichtes für Average, das Commlink von Jared Kwahu zu identifizieren. Die Zeit, die die Burning Angels und die Anasazi brauchten, um sich im RL von einander zu verabschieden, reichte dem Technomancer, um sich in das Commlink zu hacken. «Okay, also nach der Schnellanalyse kann ich sagen, dass der Typ leider weder die Ladung in seinem Kalender notiert hat, noch eine namentliche Telefonliste führt, die eindeutig auf Burrning Angels oder Goodman hinweist.», fasste Average zusammen, «Aber ich hab alle Daten kopiert, mir ne Hintertür gelegt und ich kann Jared über Commlink oder Stealth-Tag wieder finden.»

«Sehr gute Arbeit!», lobte Snowcat.

‚Ein Kompliment, was ich an dich weitergeben möchte, Elfenmädchen.‘, meinte Katze und hüpfte auf Snowcats Schoss. 

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Ob Jared Kwahu etwas mit der Sache zu tun hat, wann die Ladung wirklich transportiert wird und ob Average weiter so gute Arbeit leistet, wird demnächst hier zu lesen sein. Schau also bald wieder rein, Omae.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*