Episode 19/13 (vom 09.08.) Run 46/3

Welcome back, omae.

Schön, dass Du auch heute wieder reinschaust.

Derzeit „On The Run“ sind: Blackstone, Average, FTW, TriXhot, Tuareg, Shark Finn, Thunderstrike, Starbuck*, Mystique und Snowcat. (*Spieler war nicht anwesend.) 

Datum in unserer SR-Timeline: 26.11.- 05.12.2072

Was bisher geschah: Die Runner erhalten von Johnny Spinrad höchstpersönlich den Auftrag ein Artefakt, den Cenotaph von Mentuhotep V., aus dem Museum für Ägyptisches Altertum in Kairo zu stehlen. Spinrad gibt freiwillig zu, dass er das Artefakt haben möchte, weil er gehört hat, dass sich Lofwyr dafür interessiert. 

Ein Teil von UC fliegt nach Kairo und plant und bereitet die Entwendung des Cenotaph vor Ort vor.

Erfahr nun, wie es mit dem Run weiter geht.

Wie immer erleben wir alles aus den eisblauen Augen von Snowcat mit.

Deine Kommentare hierzu passen unter ,A Tale So Far, Part IV‘ [LINK].

Eine Beschreibung unserer Runner findest Du hier [LINK].

Hat ein Wort im Text eine andere Farbe, verbirgt sich darunter wahrscheinlich ein Link und es wird im Glossary erklärt. Du kennst ein anderes Wort aus dem Shadowslang nicht? Dann schau doch einfach auf gut Glück im Glossary vorbei [LINK].

Bereit omae? Na dann los!


Snowcat und Blackstone betraten am Samstag Morgen das Museum für ägyptisches Altertum kurz nachdem es geöffnet hatte. Sie sahen sich einige andere Exponate an und schlenderten dann, wie immer wenn sie im Museum waren, zum Cenotaph. 

Noch bevor Snowcat den Raum betreten hatte, nahm sie astral wahr. Augenblicklich stellte sich das bedrückende Gefühl wieder ein und kurz darauf kam der Schmerz. Den Cenothaph zu studieren gestaltete sich als viel schwieriger, als sie zunächst gedacht hatte. Snowcat beobachtete die Bewegung der Auren, die das Artefakt umgaben und während sie das tat, wurde aus dem dumpfen Schmerz ein Hämmern. Als die Bilder zu verschwammen begangen, stellte sie die Astralsicht ab. Der Schmerz und das ungute Gefühl blieben. Snowcat warf einen Blick auf die Uhr und notierte sich innerlich die Zeit. In den letzten zwei Tagen war mit jeder weiteren Anwendung von Astralsicht auf das Artefakt der Schmerz schneller gekommen und später gegangen. 

Soweit Snowcat das beurteilen konnte, geschah mit ihr selbst nichts weiter. Dennoch machte es langsam aber sicher keinen Spaß mehr, dass Teil zu studieren, zumal die neuen Erkenntnisse, die sie gewann gering waren, da sie es weder anfassen, noch bewegen durfte. 

Blackstone trat an Snowcat heran. „Da, guck mal der Typ, das könnte doch der Mage sein, nach dem Du immer Ausschau hältst oder?“

Aus einer Tür war kurz zuvor ein Mann getreten, der in einen Anzug der Sicherheit gekleidet war. Die anderen Männer von der Security grüßten ihn respektvoll. Die äußere Erscheinung des stattlichen Menschen war bis auf den Anzug durchweg ungewöhnlich. Er war kahlköpfig und auf seiner Stirn war das goldene Auge des Ra gemalt. Sein Spitzbart war mit einem Tuch umwickelt und seine Augen waren Gold und Schwarz geschminkt. 

Als er sich einige Schritte entfernt hatte, nahm Snowcat in seinem Rücken vorsichtig astral wahr. Bingo! Da war er endlich, der Mage. Sein Link zum Hüter war klar zu erkennen. Snowcat assenste den Link, konzentrierte sich und schwang ihre Aura auf die falsche Maskierung ein. 

Der vom Artefakt verursachte Schmerz war zwar nicht weg, doch Snowcat vergaß ihn, als sie sich selbstbewusst dem Bereich mit dem Hüter näherte. Blackstone blieb im Raum davor zurück.

Freudig wie ein kleines Kind trat Snowcat über die Schwelle ... und widmete sich im Anschluss in Ruhe den Schätzen des Tutankhamun und den zahlreichen Mumien längst verstorbener Könige und Priester.

Irgendwann erklang TriXhots Stimme über den Teamkanal, »Hier waren eben zwei Typen mit militärischem Haarschnitt, arabischem Teint, breiten Schultern und Landestypischer Kleidung. Ich glaube, sie haben mich oder auch FTW erkannt, sind umgedreht und weggelaufen. Sollen wir da hinterher?«

Oh, die Frage ging wohl an sie, da niemand anderer antwortete. Snowcat riss sich von dem kunstvollen Schmuckstück los, welches sie eben genauestens betrachtet hatte und nur all zu gerne angefasst hätte. Was für unglaubliche Geschichten es wohl zu erzählen vermocht hätte, wenn sie sich darauf einschwingen hätte können. Doch Ehran hatte sie davor gewarnt, jemals alte Dinge unbeaufsichtigt zu berühren. Die Abrücke der Geschichte konnten leicht überwältigend sein.

Snowcat verschränkte ihre Hände hinter dem Rücken und antwortete auf TriXhots Anfrage, »Zu wissen wohin sie gehen ist sicherlich interessant. Handelt nach eignem Ermessen.«

„Okay! Komm FTW.«, meinte TriXhot darauf.

Snowcat setzte sich auf eine der kleinen Steinbänke, studiere den AR-Guide des Museums zu den Ausstellungstücken und rief nebenbei die Strassenkarte auf. 

TriXhot und FTW, sowie Tuareg und Average waren als Zweierteams auf dem Bazar unterwegs. Das Kartenmaterial von Spinrad war wirklich gut, denn jede noch so kleine Gasse war darauf abgebildet. So konnte Snowcat den Weg der beiden Gruppen genau verfolgen. 

TriXhot fragte, »Average, Tuareg, könnt ihr von der anderen Seite kommen und versuchen die Männer von da zu erwischen oder zu beobachten?«

Tuareg antwortete sofort. Seine Art zu sprechen wirkte immer ein wenig bedacht und seine Sprachmelodie kam so ruhig und gleichmäßig daher, »Wir sind bereits auf dem Weg.«

Die Stimme von Average erklang, »Ja Tuareg, ich mach ja schon, ich bin doch aber nicht so schnell und auffallen sollen wir ja auch nicht.«

Tuareg sagte darauf, »Mit dem nicht auffallen, hast Du Recht mein Freund, aber wenn Du das Essen einfach wegwerfen würdest, dann wäre das sicherlich hilfreich.«

»Ja, bin schon dabei, ist aber wirklich schade drum. Und wenn der von dem Stand jetzt sauer auf uns ist, weil wir sein Essen wegwerfen, dann bist Du schuld!«

FTW forderte, »Können wir ein Drohnenbild haben, Starbuck?»

Starbuck, der im Café dem Museum gegenüber Position bezogen hatte, klang gelassen, »Die kleine Flugdrohne ist schon unterwegs, aber für die Strecke braucht sie einen Moment.«

Snowcat trat an einen Schaukasten mit ausgelegtem Papyrus. Die Hieroglyphen sagten ihr nichts, aber sie prägte sie sich ein, um sich später vielleicht einmal an einer Übersetzung zu versuchen. Die Farbgebung der Tinte faszinierte sie. Bei der Restauration hatte man möglichst Original-Zutaten verwendet und es war erstaunlich, was für eine Vierzahl an Schattierungen das Blau bei unterschiedlicher Strichführung aufwies. 

»Mist,« kam es da von TriXhot, »hier in der Gasse ist weit und breit keiner mehr, wir haben wohl zu lange gezögert, bevor wir hinterher sind. Aber da, die eine Tür wackelt noch, vielleicht sind sie da rein. Komm FTW!«

Die beiden Markierungen für die Teammitglieder bewegten sich ins Haus.

Tuareg meldete, »Wir sind auch gleich hinten an dem Haus angelangt und kommen dann rein.«

»Negativ!», meinte TriXhot, »Vielleicht sind die gar nicht hier. Bewegt Euch doch die Gasse hoch, entgegen der Richtung, aus der Ihr gekommen seid. Wir müssen mehr Fläche abdecken, um sie wieder zu finden.« Einige Sekunden später fuhr sie fort, »Hier unten sind sie tatsächlich nicht, FTW und ich kontrollieren jetzt den Hausflur und gehen dann aufs Dach.«

»Na wenigstens müssen wir nicht auch aufs Dach.«, kommentierte Average erleichtert. 

Er und Tuareg liefen im gemächlichen, unauffälligen Tempo Richtung Norden die Gasse entlang, während TriXhot und FTW die vier Etagen überwanden.

Nach einer Weile meldete TriXhot leicht enttäuscht, »Hier oben ist niemand.«

Ein Kamerafeed blendete auf. Snowcat öffnete ihn und sah nun die junge Frau in frischer Freizeitkleidung und den Ork, der wie Tuareg und Average erneut sein Bowling-Hemd trug, auf dem flachen Dach eines der viereckigen Gebäudes im Pastel-Ton stehen.

Tuareg fragte an, »Starbuck, kannst Du die umliegenden Dächer beobachten oder abfliegen? Nicht, dass sie sich da verstecken.«

Von Starbuck kam darauf ein simples, »Dächer überprüfen, Check.«

Der Haarschmuck in der Vitrine bestand aus Dutzenden von kleinen, goldenen, verzierten Perlen, die man in einem Muster aufgereiht hatte. Er war von einer Königin getragen worden. Jede einzelne Perle, an einigen von ihnen haftete sogar noch etwas Haarwachs der Perücke, zeugte von der Beliebtheit bei seiner Trägerin und war ein kleines Kunstwerk. Snowcat fragte sich, ob die Königin Perücke und Schmuck beim Liebesspiel aufbehalten oder ob sie dabei ihr stets kahl geschorenes, duftig eingeöltes Haupt bevorzugt hatte? 

Erneut erklang Starbucks Stimme über den Teamkanal, »Ich glaub ich hab die beiden Ziele gefunden.« Er zoomte von oben auf zwei Männer von ungewöhnlich breitem Wuchs.

TriXhot rief sofort, »Ja, das sind sie!«

Starbuck markierte deren Aufenthaltsort. Die Männer spazierten eine Gasse entlang und bewegten sich etwas nordwestlich von TriXhots Position.

TriXhot meinte, »Am schnellsten und unauffälligsten wäre es, wenn wir uns denen von oben nähern, was meinst du FTW?«

»Stimmt. Also lass uns über die Dächer springen.«, erwiderte FTW in seiner ruhigen Art.

Tuareg sagte, »Wir gehen unten rum auf Abfangkurs.«

TriXhot bestätigte, »Copy, vielleicht können wir sie notfalls in Eure Richtung treiben.«

Die Kamera zoomte nun auf TriXhot und FTW. Die junge Frau nahm Anlauf und sprang leichtfüssig und mit Schwung auf das nächste Dach. FTW folgte ihr und wo ihm TriXhots Eleganz fehlte, nutzte er seine Kraft. Mit jedem weiteren Sprung schien der Frau die Sache mehr Spass zumachen. Ihre feuerroter Haarschopf passte einfach so gut zu ihrer Ausstrahlung.

Tap, tap, tap. Sprung. Tap, tap, tap. Sprung. Wie eine Gazelle und so, als wenn sie nie etwas anderes getan hätte und sich nicht vier Stockwerke über dem Boden befinden würde. 

Starbuck nahm immer mal wieder die beiden Ziele unten in den Fokus der Kamera, um sie nicht doch noch zu verlieren. Aber natürlich hatten es ihm die eleganten Sprünge von TriXhot viel mehr angetan und so konnte Snowcat jeden von ihnen mit ansehen. 

Snowcat musste nur einmal kurz die Luft anhalten, als einer der Sprünge von FTW ziemlich knapp gewesen und er gerade so am Dachrand landete. Ansonsten bewegten sich die zwei problemlos über die Dächer von Kairo hinweg und näherten sich so schnell ihrer Beute.

Average und Tuareg kamen um einiges langsamer voran, was nicht nur an Average lag, dem das viele Hetzen gar nicht zusagte und der bereits heftig atmete, sondern auch daran, dass die Gassen des Bazars unten mit beschäftigten Metamenschen gefüllt waren, denen man ausweichen musste.

Die reichhaltig verzierten Tiegel und goldenen Döschen bewiesen, wie viel Wert Tutankhamun, seine Gattin und spätere Könige und Königinnen auf die Körperpflege gelegt hatten. Allein das verwendete Material an Gold und Edelsteinen war ein kleines Vermögen wert. Einige der beschriebenen Zutaten für die Salben und Pasten wie Oliven- und Mandelöl galten auch heute noch als geeignete Substanzen. Ägypten hatte schon damals eine hoch entwickelte Kosmetik-Industrie besessen, in der selbst das Make Up hygienische und medizinische Gründe gehabt hatte. So wurden zum Beispiel dem Kajal insektenabweisende Stoffe zugesetzt, hauptsächlich diente er aber zum Schutz der Augen vor dem starken Sonnenlicht. Nach dem Bad wurden abgestorbene Hautschuppen mit speziellen Schabern entfernt. Die Haut der ägyptischen Könige dürfte also ähnlich zart wie die von Snowcat gewesen sein. Ganz würden die Meisten ihr Mass natürlich nicht erreicht haben.

»Ich kann sie jetzt quasi unter mir sehen.«, erklärte TriXhot, „leider halten die Beiden direkt auf einen Citymaster zu, der hier am Rand des Bazars geparkt ist. Die steigen sicher gleich ein.«

Starbuck bestätigte, »Nehme ich auch an.«

TriXhot holte tief Luft, »Ich nehme den direkten Weg runter, dann kann ich ihnen vielleicht noch ein Wegwerf-Commlink an den Wagen drücken, damit wir sie verfolgen können.«

Nachdem sie die letzten Silben dieser Ansage ausgesprochen hatte, stieß sie sich auch schon rücklings vom Dach ab und ließ sich von Fenstersims zu Fenstersims zu Boden fallen.

Von FTW kam, »Ich nehm‘ dann die Treppe.«

Starbucks Feed zeigte, wie die beiden Männer vorne rechts und links in den Citymaster einstiegen. 

TriXhot war inzwischen sicher gelandet, huschte leise und zielstrebig über die Strasse und klemmte ein Wegwerf-Commlink hinter der Stossstange des Masters fest. Leise flüsterte sie, »Hab den Wagen geTAGt, die fahren bestimmt gleich weg. Zugriff oder reicht das?«

FTW preschte unten aus der Tür des Hauses und antwortete, noch bevor Snowcat überhaupt über die Frage nachgedacht hatte, »Bin für Zugriff.«

Snowcat glaubte leichte Freude in TriXhots Stimme zu erkennen, als diese mit, «Copy!», bestätigte.

Tuareg sagte an, «Ich bekomm den Wagen gleich ins Blickfeld, wir sind aber noch nicht ganz dran. Average schau doch bitte einmal nach, wie viele Commlinks in dem Wagen sind.»

Average schnaufte außer Atem, «Ja, ...mach... ich gleich ...wenn ...ich da ...bin.» 

Die beiden waren ein großen Teil der letzten Strecke gerannt.

Während FTW geduckt über die Strasse auf die linke hintere Tür zu rannte, wartete TriXhot lautlos an der rechten Hintertür. Sie hockten sich hin, zogen ihre Pistolen und fassten gleichzeitig an die Türgriffe.

Starbuck positionierte seine Flugdrohne so, dass er zumindest einen Blick in das Wageninnere erhaschen können würde.

FTW zählte den Countdown, «Drei, zwei, eins, auf!»

Beide rissen an den Türen, die sich auch öffneten. 

Dann war das bedrohliche Durchladen von automatischen Waffen zu hören, als sowohl TriXhot und FTW in je viel Läufe von Sturmgewehren blickten. «Klappe halten und einsteigen.», war in einem Befehlston zu hören. 

Die Zwei wurden von Händen gepackt und unsanft in den Citymaster gezogen. Kaum dass sie drin waren, schlossen sich die Türen und Starbucks Kamera zeigte nur noch das Heck des Trucks, der sich in Bewegung setzte. 

Frag.

Langsamen Schrittes bewegte sich Snowcat unauffällig in Richtung Ausgang, hinter dem Durchgang wurde sie bereits von Blackstone erwartet.

Starbuck speiste das Signal des Wegwerf-Commlinks ein und alle konnten sehen, wie sich der das rote kleine Auto, dass den Wagen symbolisierte, auf der Karte in Bewegung setzte. 

Über die Commlinks von FTW und TriXhot waren noch Geräusche zu hören. Die zwei wurden offenbar zu Paketen verschnürt.

FTW fragte, „Wer seid..“, weiter kam er nicht. Es folgte das Geräusch eines Trittes, jemand brüllte, „Schnauze Verräter!“ und dann war ein Stöhnen aus FTWs Kehle zu vernehmen.

Plötzlich kam von Tuareg ein überraschtes, «Au, etwas hat mich im Genick getroffen.»

Starbucks Kamera schwenkte herum und Snowcat konnte nun sehen, dass sich hinter Average und Tuareg eine Metamenschen-Menge gebildet hatte. Ein Junge zeigte auf die beiden Runner und brüllte auf arabisch „Ungläubige. Frevler, sie haben Magie eingesetzt.“

«Ach scheiße!», fluchte Average und begann zu rennen. 

Frag. 

Snowcat fragte, «Mystique, hast Du alles mitbekommen?»

Diese antwortete sofort, «Yep, hab ich.»

«Gut, wir brauchen einen Wagen. Einen Mietwagen oder irgendwas. Kannst Du bitte einen besorgen?», forderte Snowcat die Elfe auf, während sie mit Blackstone so schnell wie es noch unauffällig war, zum Ausgang des Museums ging.

«Copy.»

Tuareg rannte Average hinterher und überholte ihn schnell. Die wütenden Metamenschen warfen mit Steinen und anderen Dingen, die sie gerade zu greifen bekommen hatten nach ihnen, begangen dann aber lieber hinter ihnen her zu hetzen. Die Menge hatte erkannt, dass beide zusammen gehörten und gleich beide zum Stein des Anstosses erklärt, was nicht weiter verwunderlich war, denn beide trugen ja das Randy Bandits Hemd.

Über die Mikrophone von FTW und TriXhot waren nur noch undefinierbare Geräusche zu hören. Man musste ihnen die Commlinks abgenommen haben.

Average rannte so schnell er konnte, aber gegen seine Verfolger war das nicht schnell genug. Sie würden ihn jeden Augenblick eingeholt haben. 

Snowcat verließ das Museum und dachte bei sich, komm schon Average, leg einen Zahn zu. 

Tuareg hatte sich inzwischen schon einen schönen Vorsprung erlaufen. Zu allem Überfluss geriet Average ins Straucheln und schlug lang hin. Die gut 20 Verfolger wetzten bereits die metaphorischen Messer.

Geistesgegenwärtig rief Average auf arabisch, „Das da ist euer Mann! Er ist der Ungläubige! Schnappt ihn!“ Er zeigte in Richtung von Tuareg.

«Was soll das jetzt?», fauchte der Elf.

Averages Worte klangen überzeugend und das für über die Hälfte des Mobs, die Geschwindigkeit aufnahmen und so schnell sie konnten Tuareg hinterher stoben. Dieser verschwand um die Ecke und war so auch aus dem Sichtfeld der Drohne verschwunden.

Die übrig geblieben schlugen und traten nach Average, der daraufhin laut aufschrie, sich wand und regungslos liegen blieb.

Snowcat hielt kurz den Atem an, Averages Biomonitor zeigte, dass er am Leben und bei Bewusstsein war, doch die wütende Menge hatte zum Glück keinen Biomonitor und zerstreute sich überrascht und leicht verstört. Mit einem Schwerverletzten oder gar Toten wollten sie nichts zu tun haben.

Snowcat und Blackstone hatten derweil Starbuck erreicht, der seinen Tee bezahlte. Gemeinsam machten sie sich zunächst eilig in Richtung Average auf den Weg. Der große Mann stellte sich immer noch tot und war einfach auf der Strasse liegen geblieben.

Tuareg meldete, «Hab mich in einer Seitengasse versteckt. Scheine die Verfolger abgeschüttelt zu haben.»

Snowcat lächelte kurz, «Gut, ein Problem weniger. Hat jemand weitere Hinweise darauf, was bei FTW und TriXhot los ist?», fragte sie dann in die Runde.

Starbuck meinte, „Nach dem Blick, den in den Wagen werfen konnte, würde ich sagen, dass das Söldner waren.“

Snowcat überlegte laut, „Söldner? Tuaregs Kontakt hat doch gehört, dass ein ganzer Zug Söldner frisch in der Nähe von Kairo angekommen sein soll. Ich glaube vorhin über Commlink noch gehört zu haben, dass der einer FTW ,Verräter‘ schimpfte. FTW war mal eine zeitlang bei Söldnern. Ich werde erstmal die Comm-Ids von TriXhot und FTW wählen. Vielleicht gehen die ,Entführer‘ ja ran und wir können reden.“

Noch bevor sie bei Average angekommen waren, hatte Snowcat es auf den Commlinks von FTW und TriXhot mehrmals klingeln lassen, doch niemand hatte abgehoben. Es dauerte nicht mehr lange, dann gab Starbuck bekannt, „Jetzt sind die Comms aus. Zum Glück klebt am Wagen das andere Comm, dadurch können wir dran bleiben.“

Snowcat und Blackstone halfen Average auf, der zwar ziemlich durch den Wind, aber bis auf ein paar Kratzer und ein gekränktes Ego unverletzt war. Snowcat war richtig stolz auf ihn, er hatte grandios reagiert. Zu viert bewegten sie sich ein paar Meter bis in eine Seitengasse, wo sie auf Tuareg trafen. 

Snowcat lächelte ihn an, „Alles in Ordnung?“

Er nickte.

„Was war denn los?“, wollte sie dann wissen.

Er zögerte nicht mit seiner Antwort, „Ich hab einen Watcher beschworen. Das hat jemand bemerkt.“

Snowcat seufzte leicht, „Der Wirkung des Anblicks diverser Gesten und einer schamanistischen Maske ist bei einer Bevölkerung, die Magie verabscheut nicht zu unterschätzen.“

Tuareg nickte abermals, „In dem Fall war es aber nötig.“

Snowcat kommentierte diese Aussage nicht. 

Sie liefen die Strassen des Bazars in nördlicher Richtung entlang, um an den Rand der Zone zu gelangen, wo eine der Hauptstrassen von Kairo entlangführte. 

„Was machen wir jetzt?“, fragte Starbuck.

Snowcat warf einen Blick auf die Uhr, es war kurz vor 13.00 Uhr, sie hatten also weniger als 24 Stunden, um das Problem zu klären. Sie lächelte Starbuck an und sagte dann, „Erstmal bleiben wir dran. Vielleicht können wir den Wagen einholen, bevor er irgendein Ziel erreicht hat. Noch wissen wir gar nichts, also brauchen wir Informationen.“

Ein verrosteter Transporter hupte hinter ihnen. Mystique hatte ein Fahrzeug besorgt.

Sie stiegen ein, Snowcat setzte sich auf den Beifahrersitz und dann folgten sie dem Signal des Commlinks, das TriXhot so schlauer Weise angebracht hatte. Es gab nichts zu tun, außer abzuwarten und aufzuholen.

Nach gut 20 Minuten hielt das Signal am Stadtrand von Kairo. Das Team hatte noch nicht allzu viel Boden gut gemacht, also lohnte es nicht, jetzt auf die Tube zu drücken, zumal sich das Signal nach einigen Sekunden wieder in Bewegung setzte.

Starbuck markierte dem Punkt auf der Karte. Kurz darauf sagte der junge Mann, „Hey, das Commlink von TriXhot ist grad wieder an gegangen.“ 

Kaum dass er die Worte ausgesprochen hatte, meldete sich die hübsche, junge Frau beim Team; «Oh, man ey. Mir geht es soweit gut. Man hat mich rausgelassen, aber FTW haben sie noch. Das waren Söldner und die haben gesagt, dass FTW ein Verräter und Deserteur ist, der seinen Vertrag gebrochen hat. Aber sie waren ehrenhaft genug mich gehen zu lassen. Ich hab sogar Commlink und Waffen wieder bekommen. Nur die Munition haben sie behalten. Wisst ihr, wo ich bin?»

Snowcat bejahte, «Wir sind auch schon unterwegs zu Dir, warte einfach. Du weißt nicht zufällig von welcher Söldnervereinigung sie waren?»

«Nee, leider nicht. Ich hab praktisch sofort eine Kapuze übergezogen bekommen. Oh man, das war wohl ne schlechte Idee, die Türen aufzumachen. Aber ich dachte eben, die hätten mich erkannt und das es Artefaktjäger aus Quebec waren oder so.» TriXhot klang ziemlich aufgeregt.

Snowcat beschwichtigte sie, «Mach Dir mal keine Sorgen. Du bzw. Ihr habt nichts falsch gemacht, Ihr konntet das ja nicht wissen. FTW war mal bei den Black Star, dort hat er aber mit meiner Hilfe den Kontrakt aufgelöst. Vielleicht ist das alles nur ein Missverständnis und die Männer wissen einfach nur noch nicht, dass FTWs Vertrag abgelaufen ist. Wir sind so ungefähr in 15 Minuten bei Dir. Bist Du da sicher genug, damit Du in Ruhe auf uns warten kannst?«

«Ja, na klar. Hier ist keiner weit und breit und es ist ja auch noch mitten am Tag.», die Stimme der jungen Frau hatte kaum etwas von ihrer Unbeschwertheit und Zuversicht eingebüßt.

Snowcat überlegte erneut laut, «Wenn es ein Missverständnis ist, wovon ich jetzt erstmal ausgehe, dann klärt sich das schnell. Sie werden FTW jetzt sicher erstmal zu ihrem Lager bringen. Wenn wir sie vorher abfangen können, um mit ihnen zu reden, dann klärt sich das alles im Nu auf.» 

Mystique fragte, «Soll ich mich mal umhören, von welchen Söldnern der Zug ist, der hier angekommen sein soll? Einer meiner Kontakte könnte das wissen.»

«Ja, mach das mal. »

Mystique grinste, «Dann musst Du aber fahren.»

Die beiden Elfen wechselten während der Fahrt den Sitzplatz. Das war nicht das erste Mal, dass sie so etwas taten. Gleich im Anschluss zog Mystique ihr Commlink hervor und legte los. 

Average fragte nach, «Und was machen wir, wenn es kein Missverständnis ist und FTW ist wirklich desertiert?»

Snowcat dachte einen Moment darüber nach, «Na dann muss FTW eigentlich dafür grade stehen. Natürlich sehen wir, was wir dann machen können. Allerdings werden wir uns nicht offiziell mit einer Söldnerorganisation anlegen. Soviel ist klar. Ich kann mir aber gar nicht vorstellen, dass er einen Vertrag gebrochen hat. Er hätte dann doch viel hellhöriger werden müssen, als Tuareg das mit dem Zug Söldnern erzählte. Es schien aber so, als fände er das so uninteressant, wie wir alle anderen auch.«

Und wenn er den Vertrag gebrochen hat, dann wird er seine Gründe dafür gehabt haben, was die Söldner aber nicht scheren wird. Doch darüber sprach Snowcat mit den anderen nicht. Das war im Moment völlig irrrelevant.

TriXhot saß lässig am Strassenrand und sprang quasi im Vorbeifahren in den alten Van. Sie berichtete noch einmal genau, was geschehen war. Viel hatte sie nicht mitbekommen, da man sie sofort gefesselt und ihr eine Kapuze über den Kopf gezogen hatte. Sie wusste nur zu berichten, dass unter den acht Männern 3 Orks und ein Zwerg gewesen waren, sie sehr englisches Englisch gesprochen hatten und alle mit tschechischen Sturmgewehren bewaffnet gewesen waren. Außerdem stellte sie fest, dass die Männer grob mit FTW umgegangen waren und zu spüren gewesen war, dass sie nicht gut auf ihn zu sprechen waren. 

Die vielen Metas sprachen eigentlich gegen die Black Star. Aber noch hieß das nichts.

Das Signal hatte die Stadt in Richtung Nordwesten verlassen und fuhr nun direkt durch die Wüste. Die Runner folgten, so schnell sie konnten. 

Mystique sprach Snowcat auf dem Direktkanal an, sie flüsterte, da die anderen teilweise sehr gute Ohren hatten, sprach sie zusätzlich Hebräisch, ‹Das ist jetzt noch nicht verifiziert, aber es scheint sich wohl um einen Zug der 10.000 Daggers zu handeln.›

Irgendwie waren das keine guten Neuigkeiten, selbst wenn man FTW nur etwas angehängt hatte, würde sich das vielleicht nicht im Nullkommanichts klären lassen. Die anderen im Wagen hörten TriXhot zu und waren abgelenkt, dennoch sprach auch Snowcat Hebräisch, ‹Schade, etwas anderes wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein.›

Mystique lächelte leicht, ‹Was willst Du tun, wenn Deine Verhandlungen scheitern?›, wollte sie dann wissen.

‹Hmm, das ist gar nicht mal so leicht. Wie ich vorhin sagte, wenn er wirklich ein Verräter ist, dann muss er eigentlich mit den Konsequenzen leben. Aber FTW ist ein guter Runner, ich mag ihn und außerdem habe ich keine Lust schon wieder ein Teammitglied einfach aufzugeben. Twinbow befand sich schon außerhalb unserer Reichweite, aber FTW ist noch nicht verloren. Also würde ich ihn gerne wieder haben. Jedoch ohne die 10.000 Dagger auf UC aufmerksam zu machen.›

Mystique nickte kurz, ‹Wenn Du ihn magst und wieder haben willst, dann sollst Du ihn auch wieder bekommen. Ich glaub, wenn sie ihn ins Lager bringen, könnte der Salsa-Move klappen, was meinst Du?›

Snowcat seufzte kurz, ‹Stimmt, den Salsa-Move zu versuchen, klingt nach einer sehr guten Idee, auch wenn die gesamte Arbeit und die Gefahr dann bei Dir liegt.›

‹Arbeit ja, aber wenn Du mir genügend Zeit verschaffst, dann ist die Gefahr fast gleich null.›

Snowcat warf einen warmherzigen Blick zu Mystique rüber, ‹Gut, ich hol so viel Zeit und Ablenkung raus, wie Du brauchst und Du passt auf, dass Du gesund wieder zu uns stößt.›

Mystique grinste breit, ‹So machen wir es. ›

❅❄

Tatsächlich holten sie den Citymaster nicht ein, bevor er das Söldnerlager in der Wüste erreicht hatte. 

Starbuck fasste zusammen, was gerade mit dem Team besprochen worden war, „Also Du, Blackstone, weil er darauf besteht mitzugehen und TriXhot, weil einige Männer sie sowieso schon kennen, sprechen mit den Söldnern und sehen, was sie tun können. Mystique setzen wir vorher ab, sie schleicht sich weg und sammelt Informationen und der Rest von uns bleibt im Wagen, damit wir unsere wahre Stärke verbergen. Wir halten uns bereit, falls die Stress machen, greifen aber erst ein, wenn Du es sagst. Richtig?“

Snowcat schmunzelte, „Perfekt.“

In einiger Entfernung zum Lager ließen sie Mystique aussteigen. Das Lager bestand aus fünf großen Militärzelten und vier City Mastern, einschließlich dem, in dem FTW transportiert worden war. Es war mitten in der Wüste aufgebaut worden und beherbergte wahrscheinlich wirklich so um die 40 Söldner. Irgendwie hatte ein Zeltlager in der Wüste nahe des fruchtbaren Nildeltas etwas Stimmiges und dies obwohl in der Gegend derzeit weder die Luft flimmerte, noch eine sengende Hitze herrschte. Irgendwie erwartete Snowcat beinah die Wachposten mit Turbanen zu sehen und im Lager Pferde vor zu finden. 

Die beiden Frauen hatten niemanden in den Salsa Move eingeweiht, erstens, weil sie es liebten Geheimnisse zu haben und zweitens für den Fall, dass sich Snowcat gegen den Move entschied oder Mystique ein unüberwindbares Hindernis entdeckte. In zweiten Fall mussten die anderen im Team nicht wissen, was Mystique zu tun vermochte. 

Zwei mit tschechischen Sturmgewehren bewaffnete Männer standen vor dem ,Eingang‘ zum Lager Wache und geboten dem Van zu halten, als sie sich auf dem Trampelpfad näherten. Das hatten die Runner sowieso vor gehabt. Snowcat, Blackstone und TriXhot stiegen aus und Average und Tuareg nahmen statt ihrer vorne im Wagen Platz.

Ein blonder Hüne von Mann lächelte Snowcat an und sagte auf Englisch, „Mame, das hier ist Sperrgebiet, Sie haben sich sicher verfahren, bitte kehren Sie um!“

Snowcat lächelte ebenfalls, „Guten Tag. Ich bin hier genau richtig. Zufällig wurde einer meiner Kollegen vor wenigen Minuten in das Lager gebracht. Darüber würde ich gerne sprechen.“

Der blonde Söldner verzog das Gesicht, „Da muss es sich um einen Irrtum handeln, Mame, hier ist niemand gerade angekommen.“

Die Abzeichen auf seiner Panzerung zeigten, dass er tatsächlich zu den 10.000 Daggers gehörte. Schade eigentlich. Snowcat verstärkte ihr Lächeln, „Doch, ist er. Ich bin mir ganz sicher. Vielleicht könnte ich mit jemanden sprechen, der hier das Sagen hat?“

Der Söldner riss die Augen auf, „Das hier ist geheim, Mame, Sie dürfen das Lager nicht betreten.“

Snowcat ließ nicht locker, „Das macht nichts, dann holen Sie doch bitte den, der etwas zu sagen hat einfach hierher, dann könnte ich mit ihm sprechen und alles klären.“

Der junge Mann zögerte kurz und sagte dann, „Bitte warten Sie hier.“

Snowcat bestätigte durch ein freundliches Nicken. 

Einige Minuten später kehrte der blonde Söldner zurück. „Bitte folgen Sie mir.“

Snowcat lächelte erneut und setzte sich ebenso wie TriXhot und Blackstone in Bewegung. Während sie durch das Lager geführt wurden, entdeckten sie einen roten Haarschopf, der zu eine Elfen-Frau gehörte, die offenbar ziemlich hübsch war und die ihrer Kleidung nach zu urteilen, nicht zu den Söldnern gehörte.

Tuareg fragte an, «Hast Du etwas dagegen, wenn ich mich astral im Lager umsehe Snowcat?»

Snowcat verneinte. 

Der blonde Söldner führte sie zu einem der großen Zelte, aus dem soeben ein breitschultriger Mensch mit bereits ergrautem Haar im militärisch kurzem Haarschnitt, breitem Kinn und ernsten, braunen Augen trat. Seine Haut war wohl ursprünglich eher hell gewesen, nun aber durch Jahrzehnte langen Aufenthalt im Freien wettergegerbt und gebräunt. Er blickte Snowcat mit neutralem Gesichtsausdruck an. Sie seufzte innerlich, Soldaten zu bezirzen war immer so anstrengend und frau musste so behutsam vorgehen, um die gestandenen Kerle nicht zu verschrecken. Snowcat setzte ein leichtes, eher geschäftliches Lächeln auf. 

Der Mann begrüßte sie im europäischen Englisch, „Guten Tag. Was gibt es?“

Snowcat nahm Augenkontakt auf und sah eine Spur verlegen drein. „Es geht um einem meiner Männer, “, der Grauhaarige zog die Augenbrauen zusammen, offenbar gefiel ihm nicht, dass Snowcat diesen Ausdruck soeben verwendet hatte. Sie fuhr fort, „Er wurde vor einigen Minuten in ihr Lager gebracht. Ich habe gehört, das von Verrat gesprochen wurde, doch bei all dem muss es sich um ein Missverständnis handeln.“

„Das ist ausgeschlossen. Bei dem Mann handelt es sich um einen Verräter, der von seinen ehemaligen Kampfgefährten wiedererkannt wurde.“ Shit, das klang gar nicht gut. „Wenn er jetzt einer ihrer Leute ist, dann ist es nur richtig, dass wir ihn jetzt haben, denn früher oder später hätte er Sie wahrscheinlich auch verraten. Er hat seine Kameraden im Stich gelassen und seinen Vertrag mit uns gebrochen. Wir werden ihn seiner gerechten Strafe zuführen - und Sie geht er ab hier nichts mehr an!“

„Aber es könnte doch dennoch eine Verwechslung sein.“, Snowcat startete einen weiteren Versuch, um ihre Sorge und ihre Unwissenheit auszudrücken.

Der Commander sah sie streng an, „Ich versichere Ihnen, das ist es nicht, denn hier bei uns geht alles korrekt zu und wir haben das bereits überprüft!“

Puh, das klang klar und zweifelsfrei, „Was ist den die gerechte Strafe für die Dinge, die ihm vorgeworfen werden?“

Der Grauhaarige schien ein wenig genervt, da Snowcat seine Ansage nicht reichte und sie immer noch da war, kalt sagte er, „Er wird ins HQ nach Istanbul gebracht und wenn der Verdacht sich bestätigt, dann erwartet ihn die Todesstrafe.“

TriXhot zog entsetzt die Luft ein. 

Snowcat hatte so etwas schon befürchtet, aber sie tat ebenfalls erschrocken, „Ich kenne den Mann schon eine ganze Weile, es muss ein Missverständnis sein.“

Ihr Gegenüber schüttelte den Kopf, „Das ist unwahrscheinlich. Wie ich bereits sagte, hier bei uns geht alles korrekt zu.- Oh, wo habe ich meine Manieren. Wer sind sie?“

Fast hätte Snowcat gegrinst, der Mann war durch und durch Militär, statt zu grinsen, lächelte sie bezaubernd, „Calleigh, Calleigh reicht.“

Er fletschte kurz die Zähne, was wohl eine Art Grinsen sein sollte, „Nun Miss Kelly Reicht, ich bin Commander Ivan Ivanowitsch Popow. Vergessen sie den Mann, er ist weder Ihr Vertrauen, noch Ihre Hilfe wert und wenn Sie etwas anderes glauben, dann hat er Sie wahrscheinlich hinters Licht geführt.“

Bei allen Drachen der 6.Welt, der Commander war wirklich angepisst. Was zur Hölle hatte FTW getan? Snowcat tat verzweifelt und gestikulierte leicht hilflos, was sich als der richtige Weg erwies, denn der Gesichtsausdruck des Commanders wurde ein wenig weicher, sie setzte erneut an „Vielleicht haben Sie ja den falschen Mann. Ich kenne ihn ja wirklich schon eine ganze Weile.“

„Wie lange?“

Snowcat packte ein viertel Jahr auf den Zeitraum drauf und sagte, „Ein Dreiviertel Jahr.“

Der Commander fixierte sie, „Das passt zeitlich immer noch Miss.“

Snowcat suchte nach einem Ausweg, „Unter welchem Namen kennen sie ihn denn?“

Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen, „Codename FTW und auch seine Identität haben wir bereits per DNA-Check überprüft.“

Frag, der Name passte und gegen einen DNA-Beweis gab es kaum simple und sofort einleuchtende Argumente, „Könnte ich ihn vielleicht sprechen?“ Snowcat legte ein mädchenhaftes Lächeln drauf, „Vielleicht gibt es ja etwas, was diesen Umstand erklärt oder aber, wenn er zugibt, dass er den Vertrag gebrochen hat, dann... dann wüsste ich wenigstens Bescheid.“

Der Commander schüttelte den Kopf, „Das ist ausgeschlossen Miss. Niemand darf mit dem Gefangenen sprechen. Was sollte das auch bringen? Sind Sie eine Art Anwalt und wollen Sie ihn nach Istanbul begleiten?“

Snowcat verneinte, aber sie würde ihm einen Anwalt bezahlen und so weiter. Sie diskutierten eine Zeit lang, dass der Commander überhaupt darauf einging, war ein Zeichen dafür, dass er Snowcats Charme gegenüber nicht resistent war, nach gut zehn Minuten Hin und Her versuchte Snowcat es erneut, „Könnte ich vielleicht nicht doch mit ihm sprechen? Dann kann ich mich davon überzeugen. Es aus seinem Mund hören, dann... und wenn er dann zugibt, das getan zu haben, was Sie ihm vorwerfen, dann ... dann hat er seine Strafe verdient... - Bitte!“ Snowcat sah den Mann flehentlich an. 

Gefühl blitze in den Augen des Commanders auf, Snowcat hatte erreicht was sie wollte, denn er sagte, „Na gut Miss Kelly Reicht, kommen Sie.“

Während sie liefen erklärte Tuareg, «In dem nordöstlichen Zelt,“ er meinte das Zelt mit der Rothaarigen, „ist neben einer schlanken, stark verdrahteten Gestalt und einer mittelschwer verdrahteten Person, ein Mage. Ansonsten gibt es hier nichts magisches. FTW ist immer noch in dem Citymaster, zu dem ihr wohl gerade geht.»

Um den Master herum standen zwei Wachposten, die den Wagen öffneten, als der Commander es ihnen befahl.

FTW lag seitlich zusammengeschnürt und mit einer Kapuze über dem Kopf auf dem Boden. Ein Söldner stieg in den Wagen und zerrte den Ork unsanft auf die Knie. 

Snowcat sprach FTW an, „FTW kannst Du mich verstehen? Hier ist Calleigh.“

FTW spielte mit, ungläubig sagte er, „ Ca‘ Calleigh? Bist Du es wirklich?“

Popow gab dem Söldner ein Zeichen und dieser nahm FTW daraufhin den Sack vom Kopf. FTW blinzelte mehrmals.

Snowcat legte eine Spur von Sorge und Traurigkeit in ihre Stimme, „Ja ich bin es. Geht es Dir gut FTW?“

Er nickte, „Den Umständen entsprechend.“

„Die Männer sagen, Du bist ein Verräter und hast Deinen Vertrag mit ihnen gebrochen.“

FTW zögerte kurz und meinte dann ruhig, „Das könnte man aus deren Sicht so sehen.“

Snowcat riss die Augen auf, „Das ist jetzt aber schlecht.“ Fragg, er hatte es zugegeben. Obwohl das nun weniger übel war, als man vielleicht denken konnte, denn nun konnte Snowcat den Weg beschreiten, den sie vorbereitet hatte. Sie fuhr sich in einer hilflosen Geste durchs Haar, rang mit sich und um Fassung und meinte dann, „Dann muss es wohl so sein. Dann wirst Du jetzt nach Istanbul gebracht, wo über Dich verhandeln wird. Ich... ich.. es tut mir so leid. Ich werde für Dich tun, was in meiner Macht steht.“ Sie zitterte ein winziges bisschen, als sie sich von FTW abwandte.

Von Mystique kam, «Okay, ich hol ihn raus, aber ich brauch mehr Zeit.»

TriXhot murmelte, «Ich zetere ein bisschen rum, das hilft dabei.» Laut sagte sie, „Calleigh, wir können doch nicht so einfach gehen. Hast Du nicht gehört? Er wird hingerichtet!“

Snowcat sah sie an, „Jessica, er hat seinen Verrat zugegeben, ich kann nichts tun, das ist nämlich leider kein Missverständnis, wie ich zunächst glaubte.“ Snowcat taumelte ein wenig und stieß gegen den Commander, der sie sofort stützte. 

Sie fragte nach einem Glas Wasser, welches man ihr im Kommando-Zelt zugestand und als sie getrunken hatte, erkundigte sich, ob FTW Geld für einen Anwalt brauche. Dann fragte sie, ob Popow nicht einen Ersatzmann für sie habe, den sie engagieren könne. Woraufhin der Commander betonte, dass sie eigentlich keine einzelnen Männer vermieteten. Daraufhin erkundigte Snowcat sich, was denn so ein ganzer Zug kostete. So verging Minute um Minute. TriXhot verstand schnell worauf es ankam und so unterbrach sie immer wieder ein wenig unhöflich das Gespräch durch ihre Einwürfe, was dann weitere Minuten brachte. Nach fast einer Stunde meldete sich Mystique erneut, «Vorbereitungen für den Tanz sind abgeschlossen.»

Snowcat ließ die Unterhaltung auslaufen und verabschiedete sich. Man brachte sie zum Wagen.

„Wohin jetzt?“, fragte Starbuck.

Snowcat schmunzelte, „Zum Hotel. Mystique wartet noch, dann befreit sie FTW und damit das niemand für eine Aktion von uns hält, schlägt sich mit ihm bis zu uns zurück allein durch.“

Mystique bestätigte, «Genau. Ich bin sicher, wir sind rechtzeitig vor dem Termin morgen Früh zurück. Den Wagen könnt ihr einfach irgendwo stehen lassen, denn er ist nicht gemietet. Bis später.»

Starbuck war geplättet, „Wow!“, meinte er einfach nur dazu.

❅❅

Einigermaßen zufrieden kehrten sie am Nachmittag ins Hotel zurück. Soweit war ja alles noch mal gut gegangen. Laut der Kamera von Starbuck war der Cenotaph auch immer noch an seinen Platz. Mystique würde rechtzeitig zurückkehren. Wenn sie daran Zweifel gehabt hätte, hätte sie den Plan nie vorgeschlagen. Niemand von den 10.000 Daggers würde die Befreiung mit dem Team in Verbindung bringen. Selbstverständlich war FTWs Problem damit nicht geklärt, aber wenn er ab jetzt hier in Kairo verkleidet rumlief, würde es für den Augenblick keinerlei weitere Probleme mit sich bringen. 

Als Snowcat die Lobby des Osiris betrat, rief der Concierge sie höflich zu sich und überreichte ihr einen Brief, „Bitte Miss Duquesques, hier ist einen Nachricht für Sie.“

Während sie dicht begleitet von Blackstone zum Fahrstuhl lief, öffnete Snowcat den Umschlag und wäre beinah überrascht stehen geblieben.

❮Ich habe für heute Abend zu 19.30 Uhr einen Tisch im ,La Bodega‘ für Sie und Ihre Kollegen auf den Namen Rhinegold reserviert.

Ich würde mich freuen Sie heute Abend persönlich kennen zu lernen.

Hans Brackhaus.❯

Snowcat rief das Team zu einem sofortigen Meeting in der Suite von ,Armin Müller von Stahl‘ zusammen. 

„Und wer ist dieser Brackhaus?“, fragte Tuareg. 

Snowcat erklärte, „Nun, Hans Brackhaus ist ein Johnson der angeblich nur im Auftrag von Lofwyr arbeitet.“ 

Average verzog wie im Schmerz das Gesicht.

„Nicht nur das,“ fügte Starbuck erläuternd hinzu, „Manche behaupten, dass es sogar eine der Identitäten ist, unter der Lofwyr persönlich unterwegs ist. Mysteriöser Weise erzählen manche Brackhaus sei ein Mensch, andere wiederum meinen, er wäre ein Zwerg.“

Snowcat ließ sich in den Sessel fallen, auf dessen Lehne sie gerade noch gesessen hatte und sagte dazu, „Das stimmt, aber ich glaube nicht, dass wir heute Abend auf den Drachen persönlich treffen. Dennoch liegt es Nahe, dass wir es tatsächlich mit einem Agenten von Lofwyr zu tun bekommen.“

Average verzog wieder das Gesicht, „Wenn wir den Namen noch ein paar Mal aussprechen, braucht keiner mehr von uns persönlich da hin zu gehen, weil dann kommt der gleich direkt selber hier vorbei.»

Tuareg hob ob dieser Aussage leicht überrascht eine Augenbraue, er konnte damit aus verständlichen Gründen nichts anfangen.

Natürlich nahm Snowcat Rücksicht auf die Theorie, dass Große Drachen es mitbekamen, wenn man ihren Namen laut aussprach, die Velvet Touch so vehement vertreten hatte. Sie lächelte Average an, „Der Drache soll jedenfalls an dem Artefakt interessiert sein und es könnte durchaus sein, dass die Einladung die Bestätigung dafür ist. Vielleicht ist das sogar der Versuch uns abzulenken. Jedenfalls habe ich vor hin zu gehen. Allerdings werden wir sicher nicht alle gehen, schon allein, weil einige das Museum im Auge behalten werden.“

Starbuck ließ ein AR-Feld aufblenden, „Das ,La Bodega‘ ist jedenfalls ein Luxusrestaurant aller erste Güte hier in Kairo und es ist für seine überragenden Fleischgerichte ebenso bekannt, wie dafür, dass dort Nilpferdsteaks serviert werden. Allerdings ist gehobene Kleidung Pflicht und Herren, die keine Krawatte tragen, werden nicht eingelassen.“

Average lief das Wasser im Mund zusammen, „Klingt ja lecker.“

Blackstone sah ihn an, „Wer hat gesagt, dass Du mit darfst?“

Average sah nun skeptisch drein, „Wieso denn nicht?“

Snowcat blickte den Mann streng an, „Mit darf nur der, der in der Lage ist die Klappe zu halten und sich zu benehmen weiß. Ich habe keine Lust den Argwohn von Brackhaus zu riskieren, nur weil einer blöde Fragen stellt. Wenn Du sagst, Du kannst das, dann darfst du mit.“

Average verschränkte die Arme vor seiner Brust. 

Blackstone legte fest, „Ich gehe in jedem Fall mit. Außer Snowcat und mir, kann dann noch ein weiterer mit.“

Average sagte schmollend, „Na, ich will eh nicht mehr, wenn ich nichts sagen darf, dann will ich auch nicht mit.“

Tuareg wirkte mehr als erfreut, als er meinte, „Das ist sicher auch besser so. Ich werde mitkommen.“

War da etwa Tuaregs Neugier auf einen Drachenagenten erwacht? Oder wollte er sich die Chance nicht entgehen lassen, dass dort am Ende doch Lofwyr selbst kam, auch wenn es sich nur um eine geringe Chance handelte? 

Snowcat stand auf und ging zu Average, sie berührte ihn sanft am Arm, „Ich habe nicht gesagt, dass Du nichts sagen darfst, zuweilen trägst Du dein Herz nur auf der Zunge, was in dem Fall schwierig sein könnte. Bitte überwach mit Starbuck das Museum, wenn das Meeting eine Ablenkung ist, können wir dort Deine Allround-Fähigkeiten besonders gut gebrauchen.“

Average schnaufte kurz, natürlich hatte er Recht, es blieb dabei, dass man gesagt hatte, dass er sich nicht benehmen konnte, aber Snowcat wusste, dass er nicht lange schmollen würde und vielleicht hatten diese Worte ja dazu beigetragen, dass es mit dem Schmollen noch schneller vorbei war.

TriXhot sagte unbekümmert, „Na, ich bewach dann mal die beiden Jungs und wenn das wirklich eine Ablenkung ist und ein anderes Team kommt, dann werden die zu spüren bekommen, was zwei Hacker und ein unterbewaffneter Gunslinger so alles bewerkstelligen können.“

Snowcat musste schmunzeln. Die Ansage gefiel ihr. Sie sah Blackstone an, „Schade, dass ich kein passendes Kleid von Rhinegold dabei hab. Hätte ich bei der Einladung gerne getragen.“

Blackstone überlegte nur kurz, „Ich habe einen Rhinegold Anzug dabei. Die Idee finde ich gut. Kairo ist groß, hier wird es Läden geben, wir sollten Dir noch etwas passendes kaufen.“

Starbuck schob ihnen kurz darauf Adressen zu. 

Das schwarze, hochgeschlossenen Kleid mit Elfenbeinfarbener Stickerei und Bordüre und die dazu passenden Pumps mit sechs Zentimeter hohem Keilabsatz setzte Snowcat auf die Spesenrechnung für Spinrad.

❅❅

Tuareg hatte sich in seinen blauen Anzug nebst Krawatte geworfen und Snowcat und Blackstone trugen Rhinegold, als sie mit einem Taxi vor dem ,La Bodega‘ vorfuhren. 

Snowcat betätigte den Madjammer, so war sichergestellt, dass Blackstones Cyberware keine Probleme mit sich brachte. 

Der Maitre des ,La Bodega‘ sprang förmlich auf, als Snowcat ihm den Namen Rhinegold nannte. Dann sah er noch einmal auf sein Pad und fragte, „Wissen Sie, ob die anderen Gäste noch kommen?“

Ihmm, wie interessant, „Von unserer Seite kommt niemand mehr, nur wir drei. Wie viele werden denn laut ihrer Liste erwartet?“

„Sechs bis acht.“

Brackhaus oder besser seine Leute hatten gute Arbeit geleistet und die Reisegruppe gut zusammen addiert. Sechs bis acht, vielleicht waren sie nicht sicher, ob der Pater und die Nonne auch zu ihnen gehörten. 

Man führte sie zu einem halb offenen Separee. Dort saß an einem großen Tisch ein Zwerg im Anthrazitfarbenen Anzug, einem hellerem Hemd ähnlicher Farbe und einer silberne Krawatte, die von einer Krawattennadel mit einem riesigen Brillanten an ihrem Platz gehalten wurde. Bart und Haar waren gut gestutzt, gepflegt und ebenfalls grau. Auf dem Kopf trug der Zwerg einen roten Fez. Von einem Bodyguard fehlte jede Spur. Der Zwerg erhob sich bei ihrem Eintreten und wies auf den Platz in seiner Nähe, „Bitte setzen Sie sich.“ Er fragte nicht nach ihrem Namen und stellte sich nicht vor. „Es war ja unvermeidlich, dass wir uns früher oder später kennenlernen.“

Snowcat erwiderte charmant, „Dann besser früher, als später.“

Die Andeutung eines Lächelns huschte über sein Gesicht. 

Die Speisenkarten, zur Freude von Blackstone waren es echte Karten ohne AR, wurden gebracht und die überflüssigen Gedecke abgeräumt. Brackhaus warf einen Blick auf die Karte und kommentierte das mit, „Ihre Kollegen wissen gar nicht, was Sie hier verpassen.“

Snowcat lächelte leicht und sprach mit viel Timbre in der Stimme, „Ich befürchte sie erahnen es, aber leider sind sie anderweitig beschäftigt. Wie ist es mit dem Nilpferd, haben Sie das schon einmal probiert? Können Sie es empfehlen?“

Er nickte und fixierte sie dabei, „Wenn man Fleisch mag, ja.“

Snowcat war kein riesiger Fleischfan, um die einmalige Erfahrung dennoch machen zu können, wählte sie einen Salat mit gebratenem Nilpferdstreifen als Vorspeise.

Brackhaus bestand auf mindestens drei Gängen und Blackstone erhöhte auf fünf, was Brackhaus erfreute. 

Auf der Karte standen keine Preise. 

Snowcat ließ sich bei der begleitenden Getränkeauswahl von Brackhaus helfen, da ihm das offenbar gefiel.

Ansonsten hatte Snowcat in dem Zwerg einen unterkühlten Geschäftsmann vor sich. Auch wenn ihr solche Gespräche keinen Spass machten und er sich damit auf ihrer internen Beliebtheitsliste weit unten einordnete, passte sie sich dem an. So hielt sich der Smalltalk während der Gänge in Grenzen und Snowcat beschränkte sich im Großen und Ganzen auf das Thema Essen. Es war nicht gerade leicht das Gespräch so im Gang zu halten, dass es weder einschlief, noch zu einer sinnlosen Plauderei wurde, aber Snowcat war geübt genug, das zu bewerkstelligen, zumal das Essen hervorragend war und so konnte sie wenigstens zeigen, was sie in diesem Punkt drauf hatte.

Nach dem Hauptgang kam Brackhaus zum Grund seiner Einladung, „Ich möchte Ihnen ein Angebot unterbreiten.“

Snowcat wandte sich ihm völlig zu und meinte, „Ich bin schon gespannt davon zu hören.“

„Ich zahle jedem Teammitglied 100.000¥ wenn sie das Artefakt mir übergeben, statt Ihrem bisherigen Auftraggeber.“

Snowcat seufzte innerlich, natürlich war mit einem Gegenangebot zu rechnen gewesen. Warum verdammt noch mal nahm sich kaum jemand die Zeit, so ein schnödes Angebot mit ein paar Komplimenten zu würzen. Sie lächelte bezaubernd und blickte in das berechnende Gesicht von Brackhaus. „Sie sind sehr großzügig. Aber leider muss ich das Angebot ablehnen, denn ich habe bereits einen Auftrag und ich lasse mich nicht abwerben.“

Der Gesichtsausdruck von Brackhaus änderte sich nicht, „Ich meine 100.000¥ für jedem aus ihrem Team, von dem sich nicht einmal die Hälfte in Kairo befindet.“

Er hatte seine Hausaufgaben gemacht, „Es ist keine Frage des Preises, sondern eine Frage des Prinzips.“

Brackhaus lächelte süffisant, „Meiner Erfahrung nach ist es immer eine Frage des Preises.  Jeder hat seinen Preis.“

Snowcat bestätigte seine Aussage in einem Punkt, „Ich will nicht ausschließen, dass Sie mich dazu zwingen können, dass Artefakt Ihnen zu gebe. Ich sage nur, dass Sie es nicht kaufen können.“

Das kühle Lächeln des Zwergs wurde breiter, „Ich möchte Sie ja gar nicht zwingen. Ich sagte ja bereits, dass meinen Erfahrungen nach jeder etwas hat, was er sich wünscht. Ich kann so gut wie alles möglich machen. Cyberware, Ausrüstung, Foki, Sie müssen nur sagen, was Sie sich wünschen.“

Blackstone sandte Snowcat eine Nachricht zu, die in ihrem AR-Sichtfenster aufleuchtete, ‹Du machst das gut, bleib dran und lass Dich nicht locken.›

Snowcat veränderte ihr Lächeln ein wenig, sie ließ es zarter wirken, „Das klingt alles wundervoll. Engagieren Sie uns einfach das nächste Mal gleich, dann freuen wir uns über Ihr großzügiges Angebot.“

Brackhaus überlegte einen Moment, bevor er fortfuhr, „Ich zahle deutlich besser als Ihr Auftraggeber und Sie haben, wenn sie an mich übergeben, das Wissen, dass die Kammer der Seelen jemand bekommt, der sie zu schätzen weiß und nicht jemand, der damit gar nichts anfangen kann und es zu einem Sammlerstück verkommen lässt.“

Aha, das Artefakt trug also den Namen ,Kammer der Seelen‘, wie interessant und wahrscheinlich sogar sehr passend. Auch Tuareg hatte zu ersten Mal interessiert eine Augenbraue gehoben, als der Name gefallen war.

Brackhaus hatte schon recht, Spinrad konnte den echten Wert des Artefakts nicht zu schätzen wissen. Dennoch sagte Snowcat ein wenig leiser, „Wenn es mir wichtig wäre, wer etwas bekommt, wäre ich wohl kein Shadowrunner.“

Snowcat musste weniger überzeugend geklungen haben, als sie wollte, denn das Gesicht des Zwerg hellte sich kurz auf, als wenn er auf etwas gestoßen war. „Oh doch, das ist Ihnen wichtig. Das weiß ich. Sie schieben das bloß beiseite. Sie wissen ganz genau, wie viel Wissen und Geheimnisse in solchen Dingen stecken, die verloren sind, wenn man sie an einen Unwissenden vergeudet.“ 

Snowcat seufzte leicht, „Verstehen Sie mich bitte, das ist alles sehr verlockend, aber ich habe bereits einen Auftrag angenommen und Sie würden doch auch nicht wollen, dass ich, wenn mein Team und ich für Sie arbeiten, meine Loyalität einfach so weiter verkaufe.“

Brackhaus wirkte überrascht, „Wie kommen Sie darauf, dass mir Ihre Loyalität etwas wert wäre? Und ist es nicht eine schlechte Überlebensstrategie Geld und wohlmöglich ihre Sicherheit und die ihres Teams für so etwas wie falsche Loyalität aufzugeben, Snowcat?“

Snowcat schluckte, er kannte ihren Namen und damit kam die erste Drohung daher. Er hatte sich den Namen genau für diesen Augenblick aufgehoben. Frag! Sie ließ sich das ungute Gefühl nicht anmerken und sagte stattdessen, „Überlebensstrategie? Was hat das Annehmen eines Jobs mit Überleben zu tun?“

Brackhaus sah sie eindringlich, ja gerade zu stechend an, „Nun, ich könnte zum Beispiel ein rachsüchtiger Metamensch sein. Wenn Sie von mir gehört haben, dann wissen Sie auch, wer mein Auftraggeber ist.“

Snowcat nickte zur Bestätigung. 

Er deutete ein Lächeln an, „Sie können sich sicher vorstellen, wie wichtig es für mich ist, die Wünsche meines Auftraggebers zu erfüllen. Wenn es nun mein Auftrag wäre, die Kammer der Seelen zu besorgen, dann können Sie sich vorstellen, wie sehr es mich ärgern würde, sie nicht zu bekommen und wenn ich rachsüchtig wäre...“, er ließ die Bemerkung offen über dem Tisch schweben.

Snowcat hob die Hand, „Noch habe ich die Kammer doch noch gar nicht.“

„Oh, Sie werden sie bald haben. Da bin ich ganz sicher. Wie schade wäre es dann, wenn ihrem Team, ihren Freunden oder ihre Familie etwas passiert, nur weil Sie an ihrer Loyalität unnötig festhalten? Als rachsüchtiger Metamensch könnte ich mich doch gezwungen sehen, vielen von denen, die ihnen etwas bedeuten, etwas zustoßen zu lassen.“

Der Stich hatte gesessen, das hier alles wurde langsam aber sicher unangenehm, doch Snowcat lächelte unaufhörlich und perfekt, einer Barbiepuppe gleich, „Oh, da bin ich ganz gelassen, so etwas wie eine Familie habe ich nicht.“

Eine Spur Sarkasmus trat in die Stimme von Brackhaus, „Ach, tatsächlich? Nun gut und wie klingt die Äußerung ,32 tote Drakes‘ für Sie?“

Snowcat wurde flau im Magen, doch sie verbarg ihre Angst und die Tatsache, dass diese Bemerkung tief gesessen hatte hinter einem kurzen wütenden Blick. 

Tuaregs Gesichtsausdruck blieb neutral, aber er wusste ja auch nicht, dass genau 32 Drakes am Lake Louise lebten. Brackhaus hatte gerade klar gemacht, was ihm alles bekannt war und wie weit sein Rachedurst reichen konnte. 

Blackstone hatte kurz den Atem angehalten, Snowcat hatte das hören können. Sie lächelte und meinte in dem selben sanften Ton wie bisher, „Jemandem der mir auf diese Art droht, würde ich sagen:“, Snowcat beugte sich ein Stück vor, baute sich zur vollen Größe auf und sah Hans Brackhaus direkt in die grauen Augen. Sie fixierte ihn, legte all die Abscheu, die ihr möglich war in ihre Stimme und spie dabei alles aus, was die Strasse sie gelehrt hatte, „Ich fresse das Teil eher, als es Ihnen jetzt noch zu überlassen.“ Dann lehnte sie sich zurück und lächelte unschuldig.

Brackhaus lächelte nun auch, aber sein Lächeln war einfach nur als überlegen zu bezeichnen, in einem überraschend freundlichen Ton meinte er, „Sehen Sie, das wäre dann doch mal eine emotionale Reaktion, wie ich sie erwarten würde. Es war auch nur ein Gedankenspiel, niemand tötet 32 Drakes.“

Snowcats Unbehaglichkeit blieb, am liebsten wäre sie nervös auf ihrem Stuhl hin und her gerutscht oder hätte zumindest an ihrer Unterlippe gekaut. Auch wenn Brackhaus soeben das mit den Drakes zurück genommen hatte, sie war sich sicher, dass er es mit seiner Drohung an sich ernst gemeint hatte. Sie konnte Männer nicht leiden, denen ihr Charme egal war. Natürlich fühlte auch Brackhaus sich in ihrer Gegenwart wohl, aber das war auch schon alles. Nie im Leben war dieser Mann dort Lofwyr persönlich, denn Lofwyr hatte ein Faible für schöne Elfinnen, so hörte man jedenfalls. Aber selbst wenn der Drache von ihrer Erscheinung unbeeindruckt gewesen wäre, so wäre sie selbst doch zumindest von ihm beeindruckt gewesen. Von diesem Brackhaus war sie nicht beeindruckt. Sie legte noch eine weitere Portion Lächeln drauf, neigte den Kopf leicht und sagte, „Nun zum Glück sind sie kein rachsüchtiger Metamensch.“

Er lachte kurz und seine Augen blitzen stechend auf, „Ja, sehen Sie, da ist sie wieder, die Hoffnung. Dabei könnten Sie doch so viel mehr haben als Hoffnung und das bleibende Risiko. Also, was verlangen Sie, Snowcat? Für welchen Preis sind Sie zu haben?“

Er hatte seine Drohung also keinen Deut zurück nehmen wollen. Snowcat startete noch einen Ausbruchsversuch, „Ich kann jetzt doch unmöglich ein Angebot machen. Wenn man das einmal macht, ist die Schwelle überschritten. Wenn ich auf Ihren Deal eingehe, dann kann ich doch gleich bei jeden Artefakt zu Ihnen kommen und es Ihnen bringen.“ 

Er grinste böse, „Oh, darüber lässt sich verhandeln.“ 

Snowcat schüttelte den Kopf, „Wir lieben unsere Freiheit und möchten nicht nur für einen Auftraggeber arbeiten.“

Brackhaus fixierte Snowcat einen Moment, „Geht es Ihnen um Ihren Ruf?“

Snowcat seufzte, „Auch.“

Der graue Zwerg nickte, „Ich sorge dafür, dass man auf der Strasse nichts von diesem zweiten Deal erfährt. Alle werden glauben, dass mein Deal der erste war und werden den anderen für eine Lüge halten.“

Snowcat wand sich innerlich, wie sollte sie da rauskommen? Sprinrad war so viel sympathischer und sie wollte an dem festhalten, was sie immer sagte, was irgendwie ihr Motto war. Aber konnte sie das noch? Der Gedanke Spinrad zu enttäuschen machte sie sogar ein wenig traurig. „Das ist es nicht allein. Ich wüsste doch, dass ich diesen ersten Deal gebrochen habe.“

Nun beugte sich Brackhaus vor und zwar ein ganzes Stück, seine grauen Augen blitzen erneut und diesmal lag ein Art Erregung darin. Snowcat hoffte, dass er in den Sternen ihrer Augen nicht ihre Unsicherheit zu erkennen vermochte, er klang nun eindringlich, fast enthusiastisch „Snowcat, befreien Sie sich von dem Korsett, welches Sie einschränkt und Sie und die Ihren sogar gefährdet. Nennen Sie mir Ihren Preis. Ich kann Ihnen so viel bieten. Wie wäre es, wenn ich sie in sämtliche Geheimnisse der Kammer der Seelen einweihe?“

Tuaregs Augen weiteten sich während dieses Angebotes zum ersten Mal. Eine deutliche Reaktion. Das interessierte ihn also. Zum Glück hatte Brackhaus gerade nur Augen für Snowcat. 

Von Blackstone schneite erneut eine Nachricht herein, das mit den Drakes hatte ihn offenbar geschockt, Snowcat las, ‹Hast Du überhaupt noch eine Wahl? Mach das beste draus.›

In Gedanken holte sie tief Luft, nach außen lächelte sie, „Also gut. Wie wäre es damit. 200.000¥ für jedes Teammitglied....“, sie überlegte, was sie noch fordern sollte. Eigentlich war ihr übel, was sie da tat behagte ihr gar nicht. Sie konnte doch nicht abspringen, umspringen, den Auftraggeber wechseln. Wahrscheinlich würde ihr Sprinrad nicht mal böse sein, er brauchte das Artefakt nicht. Aber war das ein ausreichender Grund? Sie überlegte, ob jetzt zu weinen vielleicht eine gute Idee wäre. Der Gedanke amüsierte sie, wenn auch nur kurz. Snowcat konnte sich nicht durchringen. So unwohl hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt.   

In ihrem AR-Sichtfeld blinkte es, sie erhielt einen Anruf. Es gab nicht mal eine Handvoll Commlink Id‘s, die in diesem Modus durchgestellt wurden. Sie konnte es nicht fassen, ausgerechnet jetzt rief Harlequin an. Er hatte sie noch nie angerufen, es konnte also wichtig sein und außerdem brachte es ihr Zeit. Sie stellte das Gespräch auf ,Einen Moment bitte‘, entschuldigte sich bei Tisch und zog sich in Richtung Damen WC‘s zurück.  

Sie nahm ab und schaltete das Bild ein.

«Oh, braunes Haar. -Wie geht es Dir?»

Sie kaute einmal kurz auf ihrer Unterlippe herum und machte so ihrer Anspannung Luft, «Es geht mir mittelmäßig. Ich bin gerade in einer Verhandlung und schwimme ein wenig.»

Harlequin hob überrascht eine Augenbraue, «Du schwimmst? Verhandlungen im Pool? Interessant. Zeig mal Dein Badedress!“

Snowcat musste schmunzeln, „Schwimmen war metaphorisch gemeint, ich bin ein wenig unter Druck.“

„Ah,“, Harlequin klang, als hätte er eine große Erkenntnis gewonnen, «Du bist in einem U-Boot. Dafür ist die Verbindung aber gut.»

Snowcat schüttelte amüsiert den Kopf, «Nein, ich meinte auch das metaphorisch. Ich bin in einem Restaurant. »

Er unterbrach sie, «Wo?»

«Wo das Restaurant ist? -In Kairo.»

„In Kairo? Du hast gar nicht gesagt, dass Du nach Kairo gehst, als wir uns das letzte Mal gesehen haben.». Harlequin klang ein kleines bisschen vorwurfsvoll.

«Da wusste ich es auch noch nicht.»

«Ach so. Dann hättest Du es mir sagen können, als Du dorthin aufgebrochen bist!» 

«Nein, hätte ich nicht, da ich ja für einen Auftrag hierher bin.»

«Du bist wegen Verhandlungen nach Kairo geflogen?»

Snowcat lachte kurz, »Nein, ich bin für einen Job hierher und nun ist ein anderer gekommen und möchte, dass wir das gleiche für ihn tun. Man will mich abwerben.»

Der Schalk verschwand aus Harlequins Augen, «Das machst Du doch aber generell nicht, was gibt es da zu verhandeln?»

Snowcat seufzte, «Wo wir dann wieder bei dem Druck angelangt sind. Johnson droht mir.»

Harlequin sah nun ein wenig ernster aus, «Worum geht es denn bei dem Job?»

«Um ein Artefakt.»

«Um welches?»

Snowcat zögerte kurz, «Ich weiß gar nicht, ob ich es dir sagen kann? Aber gut, es geht um die Kammer der Seelen.»

Harlequins Gesicht explodierte förmlich vor Überraschung, «Die Kammer der Seelen???», dann grinste er kurz und sein Gesicht sah im Anschluss total gelangweilt aus, «Ach so. Der alte Schwätzer findet es vielleicht noch ganz interessant.»

Snowcat musste wieder schmunzeln, «Wenn ich es meinem ursprünglichem Auftraggeber gebe, lässt sich da vielleicht sogar noch etwas machen. Normalerweise bin ich nicht leicht einzuschüchtern, aber der, der uns abzuwerben versucht ist Hans Brackhaus und da wiegen die Drohungen etwas schwerer.»

Harlequin winkte ab,«Hatte er seine Füsse auf dem Boden?»

Diese Anfrage verblüffte Snowcat völlig, «Wie bitte?»

«Na wenn du es nicht weißt, dann schubs ihn einfach vom Stuhl.»

Snowcat wurde immer verwirrter, «Wieso sollte ich das tun?»

Nonchalant sagte Harlequin, «Na damit Du weißt, ob er ein Drache ist. Kein Drache kann ägyptischen Boden betreten!»

Snowcat war total baff, «Ist das Dein Ernst?»

Harlequin nickte, «Ja, denn genau so ist es, aber natürlich geben sie es nicht zu.»

Snowcat wäre beinah komplett vom Thema abgekommen, «Du musst mir irgendwann mal erzählen, warum das so ist. »

Harlequin blickte direkt ins Commlink, «Ja irgendwann mal.»

Snowcat konzentrierte sich, «Ich glaube gar nicht, dass das Lofwyr persönlich ist, nur jemand, der für ihn arbeitet.“

Harlequin zuckte mit den Schultern, «Das Brackhaus für den Drachen arbeitet, weiß in den Schatten inzwischen jeder. Zeig doch mal ein Bild.»

Snowcat verbog sich und deutete mit der Kamera des Commlinks in Richtung des Separee. 

»Hmm, ja, kann ich nicht sagen. Es könnte also ein Trick sein.»

Snowcat seufzte, «Schön wäre es, für einen Trick weiß er aber einen Menge. Er hat von 32 toten Drakes gesprochen.»

Ein eigentümlicher Ausdruck huschte über das geschminkte Gesicht, «Niemand töte 32 Drakes.»

Snowcat grinste, «Ziemlich genau das hat er auch gesagt, aber dass er das weiß, bleibt das Problem.»

Harlequin neigte den Kopf ein wenig, «Du willst also annehmen? Dann verlang mindestens das Doppelte. »

«Oh er bietet mir nicht nur Geld, sondern auch Geheimnisse.»

«So, was für welche?»

«Zum Beispiel mich in alle Geheimnisse der Kammer der Seelen einzuweihen.»

Wieder winkte Harlequin gelangweilt ab, «Ach das, das kann ich Dir auch sagen. Und der Schwätzer vielleicht auch.»

Snowcat legte ihren Kopf leicht schief und meinte zweifelnd, «Ach ja? Das wäre ja mal etwas Neues. Normaler Weise höre ich nur, ,Für dieses Wissen bist du noch nicht reif‘, ,Du hast noch Zeit‘ oder ,finde es selber raus‘. Also vermute ich, dass Du das jetzt nur sagst, um das Angebot von Brackhaus zu schmälern.»

Wieder zuckte Harlequin mit den Schultern, «So großartig ist sein Angebot ja auch nicht.»

Snowcat warf einen Blick auf die Uhr, sie sprach schon viel zu lange mit Harlequin, «Ich weiß ja auch noch nicht was ich tun will.»

«Lass Dich im Zweifel von Deiner Intuition leiten. Wo bist Du denn genau in Kairo?»

Wieder war Snowcat von der Frage überrascht, «Im ,La Bodega‘, einem Restaurant in der Innenstadt von Kairo. Wieso?»

«Ich dachte, falls die Verhandlungen scheitern, kann ich Dich vielleicht aus den brennenden Ruinen retten.»

Snowcat seufzte tief, «Ach ja, das wäre schön. Allerdings hoffe ich, dass es ohne brennende Ruinen ausgeht.» Sie machte eine kurze Pause, «Ich muss jetzt wieder zur Verhandlung. Wenn ich sicher zurück im Hotel bin, schicke ich Dir eine Textnachricht, wenn Du magst.»

«Ja, das mag ich.»

Snowcat lächelte Harlequin liebevoll an, «Gut und wenn ich wieder zu Hause bin, rufe ich Dich an und erzähle Dir, wie es ausgegangen ist.»

Er nickte, «Gut, dann bis später.»

«Bis später.» Snowcat beendete die Verbindung.

Innerlich deutlich gelassener kehrte sie an den Verhandlungstisch zurück, „Ich bitte nochmals um Entschuldigung. Wo waren wir gleich stehen geblieben?“

Brackhaus lächelte leicht, „Sie wollten mir gerade Ihren Preis nennen.“

Sie lehnte sich entspannt in den Sitz, „Also gut 200.000¥ pro Teammitglied, alle Geheimnisse der Kammer der Seelen, soweit bekannt,“

Brackhaus nickte.

Snowcat fuhr fort, «ein Treffen mit ihrem Auftraggeber...“

Brackhaus lächelte abermals, „Auch das sollte kein Problem sein.“

„Gut.“ Snowcat strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, „Ich nehme mal an, dass Sie wissen, wer mein jetziger Auftraggeber ist?“ 

Brackhaus runzelte die Stirn, „Ich nehme das auch an, aber was spielt das für eine Rolle?“

„Weil meine letzte Bedingung damit zu tun hat.“ Snowcat machte eine lange Kunstpause, „Ich möchte das Versprechen, dass ihr Auftraggeber auf meinen jetzigen Auftraggeber kein Attentat mehr in Auftrag gibt oder selbst versucht.“

Für einen Moment war der Zwerg verblüfft, dann aber sagte er, „Kein Problem, auch das kann ich zusagen.“

Nun war es Snowcat, die die Stirn in Falten legte, „Tatsächlich? Und das ohne irgendwo nach zu fragen?

Er nickte, „Ja, meine Kompetenzen sind weitreichend genug.“

Snowcat stutzte und nahm sich die Zeit auf ihr Bauchgefühl zu hören, dann sagte sie, „Das ging mir jetzt zu schnell und darum lautet meine endgültige Antwort: Nein, Danke! Ich lehne ihr Angebot ab.“

Brackhaus sah wirklich enttäuscht aus, „Ach Snowcat, das ist sehr schade, dabei waren wir doch schon so weit. Nun gut, dann ist es eben, wie es ist. Sie werden mit der Entscheidung leben müssen. Ah, da kommt das Dessert.“

Tatsächlich schob man gerade den Wagen mit den Desserts herein. Snowcat wählte ein Parfait und lies es sich schmecken. Dank ihrer Selbstbeherrschung merkte niemand, dass ihr das Herz vor Aufregung bis zum Hals schlug, als sie den Smalltalk geschickt wieder in Gang brachte. 

❄❄

Zurück im Hotel stellte Snowcat erleichtert fest, dass Mystique und FTW wieder heil zurückgekehrt waren. 

Da es keinen Diebstahlversuch gegeben hatte und das Artefakt immer noch auf seinem Podest stand, zog Snowcat TriXhot, Starbuck und Average von vor dem Museum ab und bat sie zu einer Teambesprechung in Blackstones Suite. 

Dann sandte sie die versprochene Nachricht an Harlequin.

Als alle bei einem Getränk der Wahl beisammen saßen, fasste Snowcat die Ereignisse im „La Bodega“ zusammen, das Gespräch mit Harlequin ließ sie dabei fast völlig aus, sie erwähnte nur, angerufen worden zusein. Auch die Information, dass Drachen keinen ägyptischen Boden betreten können, ließ sie weg. Als sie mit ihrem Bericht fertig war, tat sie etwas ungewöhnliches, sie fragte in die Runde, „Wie seht ihr das? Seid ihr mit meiner Absage an Brackhaus einverstanden?“

TriXhot meinte sofort, „Klar, Spinrad ist viel netter und außerdem hätte ich ja sonst nicht mit ihm Basejumpen gehen können.“

Tuareg sagte sogar, „Ich bin stolz auf Dich Snowcat. Denn ich muss zugeben, dass die Aussicht auf alle Geheimnisse des Artefakts sehr verlockend war.“

Snowcat grinste keck, „Ja, das fand ich auch. Allerdings hättest Du Dich nicht zu freuen brauchen, wenn es dazu gekommen wäre, denn in einem solchen Fall hätte ich die Geheimnisse nur für mich ausgehandelt.“

Avergae schnaufte, er schmollte wieder ein wenig, auch wenn er es gerade vielleicht nicht so ernst damit meinte, „Ja klar, wenn es wirklich lecker wird, dann behältst Du das Filet für Dich.“

Was Snowcat mit einer gewissen Überraschung daran erinnerte, dass auch Average am Aufdecken von Geheimnissen interessiert war. Dass er diesen Wunsch auch bei magischen Artefakten verspürte, war ihr zuvor noch nicht in den Sinn gekommen. 

Auch die anderen stimmten ihrer Absage zu und Blackstone drückte kurz ihren Unterarm, „Du hast uns da noch gut rausgeredet.“

Nur Average war unzufrieden, „Ich finde, Du hättest das Angebot annehmen sollen. Spinrad wäre Dir nicht böse gewesen, weil er Dir aus der Hand frisst und es ist nicht ratsam, den Agenten eines Drachen gegen sich aufzubringen. Jedenfalls nicht bei dem Level.“

Der kleine Stich in der Magengrube sagte ihr, dass ein Teil von ihr der selben Meinung war.

❄  

FTW, den Mystique bereits so verwandelt hatte, dass er wie ein glatzköpfiger Ork aus der Gegend aussah, war bei dem Gespräch verständlicher Weise zurückhaltend gewesen. Snowcat lächelte ihn an, „Wenn wir zu Hause sind, müssen wir noch mal besprechen, ob bei Dir und den 10.000 Daggern noch was nachkommt.“

Er nickte, „Es ist übrigens so, dass ich zwar den Vertrag gebrochen hab, aber sie haben mich zuerst hängen gelassen. Sie haben mich im Stich gelassen und ich bin in Gefangenschaft geraten. Danach hatte ich kaum eine andere Wahl.“

Snowcat erwiderte im sanften Ton, „Das glaube ich Dir. Es wäre eben nur besser gewesen, wenn Du gleich nach der Information mit den Söldnern hellhörig geworden wärest. Hättest Du Dich gleich so wie jetzt verkleidet, wäre uns eine Sorge erspart geblieben.“

Er nickte erneut, „Stimmt, aber ich hab einfach nicht geglaubt, dass die Welt so klein ist. Was für ein beschissener Zufall. In Zukunft werde ich darauf achten. Snowcat, noch was, mach meiner Einschätzung ist auch Ares nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen.“

Snowcat hob eine Augenbraue, „Tatsächlich? Na dann wird sich UC mal ein paar Portionen Nanopaste mehr zulegen.“

❄❄

Laut Kamera war der Cenotaph immer noch da, wo er sein sollte und als Snowcat mit Blackstone um 9.45 Uhr den entsprechenden Raum betrat und sie astral wahrnahm, stellten sich sogleich leichte Kopfschmerzen ein. 

Average und TriXhot waren unterwegs, um auf die SIN von Jessica Flechter die beiden Jeeps zu mieten. Zufrieden stellte Snowcat fest, dass Average sogar darauf geachtete hatte, dass die Jeeps geriggt waren. 

Der Kurator des Museums, Sharif Al Tarik, ein leicht untersetzter Mensch mit schütterem Haar und wachsam wirkenden Augen, empfing sie pünktlich in seinem Büro. Es dauerte einige Minuten, bis Sharif aufgetaut war, aber dann konnte er Herrn von Stahl und Miss Duquesque gar nicht genug von seiner Arbeit berichten. Er fand Gefallen daran, endlich jemandem erzählen zu können, was er so gerne tat und er kam um so leichter ins Plaudern, weil sein Gegenüber, das ihm die Fragen stellte, so hübsch anzusehen war. Er holte einen freundlichen Tipp zur Restauration nach dem anderen raus und obwohl Snowcat wirklich nicht uninteressiert an dem Thema war, begann sie sich langsam Sorgen zu machen. Die Informationen, die ihnen gesagt hatten, dass ihr Plan funktionieren konnte und die sie zu seiner Durchführung brauchten, hatten sie schon nach wenigen Minuten des Gesprächs beisammen gehabt.

Average stöhnte hin und wieder ins Commlink, er betonte irgendwann zum dritten Mal, dass sie die Vorbereitungen für später so gut wie abgeschlossen hatten, jedenfalls all das, was über die Matrix möglich war. Wenig AR Input aus der Stadt bedeutete eben schnell Langeweile für den Mann.

Trixhot äußerte, dass ihre Haare inzwischen um ein ganzes Stück gewachsen seien. «Aber so lange jetzt nicht ein anderes Team kommt, das Teil zu klauen versucht und wir uns das ganze Gelaber umsonst angehört haben, ist das alles nur halb so wild.»

Nach über drei Stunden sah Al Tarik entsetzt auf die Uhr und meinte, „Oh, schon so spät. Jetzt habe ich aber völlig die Zeit vergessen. Ich habe doch noch einen anderen Termin.“

«Frag!», kam es aus mehreren Kehlen über den Teamkanal. 

Verdammt, mussten sie nach all der Mühe wirklich schon am ersten Breaking Point auf Plan B zugreifen oder gar improvisieren? Der Back Up Plan sah an dieser Stelle vor, dass Mystique ins Museum kam und hier zauberte, aber das war wegen der Domäne nur halb so gut.

Wenn alle Stricke reißen sollten, dann hatten sie immer noch den Plan, bei dem sich Snowcat verwandelte, sich den Cenotaph schnappte und aus dem Fenster sprang, um sich dann mit Blackstone als Drake zu treffen und gemeinsam in die Wüste zu fliehen.

Snowcat lächelte eines ihrer schönsten Lächeln, „Oh, wie schnell die Zeit vergangen ist. Ich glaube soweit sind auch all unsere Fragen geklärt, aber Sie müssen uns unbedingt erlauben, Sie noch auf eine Tasse Tee einzuladen. Der Jasmin Tee in der Orientalen Bar nicht weit von hier ist ganz hervorragend.“ 

Snowcat zog alle Register und nutzte alle Informationen, die sie über den Kurator hatte und gut fünf Minuten später hatte sie ihn davon überzeugt, dass er die Einladung zum Tee nicht ausschlagen konnte. 

Auf dem halben Weg zur Bar meldete sich Starbuck, «Ich hab sein Commlink gehackt. Mrs. Tarik ruft soeben darauf an. Ich hab den Anruf zurückgehalten, was soll ich tun?»

«Schick sie auf die Mailbox.», antwortete Mystique sofort. «Für eine subtile Beeinflussung brauche ich ein klein wenig Zeit. »

«Copy.»

Zwei Tische von ihnen entfernt saß Mystique, die aussah wie ein einheimischer Standinhaber in der verlängerten Sonntags-Mittagspause. 

Snowcat lenkte die Gedanken des leicht unter Zeitdruck stehenden Kurators in die richtige Richtung, indem sie vorsichtig Schlagworte benutzte. Schon nach wenigen Schlucken Tee konnte sie sehen, wie der Samen aufging. Tarik wurde nervös, entschuldigte sich vielmals und verabschiedete sich dann ohne seinen Lieblingstee ausgetrunken zu haben, allerdings nicht, ohne Snowcat noch eine private CommID zu nennen.  

Starbuck meldete kurz darauf erfreut, «Bingo, er macht bereits den Anruf. Ich lass den übersetzten und schleif ihn dann zu Euch durch.» 

❮Shiran, hören Sie, Sie müssen unbedingt sofort alles für den Transport des Cenotaph von Mentuhotep dem Fünften vorbereiten. Gleich nach Schließung des Museums werde ich einen Transport zur zweiten Restaurationswerkstatt veranlassen. Heute Früh beim Rundgang ist mir aufgefallen, dass er beschmutzt worden ist. Noch ist kein Schaden entstanden und wenn wir uns beeilen, dann kann er morgen bereits wieder gezeigt werden. Ich hätte schon früher Bescheid gesagt, aber durch mein Treffen mit dem Mann aus der ADL bin ich noch nicht dazu gekommen.❯

Fantastisch, dann konnte der Tanz ja beginnen. 

❄❄

Bis auf FTW und Average hatte alle aus dem Team Position in der kleinen Strasse hinter dem Museum bezogen. Starbuck und Mystique saßen in einem Café, Tuareg stand in Sichtweite von ihnen an einem kleinen Stand und betrachtete die ausgestellten Gegenstände. 

Snowcat, Blackstone und TriXhot saßen in einem der gemieteten Jeeps am südlichen Ende der Strasse.

Starbuck hatte Drohnen in der Luft, um 16.53 Uhr sagte er, «Von Norden kommt ein weißer neutraler Kastenwagen, das wird unser Ziel sein.»

Snowcat erwiderte, «Ich sehe ihn. Mystique, Tuareg, seid ihr bereit?» 

Beide bestätigten.

Der Kastenwagen fuhr rückwärts zum Liefereingang. Ein breit gebauter Ork stieg auf der Fahrerseite aus und ein großer, schlaksiger Mensch verließ den Wagen auf der Beifahrerseite. Beide waren in Arbeitsoveralls des Museums gekleidet. Zwei Sicherheitsmänner kamen aus der Hintertür, sahen sich um und nickten, woraufhin zwei weitere Männer in Arbeitsoveralls einen kleinen Wagen auf dem mehrere Transportbehälter standen die Rampe hoch schoben. Nur eine der Kisten war groß genug für den Cenothaph. Sie verluden das Zeug in den Kastenwagen. Als alles verstaut war, verschwanden die Mitarbeiter aus dem Museum wieder in der Hintertür. Die Sicherheitsmänner blieben noch stehen. 

Snowcat kontrollierte die Umgebung, von dem Mage war weder etwas zu sehen, noch etwas zu spüren. Das Artefakt wurde wirklich nur mit geringen Sicherheitsvorkehrungen transportiert. «Mystique, Tuareg, die Luft ist rein, ihr könnt loslegen.»

Kurz darauf kam von Mystique, «Hab die Idee platziert. Setzte mich jetzt zu meinem Punkt Beta ab.», und Tuareg meldete, «der Beifahrer steht unter dem Einfluss meines verschleierten Geistes, der Mann wird nicht eingreifen, was auch immer passiert, es sei denn, der Geist befiehlt es ihm.»

Snowcat startete den Jeep und folgte dem Wagen mit dem Cenotaph in einigem Abstand.

So weit lief alles nach Plan. 

Allerdings wurde Snowcat nach wenigen Metern klar, dass der Fahrer des Kastenwagens nicht den Weg außen über die besser zu befahrenden Strassen nahm, wie die Runner vermutet hatten. Er bog sofort ab und bewegte sich stattdessen im Schritttempo über die Wege des Bazars. Dort entlang konnte Snowcat dem Wagen nicht folgen, das würde jedem sofort auffallen. Aber wenn Snowcat ihnen nicht folgte, dann war keiner aus dem Team dicht genug dran, um spontan eingreifen zu können.

Starbuck passte mit einer seiner Drohnen den Kurs an, «Wenigstens kommen sie so langsam voran, dass sie mich nicht abhängen können.»

TriXhot hatte eine Idee, «Hey, Snowcat, was ist, wenn ich schnell aussteige und dem Wagen zu Fuss folge?»

«Gute Idee.», Snowcat bremste und TriXhot sprang aus dem Wagen. Schon bald darauf hatte sie den Kastenwagen im direkten Blick. Ein beruhigender Umstand, es wäre doch zu dumm gewesen, wenn irgend jemand anderes die Arbeit des Teams ausnutzen und den Transporter überfallen würde. 

Unendlich langsam schob sich der Wagen zwei Querstrassen lang über den Bazar, dann bog er in eine winzige Gasse ab, die als nicht befahrbare Strasse auf den Karten markiert war. 

TriXhot meldete, «Der passt da grade so durch. Aber die Türen würde er nicht mehr aufkriegen. Was für ein Depp!»

Auch Starbucks Stimme erklang über den Teamkanal, «Snowcat gib mal Gas!»

Sie beschleunigte sofort und wollte gerade nach dem Grund für die Anweisung fragen, als Starbuck erklärte, «Wenn der Typ das noch eine weitere Gasse lang macht, kommt er im Anschluss auf unsere berechnete Strecke zurück und hat ein paar Meter Hauptstrasse gesparrt. Wenn nicht wie heute gerade Sonntag ist, dann ist das vielleicht wirklich eine Route, die Zeit sparrt. Ich hab Dir den Punkt, an dem er auf die Strasse kommen müsste auf der Karte markiert.»

TriXhot lachte kurz, «Na dann ist er eben kein völliger Depp, sondern nur einer, was Sicherheitsfragen angeht.» Die junge Frau begann zu laufen um an dem Transporter dran zu bleiben, selbstverständlich bewegte sie sich geduckt, damit sie aus den rückwertigen Kameras im Wagen nicht gesehen werden konnte, sicher war sicher.

Snowcat erreichte die von Starbuck markierte Stelle und hielt mit Blick in die winzige Gasse an.

Als der Fahrer des Transporters ein weiteres Mal ein Stück abkürzte und durch eine Durchfahrt unter einem Haus hindurch fuhr, war TriXhot für einen Moment die einzige, die noch freie Sicht auf ihr Ziel hatte, denn Starbuck musste seinen Drohnenkurs erst anpassen.

Gut eine Minute später kam der Wagen durch die Gasse getuckert und bog auf die Strasse ab. Snowcat wartete noch, bis TriXhot wieder in den Jeep gesprungen war und setzte sich erst dann in Bewegung.

Planmäßig bog der Transporter bei der nächsten Gelegenheit links ab und hielt nach 150 Metern. 

FTW und Average parkten ebenfalls in dieser Gasse. 

Der Ork im Overall stieg aus und öffnete die hinteren Türen seines Wagens. Als FTW zu ihm trat, grüßte er ihn, als wäre er ein Kollege, dann half er FTW sogar dabei, den Cenotaph aus der Kiste zu nehmen und in die große Manasheet Tasche umzuladen. 

FTW ging zurück zum Jeep und Average fuhr los.

Der Fahrer des Transporters rieb sich die Hände und schritt beschwingt zur Fahrertür, dann fuhr auch er los.

Snowcat sagte, «Tuareg, halte bitte die Beeinflussung durch den Geist aufrecht, bis ich Dir etwas anderes sage.»

Er antwortete mit, «Verstanden. Das hätte ich sowieso getan.»

Von FTW kam «Okay, ich hab das Teil TAG-Erased und die Tasche wieder gut verschlossen.»

Snowcat war mehr als nur zufrieden. «Copy.»

Wieder war es Starbuck, der sich mit einer Neuigkeit meldete, «Die fahren jetzt gar nicht zur Restauration. Sieht eher aus, als wenn sie zurück fahren. Ist das ein Problem?»

Snowcat grinste, «Nein, ist es nicht. Wie gewollt werden sie jetzt spontan in eine Gaststätte fahren, in der es Alkohol gibt. Dort werden sie sich betrinken und dann dank des Katers und des Laés, welches Mystique ihnen verabreicht, werden sie sich an die letzten Stunden nicht mehr erinnern können.»

FTW kommentierte, «Cool, dann kann ich diese Visage ja doch noch mal benutzen, obwohl ich kein Freund der Glatze bin.»

Sie sammelten Starbuck, Tuareg und eine viertel Stunde später schließlich auch Mystique ein und verließen Kairo zügig Richtung Gizeh.

Auf der Fahrt kamen sie in den Genuss eines wundervollen Sonnenuntergangs. Da ihnen niemand folgte, stellte sich bei Snowcat ein Hochgefühl ein.

Irgendwann mitten in der Nacht bogen die beiden Jeeps in Richtung Alexandria ab. Irgendwo am Meer hielten sie an. Mystique sprayte die Wagen im Inneren ein, um ihre DNA Spuren zu verwischen. TriXhot würde die SIN mit der sie die Jeeps gemietet hatte aufgeben, also würde da hingehend nichts nachkommen.

Thunderstrike empfing sie am Strand. Er war mit einem kleinen Motorboot gekommen. Das wenige Gepäck der Runner war schnell verstaut, erneut machte sich bezahlt, dass sie von Anfang an mit leichtem Gepäck gereist waren.

«Und,» fragte Snowcat den Zwerg nach der Begrüßung, «Ist bei Euch auch alles so gut gelaufen, wie bei uns?» Sie deutete mit dem Kopf in Richtung der Tasche, in der sich die Kammer der Seelen befand.

Thunderstrike grinste, «Und ob. Der Diebstahl von Sprinrads Yacht war in den Nachrichten und er hat eine Riesenshow daraus gemacht. Ihr könnt Euch die Datei dazu nachher auf dem Trideo auf der Yacht ansehen.»

Sie fuhren in dem Motorboot einige Minuten über das nächtliche Mittelmeer, um dann auf eine 47 Meter lange Luxusyacht von Johnny Spinrad umzusteigen, die Thunderstrike und Shark Finn einige Tage zuvor ,gestohlen‘ hatten.

Der Luxus auf der Yacht war wirklich unglaublich. Da sie leider nur knapp einen Tag an Bord bleiben würden, richteten sie sich nicht weiter ein, sondern parkten ihr Zeug im Wohnzimmer.

Die Pressekonferenz in der Spinrad über den Diebstahl seiner Lieblings-Yacht gesprochen hatte, zeigte, wie gewohnt Spinrad den Umgang mit den Medien war. Gekonnt hatte er genau das rüber gebracht, was sie sich von ihm erhofft hatten, als sie ihn in diesen Teil des Plans mit einbezogen hatten. 

,Ja, natürlich habe er größere Yachten, aber diese kleine 47 Meter Yacht war nun mal die erste, die er sich geleistet hatte und darum hing sein Herz so sehr an ihr.‘

Die kleine 47 Meter Yacht, der Mann dachte echt in anderen Massstäben.

Irgendwann am Dienstag dem 29.11.2072 hatten sie ein Rendezvous mitten im Mittelmeer. Niemals hätte Snowcat damit gerechnet, dass Spinrad mit einen noch größeren, noch luxuriöseren Yacht dort auf sie alle warten würde. 

Die andere Yacht war mehr als doppelt so lang. Jet Skis parkten am Heck und es gab einen Hubschrauberlandeplatz auf dem ein Ares Traveler, ein Tilt-Wing-Flugzeug, stand.

Eine komplette Platform wurde herabgelassen, damit die Runner bequem an Bord gehen konnten. Den Cenotaph ließen sie auf der kleinen Yacht zurück.

Fünf eher dunkel gekleidete Männern gingen sogleich an Bord der kleinen Yacht und diese verließ wenige Augenblicke später den Rendezvous-Punkt.

Als Snowcat Johnny Spinrad sah, nahm sie umgehend astral wahr und gab im Anschluss Entwarnung, denn er verfügte noch über genug Essenz, um sich dem Cenotaph ungefährdet nähern zu können. Sie kämpfte einen Moment mit sich, unterdrückte dann aber ihre Neugier und betrachtete Spinrads Aura nicht näher. Was er empfand und dachte wollte sie lieber auf die mundäne, langwierigere und in dem Fall auch spannendere Art herausbekommen. Seine ausgesprochen gute Laune und seine positive Aufregung war ihm jedenfalls auch auf der weltlichen Ebene anzusehen. 

Der Multimilliardär strahlte über das ganze Gesicht. Er umarmte Snowcat herzlich und begrüßte jeden anderen aus dem Team mit Handschlag. „Das hat ja alles ganz hervorragend geklappt, ich bin begeistert!“

Snowcat strahlte ebenfalls, wurde dann aber ernst, „Zumindest bis hierher. Jemand, wahrscheinlich ein Agent des Drachen, hat versucht uns abzuwerben.“

Spinrad riss überrascht die Augen auf.

„Natürlich haben wir abgelehnt, aber es ist nun zu vermuten, dass wenn rauskommt, dass das Teil gestohlen ist, dieser jemand ahnt, dass Du es nun hast.“

Spinrads zufriedenes Grinsen wurde noch eine Spur breiter, „Das ist ja gleich ein doppelter Grund zum Freuen, ich hoffe der alte Wurm ärgert sich so richtig. In den Nachrichten gibt übrigens nichts über einen Diebstahl im Museum. Also merken es seine Leute erst, wenn sie ins Museum gehen und das Teil nicht mehr da ist.“

Average meldete sich zu Wort, „Wenn man auf die Seite des Museums geht, kann man  sehen, dass der Cenotaph einfach nicht mehr auf der Liste der Ausstellungsstücke steht.“

Spinrad betonte noch einmal, „Das läuft ja alles einfach fantastisch. Keine Sorge Snowcat, ich mache jetzt alles wie abgesprochen. Die von mir engagierten Leute“, er legte die nächsten Worte mit den Fingern in Anführungszeichen „,finden meine Yacht wieder‘. Natürlich wissen sie nichts davon, dass sich dort nun etwas zusätzliches befindet. Ich fliege nach Paris und gebe dort zur Wiederbeschaffung eine Pressekonferenz. Die Crew dieser Yacht hier schippert Euch, meine ausdrücklich willkommenen Gäste ein Stück das Mittelmeer runter, dann komme ich wieder hierher. Natürlich immer noch ohne das gute Stück und wir reisen dann gemeinsam an die Ostküste der UCAS.“

Auf einigen Gesichtern ihrer Kollegen zeichnete sich echte Freude ab. Das Meiste, was Johnny soeben gesagt hatte, hatte sehr wohl bereits zum Plan gehört. Dass die Runner aber gerade eben eine Woche Luxusurlaub auf dieser 128 Meter langen Yacht gewonnen hatten, war ihnen neu.

„Nein, dankt mir nicht, denn diesen kleinen Bonus spendiere ich Euch gern. Und es ist noch nicht mal uneigennützig, da ich so in den Genuss Eurer Gesellschaft komme. Bis morgen.“, sagte Johnny im Plauderton und verschwand in Richtung Ares Traveler.

Die Yacht bot jeglichen Luxus, von dem man träumen konnte und ließ die kleine Yacht dagegen alt aussehen. Ein Swimmingpool war hier ebenso zu finden, wie ein Kino und ein großer Fitnessraum. 

Snowcats Masterbedroom war größer, als ihr Schlafzimmer in ihrem Appartement in Downtown Seattle und die Crew, samt Koch war zuvorkommend.

Bald wetteiferten zwei knackige, junge Matrosen darum, wer von ihnen TriXhot den Rücken eincremen durfte. 

Starbuck ließ seinen Charme bei Mystique spielen, so weit sie das zuließ und Johnny war ganz Gentleman und bot seinen Gästen eine grandiose Zeit voller Unterhaltung, nachdem er an Bord zurückgekehrt war. Er hatte ständig neue Ideen und schlug Aktivitäten vor, damit bei niemandem Langeweile aufkam.

Zu Blackstones Freude gab es einen Spielsalon mit einem Air Hockey Tisch, der völlig retro war und somit ohne jegliche Elektronik auskam.

Zu Averages Freude gab es an Bord mehr als nur eine leistungsfähige Satellitenschüssel. 

Shark Finn fuhr Wasserski an speziellen High Speed Schlauchbooten und am Ende war Snowcat froh, dass sie ihren Badeanzug mit auf die Reise genommen hatte, denn der Außenpool war beheizt und an den Sonnenliegen gab es Wärmelampen, so dass man auch Anfang Dezember an Deck Sonnenbaden konnte, allerdings benötigte Snowcat den Badeanzug mehr für den Whirlpool. Sonnenbaden war einfach nicht ihr Ding.

❄❄

In der Nacht bevor sie New York als ihren Zielhafen erreichten, lag Snowcat im Orxanne T-Shirt in dem großen Bett in ihrer Kabine und fröstelte leicht. Statt die Temperatur der Klimaanlage höher zu stellen, ging sie an den Bettkasten und holte alles an Decken und Kissen daraus hervor, was sie finden konnte, um sich darin einzukuscheln. 

Fünf wunderschöne Tage an Bord lagen hinter ihr und zuvor hatte UC wieder einmal ein Bravourstück vollbracht und ein Artefakt gestohlen. Die Erinnerung an die Kammer der Seelen ließ sie erneut frösteln und sie zog die Decken enger an sich. 

Ob es wirklich eine gute Entscheidung gewesen war, das Angebot von Brackhaus auszuschlagen? Vielleicht hätte sie gar nicht erst zu diesem Meeting gehen sollen? 

„Und was wäre dann besser gewesen, Elfenmädchen?“, fragte Katze.

„Ich weiß nicht genau, Katze. Aber wäre ich gar nicht erst hin gegangen, dann hätte ich das Angebot de facto nicht ausgeschlagen können und dieser Brackhaus hätte mir nicht gedroht.“

„Papperlapapp, Elfenmädchen. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass eine Bedrohung weniger existiert, weil Du sie nicht kennst?“

„Nein, das nicht Katze. Aber ehrlich gesagt, hat er mir Angst gemacht.“

Katze streckte sich, legte den Kopf ein wenig schief und fragte mit etwas mehr Sanftmut in der Stimme, „Befürchtet Du, dass er Dich töten könnte, Elfenmädchen?“

Snowcat zuckte mit den Schultern, schüttelte dann aber den Kopf, „Nein, nicht wirklich. Aber ich habe für alle mit entschieden, Katze. Und ich glaube sehr wohl, dass jemand wie er meinen Tod in Kauf nehmen würde.“

Katze putzte sich die linke Vorderpfote, „Ach wirklich? So dumm, dass er Deinen Wert nicht einzuschätzen vermag, sah er gar nicht aus, Elfenmädchen.“

Snowcat zog die Beine an, sah Katze direkt an und sagte leise, „Als ich das letzte Mal eine Maus nicht hergeben wollte, ist Craven gestorben Katze.“ Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. 

Katze gähnte ausgiebig, „Oh, daran denkst Du. Immer noch! Ach, ich bin mir ziemlich sicher, dass Du Harlequin mit Deiner Ablehnung in keiner Weise in Gefahr gebracht hast, Elfenmädchen.“

Snowcat zog die Augen skeptisch zusammen, „Wie kommst Du denn jetzt auf Harlequin, Katze? Ich denke an meine Kollegen und Freunde, zumindest die, die jetzt dabei waren, könnten Schwierigkeiten bekommen.”

Katze putzte sich die rechte Tatze, „Ich hatte diesen Zwerg so verstanden, dass seine Drohung gegen all Deine Bekannten und Freunde gerichtet war, Elfenmädchen. Nicht nur gegen die, die jetzt dabei waren.“

Snowcat kniff die Augen zusammen, „Na toll und das soll mich beruhigen, Katze?“

Katze machte es sich auf einem dicken Kissen bequem, „Nein, Elfenmädchen, ich wollte Dich nur nicht in einer falschen Sicherheit wiegen. Nebenbei bemerkt ging die Drohung übrigens nie direkt gegen Dein Leben oder Deine Gesundheit.“ Katze gähnte abermals, „So wie dieser Zwerg drauf war, war das sicher kein Versehen, DAS sollte Dir bewusst sein und Dich beruhigen. Was Deine Kollegen angeht, bis auf dieses eine Männchen waren doch alle mit Deiner Tat einverstanden und dieses besagte Männchen jammert eh schnell.”

Der Kloß in Snowcats Kehle war weg, aber der, der sich im Magen gebildet hatte, wollte nicht verschwinden, „Ja das stimmt, Katze, aber viele von ihnen waren ja auch nicht dort, sie konnten den Grad der Bedrohung nicht einschätzen.”

Katze fuhr ihre Krallen an der rechten Vorderpfote aus und betrachte diese. Sie klang nun wieder sehr schnippisch, ein Zeichen dafür, dass sie die Diskussion zu langweilen begann, „Jeder von ihnen hat sich für diese Art von Leben entschieden. Aus welchen Gründen auch immer. Sie alle wissen um des Risikos, das dieses Leben mit sich bringt. Keiner von ihnen sah so aus, als wenn er die letzten Tage nicht genossen hätte, die es ja nur gab, weil Du oder meinetwegen auch ihr, den Job auf diese Art zu Ende gebracht habt. Es ist weder Deine Aufgabe, sich um sie alle zu kümmern, noch ist es Deine Aufgabe für ihre Sicherheit zu sorgen, Elfenmädchen.“

Snowcat nickte. Katze hatte bestimmt Recht. 

Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte Snowcat, zu Johnny in die Kabine zu gehen, da sie irgendwie immer noch fröstelte, doch bevor dieser Gedanke halbwegs Gestalt angenommen hatte, löste er sich bereits wieder in Luft auf. 

In New York würde sich Spinrad von ihnen verabschieden. Natürlich würde er ihnen einen Jet mit Crew zur Verfügung stellen, der das Team nach Seattle bringen würde. Irgendwann im Frühjahr würde Snowcat dann mit ihm und TriXhot Basejumpen gehen.

Katze sagte zart; „Du musst einfach wachsam bleiben, Elfenmädchen, dann geschieht Dir nichts. Und vorsichtshalber bin ich in Deiner Nähe und auch wachsam.“

Snowcat schenkte Katze einen dankbaren Blick, sie strich über den Anhänger ihrer Bastet-Kette und als Katze sich dicht neben sie legte und zu schnurren begann, war die Angst in ihrem Magen endgültig verschwunden und sie schloss die Augen. 

Ihr Team war mehr als nur gut und so leicht konnte man ihnen nichts anhaben, das hatte schon viele erfahren müssen. 

Snowcat kuschelte sich noch einmal in ihren Kissen zurecht und nun seufzte sie wohlig. Und es würde weiter wohl niemandem leicht fallen, ihr etwas anzutun und wenn doch, dann hatte sie immer noch acht von ihren neun Leben übrig.

Dennoch wurde Snowcat das ungute Gefühl nicht los, dass Seattle sie mit eisigem Regen empfangen würde. 


                                                             UC - UNIVERSAL CONSULTANTS - UC

                              UC - Unknown Consequences -das TOP-Runnerteam aus Seattle- You See!


Ob Snowcat irgendwann in sämtliche Geheimnisse der Kammer der Seele eingeweiht wird, wie das Jahr 2072 für UC endet und ob es etwas mit Snowcats ungutem Gefühl auf sich hat, wird demnächst hier zu lesen sein. 

Schau also regelmäßig vorbei, omae.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*