Episode 02/13 (vom 18.01.) Run 41/5

Welcome back, omae!

Schön, dass du wieder reinschaust!

Derzeit On The Run sind: Blackstone, Blood, Llamé, Riven, Starbuck, Steel, Sunrise, Thunderstrike, Twinbow und Snowcat.

Datum in unserer SR-Timeline: 2.Juni 2072

Nach der erfolgreichen Entführung von Vikar General Celeste Vargas erhielten die Runner ihre nächste Mission. (Achtung enthält Spoiler für Colombian Subterfuge by Catalyst Game Labs) Sie sollen das Kriegsgefangenenlager infiltrieren, Informationen beschaffen und die amazonischen Gefangenen befreien. Zur Beobachtung schlugen die Runner im Dschungel um Medellin ihr Basislager auf, am Morgen wurden sie von einem Wraith angegriffen, ungeachtet dessen, zogen sie die Beobachtung weiter durch. Mit genügend Hintergrundinformationen erstellten sie einen Plan. Nun soll die Infiltrationsphase beginnen. Snowcat und Starbuck nehmen die Identitäten eines Datenanalysten und einer Verhörexpertin und Twinbow die eines Sicherheitsmannes von Aztechnology an. Blackstone und Thunderstrike gehen als Soldaten ins Lager und Llamé wird den Komplex in seiner wahren Gestalt, der eines Leoparden betreten. Blood und Steel bilden ein Außenteam, welches im Dschungel wartet, Riven und Sunrise ein zweites. Kurz bevor das Sechserteam losfährt, bemerken die Runner die Ankunft eines alten Bekannten von UC, Tenoch ein aztlanischer Shorn One, dessen Waffenbruder durch das Team getötet wurde, schwor ihnen einst Rache. Das Team ist verkleidet, doch kann er sie vielleicht dennoch enttarnen?

Wir blenden uns genau an der Stelle ein, wo wir unser Team das letzte Mal im Intermezzo verlassen haben, mitten in den Dschungel Aztlans, drei Kilometer vom Gefangenenlager entfernt.  

Wir erleben alles aus Snowcats Sicht mit.

Deine Kommentare zum folgenden Geschehen kannst du gerne im CatPoint unter the Tale so Far Part II hinterlassen. [LINK] Wir freuen uns über jeden einzelnen Post. 

Und nun los omae!


„Tenoch? Wer ist Tenoch?“, fragte Sunrise über Commlink. Llamé knurrte bei der Nennung des Namens und antwortete, „Einer der das Lager nicht lebend verlassen wird!“ Snowcat lächelte den Afrikaner an. „Damit habe ich kein Problem, aber erst nachdem wir die Ziele eins bis drei erledigt haben und Punkt vier läuft.“ Sie fuhr an alle erklärend fort, „Tenoch ist ein sogenannter Shorn One. Shorn Ones sind eine, wenn nicht sogar die Elite-Einheit Aztlans für Black Op Missionen. Sie sind immer zu zweit. Letztes Jahr haben wir auf einem Run den zweiten Teil seines Paares getötet.“

„Ihr habt einen Shorn One getötet? Respekt.“, erklärte Thunderstrike, was Snowcat deutlich zeigte, wie gefährlich Tenoch wirklich war. Dennoch führ sie lächelnd fort, „Das ganze war in L.A. später hat er uns in Caracas aufgelauert, sich einen von uns geschnappt und uns geschworen den Tod seines Bruders zu rechen, das ganze Team zu jagen und jedem einzelnen das Herz raus zu reißen. Seinen Gefangenen hat er damals laufen lassen, da uns dieser die Botschaft überbringen sollte.“

Snowcat konnte Blood förmlich grinsen hören, als er sagte, „Klar, dass er sein Versprechen nicht einlösen wird, denn Steels Herz wird er kaum rausreißen können.“

Riven nahm das nicht so auf die leichte Schulter, „Ist es ein Zufall, dass er hier ist? Und wen von euch könnte er überhaupt erkennen?“

Snowcat überlegte kurz und sagte dann, „Von uns jetzt waren damals Blood, Steel, Llamé, Twinbow und ich dabei. Llamé kann er schon mal gar nicht erkennen und da Twinbow und ich ebenfalls verkleidet sind, sollte es eigentlich kein Problem geben, aber sicherheitshalber sollten wir ihm aus dem Weg gehen, wenn möglich.“

Riven seufzte kurz, „Also gut, weiter wie geplant. Gebt mir ein Zeichen, wenn ich ihm mit einem Manabolt den Kopf explodieren lassen soll. Was ich naturlement erst kann, wenn mir Sunrise das Fernglas gibt.“

Wieder musste Snowcat bei Rivens Bemerkung schmunzeln. Sie hatte darauf angespielt, dass einige Sorge hatten, sie könne sich im Falle eines Falles nicht beherrschen. Gut, dass sich die schöne junge Frau hier nicht die Butter vom Brot nehmen ließ.

Thunderstrike nickte zufrieden, „Du hast sogar den richtigen Zauber angedroht, einen nach dessen Ausspruch man dich nicht lokalisieren kann.“


Das Innen-Team machte sich auf den Weg. Starbuck sah gut aus in seinem schwarzen Anzug und dem weißen Hemd. Snowcat hätte für sich eine andere Bluse als die mit dem blau-gelben Muster zu dem sanft blauen Business-Kostüm gewählt, aber bei Aztechnology ging es eben gerne etwas bunter zu und es reichte ja schon, dass Starbuck aus dem Rahmen fiel. Bei der Leine für Llamé hatten sie mit ein wenig Kletterzeug improvisiert, aber solange niemand anderes als Twinbow das ,trainierte Tier‘ übernehmen würde, würde das sicher niemandem auffallen. 

Beim verabredeten Punkt verabschiedeten sie sich von den beiden Außenteams und unterbrachen die Commlink-Verbindung. Die vereinbare Funkstille zwischen innen und außen sollte wirklich nur in einem Notfall unterbrochen werden, denn bis zu dem vereinbarten Code ,Stingray, Stingray, Stingray‘ sollten die Außenteams die Füsse still halten. Erst nach dem Stichwort sollten sie mit ihrem Angriff beginnen, egal, was auch immer sie zuvor sahen oder ihnen im Lager komisch vorkam. 

Ein dumpfes Gefühl machte sich in Snowcats Magen breit, als die ersten mehrsprachigen AR-TAGs sie darauf hinwiesen, aus Sicherheitsgründen unbedingt auf der Strasse zu bleiben. Weitere TAGs geboten, das Tempo zu drosseln und die SIN‘s bereitzuhalten. 

Die 15 Meter hohe Mauer erhob sich gewaltig vor ihnen. Snowcat schüttelte jeglichen Gedanken an die Gefahr, die von Tenoch ausging und das ungute Gefühl, dass sie sich gleich freiwillig in ein feindliches Gefangenenlager begeben würden, ab, atmete tief durch und begann schon mal zu lächeln. Das erste Tor schloss sich ratternd hinter ihnen und das zwölf Meter hohe Tor vor ihnen sah auf einmal noch gewaltiger aus.

Noch bevor ,Soldat Blackstone‘ mit dem in der Killzone eingeschlossenen Wagen völlig Halt gemacht hatte, öffnete sich eine Seitentür und drei Soldaten, die erwartungsgemäß gepanzert und bewaffnet waren, traten heraus. Der Mittlere, seine Abzeichen wiesen ihn als Lieutenant aus, trug keinen Helm. 

Snowcat ließ das Fenster runter und sagte im besten aztlanischen Spanisch, „Guten Morgen. Cathrine Midnight von Aztechnology UK, wir sind das Verhör-Spezialistenteam aus London.“

Als der Offizier Snowcat erblickte, strich er sich durch sein schwarzes Haar, lächelte und sagte dann mit deutlicher Verwunderung in der Stimme, „Ich bin Lt. Borgetti. Man hat mich leider gar nicht über ihre Ankunft informiert.“

Snowcat lächelte nun stärker, reichte dem Mann ihre SINs raus und meinte nach einem kurzen Seufzen locker charmant lächelnd. „Machen sie sich nichts daraus, mir hat man auch nicht gesagt, dass mein nächster Auftrag in den Dschungel führt. Obwohl ich irgendwann auf dem Flug so eine Ahnung hatte.“ Sie zuckte mit den Schultern, „Aber unsere Vorgesetzten werden schon ihre Gründe dafür gehabt haben uns nichts zu sagen. Wahrscheinlich geht es um die Geheimniswahrung und dabei kann man nun mal nie vorsichtig genug sein. “

Lt. Borgetti gab die SINs an einen seiner Männer und versuchte die Wartezeit mit einem Smalltalk zu überbrücken, „Aus London sagen Sie? Wie war die Reise?“, seine Augen blitzen vor südamerikanischem Temperament, ihm gefiel, was er sah und hörte und Snowcat war wieder einmal begeistert von der Leidenschaft südamerikanischer Männer, die ihr in vielen Fällen alles um so vieles einfacher machte. Offenbar hatte sie hier einen echten Macho vor sich. Sie passte ihre Strategie an, lächelte mehr, strich sie eine Strähne aus dem Gesicht und ließ die geplante Arroganz fast völlig weg. 

Sie zeigte ein wenig Ungeduld, indem sie mit den Fingern auf ihren Oberschenkel klopfte, nahm dann ihre Sonnenbrille ab, sah dem Lieutenant in die Augen und antwortete, „Ja, London genau. Der Flug war kurz und komfortabel. Sie haben hier ja ein ganz hervorragendes Klima, nur die Höhenluft ist vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig.“ 

„Oh, wenn sie damit noch Probleme haben, da hab ich was für Sie.“ 

Snowcat winkte ab, „Nein danke, das ist nicht nötig. Ich habe vor dem Flug neben den erforderlichen Impfungen zum Ausgleich eine Injektion erhalten. Mein Verstand muss das nur noch akzeptieren.“ 

Borgetti sah sich um und bekam in diesem Moment die SINs zurück. Offenbar hatte die Fälschungen der Kontrolle stand gehalten, denn das rote AR-Licht für das Fahrzeug sprang auf gelb und das Tor dahinter begann sich knatternd zu öffnen. Ein ,Follow Me‘ Pfeil erschien und wies den Weg zur Parkposition. Borgetti öffnete galant und lächelnd die Tür des Wagens und half Snowcat beim Aussteigen, „Die Soldaten können sich um das Fahrzeug und das Gepäck kümmern. Folgen Sie mir doch ins HQ, Miss Midnight.“

Ohne um Erlaubnis zu bitten stieg Twinbow mit Llamé an der Leine mit aus und lief dicht hinter Snowcat. Borgetti würdigte ihn nur eines kurzen Blickes. “Was ist ihr genauer Auftrag? Ich meine, was führt sie den weiten Weg von London hierher?“, stellte der Lieutenant seine dringendste Frage. Er berührte Snowcat kurz an der Hüfte, um sie in die richtige Richtung zu führen. 

„Ich bin Expertin für Verhör und Spezialist für Parawesen und Metarassen und man hat mich hierher gesandt, um ihre Verhörmethoden zu optimieren. Sie sollen hier ja einen extrem hohen Prozentsatz an Parawesen gefangen halten. Ich freue mich schon sehr auf diese Aufgabe, denn ich werde meinen Erfahrungsschatz sicher bereichern können.“ Snowcat lächelte Borgetti kurz an und reagierte erfreut auf sein bestätigendes Kopfnicken. „Vor der Optimierung steht natürlich die Information, das heißt, ich müsste zunächst einmal Zugang zu ihren Daten erhalten und mir einen Überblick über ihrer Gefangenen verschaffen und Mr. Ocean hier.“ Sie deutete auf Starbuck, „Ist ein Datenanalyst und benötigt Zugriff auf ihr Datensystem.“

Borgettis Lächeln verlor ein wenig an Intensität, „Nun, das sollen sie alles bekommen, wenn klar ist, dass sie die nötige Sicherheitsfreigabe haben.“ 

Snowcat hielt in ihrer Bewegung inne, „Ja selbstverständlich, wie lange sie mit der Freigabe für uns noch warten müssen, liegt natürlich in ihrem Ermessen. Wenn es hilft können wir gerne auch noch beim meinen Vorgesetzten in London anrufen oder...“ 

Borgetti winkte erhoffter Weise ab, „Nein, nein, das wird nicht nötig sein.“ 

Inzwischen hatten sie das HQ erreicht. „Ich lasse schnell ihre Quartiere herrichten. Ich nehme mal an, sie wollen sich frisch machen. Im Anschluss, können wir gleich mit einer Führung im Lager der Gefangenen beginnen und natürlich können sie auch Einblick in unsere bisherigen Verhöre erhalten.“

Das HQ war imposant eingerichtet, alles sah hier sauber und sota aus und das, obwohl es sich um einen Aufbau aus Fertigbauteilen handelte. Der Lieutenant war offensichtlich stolz auf dieses Lager. Starbuck war offenbar überrascht von dem, was er hier vorfand und es fiel ihm schwer sich konzernmäßig zu Verhalten. Sein ,in die Luft starren‘ erregte Aufsehen. Der Lieutenant zog die Stirn in nachdenkliche Falten. Snowcat lehnte sich verschwörerisch zu Borgetti rüber und flüsterte, „Nerds, sie verhalten sich wirklich manchmal mehr als seltsam.“

Borgetti Gesichtszüge glätteten sich. Er nickte und es kostete ihn einiges, seine aufkommende Erregung zu unterdrücken. Miss Midnight gefiel ihm. 

Blackstone und Thunderstrike brachten ihnen das Gespräch aufs Zimmer, ein Zeichen dafür, dass sie den Scann der Edger Naniten problemlos überstanden hatten. Sie warteten dann vor dem HQ. Snowcat machte sich frisch und erschien kurz darauf mit einem strahlenden Lächeln bei Borgetti, der bereits auf sie wartete. Twinbow und Raubkatze Llamé wichen nicht von ihrer Seite. 

Die Führung begann im Fuhrpark. Neben den sechs Bussen, die sie für den Transport der Befreiten benötigen würden, befanden sich hier noch 4 Transformers, die mit Ares Glop Cannon bewaffnet waren und 2 Hawker Sidley Miaxed Coatl, also ausreichend Drohnen, von denen Starbuck zum Start der heißen Phase der Befreiung eine oder mehrere an Steel schicken und übergeben konnte. 

Nach der Besichtigung des Teocalli, wo Snowcat im stillen Gebet kurz inne hielt, näherten sich dem Gefangenenkomplex. Starbuck verschickte die Nachricht, dass zum Öffnen des Zwischentores die Übersendung eines Codes notwendig war. Wie selbstverständlich hatte Starbuck den Code sofort kopiert. Einige Soldaten exerzierten, ein paar andere hatten offenbar ein paar freie Minuten. Alle die gerade draußen waren starrten zu Snowcat und dem Lieutenant herüber. 

Blackstone und Thunderstrike baten um die Erlaubnis sich entfernen zu dürfen, damit sie ihre Sachen ablegen und sich nebenbei ein wenig unter den anderen Soldaten umsehen konnten.

Äußerlich mochte das alles hier einem Gefängnis entsprechen, aber von der Einstellung her entsprach es genau dem, welchen Namen es trug. Es war ein Kriegsgefangenenlager. Hier scherte man sich nicht um das Wohlergehen der Gefangenen. Das Lazarett diente nur dazu, die Insassen länger am Leben zu erhalten, damit man sie weiter foltern konnte. Mit jeder stolzen Erklärung von Borgetti wurde klarer, was an Grausamkeiten hier zum normalen Tagesablauf gehörte. Sie hatten hier Platz für 500 Gefangene und es gab 100 Spezial-Zellen. 

Im Gefängnis empfing sie ein exotischer Geruch. Es gab kein passenderes Wort, als exotisch. Es war nicht wie in einem Zoo oder wie in einem Haus mit vielen Bewohnern, in dem lange nicht gelüftet worden war. Es roch einfach fremdartig, aber leider mischte sich unter den exotischen Geruch auch der von Blut. 

Auf jeder der vier Etagen patrouillierten je acht Trooper, die je einen gezüchteten Kriegsleoparden dabei hatten. Borgetti erklärte, dass man die Zellen nicht elektronisch, sondern auf jeder Etage einzeln und mechanisch in einem Schalterraum am Ende der Etage öffnen konnte. Gut zu wissen, wenn sie also später die Gefangenen befreien wollten, musste jemand in diesen Raum und die Zellen einzeln öffnen und das auf jeder Etage. Die Stockwerke waren innen offen und es bildete sich so eine Art Schacht.

Schließlich betrat die Gruppe die Verhörräume. Vereinzelte Schreie drangen ihnen entgegen. Zu jedem Verhörraum gab es einen entsprechenden Überwachungsraum, doch ihr erster Gang führte natürlich in die Zentrale. Der Lieutenant öffnete einen Bildschirm, gab Snowcat einen Codeschlüssel und verschaffte ihr so Zugang zu sämtlichen bereits gesammelten Daten, was die geführten Verhöre, samt akustischer und visueller Daten ebenso beinhaltete, wie die medizinischen Informationen über die Gefangenen. 

Snowcat erhielt eine Nachricht von Starbuck, ,Habe noch keinen Zugriff, kann Daten noch nicht unbemerkt kopieren oder Kameras kontrollieren. System ist stark gesichert, muss warten bis Alarmzustand vorbei ist, bevor ich mir einen Account lege. Wenn ich soweit bin, werde ich nach einem Starbucks-Kaffee fragen.‘

Snowcat wandte sich wieder an Borgetti, „Haben sie inzwischen Anführer identifiziert?“

Wieder war da der Stolz in seinen Augen. „Ja, aber natürlich.“ Er war stolz auf Aztlan, Aztechnology, das Lager und die erzielten Leistungen und er wollte Miss Midnight nur allzu gern beeindrucken. Borgetti rief ein paar Dateien auf. Naturgemäß hielten die Aztlaner die Elder Lindworms und die gefiederten Schlangen für Anführer von Zellen, außerdem hatten sie zwei Anaconda- und zwei Jaguar-Shapeshifter als Anführer eingestuft. 

„Was für Methoden setzten sie denn bei den Shapeshiftern ein?“, fragte Snowcat gekonnt mit einer Mischung aus Neugier und Gelassenheit. 

„Zunächst Elektroshocker, aber vor allem Flammenwerfer und natürlich Silbernadeln. Die haben sich als ertragreich gezeigt.“ 

Innerlich schluckte Snowcat schwer, aber sie ließ sich nichts anmerken, sondern nickte, „Das Wissen über ihre eigene Regenerationsfähigkeiten verhilft den gefangenen Shiftern sicher zu einer erstaunlichen Schmerzresistens. Ich werde mir jetzt erstmal einen Überblick verschaffen und dann werde ich entscheiden, mit welchem der Gefangenen ich beginnen werde.“

„Möchten Sie sich vielleicht ein paar Videoaufzeichnungen ansehen? Bilder sagen mehr als Worte.“

Nein will ich nicht, hätte sie am liebsten gesagt, aber der Lieutenant hatte Recht und sie selbst durfte sich als Verhörexpertin nicht zimperlich zeigen. Sie lächelte, „Eine gute Idee, dann kann ich mir auch gleich einen Eindruck über die Körpersprache der Verhörten machen.“ Vorsichtshalber bestellte sie Blackstone und Thunderstrike vor dem Beginn der Vorführung zu sich. 

Schon nach wenigen Minuten war Snowcat klar, dass hier nicht nur gefoltert wurde, um an Informationen zu gelangen. Man wollte den Feind brechen und quälen. Einige Verantwortliche machten dies aus dem Verständnis, dass es nötig war, andere taten das aus purem Spass an der Sache und Hass gegenüber dem Feind. Snowcat hatte in ihrem Leben schon das eine oder andere an Brutalität und Folter gehört und gesehen. Ob Gangs oder organisiertes Verbrechen, auf so etwas wurde immer wieder zurückgegriffen. Ob sie nun von irgendwo hinter einer Mülltonne versteckt gesehen hatte, wie jemand zusammengeschlagen wurde, ob sie einem Verhör durch die Ancients beigewohnt hatte. ob sie die Schreie gehört hatte, als Kaz Yakamura dem Yakuza Tattoo um Tattoo in Hautstreifen herausschnitt und abzog oder ob sie auf der Hazienda Ramos bei seiner Folter zugesehen hatte, es war nie etwas gewesen, woran sie Gefallen gefunden hatte. Was sie hier sah, übertraf jedoch in seiner Menge und Gewalt alles an Grausamkeit, was sie ertragen konnte. Sie brauchte all ihre Selbstbeherrschung, um nicht weg zu sehen oder sich gar zu übergeben. Ja, Ding Ramos hätte seine Freude an dem furchtbaren Schauspiel gehabt und es würde Snowcat nicht wundern, wenn er hierfür nicht den einen oder anderen Tipp gegeben hatte. Die Schmerzen der Gefolterten waren so sichtbar, dass Snowcat sie praktisch schmecken konnte und es war klar, dass einige schon alles gesagt hatten, was sie wussten. Dennoch wurde weiter gemacht. Sie hatten zwölf Magier hier. Sie hatten sogar so etwas außergewöhnliches wie ein Team von vier Trollmagiern. Nicht einer von denen sollte dazu in der Lage sein, den Geist sondieren zu können, um an Informationen zu gelangen? Natürlich war dieser Gedanke nicht ganz fair, denn selbst wenn einer oder mehrere solche Zauber vermocht hätte, so war es wahrscheinlich auch mit Magie nicht einfach aus einer gefiederten Schlange Informationen zu ziehen. Man würde erst sondieren müssen und dann maximal ein oder zwei entscheidende Fragen stellen, um gesicherte Antworten zu bekommen. Also waren Verhöre an sich notwendig. Hier jedoch überschritt man die Grenzen des Metamenschlichen bei weitem. 

Ziel vier, die Befreiung der Gefangene, gewann für Snowcat immer weiter an Gewicht. Sie würde diese Aktion wagen, selbst wenn sie die Ziele 1-3 nicht erreichen konnten. Das Wissen, die Wesen befreit zu haben, würde die furchtbaren Bilder der Folterungen verblassen lassen. 

Thunderstrike, Twinbow, Starbuck und Llamé konnten sich beherrschen, auch wenn Llamé hin und wieder knurrte. Blackstone jedoch wurde unruhig und Snowcat konnte ihm ansehen, dass es ihm nicht gut ging. Gepresst fragte er, ob er sich kurz verabschieden dürfe. Natürlich ließ man ihn gehen.

Snowcat war froh ihre eigene Stimme völlig normal zu hören, als sie im Anschluss der Vorführung sagte, „Vielen Dank, das war sehr aufschlussreich. Wie lange brauchen die sedierten Gefangenen bis sie verhörfähig sind Lieutenant Borgetti?“

Er überlegte kurz, „Etwa eine halbe Stunde. Wir nutzen für jeden einen speziell eingestellten Tropf mit eine besonderen, hierfür entwickelten, Medikamentenlösung.“

Also würde jeder der 100 besonderen Gefangenen ein halbe Stunde zum Aufwachen brauchen, das mussten sie für ihren Fluchtplan mit einkalkulieren. Eventuell würden sie das Gefängnis mit Hilfe der anderen Gefangenen so lange halten müssen, bis alle zu sich gekommen waren. Diese Zeit würden vor allem die Außenteams erkaufen müssen, indem sie die Soldaten beschäftigten. 30 Minuten waren eine Ewigkeit. Sie brauchten Verbündete, mächtige Verbündete. Er lohnte sich nicht gar nicht erst halbe Sachen zu machen.

Snowcat lächelte den Lieutenant an, „Ich würde gerne mit einem der Gefangenen beginnen, bei dem es am längsten dauern wird, Ergebnisse zu erzielen. Wenn die Optimierung gelingt, dürften die Ergebnisse dafür aber viel versprechend sein. Darum mein Wunsch: könnten Sie bitte einen der beiden älteren Lindwürmer zu Verhör vorbereiten?“ 

Borgetti war kurz überrascht, nickte dann jedoch verständnisvoll, „Damit haben sie sich sicher auch gleichzeitig einen der gefährlichsten Gefangenen ausgesucht. Natürlich garantiere ich für ihren Schutz. Wir müssen den größten Spezialraum nutzen und Sicherheitsvorkehrungen treffen. Ich werde alles veranlassen. Wie wäre es, wenn wir einstweilen einen kurzen Mittagssnack einnehmen würden?“ 

„Eine sehr gute Idee.“, antwortete Snowcat zuckersüß, auch wenn sie in diesem Augenblick überhaupt keinen Appetit hatte. Die Zeit würden sie sogar selber benötigen, denn bevor sie mit dem Verhör und somit mit ihren Gesprächen begangen, musste Starbuck die Matrix unter seine Kontrolle bringen. 

Vor der Tür des Überwachungsraum stieß Blackstone wieder zu ihnen. Snowcat plauderte mit Borgetti und die anderen folgten ihr in lockerer Formation. Sie hielten auf das Zwischentor zu und genau in diesem Augenblick näherte sich von der anderen Seite Tenoch.

Gedanklich kreuzte Snowcat die Finger. Da sie selber nicht beim Militär war, musste sie Tenoch keine Beachtung schenken. Natürlich war da dieses innere Drängen zu Tenoch hinüber zu schauen, um zu kontrollieren, ob er sie erkannte. Aber Snowcat hatte kein Problem damit, das zu beherrschen.

Das Tor öffnete sich unendlich langsam und so würden sie direkt dicht aneinander vorbeigehen. 

Noch fünf Schritte, noch vier, zwei- und dann war Snowcat auch schon vorbei. Der Lieutenant hatte den Shorn One gegrüßt. Tenoch hatte genickt und kurz zu Snowcat geschaut, kürzer als die meisten anderen Männer, was ihm laut seiner Körpersprache gereicht hatte, um ihre Attraktivität zu bemerken. Snowcat war sich sicher, dass es kein Erkennen in seinem Blick gegeben hatte. 

Tenoch hatte Starbuck gar keines Blickes gewürdigt und Twinbows breites Grinsen hatte er hingenommen. Leider beschränkte sich Blackstone nicht darauf, die simple Geste des militärischen Grusses von Thunderstrike zu kopieren. 

Snowcat erkannte an Tenochs Gesichtsausdruck sofort, das der Zwerg es gehörig versaut hatte.

Der Elitesoldat blieb stehen und fixierte Blackstone. Snowcat blieb ebenfalls stehen, drehte sich um und sagte an Blackstone gewandt, „Was ist denn mit ihnen los? Hat ihnen die Höhenluft ihr Benehmen genommen?“

Doch die Situation war nicht mehr zu retten. Tenoch funkelte Blackstone an. “Soldat, was sollte das?“

Blackstone murmelte, „Entschuldigung Sir.“

Das reichte Tenoch nicht. „Soldat, folg mir!“

Lieutenant Borgetti schob Snowcat sanft aber eindringlich voran, „Keine Sorge Miss Midnight, der Commander wird sich des Soldaten annehmen und sein Benehmen wieder in die richtigen Bahnen lenken.“

Snowcat schluckte ihre nächsten Worte herunter. Zu widersprechen oder gar einzuschreiten würde ihr die vollkommene Aufmerksamkeit von Tenoch verschaffen und das konnte sie sich nicht leisten. Also ging sie weiter, während Tenoch mit Blackstone hinter dem Tor des Gefangenenbereiches verschwand.

Snowcat seufzte, „Was wird der Commander wohl tun? Der Soldat gehörte zu meiner Eskorte und eigentlich brauche ich ihn.“

Borgetti winkte ab, „Scheren sie sich nicht um den Mann. Ich habe reihenweise Männer, die ihr Herz geben würden, um sie zu schützen. Ich werde ihnen gleich nach dem Essen eine Eskorte zuteilen. Es wird meinen Männern eine Ehre sein.“

Na Bravo.

In der Messe des HQ‘s duftete es herrlich. Zur Feier der Gäste gab es frische Enchilladas und die vertrieben Snowcats Appetitlosigkeit. Während Snowcat und die anderen, soweit sie wollten, einen köstlichen Schokoladenkuchen nebst hervorragendem Kaffee zum Nachtisch verspeisten, schwitze Blackstone in der prallen Mittagssonne auf dem Exerzierplatz und machte Liegestütz und Sit Ups, bis zum Erbrechen. 

Snowcat suchte nach dem Snack noch kurz ihr Quartier auf. Dort besprach sie sich mit den anderen aus dem Team über den verschlüsselten Kanal. Ohne Blackstone, denn der hatte keinen Atem dafür. Dafür war es Starbuck inzwischen gelungen, sich Zugang zum System zu verschaffen. Er hatte nun alles bis auf das abgeschirmte Kommunikationszentrum, welches er nur von innerhalb des entsprechenden Gebäudes erreichen konnte, unter Kontrolle. Er konnte Kameras steuern und hatte die Daten für Ziel eins und zwei bereits in Nanomemory auf seine Haut geladen. Tatsächlich waren die Gefängniszellen über eine rein mechanische Schließanlage verschlossen. Als Bonus kannte der junge, attraktive Mann nun den Namen des Matrix Support Spezialisten. Er hörte auf den schönen Namen Ramon Ramires. Selbstverständlich überwachten Hacker ständig das System, was nun aber kein Problem mehr darstellte, da Starbuck einen verborgenen Zugang besaß. Bevor die Befreiung losging, würde der junge Mann allerdings immer noch unbemerkt in das Kommunikationscenter müssen, um die falschen Informationen zu verstecken. Eine Tatsache, von der sie von Beginn an ausgegangen waren.

Blackstone fragte schnaufend, „Kann ich eine Pause haben, Sir?“

Da er gleichmäßig weiter schnaufte, hatte Tenoch das anscheinend abgelehnt. Was in keiner Weise überraschend war.

Vor dem HQ warteten neben dem Lieutenant 6 Trooper im Kampfpanzer, die Snowcat, beziehungsweise Miss Midnight, nun überallhin zu ihrer Sicherheit begleiten würden. Manchmal hatte es auch Nachteile, gut anzukommen. 

45 Minuten nachdem sie Tenoch am Zwischentor begegnet waren, kehrten sie zu den Verhörräumen zurück. Links von ihnen schwitzte Blackstone in der Sonne in voller Panzerung. Tenoch stand im Schatten an eine Wand gelehnt und trieb den Zwerg erbarmungslos an. Snowcat überlegte kurz, sich deswegen nun doch an Borgetti zu wenden, aber eine normale Konzernangestellte hätte sich wohl kaum um den Soldaten geschert. Schon bei dem kurzen Mittagessen hatte sie Borgetti gegenüber erwähnt, dass sie mit dem Soldaten schon einiges besprochen hatte und war auf freundliches Unverständnis bei Borgetti gestoßen. Er war sicher, dass seine Männer alles und mehr als dieser eine Soldat tun konnten. Sie seufzte, wieder einmal nur innerlich und betrat den Komplex mit Verhörräumen. 

Hier tat die Elfe so, als wolle sie sich ein paar Notizen machen und schrieb stattdessen eine Nachricht an Blackstone über den verschlüsselten Kanal, ,Wie wäre es, wenn du langsam mal so tust, als würdest du schlapp machen? Gib einfach auf. Erhol dich kurz und dann stoß wieder zu uns. Wir gehen gleich zu dem Lindwurm rein.‘

Ein pumpendes, schnaufendes, ,Geht schon.‘, kam zurück. Was hieß hier, geht schon? Sie hatten zu tun und wenn irgendetwas schief ging, mussten alle fit sein. Blackstone musste inzwischen bereits extrem schwitzen, trotz Liams Naniten. Er würde viel Zeit brauchen, um sich davon zu erholen. Wenn er weiter machte, bis er umkippte, hatten sie alle ein Problem. 

,Blackstone, du hältst doch nun schon lange genug durch, um dein Gesicht zu wahren und jeden Soldaten hier neidisch werden zu lassen. Du musst Tenoch nichts beweisen. Gib bitte einfach auf!‘

Doch Blackstone war stur, zwischen ein paar schweren Atemzügen erklärte er; „Ich... hab ... den im ... Griff ... und ... beschäftige .. ihn.. weiter.“

Snowcat konnte es kaum fassen, aber sie schluckte ihren aufkommenden Ärger ebenso runter, wie den Impuls rauszugehen und ihm die Aufgabe zu befehlen. Zum Glück schienen die vier Runner im Dschungel zumindest nicht zu glauben, dass sie eingreifen mussten. Sie saßen da sicher mit einer Mischung von Langeweile und zum zerreißen angespannten Nerven im Dschungel. Blackstone machte mit seinem in Snowcats Augen völlig unnötigem Verhalten nichts besser. Würden die draußen ruhig zusehen, wenn Blackstone bewusstlos zusammenbrach und sie vom Rest des Innenteams länger nichts mehr gesehen hatten? Snowcat konnte nur hoffen, dass ihre Leute draußen auf das Codewort warten würden, was immer drinnen auch geschah.

Mit ruhiger Stimme und der Intonation eines Wissenschaftlers vor einem Experiment sagte sie zu Borgetti, „Lieutenant, da das Aufwachen dauert und ich mehrere kleine Verhöreinheiten bevorzuge, ist es doch sicher möglich, wenn eine Anaconda, ein Jaguar, ein Drake und ein metamenschlichen Wortführer aus der vierten Etage bereits zum Verhör vorbereitet werden. Ich möchte so wenig Zeit wie möglich verschenken.“ Was für ein Glück, dass sie sich so beherrschen konnte. 

Borgetti nickte beflissen, „Eine gute Idee. Wir lassen die Gefangenen selbst stets länger in den Verhörräumen schmoren. Genau für solche Zwecke wurden die vielen Räume gebaut.“

Ja, genau nur dafür wurde ein gesamtes Haus aus dem Boden gestampft. Snowcat musste bei dem Gedanken ein Schaudern unterdrücken. Das Infiltrationsteam war bei der Besprechung vorhin auf die Idee gekommen, sich mehrere Zellenführer zu sichern und so zumindest einige im Wachzustand zu haben. Um sie so wach wie möglich zu haben, fragte Snowcat, „Haben sie es eigentlich schon einmal mit Schlafentzug versucht?“

„Nein, bisher noch nicht.“

„Dann schlage ich vor, dass wir dass bei den Subjekten versuchen.“

Borgetti war einverstanden, „Allerdings geht das nicht bei dem Lindwurm, das wäre zu gefährlich.“

Snowcat, Twinbow, Llamé in seiner wahren Gestalt, Thunderstrike, Starbuck und der Lieutenant betraten einen der großen Verhörräume. Zumindest blieben die sechs Trooper vor der Tür.

Snowcat holte tief Luft, bevor sie über die Schwelle der Sicherheitstür schritt. Einerseits, um sich zu sammeln, andererseits um gut durch den Hüter zu kommen, der hier aufgestellt worden war. 

Die majestätische Gestalt des großen Lindwurms war mit Ketten um den grün-braunen Hals und Schwanz festgemacht. Die Enden der Ketten waren mit Metallstiften am Boden festgemacht. Seine vorderen kurzen Gliedmaßen waren mit speziellen überdimensionierten Plastic Stribes zusammengebunden. Über seinem Kopf lag eine Latexmaske, die aussah, als hätte man das flüssige Latex direkt über seinen Kopf gegossen, so dicht lag sie an über Ohren Nase und Maul. In die Nüstern hatte man kleine Löcher gestochen. Das Atmen würde ihm schwer fallen. Die Hinterbeine waren mit Stricken zusammengebunden worden. Ein Tropf mit einem riesige, fünf Liter fassenden Beutel lag weiter an, eine gewaltige Nadel steckte in der Unterseite in seinem Bauch. Borgetti erklärte, dass man jemanden wie den Lindwurm und andere mächtige Feinde nie völlig aufweckte, sie wurden in einem halb wachen Zustand gehalten. Ihre möglichen Verbündeten in einen Verhörraum bringen zu lassen, würde also nur bei den mondänen Gefangenen reichen. Selbst nach dem Abschalten würden sie etwas Zeit brauchen um voll kampffähig zu sein. Ein Halten des Gefängnisses war nun wirklich unvermeidbar. Niemand könnte gut 50 bewusstlose Wesen bis zu den LKW‘s tragen. Mehr denn je brauchten sie kampfkräftige Unterstützung, um das Gefängnis bis zum Erwachen und der Befreiung aller zu halten. Doch zunächst musste Snowcat erstmal Einen überzeugen, bevor sie über das weitere mit dem Team nachdenken und reden konnte. Der Körper des älteren Lindwurms wies zahlreiche, noch nicht völlig verheilte Wunden auf, die ihm mit den unterschiedlichsten Instrumenten zugefügt worden waren. 

Zwei der zwölf Magier, Snowcat schluckte erneut bei der Erinnerung daran, dass sie es mit sage und schreibe zwölf Magiern zu tun haben würden, ihr Hals wurde ganz trocken, standen bereit. Borgetti erzählte, „Sie müssen sehr vorsichtig sein. Der Lindwurm ist selbstverständlich dual und magisch aktiv und soweit wir wissen, des Zauberns mächtig.“

Snowcat nickte und hatte eine Idee, wenn die Magier es nicht riskierten, astral präsent zu sein, dann konnte sie sich mit dem Lindwurm unterhalten, ohne dass sie etwas erfinden musste, um Borgetti loszuwerden. „Natürlich bin ich vorsichtig, wenn sie jetzt dafür sorgen könnten, dass der Elder Lindworm mich hören kann. Ich würde gerne sehen, wie er auf eine direkte Ansprache reagiert.“

Noch bevor einer der Magier vorsichtig an den Lindwurm herangetreten war, um den Ohrstöpsel zu lockern, öffnete Snowcat ihre Sinne für die astrale Welt. Wohl wissend, dass sie sich damit angreifbar für den Lindwurm machte. Ein schneller Blick verriet ihr, dass die Magier tatsächlich nicht astral anwesend waren, außerdem erblickte sie zwei Watcher in Form von glühenden, blutunterlaufenen Augen, die umher flogen. Unhörbar für das mondäne Ohr sagte Snowcat sofort auf portugiesisch, „Bitte greift mich nicht an. Ich werde euch nichts fragen. Hört mir bitte einfach nur kurz zu.“ 

Der Lindwurm sah sie mit müder Aura aufmerksam an. Sein Argwohn und sein Hass zog in deutlichen Farben über ihn hinweg. Es dauerte den Bruchteil einiger Sekunden in denen Snowcat beinah den Atem angehalten hätte, bis sie eine Antwort erhielt. Auf der mondänen Ebene sprach sie den Lindwurm ebenfalls an, dort reagierte er nicht. Was für ein Glück, dass sie das unbemerkte Sprechen auf der Astralebene erst kürzlich mit Ehran trainiert hatte. 

„Was willst du?“, seine Stimme hallte dunkel und behäbig durch ihren Kopf

„Wir sind Shadowrunner und wir sind hierher gekommen, um Euch, Euch alle im Lager, zu befreien. Aber dazu brauchen wir Unterstützung, wenn es losgeht. Wir sind nur wenige und wir müssen das Gefängnis eine Weile halten, bevor wir allen zur gemeinsamen Flucht verhelfen können. Ich bitte Euch hiermit um Eure Hilfe.“

„Warum sollte ich dir glauben? Das könnte ein neuer Trick sein.“

Snowcat nickte, „Ich verstehe.“ Sie überlegte kurz, aber diese Situation war es wirklich wert, also sagte sie, „Ich werde kurz meine Maskierung fallen lassen.“ Sie konzentrierte sich und ließ dann die Maske und somit ihren größten Schutz fallen. Der Lindwurm würde in ihrer Aura nun ihre Drake-Gestalt sehen, ebenso wir übrigens Llamé, aber das war nun nicht weiter wichtig. Snowcats Drake-Gestalt verfehlte seine Wirkung nicht. Der Hass aus der Aura des Lindwurms verschwand, jedenfalls der, der auf sie gerichtet gewesen war. „Gut. Ich glaube Dir. Was willst du nun genau von mir?“

„Zunächst nur, dass Ihr Euch bereit haltet. Wir werden zusehen, dass Ihr nicht mehr betäubt werdet, bitte tut nichts auf eigene Faust und wenn es dann losgeht, dann helft uns bitte die anderen zu überzeugen und zu befreien.“

Seine Stimme klang immer noch gewaltig, als er sagte, „Gut. Ich warte auf euer Zeichen.“

Das war erfreulicher Weise unglaublich schnell gegangen. „Ich werde jetzt noch mit Euch auf der mondänen Ebene sprechen, um die Tarnung aufrecht zu erhalten. Eines noch, könnt Ihr mir jemanden nennen, der unter den Gefangenen noch das Sagen hat und der uns nützen könnte?“

Das Gefühl eines bösen Grinsens breitete sich in Snowcat Gedanken aus, „Jetzt fragst du mich ja doch was.“

„Stimmt, vergesst es. Bis später.“

Sie blieben noch eine zeitlang zur Tarnung. Als Snowcat sich umsah und Llamé ansah, zwinkerte er ihr zu. Wieder als Notizen, die sie in Commlink machte, getarnt, teilte sie ihren Kollegen mit, was das Gespräch ergeben hatte, natürlich verschwieg sie das mit der Auramaskierung.

Ihre Unterhaltung mit dem Drake verlief ähnlich und ging beinahe noch schneller. Wenn man ihn befreien würde, könne er sofort loslegen, erklärte er stolz. Selbst dann wenn er noch betäubt sein sollte. 

Die Gespräche mit den Gestaltwandlern begangen schwieriger und Snowcat glaubte schon, zumindest Llamés Hilfe zu benötigen, aber nach einigen Worten mehr, waren sie zugänglich und die Aussicht, es zumindest ein paar ihrer Peiniger heimzahlen zu können, verhalf Snowcat zum nötigen Nachdruck. 

Als sie zu dem Gespräch mit dem metamenschlichen Zellenführer gingen, wurde Blackstone von Tenoch immer noch geschliffen. Er hielt bereist mehr als 80 Minuten durch. 

Bei dem Pseudo-Verhör mit dem menschlichen Indio blieb der Lieutenant draußen und Magier waren auch keine anwesend. Starbuck gab Snowcat ein Go und dann konnte sie problemlos und ohne von außen gehört zu werden, mit dem Mann sprechen. Aus dem Gespräch baute Starbuck dann eine offizielle Version und schickte sie in den Überwachungsraum. Snowcat schaffte es dem Mann mit wenigen Worten Hoffnung zu schenken und er erklärte sich gerne bereit, die Nachricht von der bevorstehenden Befreiung weiter zu tragen. Man hatte ihm schwer zugesetzt, aber man hatte es nicht geschafft, ihn zu brechen. 

Das Team nutzte die Gelegenheit des sicheren Verhörzimmers, um sich erneut kurz zu beraten. Zunächst dachte Snowcat daran in der Nacht zuzuschlagen, aber nachts würden alle bis auf Blackstone und Thunderstrike grössere Schwierigkeiten damit haben, in den Gefangenenbereich zu gelangen und außerdem wäre das Schussfeld für die Außenteams schlechter. Also beschlossen sie, so bald wie möglich zuzuschlagen. Um ein Trooper-Team weniger im Gefängnis zu haben, bot sich ein Wachwechsel an. 

„Gleich beim nächsten Wechsel?“, fragte Snowcat.

Starbuck nickte, „Warum nicht? Der ist um 15.00 Uhr, also in gut einer Stunde.“

„Ist da das Troll-Magier Team unterwegs?“, fragte Twinbow nach, ein Umstand, den sie unbedingt vermeiden wollten.

„Nein, laut Plan nicht.“, bestätigte Starbuck. 

„Gut, dann ist es abgemacht. Wir schlagen zum Wachwechsel um 15.00 Uhr zu. Hast du gehört Blackstone?“

„O... Kay. Ver... stan ... den. Ge...  be...  jetzt .. a ... uf!“, ächtze der Zwerg. Ein Wunder, dass er nach über 100 Minuten des Schleifens überhaupt noch einen Ton artikulieren konnte. 

Der Kamerafeed des Zwergs zeigte, dass er auf dem Rücken am Boden lag. Tenoch beugte sich über ihn und öffnete Blackstones Visier. Tennochs Augen blickten kalt, aber dennoch wirkte er zufrieden, „Lass dir das eine Lehre sein, Soldat.“, sagte er. Snowcat hielt den Atem an, aber der Shorn One hatte nicht bemerkt, das Blackstone ein Maske trug. Der Zwerg japste nach Luft und blieb noch einen Augenblick liegen. 

Thunderstrike achtete nicht weiter darauf und sagte, „Dann sollten wir jetzt sofort mit den Vorbereitungen beginnen.“ 

Innerhalb von wenigen Minuten entstand dafür ein Plan.

Während Blackstone sich zum Kommunikationscenter schleppte, um sich davor in den Schatten zu setzten und sich von den Strapazen zu erholen, sagte Snowcat zu Lt. Borgetti, „Den mondänen Gefangenen brauche ich nun nicht mehr, er diente mir nur für einen Vergleichswert. Allerdings habe ich nur die Erkenntnisse beisammen, die ich benötige, um etwas bei dem Lindwurm zu erreichen. Vielleicht gelingt es mir sogar innerhalb der nächsten Stunde ein erstes  Ergebnis zu erzielen. Sie wollen doch sicher gern dabei sein?“

Borgetti strahlte über das ganze Gesicht, „Natürlich möchte ich das.“

Erneut betraten sie den Raum mit dem Elder Lindworm, kurz nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, leuchte in Snowcats Commlink ein grüner Kaffeebecher auf. 

Snowcat ließ ihren AR-Stift fallen und bückte sich mit durchgestreckten Beinen danach. Natürlich starrte der Lieutenant sie dabei an, aber auch die beiden Magier schenkten ihr die Aufmerksamkeit. Die wenigen Momente der Ablenkung reichten den anderen aus. Twinbow hatte die Leine bereits losgelassen, Llamé sprang einen der Magier direkt an den Nacken und brach ihm mit einem einzigen gewaltigen Biss das Genick.

Thunderstrike machte einen schnellen Schritt, berührte den Lieutenant am Bein und dieser brach tot zusammen. 

Twinbow vollführte eine elegante Nahkampfattacke, traf aber nicht perfekt, so dass sein Gegner nur zu Boden ging. Llamé zögerte nicht und griff den liegenden Magier an und machte auch mit ihm kurzen Prozess. 

Leise entfernte Snowcat mit der Hilfe von Thunderstrike und Twinbow die Fesseln des Lindwurms. Kaum war dieser frei, griff er sich an den Kopf und zerriss die aufgegossene Magiermaske in zwei Teile. „Danke!“, erklang es in Snowcats Kopf. Die Elfe zog die Nadel des Tropfes aus seinem Bauch. Sie wusste, wie man das macht, ohne dass es wehtat. Der Lindwurm guckte nicht einmal, aber Snowcat bezweifelte, dass es anders gewesen wäre, hätte es geziept.

Flüsternd sprachen sie sich kurz ab, um den nächsten Schritt zu koordinieren. 

„Braucht ihr dafür eure Stimmen oder sonst irgendwelche Geräusche?“, wollte Thunderstrike wissen. 

Alle verneinten. Snowcat würde sich dann einfach mit Starbuck in Deckung begeben. Der Technomancer befahl über das Commlink von Borgetti Snowcats Garde in den Verhörraum.

Bis auf den Lindwurm traten alle an die Wände neben der Tür, die Snowcat nach dem Eintritt der arglosen Soldaten wieder schloss. 

Wieder schlug Llamé als erster zu. Er sprang, schlug zu und schon fiel der erste Trooper völlig lautlos zu Boden. 

Der Lindwurm streckte seinen Kopf ruckartig vor und schnappte nach einem Soldaten, dessen halber Oberkörper verschwand in dem Maul, es knirschte und knackte und dann fiel der Mann Gift überströmt in zwei Teilen zu Boden. 

Thunderstrike griff nach dem dritten Trooper und erneut sank dieser tot danieder. Auch Twinbow hatte seinen überraschten Gegner im Griff und eliminierte ihn kurzerhand.

Ein weiterer lautloser Sprung der Raubkatze, ein weiterer Schnapp durch den Lindwurm und auch die letzten beiden Soldaten hatten ihre finalen Atemzüge ausgehaucht. 

Thunderstrike ließ die Zone der Stille fallen und alle konnten sich wieder unterhalten. „Hey, meinte Twinbow, „Wenn wir die Doppelaktion noch gut 20 mal durchziehen, sind wir alle Soldaten los.“

Snowcat lachte, „Ja genau, wir rufen sie alle einfach in kleinen Gruppen rein und wenn sich hier die Leichen stapeln, wechseln wir den Raum.“ 

Dann wurde sie ernst. „Helft ihr mir bitte mal, die Toten hier ordentlich an die Seite zu legen. Sie überkreuzte die Arme des Lieutenants, schliff ihn über den Boden, legte in ordentlich vor eine Wand und schloss ihm sanft die Augen, Thunderstrike und auch Twinbow halfen ihr die Leichen zu positionieren. Der Lindwurm beobachtete sie dabei. „Finde deinen Frieden, wohin auch immer du gehst.“, flüsterte Snowcat jedem der Toten Soldaten auf Sperethiel zu. 

Borgetti - er war nicht der erste Mann, der wegen ihres Aussehens und wegen ihres Charmes gestorben war und, da machte sie sich nichts vor, er würde auch nicht der letzte sein. 

„Warum tust du das?“, fragte Thunderstrike sie.

„Ich mag ein Henker sein. Aber ich bin kein Richter. Wir haben ihnen ihr Leben genommen. Es gibt keinen Grund ihrer Leichen nicht mit Respekt zu behandeln. Was immer sie im Leben auch getan haben mögen, dass ist jetzt Vergangenheit.“ Sie lächelte Thunderstrike an, „Es schadet nicht, das zu tun, jedenfalls wenn Zeit dafür ist.“

Thunderstrike nickte, „Snowcat, wenn es bald losgeht, bin ich ja mit Starbuck beim Kommunikationszentrum, um ihn zu tarnen. Wenn Twinbow, Llamé, der Lindwurm und die anderen sich der Azzieteams hier annehmen, solltest du dich davon schleichen und dann die Zellen öffnen. Von oben wirst du mit deiner Stimme und deinem Aussehen die meist-möglichen erreichen.“

Snowcat überlegte und antwortete dann, „Eine gute Idee.“

Snowcat machte die Monopeitsche von ihrem Handgelenk ab und gab sie Starbuck. „Hier bewahr das bitte für mich auf. Das ist mein Waffenfokus, aber es ist besser, wenn ich das Teil nicht dabei hab.“ Snowcat drehte sich etwas von den Blicken der anderen weg, zog das mnemonische Band unter ihrer Bluse hervor und harkte das Commlink ein. Sie befestigte den Pin daran, nahm die Halskette mit der Katze ab und wickelte sie mehrmals verschlungen um das Band, dann hängte sie sich das Gebilde um den Hals und verbarg es so gut wie möglich unter ihrer Kostümjacke. Vielleicht würde sie Liams Geschenk heute zum ersten Mal im Einsatz ausprobieren.

Sie verabschiedete sich von Starbuck und Thunderstrike und fragte über Commlink, „Ist es eine gute Idee, wenn Blackstone versucht den Motor des Hubschraubers mit einer Sprengfalle zu versehen?“


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                              UC - Unknown Consequences -das TOP-Runnerteam aus Seattle- You See! 


Ob Blackstone den Hubschrauber tatsächlich in die Luft jagt, ob es Starbuck gelingt, die falschen Informationen zu platzieren, ob die Befreiung der Gefangenen erfolgreich verläuft und ob Tenoch das Lager tatsächlich nicht lebend verlässt, wird demnächst hier zu lesen sein.

Schau also bald wieder rein, omae!

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*