Teil 10

10

Das Underworld war brechend voll. Snowcat tanzte schon seit über einer Stunde  ausgelassen und ununterbrochen zu der wilden Musik. Der Schweiß ran ihr in Strömen in den Ausschnitt ihrer Korsage.  

Die Klimaanlage des Underworld hatte in dieser Nacht ihre Mühe die Masse an heißer Luft zu bewältigen. Die angekündigte „After-Halloween-Party“, genau einen Monat nach Halloween, mit Drinks zum halben Preis und einem beachtlichen Aufgebot an aktuellen Livebands hatte unglaublich viele Leute raus zum In-Club in die Z-Zone im tiefsten Süden der Stadt gelockt. Das Underworld war schon seit fast zwei Jahrzehnten ein angesagter Nachtclub in Seattle. Heute hielten sie hier bereits ab Mitternacht wegen Überfüllung die Eingangstüren geschlossen. Natürlich gab es dennoch immer den ein oder anderen VIP, den man nicht abweisen konnte und so war es inzwischen wirklich eng geworden.

Sting hatte in ihrer Großzügigkeit für die derzeitige Top Ten des Killcounts eine Prämie springen lassen. Snowcat, als nunmehr fünfte, war dadurch heute Abend spontan in der Lage gewesen, drei ihrer Freunde zur Party ins Underworld einzuladen. 

Eigentlich hatte der Trollrausschmeißer des Clubs schon mit dem Kopf schütteln wollen, als Snowcat in Begleitung von Pepper, Nightmare und Pearl vor dem Eingang gestanden hatte, Snowcat hatte ihn jedoch mit einem unglaublichen Lächeln vom Gegenteil überzeugt.

 Die vier Ancients hatten mittlerweile eine Menge Alkohol intus. Pearl kehrte gerade mit Pepper im Schlepptau auf die Tanzfläche zurück, ihre braunen Haare bildeten einen hübschen Kontrast zu ihrem grünen T-Shirt. Peppers weiße Zähne blitzten in seinem tiefschwarzen Gesicht, als er näher kam. „Hey, Snowcat“, rief er ihr über Pearls Schulter gelehnt zu, „ich glaub, es ist jetzt an der Zeit für eine letzte Runde.“ Er deutete in Richtung des kleinen Tisches, an dem sie Nightmare mit einer Flasche Absinth zurückgelassen hatten.

Snowcat nickte und schüttelte sich dann kurz. Ihr war ein wenig schwindlig geworden. Sie verließen gemeinsam die Tanzfläche. Snowcat torkelte berauscht von Alkohol und Musik, deshalb stützte sie sich an der Schulter von Pearl ab und verschob dabei den Träger des grünen Shirts.

Nightmare grinste Snowcat breit an: „Echt nett von dir Snowcat, das Band an Pearls Schulter zu lockern. Aber noch netter wärs, wenn du die Bänder an deiner Korsage…“

Weiter kam er nicht, denn Snowcat küsste ihn auf den Mund. Nightmare stockte vor Überraschung der Atem, aber dann beschloss er schnell, zurück zu küssen. Als Snowcat sich von ihm löste, sagte sie betont langsam: „Ich wollt nur mal testen, ob du nicht heimlich schon ohne uns was vom Absinth getrunken hast.“

Nightmare erwiderte lächelnd: „Und du bist dir bestimmt noch nicht sicher, oder?“ Er beugte sich zu ihr rüber.

„Doch, bin ich. Aber schön mal zu sehen, dass du so nett lächeln kannst.“ Sie blickte zu den beiden anderen Ancients. Doch die knutschten inzwischen ihrerseits wie wild. Snowcat nahm zwei Stück Würfelzucker aus einer Schale und sagte dann: „Prima, dann bleibt mehr für uns!“

„Das haben wir gehört“, nuschelte Pepper, er hielt dabei eine Lippe von Pearl mit seinen Zähnen fest, „Zünd schon mal an, wir ziehen auf jeden Fall mit. Den letzten Schluck von dem geilen Zeug dürfen wir nicht verpassen. Danach ist das Knutschen bestimmt noch leckerer.“

Snowcat grinste: „Bestimmt!“ Sie nahm die vier Speziallöffel und legte auf jeden ein Stück Würfelzucker. Unterdessen schenkte Nightmare Wasser aus Tir Taingire in die vier Gläser ein. Snowcat legte die Löffel auf und tröpfelte den Absinth auf den Zucker, bis die Flasche leer war. Sie trommelte mit den Fingern auf den Tisch: „Taratata! Los geht’s.“ Sie entzündete den Zucker mit einem Feuerzeug. Aus dem leicht grünen Feuerschein erhob sich ein betörender Rauch.

Nachdem das Feuer verloschen war, hoben die Vier gemeinsam ihre Gläser, Nightmare sagte einen Trinkspruch auf: „Auf die coolste Gang der Welt, die die grüne Farbe des Absinths noch bedeutender macht.“

Glückselig tranken sie aus. Ihre Augen nahmen abermals einen glasigen Ausdruck an. Viel zu selten bekamen sie so etwas Leckeres zu trinken, befand Snowcat. Sie konnten es sich meistens nicht leisten, schon gar nicht, in einem angesagten Club. Dreihundert New Yen kostete hier der Spaß einer solchen Flasche. Heute Abend hatte sie zwei geleert.

Natürlich war die Prämie dafür nicht  hoch genug gewesen. Sie hatten zunächst nur Bier getrunken. Eine riesige Menge Bier. Dann war Snowcat aufgefallen, das ein paar Schnösel aus Downtown in ihren Möchtegern- Straßenklamotten eine Flasche Absinth bestellt hatten. In diesem Moment hatte sie es sich in den Kopf gesetzt, sofort auch eine solche Flasche trinken zu wollen. Nur die Zeche prellen kam im Underworld nicht in Frage. 

Ohne zu zögern war sie zu der Gruppe mit dem Absinth und dem Spezialwerkzeug, die ausschließlich aus Menschen bestand, rüber gegangen. Sie hatte sich einen annehmbaren blonden Typen mit teurem Schmuck ausgesucht und ihn angemacht. Er war augenblicklich angesprungen. Snowcat hatte ihn auf die Tanzfläche gezerrt, ihn befummelt, ihm dabei unbemerkt sein Comlink abgenommen und dann damit zwei Flaschen Absinth für ihren Tisch bestellt und gleich bezahlt. Zum Abschluss hatte Snowcat den Jungen geküsst und ihm das Comlink wieder zugesteckt. Schließlich flüsterte sie ihm ins Ohr: „Hab noch nen schönen Abend und popp die Rothaarige!“ Dann kehrte sie ohne Umschweife an ihren eigenen Tisch zurück. Das Ganze hatte nicht einmal fünf Minuten gedauert und Blondie war nicht dazu gekommen, ihr seinen Namen zu sagen.

Johlend hatten die anderen Ancients Snowcat begrüßt. Nightmare hatte zu ihr gesagt, dass der Mensch einen viel zu geringen Preis für ein solches Ereignis hatte zahlen müssen. Sie hatten ihm lachend zu gestimmt. Drei grüne Runden später, war Blondie zu ihnen rüber gekommen. Die Vier hatten ihm einfach nur ihr Gangsymbol gezeigt und er hatte sich verzogen.

Die zwei Flaschen standen jetzt leer vor ihnen. Der Alkohol entfaltete seine volle Wirkung. Katze sprang mitten auf den Tisch: „Lecker, aber nun geh’s wieder ausschwitzen, Elfenmädchen!“

Snowcat nickte und torkelte auf die Tanzfläche zurück: „Mach ich, Katze.“ Ihre Zunge war schwer.

Eine weitere Stunde auf der Tanzfläche später fühlte sie sich zwar nicht mehr wackelig, aber langsam wurde sie müde. Es war weit nach drei Uhr. Die Anderen widersprachen Snowcat nicht, als sie vorschlug, sich auf den Heimweg zu machen. 

Die frische Luft schlug Snowcat sofort wie ein Hammer ins Gesicht. Sie schwankte gewaltig, aber Nightmare hielt sie bereits im Arm und deshalb fiel sie nicht. Snowcat lächelte, sie war zwar mit Pearl gekommen und Pepper war bei Nightmare mitgefahren, aber da standen auf einmal vier Motorräder in den Farben der Ancients, und nun konnte jeder auf einem alleine fahren. Sie kicherte kurz, was für ein Glück, dass sie nicht steuern musste.

Nightmare schlug vor, die Plätze zu tauschen. Seine Idee kam gut an und darum fuhr Snowcat nun bei ihm mit und Pepper setzte sich bei Pearl hinten drauf, da die Elfe einem Typen nicht so einfach gestattete mit ihrer Maschine zu fahren.

Snowcat war zufrieden sich ganz fest bei Nightmare anschmiegen zu können und er war es auch. Als sie losfuhren huschte ihr ein seltsamer Schauer über den Rücken, aber sie konnte den Grund dafür nicht ausmachen.

Nach fünfzehn Minuten hatten sie die Ausläufer Tarislars erreicht. Pepper machte den Vorschlag im Stuffer Shack noch einen Kaffee zu trinken und eventuell ein paar frische Donuts zum Frühstück ins Hauptquartier mitzubringen. Snowcat kam die Idee gerade Recht. Die Drei mussten sie eh direkt bis für die Tür bringen, da konnten sie ruhig noch gemeinsam frühstücken. Und bei der Gelegenheit einigen „Zurückgebliebenen“ einen Donut mitzubringen, kam sicher super an. Vielleicht hatten sie im Stuffer Shack ja wieder welche mit Vanillecreme, hoffte Snowcat. Die mochte Neon zurzeit so gerne. 

Als sie den Stuffer Shack betraten, war da wieder das merkwürdige Gefühl… Snowcat war etwas beunruhigt.

Die Werbung postete ihnen die Angebote des Tages zu. „Kaufanregende“  Musik wurde eingespielt. Snowcat blendete sie hektisch aus und hörte stattdessen lieber etwas von ihrer eigenen Playlist. Der virtuelle Verkäufer machte sie darauf aufmerksam, dass die frischen Donuts erst in zwölf Minuten geliefert wurden. 

Jeder der Drei zog sich einen Kaffee und begab sich dann in den Loungebereich. Sie bestellten die Donuts und verbrachten die Wartezeit damit, sich gegenseitig mit Energybonbons zu bewerfen. Es waren keine weiteren Kunden im Geschäft.

Snowcat fragte sich, ob der junge Mann hinter dem vergitterten Kassehäuschen die Hand schon sicherhaltshalber auf dem Panikbutton hatte oder ob sein Vertrauen in den Ruf der Ancients als Ersatzpolizei in Tarislar hoch genug war, sich keine Sorgen zu machen. Der Waffenscanner am Eingang war bestimmt bei ihrem Eintreten angesprungen, denn das geltende Waffenverbot hatten sie geflissentlich ignoriert.

Die Energybonbons, die Snowcat gefangen und anschließend verzehrt hatten, machten ihren Kopf langsam klarer. Ihr Herz raste dafür und das machte das ungute Gefühl nicht besser. Sie blickte auf ihr Lederarmband und war froh, vorhin nicht doch auch noch einen Popper geschluckt zu haben.

Endlich waren die Donuts da. 3x Zwanzig plus vier wurden auf Laufbändern zur Ausgabestelle befördert. Die Klappe würde sich erst nach dem Bezahlen öffnen.

Sie zahlten und verließen den Stuffer Shack ausgelassen. Bis auf Nightmare trug jeder von ihnen eine Schachtel mit Donuts. Snowcat hatte sich einen Nuss- Karamell Donut für sofort gewählt und mampfte ihn gemütlich. Ein Stück brach ab. Um keines Falls auf die Leckerei verzichten zu müssen, versuchte sie das Ausreißerstück mit dem Mund einzufangen, dabei sah sie aus dem Augenwinkel ein Motorrad um die Ecke in die Strasse einbiegen. Ihre Nackenhaare stellten sich auf und sie schrie laut: „Deckung!“, während sie gleichzeitig welche suchte und hinter einen Eisautomaten sprang.

Fast augenblicklich wurde das Feuer auf die vier Ancients eröffnet. Die Kartons mit Donuts segelten durch die Luft.

Ein schweres Motorrad und ein seltsames Trike mit Beiwagen fuhren am Stuffer Shack vorbei und hielten es unter Beschuss. Die beiden Fahrer schossen dabei nur ungefähr in die Richtung der Elfen. Im Gegensatz zu dem Troll in dem Beiwagen, da er sich nicht um das Steuern kümmern musste, hatte er beide Hände frei und zielte, auf alles, was auch nur irgendwie ein Ancient sein konnte.

Snowcat zog ihre Manhunter. Kugeln schlugen ringsum sie ein. Dreck und Asphalt spritzten in einiger Entfernung auf. Snowcat hatte früh genug etwas bemerkt und lag nun gut in Deckung. Sie hoffte inständig, dass  ihre Warnung den anderen genügt hatte und sie ebenfalls Zeit genug gehabt hatten, sich geschickt fallen zu lassen.

Snowcat atmete tief ein. Jetzt musste sie schnell sein! Schnell war sie. Noch schneller! - Sie zerrte an ihrem Armband und warf sich eine Kapsel mit Jazz ein. Ihr Atem beschleunigte sich und ein Gefühl der Euphorie machte sich breit, dann wurde die Welt um sie herum für sie um einiges langsamer.

Sie sprang aus ihrer Deckung hervor und konnte die Spikes dabei beobachten, wie sie die Strasse in Richtung Norden entlang jagten. Sie kehrten nicht um, offenbar wollten sie keinen zweiten Durchgang. So schnell, wie der Spuk begonnen hatte, war er wieder vorbei. Ein klassisches Drive-By-Shooting.

Snowcat rief nach ihren Freunden: „Alles klar bei euch oder hat einer was abgekriegt?“, Scheiße dachte sie noch, ich hab schon wieder so ne blöde Doppelfrage gestellt.

 Pepper und Nightmare antworteten fast gleichzeitig: „Bin unverletzt.“ Nur Pearl sagte: „Hab was am Arm abgekriegt, ist aber nicht so schlimm, nur ein Kratzer.“

„Wir müssen hier weg.“, entschied Pepper, „Der Typ da drin hat bestimmt schon den Panikknopf gedrückt und Knight Errant taucht bald hier auf.“

„Son Quatsch“, widersprach Pearl, „KE braucht ewig, bis sie hier draußen sind. Aber beeilen müssen wir uns trotzdem, dann kriegen wir die Pisser noch und schießen sie zu Klump!“, Pearl rannte los und hielt sich dabei den linken Arm, „Hey, Pepper, du fährst!“

Wiederum waren nur ein paar Sekunden vergangen. Die Vier sprangen auf ihre Motorräder. Snowcat stieg bei Nightmare auf. Im Höchsttempo machten sie sich an die Verfolgung. Nur fünf Querstrassen weiter wurden sie fündig.

Die Spikes waren links abgebogen und fuhren nun etwas langsamer in Richtung Tacoma. „Die fühlen sich aber sicher. Los, deren Zeit ist gezählt. Waffen klar!“, ordnete Pearl an. 

Nightmare zog eine Pistole und fragte: „Willst du die Peitsche benutzen?“

Snowcat zögerte, ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, sie nickte, dann fiel ihr ein, das Nightmare sie nicht sehen konnte und sagte laut: „Ja, am Besten du fährst mich links an einem vorbei, dann kann ich ihm die Hörner abrasieren!“

„Copy!“ Nightmares Bestätigung war noch nicht mal verklungen, als Pepper und Pearl sie schon mit gezogenen MPs überholten und riefen: „Ey, Spikes, wartet auf uns. Zeit zum Spiiilen!“

Ein Troll drehte sich um, dann bleckte er die Zähne und die beiden Fahrer gaben Gas. „Guckt mal, die Feiglinge geben Fersengeld, los hinterher!“ Pearl wartete nicht mal mehr auf eine Antwort. Sie tippte Pepper auf die Schulter und der raste den Spikes hinterher. Sie holten schnell auf.

„Pepper“; rief Nightmare ihnen nach, „Das sind immer noch Trolle und die sind schwer tot zu kriegen. Haltet etwas Abstand und zielt auf ihre Mitte!“

Snowcat bezweifelte, dass die beiden ihm zuhörten, denn die Spikes bogen gerade erneut ab und die Ancients folgten ziemlich dicht auf. 

Das Nächste was Snowcat wahrnahm, bevor sie selbst um die Ecke bogen, war das Knallen von Schrotflinten und erst danach erklang das charakteristische Geräusch der Maschinenpistolen ihrer Freunde. Die Spikes hatten noch vor den Ancients ihre Waffen benutzt. Snowcat war überrascht.

Mit Vollgas preschten sie um die enge Ecke in die dahinter liegende, schmale Strasse. Für einen ungeübten Fahrer mochte das ein schwieriges Unterfangen sein, für einen Go-Ganger war es keine große Sache. Etwa dreihundert Meter voraus fuhren Pepper und Pearl und die wendeten gerade hektisch, um nicht im vollen Speed in eine Straßensperre der Spikes zu rasen. - Das war eine Falle!

Die zwei „geflüchteten“ Fahrzeuge der Spikes hatten sich offenbar im Feuerschutz ihrer Kumpane einfach auf die linke Seite verzogen und dort hinter einem alten Truck Deckung gefunden. Die Gasse war nach zirka vierhundert Metern komplett durch  aufgestellte Betonteile und Krähenfüsse gesperrt. Dahinter hatte vier weitere Spikes Stellung bezogen.

Zu allem Überfluss konnte Snowcat das Nahen von mindestens zwei weiteren Harleys hinter sich hören. Nightmare bremste und fluchte dabei laut. Snowcat warnte ihn: „Ich glaube hinter uns kommen noch mehr.“ Die ersten Schüsse wurden über die Barrikaden hinweg auf sie abgefeuert, zu ihrem Glück waren Snowcat und Nightmare noch relativ weit weg. Nicht so jedoch Pepper und Pearl. Als Nightmare gerade sein radikales Wendemanöver durchführte, konnte Snowcat durch die Wirkung des Jazz wie in Zeitlupe sehen, dass Pearl offenbar von einer Ladung Schrot in den Rücken getroffen wurde und augenblicklich rückwärts vom Bike fiel.

Snowcat schrie auf: „Nightmare, mach daraus eine 360iger! Wir können nicht abhauen. Pearl liegt auf der Strasse. Nightmare fluchte: „Tech!!!“, und nickte: „Copy!“

Im rasenden Tempo vollführte Nightmare den Stunt. Doch Snowcat ging es immer noch viel zu langsam. 

Pepper hatte den Verlust seiner Beifahrerin ebenfalls bemerkt, er rutschte herum, kam gerade noch zwischen Pearl und die Spikes und bildete nun quasi ein lebendes Schutzschild für die reglos am Boden Liegende.

Snowcat hatte sich inzwischen mit einer von Nightmares  Maschinenpistolen bewaffnet und versuchte nun ihrerseits die Trolle hinter den Barrikaden dazu zu zwingen, ihre Köpfe unten zu halten.

Nightmare zog sein Vorderrad hoch und rief auf Sperethiel: „Wir kommen rüber, Snowcat zieht Pearl rauf. Dann Rückzug und Durchbruch nach hinten! Pepper, gib  Deckung!“

„Copy!“ rief Pepper, feuerte wild in die Richtung der Spikes und gab dann auf einer Stelle bleibend Gas und versuchte so mit den Reifen Rauch zu erzeugen.

Das Knattern der Harleys von Hinten wurde lauter. Snowcat versuchte sich ganz auf ihre bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren. Auch wenn Pearl relativ schlank war, wog sie um einiges mehr als sie selbst und so würde es schwer für sie werden, Pearl auf das Bike zu bekommen. Je nachdem wie viel die andere Elfe noch mithelfen konnte. Bisher hatte Pearl sich nicht bemerkbar bewegt. Sollte sie ohne Bewusstsein sein, könnte es gar unmöglich werden, sie raufzuzerren. 

Dennoch, Nightmare hatte Recht, so musste es laufen. Pepper durfte seine Position nicht verlassen, sonst wären sie alle vollkommen ungeschützt.

Langsam, jedenfalls für Snowcats verstärkte Reflexe, näherten sie sich den beiden anderen Elfen. Plötzlich bewegte sich etwas von links auf sie zu. Das klobige Spike- Trike hatte seine Position verlassen. Der Troll im Beiwagen ließ eine schwere Kette über seinem Kopf rotieren, als wäre sie ein Lasso. Der Fahrer hielt seine Schrotflinte in Richtung von Nightmare und Snowcat. Nun geschahen mehrere Dinge gleichzeitig…

Nightmare fuhr ein geschicktes Manöver und driftete gekonnt mit einer heftigen Drehung vor Pearl. Snowcat bückte sich nach dem Körper der Elfe und bekam so zusätzlich mehr Deckung.

Der Fahrer des Trikes drückte den Abzug seiner Schrotflinte und der weit eingestellte Choke verteilte die Kugeln weiträumig. Einige schlugen in das Motorrad von Nightmare ein.

Pepper drehte sich mit seinem Bike auf der Stelle und seine Räder qualmten stark. Gleichzeitig befeuerte er die Barrikaden, wann immer sie in sein Schussfeld kamen.

Der Spike aus dem Beiwagen erhob sich etwas und schleuderte seine Kette, allerdings ließ er sie tatsächlich wie bei einem Lasso, nicht los. Er war geschickt im Umgang damit und traf Pepper genau. Mit einem Ruck zog der Troll die Kette um den Elf zusammen und riss ihn vom Motorrad, welches nun führerlos umfiel und unkontrolliert über den Asphalt schlitterte…

Snowcat packte Pearl am Kragen ihrer Lederjacke und versuchte sie mit aller Kraft hochzureißen. Ihr Arm schmerzte: „Pearl, beweg deinen Arsch!“, schrie sie. Pearl rührte sie nicht und Snowcat blickte in ihre leblosen Augen. Dessen ungeachtet hielt sie Pearl fest am Kragen gepackt, obwohl sie das Gefühl hatte, dass das Gewicht ihr jeden Augenblick den Arm abriss. 

Nightmare feuerte mit seiner Pistole einige Schüsse ab und fragte: „Snowcat, was ist los?“

„Ich kann sie nicht heben, wenn sie nicht mithilft. Sie rührt sich nicht. Ich glaub, sie ist tot.“

Mehr Kugeln wurden auf sie abgefeuert. Nightmare hatte Schwierigkeiten, das Motorrad aufrecht zu halten und gleichzeitig zu schießen: „Dann lass sie los, sonst kippen wir noch um.“, befahl er. …

… Zwei Kugeln schlugen im Vorderrad des Motorrads ein, eine weitere streifte Snowcats Arm, das nahm ihr die Entscheidung ab, sie ließ Pearl automatisch los.

Pearls führerloses Motorrad krachte rechts in ein Haus und ging in Flammen auf.

Pepper rappelte sich hoch. Obwohl er in der schweren Kette gefangen war, gelang es ihm seine Maschinenpistole hochzureißen. In dem Augenblick in dem der Troll ihn mit einem Ruck an der Kette wieder von den Füßen hohlen wollte, drückte Pepper ab. Es war nicht zu sagen, ob es sich um pures Glück oder Können handelte, aber er traf mit seinem Burst den Troll mitten in den Kopf. Der Spike sackte im Beiwagen zusammen. Unglücklicherweise fiel der dabei auf die Kette und Pepper hing weiterhin fest.

Der Fahrer des Trikes zielte nun mit seiner Schrotflinte auf Pepper, drückte jedoch nicht ab, als er merkte, dass seine Beute noch am Haken hing, sondern gab stattdessen Gas.

 Nightmare drehte seinerseits das Gas voll auf und die Maschine sprang förmlich nach vorn: „Schieß noch mal auf Pearl, damit sie auch sicher tot ist, wenn wir sie hier lassen müssen!“, brüllte er. 

Snowcat gehorchte obwohl sie schon sicher war, sie drehte sich um und schoss… sie sah noch, wie Pepper währenddessen auf die Strasse fiel und langsam darüber hinweg gezogen  wurde…

Das Bild auf der Vorderseite der Gasse hatte sich derweil geändert. Zwei weitere Spikes warteten auf die flüchtenden Ancients und versperrten den Weg.

Nightmare sagte: „Du musst dich gut festhalten. Meine Maschine ist beschädigt, es wird holprig.“ Er hielt mit dem Motorrad auf eine winzige Lücke zwischen einer Hauswand und einem Ketten rasselnden Spike zu. Snowcat wollte die Monopeitsche ziehen, kam jedoch nicht mehr dazu.

Der Hüpfer auf den leicht erhöhten Gehweg gab dem Vorderreifen den Rest, er platzte. Nightmare konnte die angeschlagene Maschine nicht unter Kontrolle bringen. Sie stürzten.

Snowcat wurde augenblicklich von ihrem Sitz geschleudert und verlor auf ihrer Solo- Rutschpartie die Orientierung. Sie schützte ihr Gesicht mit beiden Armen und wischte sich dabei ihr eignes Blut in die Augen. Das Knirschen und Quietschen von Nightmares Motorrad, dröhnte in ihren Ohren. Mit voller Wucht krachte sie plötzlich gegen etwas Hartes. Der Schlag presste ihr die Luft aus den Lungen. Rippen brachen. Die Trogs grölten. Snowcat wurde schwarz vor Augen.

„Du musst wach bleiben, Elfenmädchen, reiß dich zusammen!“, hämmerte Katze ihr ein.

Das Erste, was Snowcat wieder bewusst wahrnahm, war das Knallen eines Schusses. Wieder lachten die Trolle. Sie öffnete die Augen und wurde im selben Moment von einer riesigen Hand an der Kehle gepackt und hochgehoben. Das grinsende Gesicht eines Spikes blickte sie an: „Nett!“, und dann lauter: „Das Miststück lebt noch!“

Der Spike hielt sie jetzt so hoch, dass ihre Füße den Boden nicht mehr berührten. Ohne Probleme konnte er sie einfach an seinem ausgestreckten Arm erhängen. Er drückte ihr nur leicht die Kehle zu. Doch das genügte, gleich würde sie tot sein. Zu allem Überfluss schüttelte er sie auch noch. Sie zappelte wie ein hilfloses Tier. Wie würdelos…

Einen kurzen Augenblick wünschte sich Snowcat tatsächlich tot zu sein. Doch dann erwachte ihr Kampfgeist. So einfach würde sie es ihm nicht machen. Sie versuchte sich mit den Händen beim Troll festzukrallen. Nicht um ihn zu verletzten, sondern um nicht durch ihr eigenes Gewicht erwürgt zu werden.  

Snowcat überdachte ihre Optionen. Doch was auch immer sie tun wollte, zu allererst brauchte sie mehr Informationen. Sie konzentrierte sich darauf, ihre Umgebung wahrzunehmen. Hinter sich spürte sie einen Troll. Drei Spikes kamen zu Fuß auf sie zu. Das mussten die, von den Barrikaden sein, obwohl dort ursprünglich vier gewesen waren, vielleicht hatte sie einen bereits gegeekt. 

Nightmare lag rechts von ihr und es sah aus, als klebte er in einer seltsamen Position an einer Hauswand. Er regte sich nicht. Sein Motorrad war ein einziger Schrothaufen und lag einige Meter neben ihm. 

Das Trike und der andere „Köder“ kamen im Schritttempo angefahren. Der Beiwagen war leer geräumt und die Kette mit Pepper war am Wagen befestig worden. Sie zogen ihn hinterher, er sah übel aus, aber er schien am Leben zu sein.

Der Fahrer des Trikes rief: „Hey, astick se nich, Hopper. Wenn se noch zapp’äln machts Bumsen mehr Spass. Außadem freut sich Lord Togo bästimmt über ein lebendiges Spielzeug.“

Hopper lockerte seinen Griff und stellte Snowcat dann vor sich ab. Ihre Kehle brannte und sie musste husten. Seine Hände betatschten ihren Busen: „Meinste wirklich? Da is doch nüscht dran. Egal obs zappelt. Naja, aber veleicht will seine Lordschafft ihr ja die Ohren abschneiden, wennse noch lebt! Wo ich grad Ohren sach, hat sich jemand schon die Ohren von dem Stecher der Schlampe jeholt?“ 

„Jo“, tönte es von hinten, „Aber nur eens!“

Hopper drehte Snowcat zu sich um. „Du Elfenschlampe, hol mir mal det andere Ohr von dem Dreck da“, er zeigte mit seinem Finger in die Richtung, in der Nightmare lag, „dann bin ich ooch nett zu dir und lass losen, wer mal versuchen darf seinen Schwanz in dein Loch zu quetschen.“ Er schupste sie leicht, „Los jetzt, sonst nehm ich höchstpersönlich ne Locherweiterung bei dir vor.“

Snowcat überdachte erneut ihre Optionen, sie konnte eigentlich nicht viel tun, außer Hopper anzuspucken und hoffen, dass er allergisch gegen Elfenspeichel war.

 Nightmare war tot, sonst hätte der Trog wohl kaum sein Ohr. Wenn sie jetzt die Monopeitsche zog, dann könnte sie sicher Hopper noch töten, bevor sie von den anderen erschossen wurde. Ja, das war wohl die Beste Option, doch dann fiel ihr plötzlich ein, dass Nightmare immer eine Phosphorgranate in seiner Tasche hatte. Mit der konnte sie mehr als einen Troll mit in den Tod nehmen! Sie brauchte sie nur fallen zu lassen, wenn die um sie herumstanden, um bei ihrer Vergewaltigung zuzusehen. Also fragte sie schnippisch: „Und womit soll ich ihm das Ohr abschneiden, Wineg!“

Hopper grinste grimmig: „Nich’ schneiden Schlampe, du beißt se ihm einfach mit deinen Beißerchen ab! Und nun mach!“ Darauf packte er sie und warf sie im hohen Bogen einfach zu Nightmare rüber. Snowcat konnte das Knacken weiterer Rippen hören, eine Schulter renkte aus und die Schusswunde am Arm blutete heftiger. Erneut schwanden ihr die Sinne.

Doch Katzes Stimme in der Ferne hielt sie fest: „Ignorier den Schmerz, du schaffst es, Elfenmädchen!“

Snowcat rappelte sich auf und kroch auf allen vieren zu Nightmare rüber. Sie wusste nicht, wo es am meisten schmerzte, sie kroch einfach weiter, Zentimeter um Zentimeter. Was hätte sie jetzt für einen guten Painkiller gegeben! 

Alle Spikes bis auf den Trikefahrer, hatten sich im Kreis in der Straßenmitte zusammengestellt, um ihr johlend  zuzusehen. Der andere fand das wohl langweilig und tuckerte stattdessen ein bisschen mit Pepper im Schlepptau umher.

Snowcat erreichte den Körper von Nightmare, sie lehnte sich gegen ihn, schöpfte Kraft. Sein linkes Ohr fehlte und ein Rinnsaal aus Blut floss hinab. Wie um ihm einen Abschiedskuss zu geben, beugte sie sich über ihn und fasste ihm dabei in die Manteltasche. Die Spikes buhten und Hopper kam einige Schritte näher.

Snowcat fand die Granate, sie lächelte und küsste Nightmare nun wirklich…

… und er erwiderte den Kuss, nur ganz schwach, aber er lebte. Überrascht flüsterte sie auf Sperethiel: „Kannst du dich bewegen?“

Er nickte kaum merklich und deutete mit den Augen auf seine rechte Hand. In der hielt er seine MP, ein rot gekennzeichnetes Magazin lugte hervor. Explosivmunition.

„Okey, du erschießt den, der jetzt kommt und ich mach den Rest!“, hauchte sie.

Wieder nickte Nightmare.

Bevor Snowcat loslegte, drückte sie noch den Notrufbutton ihres Comlinks. Warum hatte sie nicht früher daran gedacht, schoss es ihr durch den Kopf. Nun, sie wusste nicht, ob es noch was nützte, aber schaden konnte es nicht. 

Hopper stand jetzt fast direkt hinter ihr und tobte vor Wut, jeden Augenblick würde er sie packen. Snowcat beachtete ihn nicht. Sie konzentrierte sich und schob sämtlichen Schmerz beiseite. Sie spürte ihn zwar noch, doch sie wusste, dass er sie nun weniger behindern würde. Doppelt beschleunigt durch eigenes Adrenalin und immer noch durch das Jazz, stürmte sie an Hopper vorbei und warf die Granate im Vorbeirennen in die Gruppe der herumstehenden Spikes. 

Nightmare schoss. Als die Granate explodierte hatte Snowcat bereits die Hälfte der Entfernung bis zum Trike überbrückt. Unter einer erneuten Welle von Schmerz sprang sie ab, zog die Peitsche, vollführte einen Salto und schlug dem Spike mit einer einzigen Bewegung den Kopf ab, während sie über ihn hinweg flog.

Alles andere danach war einfach. Snowcat trat in mehreren Anläufen den Troll von seinem Platz und hievte dann mit letzter Kraft Pepper in den Beiwagen. Nightmare kam ihr entgegen gehumpelt. In seinem Ledermantel klaffte ein gewaltiges Loch und sein einst mal grünes T-Shirt war dunkelrot gefärbt. Aus seiner linken Hand blitzte die Spitze seines eigenen Ohrs hervor. Er hatte es sich von dem Troll zurückgeholt. Gemeinsam verließen sie den Ort des Geschehens auf dem Trike.


Nightmare fuhr. Snowcat fragte ihn ermattet: „Warum in aller Welt hast du dir dein Ohr abschneiden lassen?“

„ Ich musste doch bei dir bleiben, ohne dass die merken, dass ich noch am Leben bin. Wenns wirklich schlimm geworden wär, dann hätt ich dich so wenigstens noch erschießen können“

Snowcat legte ihren Kopf auf seiner Schulter ab. Dankbar sagte sie: „Ja, aber nur wenn es wirklich schlimm geworden wäre.“ 

Gut zehn Minuten später kam ihnen eine größere Gruppe von Ancients entgegen, die auf ihren Notruf hin geschickt worden waren. Ghostfinger konnte sie, wie er gesagt hatte, also tatsächlich ausfindig machen.

„Naja, Katze, zehn Minuten sind in einer solchen Situation eine Ewigkeit!“

„Eher zwei Ewigkeiten, Elfenmädchen, eher zwei!“ 

Pepper wurde von der Kette befreit und es sah so aus, als würde er es ebenfalls schaffen. Snowcat und Nightmare wurden schnell neuen Fahrern zugeteilt, und Pepper band man zur Sicherheit an seinem Fahrer fest. Zwei weitere Ancients begleiteten sie zurück zum Hauptquartier.

Die restlichen Ancients machten sich zum Tatort auf, um überlebenden Spikes den Rest zu geben und um Pearls Leiche zu bergen.

Katze setzte sich hinter Snowcat auf das Motorrad und schmiegte sich an sie: „Ich bin sehr stolz auf dich, mein liebes, kleines Elfenmädchen!“

 Snowcat lächelte

Einer der ihren war gestorben, aber die Spikes hatten einen hohen Preis dafür zahlen müssen. 

Und Snowcats Name kletterte mit Sicherheit auf Platz Eins des Killcounts.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*