Teil 12

12

Die Nacht vor Silvester war  außergewöhnlich kalt. Snowcat fror gewaltig, trotz der gefütterten Weste, die sie über ihrem Mantel trug. Seit einer halben Stunde stand sie nun schon an einer dunklen Hausecke nahe des Puyallup River. Schemenhaft konnte sie Blackheart auf der anderen Straßenseite erkennen. Er hatte sich gut versteckt. Sie konnte ihn, trotz Elfenaugen nur sehen, weil sie wusste, dass er da war. Drei weitere aus ihrem Team waren in der Umgebung verteilt.

Nightmares Stimme erklang über das Headset des Comlinks: „Boss, ich zünd mir jetzt ne Kippe an!“

„Was genau an -versteckt warten-, hast du nicht verstanden Nightmare?“, herrschte Blackheart ihn an, „Das kommt überhaupt nicht in Frage. Du bist auf nem Dach. Hast du ne Ahnung, wie weit man die Glut einer Kippe sehen kann?“

„Nicht weiter, als ich hören kann. Man, die kommen frühestens in zehn Minuten. Es ist echt ungemütlich hier oben und ne Kippe würd gut tun, und ich sag doch, ich hör die, lange bevor die mich sehen können, da hätte ich sogar noch genug Zeit ne ganze Fackel auszupissen!“

Eine dritte Stimme mischte sich ein, Burninhell: „Nightmare, du bist nen Jammerlappen, solln wir dir vielleicht noch ein Kissen und eine Decke rauf bringen?“

Nightmare kicherte, es klang gruselig, das war seine Spezialität: „Nee, Kissen brauch ich nicht, aber Snowcat könnte mal vorbeikommen!“

Fan, ihr voller Name lautete eigentlich Fantasie gab umgehend ihren Kommentar dazu ab: „Na klar, das hättest du gerne. Snowcat soll mal schnell vorbeikommen, damit du im Vorbeikommen, mal eben schnell in ihr kommen kannst.“

„Hey“, klinkte sich der letzte des heutigen Teams ein, Suffer: „Fan, das verstehste falsch, er hat nichts von kurz gesagt, in zwanzig Minuten kann man ne ganze Menge machen! Aber Nightmare, warum ohne Kissen? Snowcat hat doch immer zwei prima, kuschelige Kissen dabei!“

„Stop jetzt!“ befahl die Stimme von Blackheart, „Wir sind hier auf nem Job. Einem wichtigem Job, der absolut fehlerlos laufen muss. Also, Snowcat gibt jetzt auch noch ihren Senf dazu, und ab dann herrscht wieder Funkdisziplin. Und, Nightmare, keine Kippe! Also Snowcat?“

„Mir ist kalt!“, sagte sie nur.

Fünfzehn Minuten später warteten sie immer noch. Langsam fand Snowcat den heutigen Auftrag doof. 

In den letzten vierzehn Tagen seit der Ansprache von Sting waren sie alle vermehrt unterwegs gewesen. Verstärkt hatten sie Präsenz in Clubs, Läden und anderen beliebten Ancient Hang Outs gezeigt und somit für Schutz gesorgt. Sie waren selbst Drive Byes gefahren und hatten in gegnerischen Läden Angst und Schrecken verbreitet. Dabei hatten auch die Ancients Verluste erlitten und der absolute Killcount stand nun bei 32 zu 8. Die neuen Toten auf der Habenseite waren ausschließlich Halloweener.

 Blackheart hatte, wie die anderen Lieutenants, fast täglich Sondertraining angesetzt, in dem es vor allem um die Verbesserung spontaner, gemeinsamer Kampfhandlungen ging. Jeder sollte einschätzen können, wie der andere aus seinem Team handelt. 

Vorgestern, hatte ihre Gruppe dann damit angefangen im Training besonderes Augenmerk auf ein schnelles und geheimes Vorgehen zu legen. 

Heute nun sollten sie eine Lieferung samt Lieferfahrzeug „übernehmen“ und es sollte ungewöhnlicher Weise keine Zeugen geben, dass hieß, dass es keine Überlebenden auf der anderen Seite geben durfte. Das behagte Snowcat nicht. Und jetzt war es auch noch schweinekalt und die Ladung ließ sich nicht blicken.

Es war ja nicht so, dass sie sich, wie Nightmare, langweilte. Snowcat hatte kein Problem damit auf ein Stück Beute zu warten. Das konnte sie, wenn nötig auch stundenlang. Im Gegenteil, sie war sogar neugierig darauf, was so geheimnisvolles in dem Wagen sein würde oder wer am Steuer saß, dass eine solche radikale Sonderbehandlung notwendig war. Ihr war einfach nur kalt.

Snowcat griff in ihre Manteltasche und zog die schwarze Skimaske heraus, die sie beim Einsatz tragen sollte. Sie konnte sie ebenso gut gleich aufsetzten, vielleicht war ihr dann etwas wärmer.  

So warteten die fünf Ancients versteckt und bewaffnet, mehr oder weniger ruhig darauf, dass sie ihren Plan in die Tat umsetzten konnten.

Nightmare meldete sich: „Höre Motorgeräusch aus vermuteter Richtung näher kommen. Haltet euch bereit! – Ja, da kommt ein Lieferwagen, wird von einem Pick Up begleitet. Kann insgesamt sechs Personen ausmachen!“

An dem Hintereingang eines geschlossenen Geschäfts ohne Werbung hielten beide Wagen an. Die Ancients  warteten, bis die Tür geöffnet wurde und man mit dem Abladen begann. Snowcat war überrascht, dass waren definitiv keine Trolle, aber es waren auch keine Halloweener. Das waren Elfen und den Farben nach zu urteilen, alle trugen schwarzes Leder über roter Kleidung, waren das Princes Of Blood.

Die Begründer der Princes waren aus den Überlebenden einer Schlacht zwischen den Spikes und den Silent Ps vor einigen Jahren hervorgegangen und keine ehemaligen Ancients, wie Snowcat inzwischen wusste. Ihr Anführer war ein Elf namens Black Prince. Lord Togo hatte ihm angeblich persönlich ein Auge ausgestochen, seit dem trug er eine Augenklappe. Die Ancients mochten die Princes nicht besonders, sie galten als Emporkömmlinge. Die Princes ihrerseits betrachteten die Ancients eher als entfernte Cousins und sie hätten alles dafür gegeben, auf der Strasse von den Leuten ebenso respektiert zu werden, wie die Ancients. Snowcat erinnerte sich an die Warnung, die Princes nicht zu unterschätzen. Sie galten als außergewöhnlich fähige Straßenkämpfer. Jetzt war ihr auch klar, warum ihr Lieutenant bei ihrem Einsatztraining den Schwerpunkt auf ein schnelles und leises Vorgehen gelegt hatte. Das senkte das eigene Verletzungsrisiko gewaltig.

 Als Blackheart das Startsignal zum Überfall gab, brauchte Snowcat einen winzigen Augenblick, um ihre  Verwunderung darüber abzuschütteln, dass ihre Gegner Elfen waren, doch dann warf sie umgehend ihren Popper ein. 

Gemeinsam schlugen sie schnell und leise los, auf alle Schusswaffen waren zuvor Schalldämpfer geschraubt worden. Die Princes waren so überrascht, dass vier von ihnen bereits am Boden lagen, bevor sie überhaupt wussten, dass sie angegriffen wurden.

Snowcat schwang den Draht ihrer Peitsche mit unglaublicher Grazie. Es fiel ihr schwer, auf einen tödlichen Streich aus zu sein. Es fiel ihr besonders schwer, weil es Elfen waren. Doch sie zögerte nicht ein einziges Mal. Zu zögern hätte bedeutet ihre Freunde im Stich zu lassen. Es hätte deren Leben gefährden können.

Nach dem die sechs Princes tot oder  wenigstens bewegungslos am Boden lagen, zog Nightmare einer Anweisung von Blackheart folgend, ein Messer und schnitt einem Prince ein Ohr ab. Blackheart selbst holte einen dicken Zigarrenstummel hervor und zündete sich das stinkende Teil an.

Mit zusammengezogenen Augenbrauen beobachtete Snowcat, wie Blackheart ohne Umschweife zu jedem Prince ging und ihm mit der Zigarre beide Augen ausbrannte. Selbst vor dem weiblichen Prince machte er nicht halt. Snowcat drehte sich bei dem aufsteigenden Gestank der Magen um.

„Was tust du da?“, fragte sie atemlos.

„Das, was nötig ist!“, antwortete er ruhig.

Nach dem Blackheart sein grausames Werk vollendet hatte, gab er den Befehl zum Rückzug. Sie schlossen die Türen des Lieferwagens, der mit gestapelten Kisten voll beladen war und Fan und Burninhell stiegen in die Fahrerkabine, starteten den Wagen und fuhren los.

Snowcat wartete ungeduldig auf die restlichen zwei Ancients, damit sie gemeinsam zu ihren versteckten Motorrädern gehen konnten. Sie wollte den erbeuteten Lieferwagen nicht allzu lange unbegleitet lassen.

Doch Nightmare und Blackheart hatten noch etwas zu erledigen. Sie nahmen zwei Schrotflinten aus einer Tasche und schossen damit mehrmals auf jeden Prince. Zum Schluss nahm Nightmare noch einen Molotowcocktail und warf ihn auf die Überreste des Toten, dem Snowcat mit der Monopeitsche das Gesicht zerschnitten hatte.

Blackheart fasste schließlich Snowcats Hand und gemeinsam liefen sie endlich zu ihren Bikes.

Nach wenigen Minuten hatten sie den Lieferwagen eingeholt. Sie fuhren nach Hell’s Kitchen. Dort warteten bereits Ghostfinger und zwei weiter Ancients auf sie. Schnell luden sie die Kisten auf Ghostfingers Bulldoc um. 

Snowcat registrierte, dass sich in zwei Dritteln der Kisten Drogen, hauptsächlich Novacoke und Zen, befanden. Ein weiterer Teil der Kisten enthielt wahrscheinlich Waffen. Zwölf Kisten trugen allerdings eine Aufschrift in Sperethiel:  feinster Absinth aus Tir Taingire.

Den Lieferwagen ließen sie einfach irgendwo in Hell’s Kitchen stehen. Dort würde er von der „Umgebung“ bald in seine kleinsten Einzelteile zersetzt werden. Kurz vor Morgengrauen erreichten sie das Hauptquartier.

„Ich verstehe das nicht Katze!“, sagte Snowcat später, nachdem sie sich in ihre Kissen und Decken gekuschelt hatte, „Das waren doch Elfen, warum mussten wir sie so liegen lassen? Warum mussten wir überhaupt so mit ihnen umgehen? Ich meine, wir hätten uns die Ladung doch auch holen können, wenn die Princes Of Blood wieder weg sind. Also, warum Katze?“

„Ich hab keine Ahnung warum.“ Katze hörte auf sich zu putzen und gähnte: „Aber so ist das eben, wenn man im Rudel jagt, Elfenmädchen! -  Dafür bekommst du morgen bei der Silvesterparty bestimmt was von der Absinthsahne ab, die du inzwischen so sehr magst Elfenmädchen, denn ich hab gehört, dass die da gereicht wird.“

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*