Teil 3

3

An den nächsten zwei Abenden waren Snowcat und Craven in Gangangelegenheiten unterwegs. Es galt Partydrogen unter das gemeine Volk zu bringen. Obwohl Snowcat eigentlich zu Blackhearts Team gehörte, fuhr sie in Cravens Gruppe mit. Ihr Lieutenant brauchte sie gerade nicht, und Craven war es freigestellt, seine Freundin mitzunehmen, wohin er wollte. Das ging in Ordnung, besonders dann, wenn die Freundin selbst ein Ancient ist. Natürlich hatte Craven Snowcat keine besondere Aufgabe zugeteilt, sie war ja kein Mitglied seines Teams. Sie war einfach nur mit unterwegs gewesen und hatte sich die meiste Zeit mit Neon unterhalten. Hin und wieder hatte sie sich an einem Verkaufsgespräch beteiligt, aber eigentlich hatte Snowcat nur eine nette Clubtour gemacht.

Umso überraschter war sie, als sie für ihre geleistete Arbeit einen Bonus auf ihr Commlink überwiesen bekam. Ghostfinger teilte ihr in einer angehängten Nachricht mit, dass sie, da sie ab jetzt nicht mehr im Hauptquartier wohnte, nun keine regelmäßigen Zahlungen mehr bekommen würde, sondern nur noch nach Aufträgen und bei besonderem Bedarf New Yen ausgezahlt bekäme.

Snowcat war das nur Recht, denn so hatte sie mehr das Gefühl, dass sie ihr eigener Herr war. Andererseits fand sie es merkwürdig „Mitarbeiter“ in einer Gang zu sein.

Craven hatte den ihm zustehenden Lieutenant -Bonus ebenfalls erhalten, und so beschlossen die beiden, sich einen schönen Abend zu machen. Spontan entschieden sie sich dafür einen alteingesessenen Club in Downtown, das Penumbra zu beehren und vorher noch in einem Restaurant am Hafen etwas essen zu gehen.

Sie leisteten sich Meeresfrüchte in einem mittelständigen Restaurant. Danach war es für den Club noch viel zu früh und deshalb schlenderten sie an den Schaufenstern entlang. Natürlich warf man den beiden Elfen, die wie immer in dunkles Leder gekleidet waren, den einen oder anderen skeptischen Blick zu. Doch da sie ihre Gang-Symbole ausgeschaltet und ihre Commlinks auf aktiv geschaltet hatten, bekamen sie keine Schwierigkeiten.

In einem dieser Schaufenster hing ein schwarzer Mantel aus echtem Leder, der Snowcat gut gefiel. Craven schlug ihr vor, ihn einfach mal zum Spaß anzuprobieren. 

Ein leises Klingeln ertönte, als sie das Geschäft betraten. Der Verkäufer behandelte die Zwei überaus zuvorkommend und höflich. Der Mantel saß perfekt. Um die Taille war er eng geschnitten, wurde dann aber nach unten hin sehr viel weiter. Kurz über dem Boden war er sogar so weit, dass der Umfang eher an ein altertümliches Ballkleid erinnerte, als an einen modernen Ledermantel. Das Leder war dünn und weich, ein perfekter Sommermantel, wenn man bereit war im Sommer schwarzes Leder zu tragen. Die Echtheit des Leders verlangte einen stolzen Preis. 3000 New Yen sollte er kosten.


Die karge Mondlandschaft des Penumbra war ungefähr zur Hälfte gefüllt. Snowcat und Craven konnten eine Nische für sich allein reserviert halten und nutzen die Abgeschiedenheit in den Tanzpausen zum Knutschen. Es hätte das frischverliebte Paar nicht gestört, wenn sich jemand zu ihnen gesetzt hätte. Doch das war in einem Club wie dem Penumbra eher nicht zu erwarten. Die Gäste standen hier auf Diskretion. Hierher kamen schließlich auch Shadowrunner und Johnsons, um in einem der Hinterzimmer ihre Geschäfte abzuhalten. 

Auch aus diesem Grund hatten sich die zwei Elfen für diesen Club entschieden. Sie wollten mal Shadowrunnerluft schnuppern. Schließlich waren sie beide talentiert und mit einer solchen Arbeit samt Begabung ließ sich ja bekanntlich viel Geld machen. Natürlich konnte man nicht einfach fragen: „Wo hängt  hier das schwarze Brett mit den Stellenangeboten?“ So etwas mussten Straßenkontakte für einen arrangieren. 

Straßenkontakte hatten sie als Ancients zwar, doch da sie nicht als Ganger gebucht werden wollten, mussten sie das Ganze langsam angehen lassen und sich neue „Arbeitsvermittler“ suchen. Sich vorab mal umzusehen, konnte allerdings nie schaden und war vielleicht sogar notwendig.

In dieser Nacht hatten waren sie in ihrem Unternehmen Shadowrunner zu werden allerdings nicht weit gekommen. Was vor allem daran lag, dass sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren. Den einzigen Fortschritt, den sie in diesen Belangen überhaupt für sich verbuchen konnten, war schon mal hier gewesen und dabei nicht besonders aufgefallen zu sein. Jedenfalls nicht mehr als sonst. 

 Sie waren in keinerlei Hinsicht in Eile. Zeit war für die beiden Elfen extrem selten ein Problem.


Gegen drei Uhr verließen Snowcat und Craven das Penumbra Arm in Arm und knutschend. Sie waren ausgelassen, ohne betrunken zu sein. Craven ließ die Maschine an und fragte: „Na Snowcat, biste noch fit?“

„Klar bin ich noch fit. Wieso? Du etwa nicht mehr?“ Sie schmiegte sich an ihn und fuhr mit den Händen über die Innenseite seiner Oberschenkel.

„Natürlich bin ich auch noch fit. Die Nacht ist ja noch jung. Ich dachte nur, du hättest vielleicht Bock auf ein kleines Vorspiel der besonderen Art?“, erklärte Craven grinsend.

„Für ein Vorspiel der besonderen Art,“ Snowcat schnurrte aufgeregt, „bin ich bestimmt zu haben. Du machst mich neugierig.“

„Gut!“, Craven gab Gas.

Sie fuhren nur ein paar Strassen weiter, dann hielt Craven an: „Schalte dein Commlink auf hidden und dann setz deine Skimaske auf!“

Snowcat zögerte nicht und tat, wie ihr geheißen. Allerdings war sie gespannt, auf was für eine Art von Vorspiel die Sache hinauslief...

Beide schalteten ihre Commlinks in den versteckten Modus, was allein schon eine überaus verbotene Angelegenheit in Downtown war und ihnen in wenigen Minuten die Aufmerksamkeit einer Überwachungsdrohne einbringen würde. Dann setzten sie die Masken auf. Jeder Passant, der die in Leder gekleideten und vermummten Elfen nun erblickte, würde wahrscheinlich sofort einen Panikbutton drücken. Zum Glück war zu dieser Stunde  auf den Strassen nicht mehr viel los.

Craven gab nun erneut Gas und brauste durch zwei, drei Strassen. Mit einem rasanten Manöver kamen sie dann dicht an einem Schaufenster zum Stehen. In diesem Schaufenster war ein gewisser Ledermantel ausgestellt...

 Craven reckte seine Hand aus und berührte die Scheibe kurz. Das Fenster zerbarst augenblicklich in tausend Stücke. Eine Sirene heulte. 

Snowcat reagierte sofort. Behände sprang sie in die Auslage und nahm den Mantel von der Puppe. Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde saß sie wieder hinter ihrem Liebsten auf dem Motorrad.

Craven gab Vollgas. Jetzt blieb ihnen nicht viel Zeit. Gleich würde es von Drohnen und Patrol-Cars nur so wimmeln. Sie hatten zwar keinen Juwelier überfallen und auch keinen Schuss abgegeben, aber Downtown  war immer noch Downtown.

Craven blieb zunächst auf dem Bürgersteig und bog ein paar mal kurzfristig  ab. So weit sie sehen konnten, wurden sie auf den Strassen nicht verfolgt. Was aber damit  nicht unbedingt auch für über den Strassen gelten musste. Sie konnten nicht mit Sicherheit sagen, dass nicht doch noch eine Drohne an ihnen klebte.

Nachdem sie trotz rasanter Fahrt vollkommen unbehelligt eine schlechtere Gegend von Downtown erreicht hatten, fuhr Craven in einen dunkle Gasse und kam vor einer Tür kurz zum Stehen. Er zog einen kleinen Gegenstand aus seiner Manteltasche, öffnete per Fernbedienung die Tür und fuhr dann in den Hausflur des zweitklassigen, dreistöckigen Gebäudes und ließ die Tür hinter ihnen wieder ins Schloss fallen. Hier angekommen nahmen beide ihre Skimasken ab.

Ein neongrünes Ancient-Zeichen blinkte ihnen freundlich entgegen.

Snowcat grinste: „Tolles Vorspiel! Wollen wir einfach gleich im Flur bleiben, oder kann ein aufgeregter Elf hier auch irgendwo ein gemütlicheres Plätzchen finden?“

Craven grinste ebenfalls: „Noch gemütlicher? - Hinten gibt's nen kleinen Raum, für den ich zufälligerweise den Schlüssel habe. Da können wir dann ein Bierchen zischen und warten, bis die Luft auf jeden Fall rein ist. Du kannst ja inzwischen den Mantel schon mal anziehen. Bin gespannt, wie er sich auf nackter Haut anfühlt ... und zu Hause probieren wir dann aus, ob der Mantel was taugt!“

„Zu Hause erst?“, hauchte Snowcat, „Na, dann wird das Vorspiel wohl noch einen zweiten Akt haben müssen!“

„Uns fällt bestimmt was ein, da mach ich mir keine Sorgen.“

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*