Teil 5

5

In einer verregneten Nacht Mitte Juli 2067 saß Snowcat auf ihrem Lieblingsplatz vor dem Fenster und sah den Regentropfen zu. Kleine Bächlein flossen über die verschiedenen Farben der Glasscheibe. Snowcat konnte nie vorhersagen, welchen Weg sie als nächstes wählen würden, das faszinierte sie. Gerade an den Grenzen von einem Bruchstück zu einem anderen kam es immer wieder zu unerwarteten Zusammenflüssen. 

Sie war in ihr bodenlanges, elfenbeinfarbenes und ärmelloses Spitzennachthemd gekleidet und kühlte ihre nackten Füsse am Stein der Fensterbank, denn der Tag war außergewöhnlich heiß gewesen.

Die drei spitzenbesetzten Gothic-Nachthemden stellten inzwischen ihre einzigen hellen Kleidungstücke in ihrem überwiegend schwarzen Besitz dar. Das Meiste war aus Leder gefertigt und auch in die Korsagen und T-Shirts mischte sich nur hin und wieder ein Tropfen Purpurrot, Lila oder Ancient-Grün.

Die heute Nacht mal funktionierende Strassenlaterne warf ein angenehmes Licht in den ansonsten unbeleuchteten Raum.

Katze betrat die Fensterbank, wählte sich ein Kissen aus und gesellte sich zu Snowcat: „Na melancholisch, mein liebstes Elfenmädchen?“

Snowcat lächelte sanft und kraulte Katze am Kopf: „Ein bisschen.“

Katze schnurrte: „Schön. Melancholie auszustrahlen ist nämlich sehr katzenhaft musst du wissen. Wo ist denn das Männchen heute, Elfenmädchen?“

Snowcat zuckte ganz leicht mit den Schultern: „Keine Ahnung, Katze. Er ist ein paar Tage nicht da. Das soll bei ihm aber gelegentlich vorkommen, sagt man.“

„Mit ,man‘ meinst du dann wohl das Rudel. Und, bist du nicht neugierig wo das Männchen ist, Elfenmädchen?“

Snowcat dachte kurz nach: „Vielleicht um der Neugier Willen ein wenig, aber nicht besonders. Er darf seiner eigenen Wege gehen, wann immer er will Katze. Er hat gesagt, dass er in drei bis vier Tagen wieder zurück ist und mir eine Nummer für den absoluten Notfall da gelassen. Das Rudel, ich meine die Ancients sagen, dass er das gelegentlich mal macht, sonst aber nichts darüber verrät, wann er zurück sein wird. Und nicht mal Sting hat jemals eine Notfall-Nummer von ihm bekommen.“

Katze schmiegte sich an Snowcat: „Und bist du melancholisch, weil das Männchen nicht da ist, Elfenmädchen?“

„Nein Katze, warum sollte ich deshalb melancholisch sein?“

Katze hörte kurz auf zu schnurren, blieb aber wo sie war: „Na gut, Elfenmädchen, auch wenn es sonst eigentlich nicht meine Art ist, ich tue es: Und warum bist du dann melancholisch?“

Snowcat zog die Füße an und antwortete nicht sofort. Katze drängte sie nicht. Nach einer Weile nahm Snowcat einen Zipfel ihres Spitzengürtels in die Hand und bot ihn Katze zum Spielen dar. Katze nahm das Angebot an und schlug auf dem Rücken liegend mit den Tatzen danach. Während dessen sagte Snowcat: „Ein Grund ist wohl einfach, dass es auch ein schönes Gefühl sein kann... Der andere Grund ist etwas, was Neon vor einiger Zeit angemerkt hat. Er hat erzählt, dass Ghostfinger im Auftrag von Sting und Green Lucifer versucht hat, etwas über meine Vergangenheit herauszubekommen, aber dabei überhaupt nicht fündig geworden ist. So, als wenn ich vor dem Tag meiner Ankunft vor über zwei Jahren niemals existiert hätte.“

Katzes Kralle hatte sich in den Spitzen verfangen und Snowcat musste sie befreien: „Das ist doch wunderbar geheimnisvoll. Besser könnte es doch gar nicht sein, Elfenmädchen. Warum macht dich das melancholisch?“

Diesmal zögerte Snowcat nicht mit ihrer Antwort: „Weil ich mich hin und wieder frage, ob ich vorher überhaupt existiert habe und vielleicht möchte ich manchmal doch wissen wer mich geboren hat, Katze.“

Katze schnurrte nun wieder: „Also in einem Punkt kann ich dich beruhigen, Snowcat hat vor diesem erwähnten Tag noch nicht existiert. Du aber schon, Elfenmädchen. Und was die Frage nach deiner Mutter angeht: Es doch egal, wer dich zur Welt gebracht hat, wichtig ist nur, was für eine Katze du inzwischen geworden bist und welche du eines Tages sein wirst. Schade an der Tatsache als Kitty keine Mutter und keinen Vater gehabt zu haben ist nur, dass du während dieser Zeit niemanden gehabt hast, der dich krault. Doch da man die Vergangenheit nicht ändern kann, musst du einfach nur die ganzen Streicheleinheiten nachholen und dann ist alles wieder im Lot. Und wenn ich dich so ansehe, gerade du hast doch keine Schwierigkeiten genügend Krauler zu finden, Elfenmädchen!“

Snowcat lächelte: „Du hast Recht, Katze. Dann hoffe ich jetzt nur noch, dass nicht irgendwann irgend so ein Psychopath mit einer schwarzen Maske vor mir steht und sagt:,Ich ich bin dein Vater!‘-“, in diesem Moment knurrte ihr Magen laut, „Oh, ich glaube, ich muss mir mal was zu essen machen. Ich hab Hunger, Katze.“

„Ja, tu das Elfenmädchen, manchmal siehst du ziemlich mager aus. Ich warte hier auf dich.“ Katze rollte sich auf einem Kissen zusammen.

Snowcat ging zur Küche und ein paar Minuten später kam sie mit einer großen Schüssel dampfender Nudeln, einem Gewürzstreuer und einem Glas Milch zurück. Nachdem sie sich wieder gesetzt hatte, stand Katze auf, um an dem Essen zu schnüffeln.

„Bäh, Elfenmädchen, an deinem Futter ist ja überhaupt kein Fleisch. Das schmeckt doch überhaupt nicht! Wie kannst du nur so was fressen?“ Sie zog empört die Nase kraus und putzte dann ihre Tatzen.

Snowcat grinste: „Du hast Recht, da ist überhaupt kein Fleisch dran, sondern nur lauter so ein Zeug aus Buchstaben und Zahlen. Aber ich mag Chinanudeln eigentlich ganz gern. Möchtest du mal probieren Katze?“

Katze schüttelte sich: „Nein, und wenn du mal vorsichtig mit deiner Zunge daran probieren würdest, dann würdest du es auch nicht essen, Elfenmädchen!“

Snowcat pustete über die Nudeln, bis sie sich etwas abgekühlt hatten, nahm eine Menge auf ihre Stäbchen und leckte dann neugierig und vorsichtig mit der Zunge daran. Nach ein paar Sekunden rümpfte auch sie die Nase: „Du hast Recht! Eigentlich schmeckt das Zeug überhaupt nicht. Naja, da hilft nur eins“, sie griff nach dem Gewürzstreuer, „die Geschmacksnerven mit Chili betäuben.“

Plötzlich kam Snowcat etwas in den Sinn, sie zog die Augenbrauen skeptisch zusammen und kostete erneut. Eine Masse von Geschmäckern überflutete sie und sie war sich nun ziemlich sicher, wie viel oder wenig echte Karotten sich in den Nudeln befanden. Sie schmeckte das Soy-Huhn heraus und griff nochmals zum Gewürzstreuer. Ärgerlich sagte sie: „Na danke Katze, jetzt kann ich immer und überall einen Chili-Streuer mit mir rumschleppen, damit mein Essen genießbar ist!“

Katze rollte sich in Snowcats Schoß zusammen und schien mit der Situation vollkommen zufrieden zu sein: „Oder du isst zur Abwechslung einfach mal was Gutes, Elfenmädchen!“  

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*