Teil 10

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Am Abend des 4. Mai 2070 war Snowcat mit Craven unterwegs nach Redmond, um sich dort um 20.00 Uhr mit OC, Starbuck und einem Zwerg namens Blackstone zu treffen.

Wobei dieser ominöse Blackstone nicht mehr und nicht weniger war, als die neue Identität von Duke. 

Starbuck hatte dafür gesorgt, dass Duke vor zwei Tagen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war, als er die Stadt und den Kontinent für lange Zeit auf Flucht vor seinen Häschern mit unbekanntem Ziel hatte verlassen wollen.

Ein toter Duke hatte die kleine Klinik, die Neon inzwischen besaß, unbemerkt betreten und ein schwarzer, glatzköpfiger Zwerg mit weißem Bart hatte sie ebenso unbemerkt wieder verlassen.

Da dieses Geheimnis nur Craven, Snowcat, Starbuck und natürlich Blackstone selber kannten und sie heute Abend auch OC treffen würden, war das heutige Meeting also ebenso ein Test, wie vollkommen die Veränderung geworden war.

Das aufstrebende Shadowrunnerteam hatte also in den vergangenen Tagen gleich den Verlust von zwei Kollegen zu beklagen gehabt. In der Shadowrunnergemeinde galt es als üblich, wenn man sich überhaupt dafür interessierte, auf die Toten einen zu heben.   

Jene „Abschiedsfeier“ fand also im Blue Planet statt, der Ort war verschwiegen und weiterer Test zugleich, denn hier war Duke schließlich ein und aus gegangen.

Die Fünf trafen sich vor der Tür, denn nur Starbuck war im Blue Planet Mitglied. Blackstone wurde OC als alter Bekannter von Starbuck und Duke vorgestellt und schnell war klar, dass OC zumindest keine äußeren Zusammenhang zwischen den beiden feststellte.

Snowcat überraschte das nicht. Denn selbst Körpergröße und Statur des Zwergs waren verändert worden. Blackstone trug ein enge schwarze Lederhose, was OC die als einzige der Gruppe heute Abend keine Variation einer solchen Hose trug, zu einer ironischen Bemerkung veranlasste. Außerdem hatte er ein modisches weißes Muscleshirt und schwarze Combatboots an. Die Schuhe brachten Snowcat zum Lächeln, wenn etwas verriet, dass es sich hierbei um Duke handelte, dann seine blitzblank geputzten Stiefel. 

Nachdem die Runner ihrer gefallenen Kollegen mit je genau einer Runde Tequilla und einigen Geschichten gedacht hatten, meinte Starbuck: „So, ich hatte euch ja schon gesagt, dass ich Clicks Commlink noch ne Weile überwacht habe. Der Einzige, der unaufhörlich immer wieder darauf angerufen hat, war ein Typ namens Fiddler, hat immer wieder was von Kohle die Clicks ihm noch schuldet gefaselt. Dann ist wohl zu dem Mann durchgedrungen, dass es Clicks erwischt hat und er hat einfach darum gebeten, dass ihn jemand, der mehr darüber weiß wie es passiert ist, zurückruft!“

„Was du natürlich NICHT getan hast?“ wand Craven lachend ein.

„Genau,“ bestätigte Starbuck, „was ich natürlich SOFORT getan hab. Fiddler bat mich in dem folgenden Gespräch sogar um ein Treffen in Fleisch und Blut. Er hat nämlich gesagt, dass er sich selbst als Freund von Clicks bezeichnen würde.“

„Pah,“ fuhr Craven auf, „was für‘n Lügner. Clicks hatte keine Freunde! Und wenn doch, dann würde das doch keiner zugeben.“

Snowcat grinste: „Naja, vielleicht ist er ja auch nur ein Idiot. Wenn er Clicks schon Geld geborgt hat.“

Alle lachten.

OC meinte zu Starbuck, nachdem sie sich beruhigt hatte: „Weiter mein Schatz!“

„Ähmm ja und ich dachte mir, euer Einverständnis vorausgesetzt, treffen wir uns heute einfach um 22.00 Uhr hier mit ihm, was dann genau in 23 Minuten und 43 Sekunden ist!“

„So, dachtest du dir?“; fragte Craven skeptisch.

„Ja, denn ich dachte, ihr wollt auch wissen, wie so ein Freund von Clicks aussieht und warum er sich treffen will.“, beharrte Starbuck.

„Klar wollen wir, schon allein aus Neugier!“ meinte Snowcat nun. „Aber was ist, wenn der gar kein Freund von Clicks war, sondern uns oder ihm nur eins auswischen will oder gar von den Azzies ist?“

„Das könnte natürlich sein, aber der Starbuck den ich kenne, der hat vorher natürlich den Backround von Fiddler gecheckt!“ Blackstone blickte Starbuck fragend an.

„Klar hab ich!“ 

Craven klatschte.

„Danke, danke. Dieser Fiddler hat echt eine interessante Vergangenheit hinter sich und es war gar nicht so leicht das alles herauszubekommen.“ Starbuck machte eine kleine Pause.

Artig nutzte Snowcat sie: „Aber da du ja ein genialer Hacker bist, hast du es ja trotzdem rausbekommen!“

Dankbar lächelte Starbuck Snowcat an. „Na dann passt mal auf: Angeblich hat Fiddler Clicks 30.000 geliehen...“

„Eindeutig Idiot!“ verkündeten Craven und Snowcat gleichzeitig. Blackstone lachte wieder.

„ ... und sie hatten eine Rückzahlung mit Zinsen vereinbart. Was für oder gegen Fiddler spricht, sucht es euch aus. - Fiddler stammt aus Sligo.“ Acht fragende Augen blickten Starbuck an. „das liegt in Tir na n‘Òg, Europa, ehemals Irland.“

OC stieß einen Pfiff aus.

„Keine Ahnung wo dieses Tir genau liegt, aber davon gehört hab ich schon mal.“, meinte Snowcat und sah OC nun fragend an.

„Naja, erklärte die. Viel weiß ich auch nicht. Ist eine Insel, aber die Leute da sollen alles Menschenhasser sein und die sollen angeblich alle Nicht-Menschen von da vertrieben haben. Jedenfalls sind extrem viele zu Hause in Boston schlecht auf die zu sprechen.“

Starbuck erzählte weiter: „Von dort wurde Fiddler nach einem aufgehobenen Todesurteil wegen Landesverrat verbannt.  - Was übrigens eine ziemlich seltene Angelegenheit ist, denn die ziehen Todesurteile so gut wie nie zurück. - Fiddler soll Kontakte zur so genannten Grey Wolves Mafia haben. Außerdem war er dann in Caracas, wo er eine beträchtliche Menge Orichalkum gestohlen hat, was wiederum die Azzies auf den Plan gerufen hat, die nun Jagd auf ihn machten. Eine Todmeldung seiner Person hat das aber fast vollkommen beendet. Womit ich meine, dass die Azzies ihn wohl nicht mehr auf irgendeiner aktuellen Liste habe, was natürlich nicht heißt, dass er auf überhaupt keiner Liste von ihnen mehr steht.“

„Ganz schön viele vielleicht doch noch offene Rechnungen.“, überlegte Craven.

„Naja, wir wollen ihn ja nicht heiraten.“, meinte Snowcat dazu.

„Genau.“ OC nippte an ihrem Drink. „Außerdem wer von uns hat nicht noch irgendwo eine Rechnung offen?“ Ihre Wangen färbten sich rosa.

Snowcat und Craven blickten vollkommen unschuldig drein und schüttelten gleichzeitig den Kopf. 

„Naja, lasst ihn uns mal ansehen!“, sagte Snowcat dann.


Punkt 22.00 Uhr betrat ein Troll das Blue Planet. Snowcat traute ihren Augen nicht und hoffte inständig, dass das nicht Fiddler sein möge.

Der Troll war schätzungsweise um die 2,80 m groß, hatte blaue Augen und goldenes, leicht gelocktes Haar mit einem rötlichem Schimmer, welches er schulterlang und offen trug. Die Spitzen seiner Hörner waren silbern gefärbt. Er war in eine dunkle, gut geschnittene Hose, ein reines, weißes Rüschenhemd, eine orangene Weste und schwarze Lackschuhe gekleidet. Über dem Ganzen trug er einen schwarzen Ledermantel, um den sich im unteren Bereich silberne Ringe zogen und der ein rot-orange-kariertes Innenfutter hatte.

Der Troll kam direkt auf ihren Tisch zu und stellte sich mit einer angedeuteten Verbeugung vor, wobei seine Stimme tief und wohlklingend war: „Meine bezaubernden Damen, meine Herren, mein Name ist Fiddler und ich glaube, wir sind verabredet. Darf ich mich setzten?“

Während alle darauf warteten, dass das Personal vom Blue Planet einen Troll-Stuhl brachte, war Snowcat sehr froh, dass sie sich selbst so unter Kontrolle hatte, denn sonst hätte man ihr vielleicht ihre Gedanken ablesen können. 

Ausgerechnet ein Troll.

Snowcat hasste Trolle.

Und der hier war nicht nur teuer gekleidet und hatte einen seltsamen Akzent, sondern er sah auch noch ungewöhnlich gut, ja fast fantastisch aus ... für einen Troll.

Das Aussehen musste ein Vermögen gekostet haben.

Es stellte sich heraus, dass Fiddler inzwischen schon lange als Shadowrunner arbeitete und einerseits daran interessiert war von Clicks Team das Geld zurück zu bekommen, welches dieser ihm schuldete, was sowohl Craven, als auch Blackstone in schallendes Gelächter ausbrechen ließ. Andererseits wollte er aber auch den Tod von Clicks rächen, was ihm Sympathien bei Starbuck einbrachte, der das ja auch immer noch groß auf seine Fahne geschrieben hatte. 

Natürlich machten sie Alle weiterhin und ganz allein Retnuh für den Tod von Clicks verantwortlich. Genau so hatten sie Fiddler die Geschichte erzählt, vorsichtshalber erwähnten sie jedoch nicht, dass Starbuck der ausführende Arm gewesen war. Rache würde also nur über Retnuh führen. 

Auch Blackstone war nicht abgeneigt Jagd auf Retnuh zu machen, denn aus irgendeinem Grund wollte er mehr über den Wendigo wissen. Snowcat hoffte inständig, dass er dabei nicht nur auf einen Vampir treffen wollte.

Fiddler erklärte, dass für ihn die Sache auch erledigt wäre, wenn er das Geld in in irgendeiner Form von Retnuh zurückbekäme. Diese Aussage trieb Craven und Blackstone endgültig die Tränen in die Augen.

Dennoch einigten sie sich darauf Fiddler zunächst einmal bei einem Bierchen näher kennen zu lernen, und sollte sich jemals die Gelegenheit zur Rache bieten oder sollte das Team jemals jemanden wie Fiddler brauchen können, dass man dann ja gemeinsam arbeiten könne.

Snowcat traute die ganze Zeit ihren Augen und Ohren nicht. Warum ließen alle diesen frechen Troll nur einfach seine Forderungen stellen. 

Sicher, dieser Troll war keine Beleidigung für Auge oder Ohr, wie all die anderen, aber... Snowcat konnte ihre Vorurteile, von denen sie wusste, dass es Vorurteile waren, nicht so einfach wegschieben.

Sie blickte mehrmals zu Craven, und der strahlte die ganze Zeit über nur aus: Job ist Job. Dann sah sie zu Starbuck und Blackstone. Snowcat mochte beide wirklich gern und die hatten offensichtlich keine Vorurteile gegen Trolle.

Nun, schließlich musste sie Fiddler nicht mögen! Sie musste nur eventuell mit ihm zusammenarbeiten. 

Fiddler erklärte, dass er war magisch aktiv sei und zaubern könne. 

Fast hätte Snowcat ihn gefragt, ob er einem Totem folgte. Fast. Eine solch persönliche Frage sparrte sie sich besser doch auf. 

Fiddler sah wirklich extrem gut aus... für einen Troll.


Craven schlug das Broken Helix zum „besser Kennenlernen“ vor. Dieser Nachtclub war dafür bekannt, dass sich hier alle gerne rumtrieben, die ungewöhnlich aussahen. Je ungewöhnlicher jemand aussah, desto besser. So tummelten sich dort alle, die bei SURGE, jener plötzlichen Welle von genetischen Veränderungen, die zum ersten Mal mit der Ankunft des halleyschen Kometen  aufgetreten war, etwas abgekommen hatten. Ob nun das Auge eines Zyklopen, einen Katzenschwanz, Fell oder eine Echsenzunge, jede noch so ungewöhnliche äußere Erscheinung hatte man hier schon mal gesehen. Sogar einige Pixies gingen gelegentlich dort tanzen.

Snowcat gab sich Mühe, sich ihre Vorurteile gegen Fiddler nicht anmerken zu lassen. Sie wusste zwar, dass für sie die Rasse bei einem Job keine Rolle spielte, aber in der Freizeit war das etwas schwieriger. 

Sehr viel Zeit ihn kennen zu lernen, hatte sie an diesem Abend jedoch nicht. 

Sie waren noch nicht einmal eine ganze Stunde im Broken Helix, als Starbuck sie zusammen rief: „Hey Leute, ich hab hier gerade etwas reinbekommen. Infos über Retnuh. Nächste Woche gibt Papa Ork doch tatsächlich für den Retter seiner Tochter Retnuh eine Party bei sich. Steven und Jeremy sind auch eingeladen. Wir könnten also versuchen ihn da noch mal zu erwischen. Oder aber wir sind megaspontan und sehen uns das Lagerhaus an, dass Retnuh in Redmond gehört und das seit der Nacht in der sein Haus abbrannte, einen viel höheren Energieverbrauch hat? Spontan müssen wir sein, da alles darauf hindeutet, dass er bald  sein neues Domizil in Downtown bezieht, welches Papa Ork ihm besorgt hat.“


In dieser Nacht war das Team megaspontan. Craven, Snowcat, Fiddler, Blackstone, Starbuck und OC holten ihr Equipment und fuhren zum besagten Lagerhaus. Hier ging dann alles viel schneller, als sie je gedacht hätten. 

Fiddler hatte gerade einen kleinen Wach- und Suchgeist, einen Watcher beschworen, der sich mal umsehen sollte, als sie schon angegriffen wurden.

Man versuchte sie von zwei Seiten aus in die Zange zu nehmen, doch die Runner konnten sich, auch Dank der Hilfe der gigantischen Sturmkanone die Fiddler dabei hatte, befreien. 

Starbuck wähnte Retnuh im Gebäude und so stürmte das Team das Lagerhaus noch in der selben Nacht.

Ein heftiger Kampf entfachte.

Snowcat war es, die Retnuh schließlich trotz seiner vielfachen magischen Beeinflussungsversuche stellte. Mit nur zwei Hieben ihres Monopeitsche beendete sie die Existenz des Orks indem sie ihm den Kopf abschlug. Sie hatte dabei nicht einmal gezögert.

Die Überreste des weißpelzigen Monsters, das danach zu Boden gefallen war, verbrannte das Team vorsichtshalber.

Gut gelaunt und zufrieden trennten sie sich, während die Sonne über der Stadt aufging. 

Das Team um Starbuck, Snowcat,  dem Duke-Ersatz Blackstone, Craven und Neuzugang OC hatte beschlossen bis auf Weiteres auch in Zukunft mit Fiddler zusammen zu arbeiten. 

Snowcat war damit zu ihrer eigenen Überraschung einverstanden. Schon am nächsten Tag wollten sie sich in Starbucks derzeitiger Unterkunft treffen, um dort die Suche nach ihrem nächsten Job zu besprechen. Sie mussten schließlich dranbleiben, wenn sie sich als Team einen großen Namen machen wollten.


Es gibt doch nichts Besseres um metamenschliche Shadowrunner zusammen zu schweißen, als einen gemeinsam bestandenen Kampf.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*