Kapitel 1.1 (Nacherzählung, Spielabend 15.12.20)

Erstellt von Silivrín Lumikissa (Spieler: ich) 

Alturiak 15, 1489 DR

The Claw of Winter

Beherzten Schrittes trat ich durch das Portal.

Für einen Moment verschwamm alles vor meinen Augen, dann wurde mein Blick wieder klar -und ich fand mich in einer völlig anderen Welt wieder. 

Zum allerersten Mal in meinem jungen Leben, hatte ich nicht nur meine heimatlichen Gefilde, sondern auch meine Heimatebene verlassen. 

Das war es also, dieses Toril oder genauer gesagt, der Kontinent Faerûn. Selbst die Sterne waren mir fremd. 

Ich warf einen Blick in die eisige Landschaft. Zuallererst fiel mir das hübsche blaugrüne Leuchten auf, welches am Horizont tanzte, bevor es in den nächtlichen Sternenhimmel zerfaserte, wobei Sterne kaum zu sehen waren. Der Nachthimmel war wolkenschwer verhangen. 

Ja, es war Nacht, oder besser, noch war die Sonne nicht aufgegangen, doch bald würde es dämmern. 

Dank meiner Elfenaugen schreckte mich die Nacht trotz der fehlenden Sterne nicht und das blaugrüne Leuchten, welches vom reinweißen Schnee reflektiert wurde, spendete mir sowieso genug Licht. Ich orientierte mich kurz an dem, was der Himmel zu bieten hatte und wand mich dann gen Süden, denn dort irgendwo sollte Bryn Shander liegen, der Ort, den ich noch heute zu erreichen gedachte. 

Schon bald war der grüne kreisrunde Fleck aus Gras, der das Portal in die Feywilds markierte, nur noch ein Punkt in meiner Erinnerung.

Ich konnte nicht umhin zu bemerken, dass es - wie hörte ich einst einen Käferbären sagen?- nacktarsch-kalt war. Zum Glück störte die Kälte mich kaum und auch die Einsamkeit machte mir nichts. Immerhin war Winter - in mir und außen.

Ich war wahrscheinlich nicht einmal den Verlauf eines Stundenglases unterwegs gewesen, als ich links voraus Bewegung wahrnahm. Ein großer Laufvogel mit einem axtförmigen Schnabel setzte sich gegen zwei weiße Raubkatzen von der Größe eines Bären zu Wehr. Die Crag Cats hatten wohl geglaubt in dem jungen, offenbar wilden Axtschnabel, leichte Beute zu finden. Doch sie hatten ihre Rechnung ohne die scharfen Kanten des Schnabels gemacht und selbst einiges einstecken müssen. Dennoch war der Vogel schwer verletzt und würde vielleicht nicht mehr lange durchhalten. Einen Impuls folgend, begann ich zu laufen. Kaum hatte ich mich in schnellere Bewegung versetzt, nahmen die Craig Cats meine Witterung auf, fauchten kurz und suchten dann das Weite. 

Wenige Augenblicke späte erreichte ich den Axtschnabel, der schwer verletzt am Boden lag und verzweifelt versuchte sich zu erheben. Sein Blut färbte den Schnee tiefrot. 

Das Tier würde unweigerlich erfrieren, wenn es nicht vorher verblutete. 

„So ist der Lauf der Lebens! Geh weiter Silivrín, du hast nichts zu verschenken!“, mahnte der Winter in mir. Doch obwohl der Winter mir ins Gesicht geschrieben steht, vermag er mir mein Herz nie völlig zu vereisen, dafür schätze ich alles, was lebt und schön ist viel zu sehr -und darum setzte ich meinen Rucksack ab, kniete mich nieder und kümmerte mich um den verletzten Axtschnabel. Das Tier ließ sich sogar berühren und schien dankbar für meine Hilfe. Leider bin ich in der Heilkunst nicht sonderlich bewandert und darum blieb mir nicht anderes übrig, als dem Tier meine beiden Heiltänke einzuflößen, um es sicher zurück ins Leben zu holen. Der Winter sträubte sich dagegen, da es meine einzigen Tränke und diese sehr wertvoll waren. 

Die Belohnung für meine Tat folgte umgehend. Das Tier drückte seinen Schnabel gegen meine Schulter -und ich hatte gleichermaßen einen neuen Freund und ein Lasttier gewonnen. Wahrscheinlich kann man so einen Axtschnabel sogar reiten, doch dazu fehlte es mir an Sattel und Zaumzeug und auch für das Tragen meines Gepäcks wäre passendes Zeug wohl hilfreich gewesen. Ich säuberte sein Federkleid, taufte ihn auf den Namen Hathol, was nichts anderes als Axtblatt in der Sprache der Sylvan heißt, und machte mich, fortan nicht mehr allein. auf den Weg Richtung Bryn Shander.

Auch wenn es mit Tagesanbruch heller wurde, so zeigte sich die Sonne selbst durch die Wolken nicht. Demnach änderte sich die Temperatur auch kaum. Irgendwann erreichte ich aber eine Strasse gen Bryn Shander, was sich vor allem  an den vielen Spuren im Schnee zeigte. Immerhin hatte ich nun einen Weg Richtung Süden, dem ich leichten Schrittes folgen konnte. 

Kurz bevor das Licht der  Sonne wieder hinter dem Horizont verschwand und stattdessen das silberne Licht von Selûne irgendwo hinter den Wolken verborgen bleiben würde, erreichte ich das Nordtor der Stadt Bryn Shander- ihres Zeichens die Größte der Zehnstädte.

Gerade noch rechtzeitig, wie mir schien, denn kaum waren Hathol und ich durch das Tor getreten, wurde es hinter mir knarzend geschlossen. 

Für meine spitzen Ohren fiel der Balken etwas zu laut in seine Schranken. Zum ersten Mal in meinen zehn Dekaden, war ich in einem von Mauern umgebenen Gebiet. Ich schüttelte das ungute Gefühl, gefangen zu sein, ab und sah mich kurz um. Zahllose Stiefel hatten Wege in die Schneedecke getreten und wenn mich Nase und Ohren nicht täuschten, dann führte einer dieser Wege links, direkt zu einer Taverne mit dem Namen „Northlook Inn“. Das Gasthaus besaß zwei Stockwerke, wobei das untere doppelt so groß wie das obere war. Es gab keine Fenster, aber der Schornstein rauchte und was an Gerüchen unter der Türschwelle hervorkam, fand ich zumindest nicht abstoßend, sondern interessant. 

Neben dem Abort, gab es einen kleinen Stall in der Nähe und ein Knecht oder ähnliches, gestattete mir, Hathol im Stall unterzustellen. Zwar wollte mein neuer Freund sich nicht von mir trennen, aber meine beruhigenden Worte, die Wärme des Stalls und das angebotene Futter, überzeugten ihn und er verabschiedete sich mit einem mahnenden Blöken, am nächsten Tag bestimmt zurückzukehren. 

So verlies ich den Stall zufrieden und wandte mich der Tür des Gasthauses zu. Ich konnte nicht umhin auf dem Weg noch eine ungewöhnliche Gestalt zu bemerken, die breit und gemächlichen Schrittes dort entlang ging. Die hochgeschlagene Kapuze der Mönchskutte nahm mir die Gewissheit, doch es schien, als habe das Wesen das lederartige Gesicht einer Schildkröte.

Ich zögerte einen winzigen Moment und drückte dann die Klinke, um erstmal nur in einem Flur und vor einem schweren Vorhang zu landen. Diese Schleuse war sicherlich der Kälte geschuldet und diente als Schutz vor der selbigen. 

Ich schloss die Tür hinter mir und schob den Vorhang beiseite. 

Schwere, von Alkohol, Schweiß, Kaminfeuer und stark gewürztem Essen geschwängerte Wärme empfing mich. Es gab ja keine Fenster, dementsprechend war es stickig. Sicher fehlten die Fenster, um die Kälte draußen zu halten. 

Mehr als ein Duzend Zweibeiner saßen in Gasthaus beisammen, tranken, schwatzten und aßen zufrieden, allerdings fehlte es an Musik, die ich von Gasthäusern gewohnt war.

Drei der Gäste fielen mir besonders ins Auge. 

Hinten, in einer Ecke nahe des Kamins, saß eine zusammengesunkene, kleine Gestalt mit grüner Haut, die interessante orange-grünen Schattierungen, aufwies, die jedoch von zahlreichen Tattoos bedeckt waren. Ich erkannte irgendwelche elaborierten Glyphen, die ich der Magie zuordnen würde, auch wenn ich auf diesem Gebiet nicht sonderlich bewandert bin. Erschwert wurde die Erkenntnis, da diese Tätowierungen mit einer Art Kriegsbemalung abgedeckt worden waren. Gekleidet war das Wesen in eine dunkelblaue, beschmodderte Robe, die ein wenig zu groß für es schien und die mit grell-gelben Sternen versehen worden war, die mir zudem nicht sonderlich gut festgenäht schienen. Ein Magierhut ragte ihm soweit in die Stirn, dass ich nicht erkennen konnte, ob die bedripste Erscheinung auch einen passenden Gesichtsausdruck ihr eigen nannte. 

Versuchte die grüne Gestalt, bei der es sich wohl um einen Goblin handelte, da mehr zu sein, als sie war? Oder war sie mehr, als man ihr zugetraut hatte?

Als zweites fiel mir ein Reghed auf. Wie die Meisten hier war er Mensch, allerdings war er über und über tätowiert, breitschultrig und hatte kleine Tierknochen in seinen schwarzen Bart geflochten. Der Norden lag ihm im Blut, das konnte man sehen. Fast jeder hier schien ihn zu kennen und zu mögen.

Wurde dieser Mann wohl von allen respektiert, weil er etwas zu sagen hatte? Oder war er aus einem anderen Grund so beliebt? 

Dann konnte ich nicht umhin, den, neben mir einzig anderen, Elfen zu bemerken. Er saß an der Bar, und ich ordnete ihn den Moon Elves zu, denn seine Haut war recht blass und wies einem leichten Blauschimmer auf. Er hatte langes braunes Haar, welches er grob nach hinten gebunden hatte und - man höre und staune -  einen Vollbart. Ich hatte noch nie einen Elfen mit Bart gesehen und glaubt mir, ich kenne viele Elfen. Haar und Bart wirkten gepflegt. Seine hellblauen Augen blickten freundlich und offen umher. Ich schätze sein Alter auf dem Weg zur Vollendung des dritten Jahrhunderts, womit er zwar fast 3 mal so alt war wie ich, aber natürlich als Elf nicht wirklich gehobenen Alters. Er trug eine silbergraue Kettenrüstung und einen weißen Umhang mit Kapuze und Umrandungen im dunklen Blau. Da er sich justament der Bar zuwandte, konnte ich sehen, dass auf dem Rücken in der Mitte des Umhangs, ebenfalls in Blau, die Umrisse einer weißen Taube abgebildet waren, die einen blättrigen Zweig im Schnabel hielt. Offenbar das Symbol seines elfischen Gottes, obwohl ich im ersten Moment nicht wusste, um wen es sich dabei handelte. Bei dem Mondelfen standen ein Waffengurt mit Langschwert und Streitkolben, außerdem ein Schild mit dem Gottessymbol, bei dessen Anblick mir dann auch wieder dessen Name in den Sinn kam. Naralis Analor, Gotte des Lebens und des Grabes. 

Ich kannte nicht sonderlich viele Kleriker oder gar Paladine, aber der Moondelf würde sicher eines von beidem sein. Zu jeder anderen Jahreszeit würde ich den Mann durchaus attraktiv finden, mit dem Winter im Herzen, interessierte mich das kaum. 

Ein freundlich dreinblickender, muskulöser, menschlicher und männlicher Wirt, in braunem Hemd und Hose, mit ebenfalls braunem Haar und Bart und mit blauer Schürze, warf mir einen fragenden Blick zu und meinte da: „Sucht euch einen Platz, werte Reisende, ich bin gleich bei euch.“

Was mich daran erinnerte, dass ich immer noch am Vorhang stand und gar nicht richtig eingetreten war. Ich nickte dem Wirt zu, rang mir ein Lächeln ab und entschied, die Blicke und Worte der Vielen zu meiden und stattdessen Abgeschiedenheit zu suchen, soweit es in diesem Gasthaus möglich war. Hinten an der Ecke am Kamin saß nur der in sich zusammengesunkene Goblin, der traurig, aber auch irgendwie zufrieden, in einen, für ihn übermäßig großen, Krug blickte. 

Trotz Winter, vergaß ich nicht die Höflichkeit und stellte mich dem Goblin vor: «Guten Abend, mein Name ist Silivrín Lumikissa. Ist der Platz auf der anderen Seite des Tisches noch frei?»

Der Goblin sah mich mit glasigen Augen an und erwiderte „Glögg?“

Glögg war sicher nicht sein Name, denn es hatte wie eine Frage geklungen. Natürlich konnte er seinen Namen auch vergessen haben, seiner Alkohol-Fahne nach zu urteilen. Ich schlussfolgerte trotzdem, dass Glögg das Getränk sein musste, welches in dem Becher war oder gewesen war. Doch wollte er mir den Glögg anbieten? Oder von mir welchen haben? Ich zog nachdenklich eine meiner Augenbrauen hoch, als meine Überlegungen von einem Schatten unterbrochen wurden, der sich in meinem Rücken erhob. 

Ich drehte mich um und erblickte die breite, fast schon massige Gestalt, die ich kurz zuvor draußen auf dem Weg bemerkt hatte. Sie schlug die Kapuze zurück- und tatsächlich kam darunter der Kopf einer Schildkröte zum Vorschein. Auf dem Rücken zeichnete sich zudem ein Panzer ab, was die beachtliche Breite seiner Figur erklärte. Ich konnte nicht umhin, länger auf die Person zu starren, als es höflich gewesen wäre. Die Schildkröte blickte in meine Richtung und schien erfreut, mich zu sehen. In einem bedächtigen Tempo begann sich auf ihrem Gesicht ein Lächeln abzuzeichnen, dann nickte sie zufrieden und fing im Anschluss damit an, einen nicht enden wollenden, sonnengelben Schal vom Hals abzuwickeln. 

Wenn das Wesen mehr mit einer Schildkröte gemein hatte, als das Äußere, erklärte sich ein solch langer Schal von selbst. Kälte musste ihm dann mehr ausmachen, als anderen. 

Der Goblin blieb von dem neuen Gast unbeeindruckt, schlürfte die Reste aus seinem Krug und rülpste. 

Ich schüttelte meine Faszination für den Neuankömmling mit einer kaum merklichen Bewegung ab und wiederholte meine Eingangsfrage an den Goblin, worauf dieser nun verstand, sich selbst als Ged-Ged vorstellte, mir versicherte, dass der Sessel gegenüber noch frei sei und davon schwärmte wie lecker dieser Glögg wäre. Ich dankte ihm höflich für die Auskunft, legte Rucksack, Bogen, Mantel und Köcher ab, stellte alles sorgsam beiseite und nahm dann neben dem Goblin Platz, den runden Tisch zwischen uns. 

Die direkte Wärme am Kamin hätte ich nicht unbedingt gebraucht, aber gerade dieser Platz war etwas abseits und so gelegen, dass ich den Eingang und auch den Rest der Taverne im Blick hatte, was meinem winterlichen Sicherheitsbedürfnis entgegen kam und wovon ich mir eben ein wenig Abgeschiedenheit versprach. Bisher hatte niemand in der Nähe des schmuddligen Goblin sitzen wollen. Mich störte seine Gegenwart nicht und wäre da nicht der Winter, hätte ich die grüne Kreatur wohl unter meinen Schutz gestellt. 

Der Wirt rief mir noch mal ein fröhliches „Bin gleich bei euch“ zu, worauf Ged-Ged seinen Krug hob und mehr Glögg forderte, was der Wirt mit „Gleich“ bestätigte. 

Die Schildkröte machte sich Richtung Bar auf, um sich neben den Mondelfen zu setzen, war dann wohl aber nicht sicher, ob der Barhocker ihn mitsamt seines Panzers tragen würde. Woraufhin er auf einen Sessel in unserer Ecke hingewiesen wurde. Der Mondelf an der Bar erhob sich nun ebenfalls, als sich ein weiteres Mal der Vorhang am Eingang öffnete und die imposante Gestalt eines männlichen Drow in Winterkleidung eintrat. 

Mir wurde erst auf den zweiten Blick gewahr, dass die starke Präsenz des weißhaarigen Dunkelelfen mehr seinem selbstbewussten Auftreten, denn seiner Körpergröße geschuldet war. Wenn mich nicht alles täuschte, würde ich diesen Mann um ein paar Inches überragen. 

Justament kehrte der Wirt, wie versprochen, zurück. 

Vielleicht, weil wir alle noch nicht mit einem Getränk versorgt waren oder aber, weil wir teilweise frisch eingetroffene, außergewöhnlich aussehende Fremde hier in Bryn Shander waren -oder warum auch immer?- jedenfalls wurden Stühle und ein weiterer Tisch in die Ecke nahe des Kamins geschoben - und eh ich es mich versah, bildeten wir nun offenbar eine Tischgemeinschaft, zumindest für diesen Abend. 

So viel zu meiner Abgeschiedenheit.

Meine Neugier überwältigte mich und ich fragte die Schildkröte gerade heraus, zu welcher Spezies sie gehörte, natürlich nachdem ich mich ihr und somit auch den beiden Elfen, vorgestellt hatte. 

«Ich … bin … M…i…n…l…e…k … und … ich … bin … ein … Tor…tle!», erwiderte er in gemächlicher Sprechweise, immer wieder frisch Luft holend, was Ungeduldige wohl als langsam bezeichnen würden. Wir erfuhren, dass er, denn er war ein er, aus einer südlichen Gegend mit warmen Stränden kam und, dass ihm hier wirklich kalt war, er aber dennoch genau hier im Norden hatte sein wollen. 

Die Antwort auf meine Frage hatte auch den sehr ansehnlichen Dunkelelfen interessiert, der sich uns mit dem klingenden Namen Dandal Dalazza vorstellte.

Der ebenfalls attraktive Mondelf stellte sich als Ascal Tharael vor. Er war im Auftrag seines Gottes hier im Norden, wie er ohne Umschweife erzählte. Als der Wirt erschien, meinte Ascal freundlich: «Die erste Runde geht auf mich!» 

Das konnte ich natürlich nur begrüßen, besonders, da ich kaum Silber oder gar Gold in meinen Taschen hatte. Wir erfuhren nebenbei, dass Ged-Ged schon seit ein paar Tagen hier Unterkunft in einer Kammer gefunden hatte, die er laut eigner Aussage teuer - zu teuer, wie uns anderen schien- bezahlte. 

Was der Wirt betont, aber weiter freundlich, abstritt. Ich war mir nicht ganz sicher, wem ich Glauben schenken sollte. Sicher würden viele versuchen einen Goblin in zerschlissenen Magierroben zu übervorteilen, allerdings konnte ich keine Gier in den Augen des werten Scramsax, so der Name des Wirts, erkennen. Die Wahrheit würde wohl irgendwo dazwischen liegen. 

Ich bestellte Tee, die anderen diesen Glögg oder aber Würzwein. Außerdem wurden Speisen geordert, deren Kosten auch von jemand anderem übernommen wurden. Es gab Fischsuppe und Brot, nebst Käse, was wir alles bestellten. Der junge und kräftige menschliche Bursche mit dem Namen Jonathan, brachte bald darauf das Essen.  

Ich für meinen Teil esse selten und ungern, was sich einst bewegte, hielt mich also an das Brot. Auch Minlek wollte keinen Fisch, während Dandal den Käse unausstehlich fand. 

Mit Äpfeln, Pflaumen, selbst Marmelade oder gar Kuchen, konnte man hier im Norden wohl kaum rechnen, wie ich betrübt feststellen musste. Bei meiner Nahrung würde ich mich einschränken und umstellen müssen. Ich brach mein Brot in zwei Hälften und steckte eine davon in meine Tasche. «Wer heute sparrt und hungert, muss morgen nicht verhungern!», erklärte ich, als mich fragende Blicke trafen. 

«Ihr seid wirklich nicht von hier», meinte Scramsax ein wenig später fröhlich und bot uns Zimmer für die Nacht an. Nach einigem Verhandeln wurde daraus eine Suite für Vier, in der man für den kleinen Ged-Ged noch ein Kinderbett stellen würde. Da sich Ascal erneut bereit erklärte, die erste Nacht für uns zu bezahlen, störte es mich nicht, dass aus unserer Tischgemeinschaft soeben eine Zimmergemeinschaft geworden war. 

Wir alle hatten unsere Gründe hier zu sein, doch niemand hatte ein direktes Ziel. Minlek zum Beispiel, war einer alten Prophezeiung aus seiner Kindheit gefolgt, nach der er den Ort aufsuchen sollte, an dem „das Weiße vom Himmel fällt“. 

Wir aßen, tanken und plauderten ein wenig, wobei ich die einzige war, die beim Tee ohne Alkohol blieb, und ich, neben Ged-Ged, auch die Stillste von allen war. Mein Verhalten war dem Winter geschuldet. Alkohol ist im Winter trügerisch. Er gaukelt dir Wärme vor, die es nicht gibt.

Unser Abend wurde beinahe aufregend, als Ged-Ged sich an den Tresen begab und sich der zweieinhalb Meter langen Knöchelkopfforelle näherte, die ausgestopft neben der Bar hing. „Ol’Bitley!“, also „Alta Schnappa“ stand auf einem Schildchen unter ihr zu lesen. 

Als Ged-Ged dem toten Fisch zu nahe kam, machte dieser seinem Namen alle Ehre und schnappte plötzlich nach ihm. Worauf sich der Goblin erschreckte und zeigte, was wahrhaft in ihm steckte: Magie!

Ein Feuerblitz entsprang den Fingern des Goblins und schlug in der Forelle ein. Qualm stieg auf.

Alta Schnappa

Alle Gespräche waren augenblicklich verstummt.

«Seid ihr von Sinnen?!», schrie Scramsax erbost und der Zorn stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Doch bevor der Wirt den Goblin am Schlafittchen packen konnte, war Dandal aufgestanden und zwischen die beiden getreten. «Das ist unser Goblin!», drohte er ernst und ruhig. «Wenn ihn jemand maßregelt, dann wir!»

Sramsax zögerte.

Dandals Stimme wurde etwas weicher, «Außerdem ist es nicht gut, sich mit einem Zauberer anzulegen, egal wie klein er ist. - Bringt uns doch noch eine Runde Getränke an unseren Tisch, und ich werde meinem Haus von eurer Gastfreundschaft hier berichten.»

Scramsax beruhigte sich, zumal der „Alte Schnappa“ doch tatsächlich ein Lied anstimmte: «There’s a place I like to go, farther up the river’s flow; Where it is, I don’t know; Must be under all that snow», was dafür sorgte, dass alle anderen ihre Gespräche wieder aufnahmen.

Dandal hatte „unser Goblin“ gesagt. Es gab nun also schon ein „unser“. Interessant.

Mit seinen Worten jedenfalls hatte Dandal für eine Wesensänderung bei Ged-Ged gesorgt. Sein Gesicht hatte sich erhellt und er begann frei heraus zu erzählen.  Betrübt musste ich vermuten, das wahrscheinlich zuvor noch niemand für das grüne Kerlchen eingestanden war. 

Wenn es jetzt tatsächlich schon ein „unser“ gab, wurde es wohl an der Zeit, etwas Frühling in mein Herz zu lassen. 

Da die Reichtümer von Ascal nicht unendlich waren und wohl auch keiner von uns die Taschen voller Platin hatte, würden wir uns bald etwas verdienen müssen, wenn wir nicht irgendwann draußen in der Kälte schlafen wollen würden. Außerdem wollte ich ja auch noch Zaumzeug für Hathol erwerben. 

Scramsax legte uns deshalb eine ortskundige Gnomin mit dem Namen „Melli“ ans Herz, die er sogleich durch Jonathan holen ließ. 

Ich war gespannt, was sie zu erzählen hatte. 

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*