18.03.11/Hat sich nix geändert?!

Hallo Ihr Lieben!

Mit sorgenvoller Anspannung sehe ich inzwischen täglich die Nachrichten. Wenn ich zum x-ten mal erneut die schrecklichen Bilder betrachte, kommt es vor, dass ich in die Vergangenheit abschweife und mich auf eine gedankliche Zeitreise begebe.

Als Teenager war ich geprägt von der Angst vor dem Atomkrieg, dem Super-Gau, und Umweltkatastrophen. Nach dem ich 1983 "The Day After" im Kino gesehen hatte, konnte ich wochenlang nicht richtig schlafen. Meine Sorge vor der Zerstörung der Welt durch Atome war sicherlich mit ein Grund, warum ich den Leistungskurs in Physik belegt habe.  

Mein Vater hat mich als Ökoterrorist beschimpft, wenn ich ihn aufgefordert habe, Energie zu sparen und vor jedem meiner Besuche einer Friedens- oder "Anti-Atom"- Demonstration, gab es einen schlimmen Streit, der immer mit dem Flehen meiner Mutter endete, nicht zu gehen, weil mir doch was passieren könnte. Aber ich bin trotzdem gegangen, jedes Mal.

Ich wollte mich dagegen wehren, "No Future" zu haben.

So bin ich also los, mit den selbst schwarz gefärbten Stoffschuhen, dem langen schwarzen Rock, dem schwarzen T-Shirt und dem alten schwarzen Wollmantel, den ich mit Engelszungen meinen geliebten Oma abgeschwatzt hatte. Natürlich hatte ich auch schwarz gefärbte Haare und - in Ermangelung von schwarzen Nagellack - mit schwarzem Lackstift bemalte Nägel und viel schwarzen Kajal im Gesicht. Der "Atomkraft, nein danke!"-Button war der einzige Farbklecks meines grau-schwarzen Outfits. 

Natürlich habe ich Modern Taking gehasst, stattdessen gab es Depeche Mode und später The Mission aufs Ohr. Die Kassetten trug ich lose in der Manteltasche bei mir. Da stand ich dann vor dem U-Bahn-Fahrplan und suchte mir den schnellsten Weg zum Treffpunkt zusammen. Vom Internet war ja noch keine Spur, also konnte man den Weg nicht einfach googeln, notfalls musste man sogar fragen, welcher Bus dorthin fährt. 

Die 20 Pfennig für ein Notfall-Telefonat hatte ich natürlich dabei, ebenso wie ein (englisches) Buch, am liebsten Anne Rice oder Shakespeare.

Wenn ich dann am Treffpunkt ankam, dann war ich vielleicht ein bisschen "schwärzer" als die anderen Leute, aber ich gehörte dazu. Zufrieden mit mir selbst, war ich pünktlich zu Hause. 

Um einen neuerlichen Streit, zum Beispiel ums Essen, zu entgehen, habe ich mich mit einem Apfel in mein Zimmer verkrümelt, meine Freundin per eignem Telefon über die Demo informiert und irgendwann die Nachrichten im Fernsehen angemacht.


Heute gibt es Nachrichten rund um die Uhr, ich kann alles googeln, liebe mein Handy, habe einen I-Pod, auf dem ich Linkin Park, Korn und 30 Seconds To Mars höre und gehe kaum noch zu einer Demonstration. Eigentlich gar nicht mehr. 

Ich streite mich immer noch mit meinem Papa, höre immer noch Depeche Mode, trage immer noch viel schwarz, habe immer noch ein Buch dabei, wenn ich das Haus verlasse und ... wenn ich die Nachrichten ansehe, dann hat sich im Wesentlichen nichts geändert! Oder?

Nun, zum Glück habe ich immer noch nicht die Hoffnung verloren, denn der Mensch ist lernfähig, davon bin ich überzeugt.

Ich glaube an eine Zukunft, denn sonst hätte ich niemals ein Kind in die Welt gesetzt. Sollte es zum Ende kommen, dann hat es sich für mich trotzdem gelohnt, auch diese Empfindung ist völlig menschlich, glaube ich.

Ich bete auch immer noch, denn niemand kann mir beweisen, dass es nicht nützt.

In diesem Sinne, habt ein tolles WE.


Eure Snowcat

P.S.:  Hertha spielt heute um 18.00 Uhr und auch von denen bin ich immer noch Fan. ;-) Ergebnisse werden wieder unter den Kommentaren stehen. 

Im Pagelet rechts nebenan gibt es ein paar passende Links. 

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*