Episode 11/16: Blood is thicker than water, part 1(Run 69)

WELCOME BACK, CHUMMER!

ON THE RUN1: BCG, Bubbles, Columbo, Mr.Jack, Snowcat, Shark Finn und TriXhot, später Bloody Guts, Rubber Duck, Thunderstrike, Rogue Six und Liam. 

TIMESTAMP2: 06/10/75, 07:55:13 - 06/21/75, 05:45:27

SPOILERALERT: ‚Blood ist thicker than water' enthält MASSIVE Spoiler auf Counting Coup3,5.

RUN NO: 69 & 70

TODAYS HEADS UP: Die Sioux sind allesamt stolze Krieger. Stolz, paranoid und rassistisch. Anglos sind dort nicht gern gesehen. Dennoch gibt es Runs, die in die Sioux Nation führen. Die Runner müssen dann eben mit den Gegebenheiten dort klarkommen. - Host

POSTED BY SNOWCAT:

Blut ist dicker als Wasser, so lautet ein geflügeltes Wort. 

In erster Linie ist das selbstverständlich richtig. Jeder, der schon einmal Blut oder Wasser gesehen hat, kann das gar nicht bezweifeln. Natürlich bezieht sich das Sprichwort nicht nur auf die Konsistenz der Flüssigkeiten und auch nicht darauf, dass Blut eine magische Bedeutung hat und für diverse Rituale benutz werden kann. Ein Blutmagier würde sowieso sagen: Blut ist Macht. 

Blut ist dicker als Wasser soll vielmehr aussagen: Verwandtschaft bindet am stärksten. Der Satz spricht auch von Schutz und Nähe in den Familien. Er erlangte in Hunderten von Jahren adliger Herrschaft besonderes Gewicht, wenn zum Beispiel ein König selbst den dümmsten seiner Sprösslinge als Nachfolger auf dem Thron, seinem klügsten Freund und Ratgeber vorzog. Man begünstige sein eignes Blut, wobei man dann mit Blut eigentlich seine Gene meinte - nur kannte man diesen Begriff damals eben noch nicht. Bei all dem, was sich Familien intern so antun, kann dieser Satz aber keine Allgemeingültigkeit besitzen. 

‹Es sei denn, du zählst Aussagen wie: ‚Niemand tötet meinen Bruder außer mir.’ auch dazu Drachenkätzchen.›

‹Ja Katze, das würde ich tatsächlich dazu zählen, zumindest, wenn damit einher geht, dass der besagte Bruder gegenüber Angriffen von außerhalb der Familie geschützt wird.›

Eine Blutsverbindung bedeutet jedoch nicht, dass man automatisch Metamenschen hat, die einem wohl gesonnen sind. Manchmal bedeutet es sogar das Gegenteil.

Ich kann keine persönliche Aussage zu Familien-Bluts-Banden treffen, weil ich meine Blutsverwandten nicht kenne. Nicht einen von ihnen.

Ich kann nur Beispiele nennen, die ich bei Metamenschen erlebe, denen ich begegne.

Ich denke, Blutsbande sind immer dann von Bedeutung, wenn jemand Blutsbande für bedeutend hält.

‹Womit wir dann wieder bei der Tatsache wären, dass individuelle Wahrnehmung die Realität bestimmt. Du kannst das ‚ich denke‘ aus deinem Satz streichen Drachenkätzchen.›

Also gut: Blutsbande haben immer eine Bedeutung, wenn jemand Blutsbande für bedeutend hält. 

Die Sioux, als Beispiel, halten Blutsbande traditionell und landbedeckend für bedeutend. 

‹Ich weiß gar nicht, warum du jetzt ausgerechnet die Sioux als Beispiel wählst, Drachenkätzchen. *giggle*›

‹Du bist heute ziemlich gut gelaunt, Katze!›

‹Warum auch nicht, Drachenkätzchen. Ich freue mich darüber, dass du die Geschichte überhaupt erzählen kannst.›

‹Weil du froh bist, dass ich sie überlebt habe Katze?›

‹Papperlapapp, Drachenkätzchen. Im Gegensatz zu dir, habe ich nie an deinem Überleben gezweifelt. Ich freue mich, dass wir sie erlebt haben und sie dir zu vielen weisen Erkenntnissen verholfen hat. Auch wenn das Wissen darüber, ob gemeinsame Familien-Gene wirklich eine Bedeutung haben, nicht dazu gehört.›

‹Habe ich darüber denn gar nichts gelernt, Katze?›

‹Nein Drachenkätzchen. Um die Bedeutung gemeinsamer Gene ergründen zu können, hätten die Beteiligten nicht wissen dürfen, dass sie miteinander blutsverwandt sind. ›

‹Du meinst also, wenn ich eines Tages auf einen meiner Blutsverwandten treffen sollte und uns ohne Wissen über unsere gemeinsamen Vorfahren etwas verbindet, könnte man daraus seine Schlüsse über die Existenz der Bedeutung ziehen?›

‹Ja, Drachenkätzchen, eventuell wäre das dann so. Eine Diskussion darüber heben wir uns aber für den extrem unwahrscheinlichen Fall auf, dass dieses Ereignis eintritt.›

Von einem positivem Beispiel, was Blutsbande bedeuten können, will ich euch heute erzählen. 

Ich hoffe, ihr habt genügend Zeit mitgebracht, denn es wird eine lange, abenteuerliche und spannende Geschichte werden.

‹Du hast gefährlich und heldenhaft vergessen, Drachenkätzchen.›

‹Stimmt! Danke Katze.›

‹Immer wieder gern, Drachenkätzchen.›

>>>

[Song 1: The Hot Damns - Wicked Games4] Es war fünf Minuten vor 8 Uhr am Morgen. 

Ich legte meinen wunderschönen Kopf in den Nacken und warf einen sonnenbebrillten Blick in den blauen Himmel. Nicht ein Wölkchen zeigte sich. Es würde wieder heiß werden.

Shark Finn hob mich an Bord der Upper Class. Wir waren mit dem SUV zum Bootshaus und dann mit dem Boot zum Hotelschiff gefahren. Gehoben zu werden war deutlich einfacher, als die Leiter zu nutzen, besonders in High Heels. 

Einfacher und schöner.

Ich trug etwas, was ich selbst als einen Hosenanzug für den Hochsommer bezeichne, zu dem andere wahrscheinlich eher Hot Pants und Short-Blouse sagen würden. Ich hatte das Ensemble bei der vergangenen Vashon Island Fashion Week ergattert. Der Zweiteiler war hellblau, mit rosa und gelben Blüten. [BILD]. Meine Handtasche war gelb und weiß [BILD] und die rosa High Heels mit 9 cm Absatz, waren eigentlich mehr Sling Back Pumps, die einfach herrlich mit dem Hosenanzug harmonierten [BILD].

Thunderstrike war unabhängig von unserem bevorstehenden Meeting bereits an Bord der Upper Class. Er war jeden Sonntag zur Bootspflege hier und kam zu uns rüber, um uns einen guten Morgen zu wünschen. Ansonsten gab es hier an Deck nur einen einzigen weiteren Gast, der die kühlere Morgenluft genoss und sich mit minderem Erfolg Mühe gab, mich nicht anzustarren. 

Acht Uhr am Morgen war auch nicht gerade die Rush Hour für Shadowrunner, abgesehen davon, war es für Wesen der Schatten einfach zu hell.

❅❅❅

‹War es für Eisatem eigentlich auch zu früh und hell, Drachenkätzchen?›

‹Ja das war es und es waren ja auch keine Eulen da, die ich hätte vom Himmel holen können Katze.›

‹Aber Möwen wären da gewesen, Drachenkätzchen.›

❅❅❅

Dank Moxi, die extra früh aufgestanden war, um mir zu helfen, fügten sich Nagellack [BILD] und MakeUp [Bild] perfekt in das Gesamtkonzept ein. Gleich im Anschluss an die Maniküre war Moxi wieder in ihr Bett verschwunden, denn immerhin war sie erst zwei Stunden zuvor von einer Nacht mit Rubber Duck und Bloody Guts, auf dem Emerald City Music Festival, zurück gekehrt. 

Das Emerald City Music Festival ist ein wunderschönes Fest, das sich jedes Jahr Anfang Juni über ein langes Wochenende hin erstreckt und bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen beliebt ist.

Ich hätte sicher auch 2075 diverse der Festival-Konzerte - mit ziemlicher Sicherheit begleitet von meinem Liebsten - besucht, wäre ich nicht in den Redmond Barrens unterwegs gewesen, um einem Freund einen Gefallen zu tun. 

Versteht mich nicht falsch, das war keine Beschwerde. Oh, natürlich liebe ich das Emerald Music Festival und mit meinem Liebsten dorthin zu gehen, wäre sicher eine bereichernde, inspirierende Erfahrung gewesen. Doch hätte ich vorab wählen müssen, ich hätte mich gegen das Festival und für den Auftrag in den Redmond Barrens entschieden. 

Warum ich das getan hätte? 

Zuallererst war der Kauer Farm zu helfen um ein Vielfaches wichtiger gewesen. 

Das Festival würde nächstes Jahr wieder stattfinden und es war nicht das einzige auf der Welt. Abgesehen davon, hatten wir Mika den Meistereinbrecher, Shadowrunner und JackPointer und seinen Kollegen Rodney, einen Rigger gerettet. Quasi so ganz nebenbei, während der Hilfsaktion in den Barrens. 

Was ich dann eine günstige Fügung des Schicksals nenne!

❅❅❅

‹Die Geretteten werden hoffentlich von schier unglaublichem Glück oder einer göttlichen Fügung sprechen, Drachenkätzchen.›

❅❅❅

Wäre jene Rettung nicht gewesen, hätte ich jetzt nicht diese Geschichte zu erzählen.

Kaum gerettet, hatte Mika nämlich einen Auftrag für uns und genau deshalb hielten wir so früh am Morgen ein Meeting auf der Upper Class ab.

Ja, wir hatten Mika aus den Klauen einer Wendigo befreit und er hatte uns mit, „Na endlich, das wurde auch Zeit.“, begrüßt. Eine merkwürdige Art, sich für die eigene Rettung zu bedanken. Allgemein war mir der Native American Mika selbstbewusst und ein wenig spöttisch vorgekommen. Immerhin hatte er sofort nach Licht verlangt, als ich ihm im Dunklen der Wendigo-Höhle meinen Namen genannt hatte. Danach hatte Mika sich jedoch kaum anmerken lassen, wie stark er bereits da von meiner Erscheinung beeindruckt gewesen war. 

Später wurde sein Gebaren diesbezüglich noch besser, wie ihr dann noch hören werdet.

Die Beine des Native waren mehrmals gebrochen gewesen und wenn man das berücksichtigte, dann war das Lächeln, welches er bei seiner Befreiung unter Schmerzen für mich gehabt hatte, eigentlich doch mehr als ein kleines Kompliment gewesen.

Wie sich herausstellte, hatte Mika es eilig, denn er hatte einen privat motivierten Run zu erledigen. Mit einer Deadline, von der zum Zeitpunkt des Meetings noch 8 Tage übrig waren - und da seine Beine nicht schnell genug heilen würden, hatte ich ihm zugesagt, den Run mit UC zu übernehmen.

Ich bin einfach hilfsbereit und obendrein unwiderstehlich.

❅❅❅

‹Abgesehen davon schuldet man dir nun diverse Gefallen bis ans Lebensende, Drachenkätzchen.›

‹Ja, Katze, das war auch ein Grund den Run ohne zu zögern anzunehmen. Das und, dass Mika ein attraktiver Ameri-Indianer ist, hat auch dazu beigetragen.›

‹Nein, wahrscheinlich hat es das nicht, Drachenkätzchen, aber sein Aussehen verbesserte den Beigeschmack.›

❅❅❅

Strahlend schön und einen Hauch nach der verabredeten Zeit von Acht Uhr - ich hatte ja noch ein paar Worte mit Thunderstrike gewechselt - betrat ich unter dem Schutz von Shark Finn den kleinen Salon.

Rubber Duck, gekleidet in eine leichte hellgrüne Hose, dazu passende Slippers und ein weißes Muscle-Shirt, meinte gerade irgendetwas von einem dicken fetten Smaragd-Anhänger, der jetzt gut zu ihm passen würde, woraufhin Bloody Guts in Gelächter ausbrach, als das Gespräch verstummte, weil ich den Raum betrat. 

Ich liebe die Augenblicke, wenn mein Auftritt alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, im Großen, wie im Kleinen. Die Großen Auftritte liebe ich sogar noch mehr. Das hier war übrigens einer von den Kleinen.

Mr.Jack, der sich offenbar wegen der Hitze einen neuen, leichten, grauen Anzug zugelegt hatte und BCG in knielangen Shorts und ärmellosen Kapuzenshirt, waren auch schon anwesend. 

Dann war da noch TriXhot. Sie trug wie schon vor ein paar Tagen, ein orange-schwarzes Sommer-Outfit, bestehend aus Basketball-Shirt, 3/4-Hose und Chucks.

Auch Columbo war auf eine 3/4-Hose und ein leichtes Hemd ausgewichen, bei der Wärme blieb einem ja auch nichts anderes übrig. 

Rubber Duck und Bloody Guts hatte der wenige Schlaf der vergangenen Nacht jedenfalls nicht davon abhalten können, so früh hier zu sein. 

Laut seinem Kapuzenshirt hatte sich BCG übrigens auch auf dem Music-Festival rumgetrieben, die Band, deren Logo auf dem Shirt zu sehen war, war gestern zumindest an einer der Festival-Locations aufgetreten.

Nach einer kurzen Begrüßung fasste ich den Grund unseres Treffens zusammen: „TriXhot, Shark Finn, Metge, Tiernan und ich haben die letzten Tage in den Redmond Barrens verbracht, wie einige vielleicht wissen.“, begann ich und hielt mich nicht weiter mit den Details der Barrens-Story auf, sodass ich beinah nur Sekunden später sagte, „Nun haben wir von Mika folgenden Auftrag übernommen: Wir sollen in den Sioux einen Gefangenentransporter überfallen und den Gefangenen dort befreien.“

Columbo zog scharf die Luft ein.

„Es handelt sich dabei um einen Mann Namens Charles Iron Horse6, der irgendwann aus einem Gefängnis in den Sioux zum Ort seiner Hinrichtung gebracht werden soll, die von heute an in sieben Tagen stattfindet.“, schloss ich lächelnd.

Trixhot fügte schnell hinzu, „Er ist aber unschuldig verurteilt, das haben wir gleich gefragt.“

Ich schmunzelte. Die Aussage stimmte. - Bedingt. 

TriXhot hatte sofort gefragt, ob der Mann unschuldig zum Tode verurteilt worden war. 

Mir war so etwas nicht so wichtig. Wichtiger war, dass es sich bei Charles Iron Horse um Mikas Bruder handelte. Ich hatte mich nicht einmal abgesichert, warum Mika seinen Bruder befreien wollte. Ich ging einfach davon aus, dass es eine Rettungsaktion war. Auf Anschuldigen, wie Massenmörder und Kinderschänder, würde ich später reagieren, wenn denn so etwas ans Tageslicht kommen würde. 

Ja, selbst wenn ich so etwas Negatives hören würde, würde ich mir erst ein Bild von der Lage und in diesem Fall der Person machen, bevor ich entschied, ob ich etwas unternehmen würde - und das auch alles erst nach der Befreiung.

Für jemanden wie TriXhot spielte es selbstverständlich eine Rolle, ob jemand schuldig verurteilt worden war oder nicht. Ich hatte bei der cleveren Frau mit keiner anderem Reaktion gerechnet, als mit dieser. Vielleicht war TriXhot an der einen oder anderen Stelle etwas naiv, aber sie besaß nun einmal eine hohe Moralvorstellung.

Metamenschen mit hoher Moral sind meist besser, als Metamenschen ohne Moral. Meist. 

❅❅❅

‹Hmm, meist ist etwas zu hoch gegriffen, Drachenkätzchen. Rassisten, Extremisten und andere Fanatiker besitzen oft hohe Moralvorstellungen, oder sollte ich hier lieber enge Moralvorstellungen sagen?›

‹Damit hast du selbstverständlich recht Katze. Moral ist nicht gleich gut. Genau genommen ist Moral ja nichts anderes als eine Sitte und Moral kann schnell zur Unsitte werden, besonders, wenn sich Moralvorstellungen auf Personengruppen beschränken. Doch was Trixhot angeht, können wir ihre Moral doch als klassisch gut bezeichnen.›

‹Ja, wahrscheinlich können wir das - und ich bin froh, dass du diese gefährlichen und manchmal auch langweiligen Ansichten nicht teilst, Drachenkätzchen.›

❅❅❅

Während ich noch einen Moment lang den Gedanken an Moralvorstellungen nachging, pustete Bloody Guts via AR Informationen und ein Bild von Charles Iron Horse in unser Netzwerk. Ich hatte ihm bereits gestern Nacht den Namen mitgeteilt und ihn gebeten, Information zu beschaffen. 

Ich stieß einen leisen Pfiff aus. 

Mit dem Bild von Charles Iron Horse könnte das Militär Rekrutierungs-TAG’s laden.

Männer wollten sein wie er. 

Frauen wollten Söhne von ihm, damit diese so würden, wie er.

Das da war Captain Sioux!

Allein sein Blick, stolz, erhaben, nach vorne gewandt. Die scharf geschnittenen Gesichtszüge. Dann der gestählte Körper, dessen Muskeln sich sanft unter dem eng sitzenden Shirt abzeichneten. 

Entweder war da jemand gut in Fotobearbeitung gewesen oder Charles Iron Horse hatte es einfach drauf. 

Optisch war der Mann ein Sahnestückchen und Schokolade in einem. 

❅❅❅

‹Und du hast wieder man nicht davon probiert, Drachenkätzchen.›

❅❅❅

Was Bloody Guts erzählte, passte dazu, „Charles Iron Horse ist ein Sioux Wildcat, dass sind die Elite-Soldaten der Sioux, von denen es heißt, sie essen Tir Ghosts zu Mittag und nehmen noch ein paar Red Samurai zum Dessert. Der hier gehört nicht nur dazu, er ist auch ein Captain und Vorzeige-Wildcat mit erfolgreich abgeschlossenen Deep Cover Missionen und einem Packen an Auszeichnungen und Belobigungen. Außerdem ist magisch aktiv, wohl ein Adept. So ein richtig cooler Typ und Bad Ass, soll Iron Horse sein. Überall beliebt. Jedenfalls war er das, bis er sich vor einiger Zeit auf die Suche nach Paydata über seinen verstorbenen Vater machte.“

❅❅❅

Die Geschichte mit dem Vater sollte sich später noch als überaus interessant erweisen.

‹Da stimme ich dir zu Drachenkätzchen, besonders, da Geheimnisse darin verborgen lagen.›

‹Ja Katze und es waren sogar verschwörerische, landesbewegende, gefährliche, Geheimnisse.›

‹Und solche Geheimnisse sind uns ja die Liebsten, Drachenkätzchen. Du hast übrigens emotional ergreifend vergessen.›

‹Emotional ergreifend war doch nur das Sahnehäubchen Katze.›

‹Sahne, du sagst das Wort schon wieder, Drachenkätzchen und das, obwohl du nicht mal Sahne hast.›

‹Soll ich welche holen, Katze?›

‹Nein, du sollst dir welche bringen lassen, Drachenkätzchen.›

‹Aber doch nicht um diese Zeit Katze, niemand außer uns in diesem Haus ist wach.›

‹Dafür würde ich mit den Barthaaren nicht zu dicht ans Feuer gehen, Drachenkätzchen. Aber wenn du nicht magst, dann las es eben.›

❅❅❅

Bloody Guts fuhr fort, „Plötzlich wurde er verhaftet und als Landesverräter und Mörder zum Tode verurteilt. Danach hat man nichts mehr von ihm gehört. Die Todesstrafe soll dann tatsächlich bald vollzogen werden. Genaueres konnte ich nicht heraus bekommen und selbst das waren keine leicht zugänglichen Informationen.“ Bloody Guts grinste TriXhot an. „Ob er zu unrecht verurteilt wurde, kann ich auch nicht bestätigen, aber es gibt Gerüchte, weil man ihm die Verbrechen nie zugetraut hätte.“

BCG zuckte mit den Schultern, „Na, solange er kein Kinderschänder oder Massenmörder ist, würde ich auch mit einer berechtigten Verurteilung leben können.“

Interessant zu wissen. 

BCG machte moralische Einschränkungen, was das Befreien von verurteilten Verbrechern anging und auch Columbo hatte einen Kommentar in diese Richtung gebracht.

So hatte ich die beiden nicht unbedingt eingeschätzt. 

Bei Mr.Jack hingegen ging ich von einer Position aus, die beinah mit der von TriXhot gleichzusetzen war.

Ja, UC besaß schon jede Menge Moral in ihren Reihen.

Katze gähnte und sprang auf den Tisch mit dem kleinen Frühstücksbüffet.

Wie auch immer, wir hatten eine Deadline und darum war es an der Zeit, mal zu Mika und Rodney in die Kabine zu gehen, um zu hören, wo genau es hingehen sollte.

Mit uns allen würde es in der Kabine reichlich eng werden, besonders da zwei Trolle anwesend waren - und darum blieben Columbo, Mr.Jack und TriXhot im Salon.

[Song 2: Supaman - Why4] Mika und Rodney sahen inzwischen deutlich besser aus, als noch ein paar Stunden zuvor, aber beide waren zu diesem Zeitpunkt weit davon entfernt, uns auf dem Run begleiten können. 

Wegen der knappen Deadline mussten wir so bald wir möglich aufbrechen und die beiden brauchten noch ein paar Tage, bis sie einsatzfähig waren, wobei Rodney auf Grund von Verletzung und Teamposition als Rigger, früher bereit sein würde, als Mika.

Mika warf mir gleich bei unserem Eintreten einen jener Blicke zu, die Frauen gerne von Männern bekommen. Da waren Bewunderung, Respekt aber auch Begehren. 

Ich schenkte ihm zu Dank ein strahlendes Lächeln.

Mika saß mit ausgestreckten Beinen auf dem Bett, beide Beine waren bis zu den Oberschenkeln eingegipst. Er nahm so viel Haltung an, wie ihm in seiner Lage möglich war. Mir fiel die Ähnlichkeit zu seinem Bruder auf. Mit Mika würde man wahrscheinlich keine Rekrutierungs-TAGs laden, aber die ethnischen Merkmale seiner Vorfahren kommen auch in seinen Gesichtszügen zum Vorschein. Mikas Blick wirkt undurchdringlicher und eine Spur verschlagener, als der seines Bruders und er ist weniger muskulös, aber auch er ist ein Sah… Leckerbissen.

Mika war Shadowrunner geworden, warum auch immer, während Charles eine Bilderbuch-Karriere beim Militär absolviert hatte, wenn auch eine Karriere mit fragwürdigem Ende. 

Auf den ersten Blick konnte das Wesen der beiden Männer also nicht viel gemein haben. 

Verbrecher und Soldat, da war schnell klar, wer hier das schwarze Schaf in der Familie war. Zumindest oberflächlich. Dennoch verband die beiden Brüder auch nach Jahren noch so viel, dass Mika keine Kosten und Mühen scheute, seinen Bruder zu befreien. 

Wie ich bereits sagte, bei den Sioux bedeutet Familie viel, erst danach kommen Stamm und Land. Immer wenn ich zum Beispiel einen Blick auf die O’Nialls werfe, weiß ich, was Familienbande alles bedeuten können. 

❅❅❅

‹Die O’Nialls sind ein gutes Beispiel dafür Drachenkätzchen. Es geht um emotionale und soziale Familienbande und nicht nur um familiäre Gene.›

❅❅❅

Mit der Gefangennahme durch den Wendigo war der Weg zur Rettung seines Bruders für Mika jedenfalls erstmal zu Ende.

Zwangsweise. - Zum Glück für ihn übernahmen wir. 

Rodney sah nicht mehr ganz so fertig und blaß aus, wie noch einige Stunden zuvor, was dann bedeutete, dass der rote Ziegenbart im Zusammenspiel mit der Glatze nicht mehr den Eindruck erweckte, er habe ein blutiges Kinn.

Wir hatten die Türen auf der Upper Class alle maximal vergrößert, dennoch mussten sich Trolle mit etwas Vorsicht hindurch bewegen. 

Bloody Guts begann breit zu grinsen, nachdem er eingetreten war, „Oh, Du bist Mika.“, sagte er und wirkte im Anschluss leicht verlegen. Jack Pointer und Strassenlegenden hatten es dem Troll einfach angetan.

Die nächsten Minuten verbrachten wir mit flüssigen Gesprächen, die nicht ohne Charme waren, die ich aber dennoch hier abkürzen möchte, denn Mika wusste nicht viel Neues zu berichten. Er nannte uns Koordinaten in den Salish. Dort würden wir einen Coyoten treffen - Coyoten nennt man die Spezialisten, die Metamenschen über Landesgrenzen schmuggeln -  der uns dann eben über die Grenze und zu den Leuten bringen würde, die Details über den Gefangenen-Transport hatten. Den besagten Coyoten kannte Mika zwar nicht persönlich, aber er hatte ihn von einer Quelle genannt bekommen, der er traute. Der Coyote hieß Laughs To Much, wobei ich mich gleich fragte, ob man denn wirklich zu viel lachen konnte. Vielleicht zum falschen Zeitpunkt, aber zu viel?

Zumindest gab der Name schon mal ein wenig Aufschluss darüber, in welche Richtung der Charakter des Mannes gehen könnte. Was dann eigentlich der beste Part an den Namen der Native Americans war. Sie sagten etwas über ihre Träger aus.

Mehr Fakten hatte Mika für uns nicht. Ich hatte mit mehr gerechnet und nicht damit, wie geheim dieser ganze Gefangenentransport eigentlich sein würde. 

Ich hatte nicht weit genug gedacht und dies nicht zum letzten Mal, wie ihr später noch bemerken werdet.

❅❅❅

‹Dabei hätte dir die Paranoia der Sioux einen Hinweis geben können, Drachenkätzchen.›

‹Die Paranoia der Sioux war mir voll bewusst, Katze. Darum ging es mir eben gar nicht. Ich hatte einfach nur gedacht, das mehr Informationen, mehr als eine Information sein würde. Meine Anspielung bezog sich auf die Tatsache, dass ich nicht damit gerechnet hatte, welche Kreise das alles ziehen würde und welche schlechten Entscheidungen Metamenschen treffen können.› 

‹Ich weiß, Drachenkätzchen. Du kannst noch dazulernen. Du bist noch jung. Du musst dich nur immer für das Leben entscheiden. - Und wer weiß, vielleicht lernst du auch irgendwann, wann der richtige Zeitpunkt für den Einsatz von Eisatmen ist.›

❅❅❅

Es stellte sich heraus, dass Rodney einen Hubschrauber besaß, der irgendwo in den Salish auf einem Schmuggler-Hafen stand.

Wenn die Heilungsprognose stimmte - und davon war auszugehen-  konnte Rodney rechtzeitig fit genug sein, um uns nach der Befreiung von Charles mit dem Hubschrauber entgegen zu kommen.

Rubber Duck und Bloody Guts boten an, ihn zu begleiten und zusammen mit ihm in jenem Schmuggler-Lager zu warten. 

Naja, eigentlich drängten sie sich mehr auf, nachdem feststand, dass BCG der Rigger war, der mit in die Sioux kommen würde. 

Zur Befreiung von Iron Horse würde ein Rigger reichen und zum Öffnen eines fahrenden Panzers wäre ein explosiver Dosenöffner weitaus hilfreicher, als ein Schlösser-kackender Decker.

Ich war in jenem Moment davon ausgegangen, dass für den Run kein Decker nötig sein würde und, dass einen Knallfrosch dabei zu haben, weitaus wichtiger wäre. 

Zumindest beim zweiten Punkt hatte ich richtig gelegen. 

❅❅❅

‹Nörgle nicht rum, Drachenkätzchen. Das Decker-Männchen konnte alles erledigen, was ein Decker erledigen muss.›

❅❅❅

Wenn man illegal über eine schwer bewachte Grenze möchte, versucht man den Pool an Reisenden möglichst klein zu halten. Je weniger Personal man über die Grenze bringen muss, desto einfacher gestaltet es sich. Aus diesem Grund nahmen wir nicht einfach alle verfügbaren UCler mit auf den Run, was bei einem großen Team wie uns ja schon immer schwer genug ist. Wie gesagt, in jenem Augenblick ging es ja nur darum, einen Gefangenen aus einem schwer bewaffneten Militär-Transport zu befreien.

‚Nur’, war dabei selbstverständlich gar nichts. Es handelte sich dabei um einen schwierigen Job. Dass das untertriebene ‚nur‘ erst der Anfang sein würde, konnte zu diesen Zeitpunkt wohl niemand ahnen.

❅❅❅

‹Niemand zu sagen, finde ich übertrieben, Drachenkätzchen. Aber ich verstehe deinen Punkt.›

❅❅❅

Mika lächelte mich an, „Ich würde Rodney, Rubber Duck und Bloody Guts gerne begleiten, wenn sie loslegen.“

Ich lächelte zurück, „Das verstehe ich gut, aber ich befürchte, du bist bis dahin noch nicht fit genug.“

Mika verzog das Gesicht ein wenig und sah dann auf seine bis zum Schritt eingegipsten Beine, „Ja, das könnte sein. Aber ich kann dann zumindest das Upper Class verlassen und in ein Safehouse ziehen.“

Ich winkte ab, „Du kannst aber auch hier bleiben. Da du uns 150.000 für den Auftrag zahlst, sind Kost und Logis für ein paar Tage inbegriffen. Außerdem übernimmst du ja die Kosten für den Coyoten und das Safehouse in den Sioux.“

Mika lächelte schief, „Ja irgendwie schon, aber ich könnte trotz Verletzung mit den anderen in den Salish warten. Ich nehme nicht viel Platz weg.“

Rubber Duck grinste breit, „Ich verstehe Mika schon, wenn Snowcat geht. Ist es hier nicht mehr halb so schön.“

Mika strich sich ein wenig verlegen durch sein volles, dunkles Haar. Nordamerikanische Ureinwohner unter der Vorfahren zu haben, war ziemlich praktisch, wenn man volles Haar haben wollte.

Rubber Duck erhielt unterdes für seine überaus charmante Aussage ein besonders schönes Lächeln von mir geschenkt.

Shark Finn sah streng zum Asiaten rüber, „Dann ist es hier nur noch halb so schön?“, wollte er wissen, „Was ist denn aus: ‚Dann hat die Stadt ihren Glanz verloren!‘ geworden?“

Mir wurde warm ums Herz. Ich seufzte innerlich verzückt. Finn hatte dem Kompliment von Rubber Duck noch eins drauf gesetzt.

Nennt mich ruhig oberflächlich, aber ich stehe einfach weiterhin total auf Komplimente über meine Schönheit und meinen Charme.

„Gibt es noch irgendwas, was wir wissen müssen? Über Iron Horse oder sonst etwas?“, fragte ich an Mika gewannt.

Der Mann überlegte kurz, „Charles ist in vielerlei Hinsicht ziemlich pragmatisch, was hier bestimmt ein Vorteil ist. Allerdings weiß er einfach nicht, wann es an der Zeit ist, aufzugeben. Darum hat er immer weiter nach Informationen über den Tod…“ Mika räusperte sich und fuhr dann fort, „Egal.  Der Coyote soll im Gegensatz dazu ziemlich chaotisch, eigensinnig und recht speziell sein. Wie das gemeint ist, müsst ihr selbst herausfinden. Ich kenne ihn nicht persönlich, habe den Kontakt aber aus einer vertrauenswürdigen Quelle.“ Mika sah mich erneut auf die schöne Art an, „Ich bin sicher, dich mag er Snowcat. Was es leichter machen wird.“

„Na darauf, dass der Coyote die Lady mag, wären wir auch selbst gekommen.“, meinte BCG, „Das ist nun keine hilfreiche Info.“

Ich trat näher an Mikas Bett und meinte leiser, „Gibt es irgendwas, was wir deinem Bruder sagen können, damit er weiß, dass wir von dir kommen? Nicht, dass er Probleme macht, wenn wir ihn raus haben.“

Auf Mikas Gesicht ließen sich diverse Gefühlsregungen ablesen. Das Verhältnis zwischen den beiden Brüdern war wahrscheinlich nicht ganz einfach. Aber welche metamenschlichen Beziehungen sind das schon? 

Dann erinnerte sich Mika an etwas, was ihn lächeln ließ und er meinte, „Sag, ‚Wenn du dich anständig benimmst, überlegt Mika, dir Koda wieder zu geben.‘!“

Ich setzte ein besonders schönes Lächeln auf, berührte Mika sanft am Arm und meinte, „Gut, dann gehen wir jetzt und machen uns an die Planung. Viel Zeit ist nicht und ich möchte heute noch aufbrechen. Rubber Duck und Bloody Guts werden euch in den nächsten Tagen auf dem Laufenden halten. Bis bald.“

Mika hob die Hand zum Gruß und das war irgendwie sehr ‚Native American‘ und ich fand es ziemlich stilvoll. Als ich den Raum verließ, spürte ich diverse Männerblicke auf meinem Hinterteil. 

Es ist einfach toll, ich zu sein! 

Zurück bei TriXhot, Columbo und Mr.Jack stand schnell fest, dass wir Bubbles als Knallfrosch oder akkurater ausgedrückt, als Sprengstoff-Spezialistin, mit auf den Run nehmen würden. 

Doch für das erste Briefing war Thunderstrike der Experte unserer Wahl. Er kannte sich am besten mit militärischem Vorgehen aus und wusste auch am meisten über das Militär an sich. 

Wie gut, dass Sonntag war und er sich immer noch an Bord der Upper Class befand.

Thunderstrike beraubte uns dann auch sofort sämtlicher Illusionen, wir könnten in irgendeiner Form gewaltfrei vorgehen, „Wenn ihr einen gepanzerten Militärkonvoi überfallen müsst, könnt ihr den Gedanken an Wattebällchen und Stick n Shock Munition gleich vergessen. Damit haltet ihr einen Soldaten in Militärpanzerung nicht auf. Wenn sie dann noch einen Elitesoldaten bewachen, müsst ihr schnell und dreckig vorgehen und dürft euch nicht davor scheuen, Blut zu vergießen.“

Ich hatte mir so etwas schon gedacht, aber es war schön, dass Thunderstrike es so deutlich ausgesprochen hatte. Da musste ich das nicht mehr tun.

Nach einer der schnellsten und gröbsten Planungsphasen in der Geschichte von UC, stand das Team für den Befreiungsauftrag fest:

BCG, Bubbles, Columbo, Mr.Jack, Shark Finn, TriXhot und ich.

An dieser Stelle der Vorbereitung war es dann an der Zeit, ein paar Worte über die Sioux Nation zu verlieren. 

Ich hatte das Glück vor diesem Run schon einmal in den Sioux gewesen zu sein und dadurch Wissen, welches ich nun großzügig weiter gab. Anderes steuerte Bloody Guts bei. Für einen Run ist es immer wichtig auch Wissen über das Land zu haben, in dem er stattfindet.

Wissen, welches ich hier auch gerne an euch wiedergeben möchte.

[Song 3: First Aid Kit - Wolf4] Von allen Statten der NAN, ist die Sioux Nation der, welcher sich am stärksten auf die Traditionen der amerikanischen Ureinwohner bezieht. Stolz, kämpferisch und traditionsbewusst, bedeuten den Sioux Familie, Stamm und Land alles und zwar in dieser Reihenfolge. Davon erzählte ich zwar bereits, aber es ist so essentiell wichtig, dass ich es ruhig wiederholen kann. Mit dem Verehren der alten Stammes-Traditionen und der eigenen Herkunft, kam die Abneigung gegenüber den Anglos und damit einher ging die Paranoia davor, von den Anglos übernommen zu werden. Geschichtlich waren solche Ängste sicherlich begründet. In dieser Nation führten sie dazu, dass jeder Sioux seinen Militärdienst leisten muss, womit dann jeder Sioux über 20, egal ob Männlein oder Weiblein, eine Kampfausbildung durchlaufen hat. Außerdem spionieren die Sioux die CAS, UCAS und deren Anglo-Konzerne aus - und alles was nicht Sioux ist, ist Anglo. Ferner - ich drücke das jetzt mal freundlich aus - nutzen sie ihre ausgebildeten Truppen als Schutzpatron für die Nachbarländer der NAN und helfen gerne aus. Manchmal auch unaufgefordert. Immerhin wissen die anderen ja nicht immer, was wirklich gut für sie ist. 

Die Sioux Nation wird von einem Council of Chiefs regiert, deren Mitglieder durch den Council Of Elders bestimmt werden. Für Entscheidungen wird eine Zweidrittel-Mehrheit benötigt. Im Council Of Chiefs sitzt man für fünf Jahre, eine Mitgliedschaft im Ältestenrat behält man sein Leben lang. Hiermit hat man sogleich einen Anhaltspunkt, der jedem Aufschluss über den Einfluss der Ältesten geben sollte. 

Rund 40 % der fast 7 Millionen Sioux leben in der Hauptstadt Cheyenne, was den Rest des Landes ziemlich dünn besiedelt zurücklässt. 

Sioux zu sein, bedeutet nicht, dass man von der Optik her wie ein Sioux zu sein hat. Jeder, der nur ein wenig Sioux-Blut in seinen Adern fließen hat, ist per Definition Sioux und zwar unabhängig von seiner Metarasse.

Simple gesprochen: Sioux ist gut und Anglo ist böse.

Die traditionsbewussten Sioux stehen auf langes Haupthaar und Kleidung aus natürlichen Fasern. High Tech Kleidung ist ebenso verpönt, wie Cyberware oder kurzes Haar. Nur wer nichts von sich hält, trägt sein Haar kurz und Cyberware und moderne Industriefasern sind Anglo.

A pro pos Haar, beim Militär trägt man sein Haar aus praktischen Gründen kurz. Eine Ausnahme stellen hier die Wildcats dar. Damit die Soldaten nun aber nicht als ehrlos oder ohne Selbstbewusstsein gelten, schreibt ein Gesetz kurze Haare für Soldaten vor. Mit Federn schmückt man sich bei den Sioux nur zu zeremoniellen Anlässen und auch Tattos sind etwas für Anglos, es sei denn, man ist ein Schamane.  

Obwohl die Sioux die Anglos und ihre machtbesessenen Konzerne hassen, haben sie etwas mit Columbo gemeinsam: sie lieben die Produkte von Ares. Jedenfalls was deren Waffen angeht. Das geht sogar soweit, dass Ares eine Special Edition ihrer Ares Lightfire 70 mit dem klingenden Namen ‚Howling Coyote‘ heraus gebracht hat. Mit Orichalkum Intarsien und Redwood Griff. Wirklich hübsch anzusehen ist das gute Stück ja und so beliebt, dass es eine lange Warteliste und eine Lieferzeit in zweistelliger Monatshöhe gibt,

Offen bewaffnet und gepanzert läuft in den Sioux so gut wie jeder rum, wobei die Betonung auf offen liegt. Waffen versteckt zu tragen, ist ebenfalls etwas für Anglos, gilt als hinterhältig und bringt einem, sollte man dabei erwischt werden, sofort einen Aufenthalt im Gefängnis ein. 

Was bedeutete all das nun für uns als Team? 

Wer sie noch nicht besaß, besorgte sich wenn möglich schnell noch passende Kleidung, wie Baumwoll-Jeans, Lederstiefel und Baumwoll-Shirt.

Langes Haar hatte ich zu bieten, welches ich ebenso mit Magie färben würde, wie meine Haut.

Shark Finn und Bubbles würden die gesamte Zeit über langärmlig umher laufen müssen, um ihre Cyberware zu verbergen.

Soziale Kontakte mussten mit Feingefühl geschehen und waren wohl in erster Linie mir vorbehalten. Ich sprach sowohl Lakota, als auch Tsalagi (Cherokee) und besaß sogar eine SIN, die mich zwar als Salish auswies, aber in der ich zu einem Viertel Cherokee war und somit Sioux, also gut. Dennoch, eines war klar: wir durften uns in keinem Fall in den Sioux als Illegale von den Offiziellen erwischen lassen. In den Sioux fängt man Schuldige innerhalb von Stunden und das geht noch schneller, wenn sie Anglos sind. 

❅❅

Man schafft viel, wenn man früh wach ist. Wir hatten uns am Morgen getroffen und so schafften wir es noch bis zum frühen Nachmittag Bubbles zu instruieren, zu packen, einzukaufen und andere nötige Vorbereitungen zu treffen. 

Dann brachen wir Richtung Salish auf. 

BCG hatte via Schmuggler-Kontakte eine Route über die Grenze in die Salish organisiert. Der Ford Canada Bison des Teams, ein großes, geländegängiges Wohnmobil, welches wir von Sugmani geerbt hatten, hatte schon einige Jahre und Kilometer auf dem Buckel, was man dem Gefährt auch ansah. Zumindest von außen. Das Innenleben das Wagens war nicht nur top gepflegt, luxuriös mit Klimaanlage, Kühlschrank, Außengrill, Küchenzeile, Dusche, Drohnenreck und Satellitenantenne ausgestattet, nein, es bot auch jede Menge Schmugglerverstecke für Waffen und bis zu acht Personen konnten bequem darin fahren. Was dann bedeutete, dass wir später auch noch Platz für Charles Iron Horse haben würden. 

Wir hatten unser Fahrzeug also gut ausgewählt, clever, wie wir nun mal waren. 

Unsere schwerere Bewaffnung war gut verstaut, allerdings hatte Bubbles so viel Sprengstoff und elektronische Bauteile dabei, dass es wohl besser wäre, wenn niemand von Polizei oder Militär den Wagen betrat. Gerade beim Militär würde es schwer werden, ihnen das Zeug als Fondant für Geburtstagskuchen oder Bastelmaterial für Geschenke zu verkaufen. 

Obwohl … ich war immer noch ich … die Möglichkeit bestand also durchaus.

Der Grenzübergang war reibungslos verlaufen und wir fuhren gutgelaunt durch die wunderschönen Wälder des Salish-Shidhe-Council. 

Auch hier war es besser, wenn uns niemand anhielt, denn auch hier waren wir illegal unterwegs, aber Alles im Allen hatten wir im Salish nicht so viel zu befürchten.

Um sicher durch die Salish zu reisen, braucht man eigentlich nur einigermaßen aktuelle Informationen über die einzelnen Stämme und deren Gebiet. Im Salish-Shidhe-Counsil gelten nämlich die jeweiligen Stammesgesetzte. Was dann heißt, was an einem Ort erlaubt ist, kann 500 Meter weiter schon ein Schwerverbrechen sein. Einfach, weil man eine Stammesgrenze überquert hat. Das heißt aber auch, so etwas wie eine landesweite Suche gibt es kaum. Wird man gesucht, endet die Suche an der Stammesgrenze. Weitergeleitet wird wenig bis nichts. Die größten Schwierigkeiten bei einer Reise durch dieses Land entstehen durch Stämme, die strickte Umweltgesetze haben. Es fährt sich schwer über das Land, wenn das Stammesgesetz jegliche motorisierten Fahrzeuge verbietet und die Fahrzeuge augenblicklich bei Entdecken zerstört werden und zwar unabhängig davon, ob noch lebendige Wesen darin sind, oder nicht. Und ja, Stämme mit solchen Gesetzen gibt es in den Salish auch. Doch wenn man weiß, welcher Stamm wo seine Grenzen hat und zudem ungefähr weiß, welche Gesetze im Einzelnen gelten, kann man sich eine Route erstellen, die einem eine ruhige Fahrt beschert. Selbstverständlich muss man hier einige Umwege in Kauf nehmen. Was wir taten, obwohl unsere Zeit einigermaßen knapp bemessen war. Metamenschen sind im Salish übrigens gerne gesehen. Die Regierung lud nach dem Erwachen der Welt alle neuen Rassen ein, bei ihnen zu leben und wiederholten das Angebot, als der Komet SURGE über die Welt brachte. Übrigens liegt in all dem eine gute Möglichkeit eine echte, falsche SIN zu bekommen. Technologiefeindliche Stämme leiten nicht mal Geburtsdaten an die Landesregierung weiter. Falls die SIN allerdings mal von einem Kundigen geprüft wird, sollte man die jeweilige Stammessprache beherrschen.

Wir hatten jedenfalls unsere Route und fuhren so zügig wie möglich und dennoch entspannt durch das schön anzusehende Land.

Bubbles begann bereits während der Fahrt damit, an kleinen explosiven Päckchen zu bauen. Ich kannte mich zu wenig mit dem Thema aus, um zu wissen, ob das schon Vorbereitungen für unseren Überfall waren oder, ob sie da nur etwas zum Spaß bastelte. 

Ja, die junge Frau hatte Spaß an Sprengstoff.

Jedesmal wenn jemand an den Kühlschrank ging, rief Bubbles automatisch Dinge wie, „Nimm nicht das Grüne!“ oder „Sei mit der pinken Flasche vorsichtig!“ 

Das führte bei allen Reisenden zur gleichen Reaktion, man hielt sich genau an das, was sie gesagt hatte. Sogar wenn man auf den ersten Blick gar nichts Grünes oder Pinkes fand, hielt man danach Ausschau - und zwar vorsichtig.

❅ 

[Song 4: Melanie Martinez - Mad Hatter4]Es war bereits dunkel geworden, als wir die Landstrasse verließen und auf einen Feldweg abbogen. Der Weg versiegte und wir fuhren einfach weiter auf die Koordinaten zu, die wir von Mika bekommen hatten.

Am Zielort befand sich so etwas wie eine Mischung aus Trailerpark und Wagenburg aus Containern, Wohnwagen und Hütten. Metamenschen waren zunächst keine zu sehen. Allerdings brannte in der Mitte ein Lagerfeuer, was zumindest irgendjemand entfacht haben musste.

Ich hatte mich zu Beginn der Fahrt hierher bereits umgezogen und mein Outfit den NAN angepasst. Ich trug eine helle Blue-Jeans, Cowboystiefel aus Leder und ein weißes Tanktop aus Baumwolle. Außerdem hatte ich noch ein in Blau- und Weißtönen kariertes Hemd dabei. Doch da es noch warm genug war, konnte ich das Hemd im Wagen lassen. 

Ich blickte aus dem Seitenfenster, nahm astral wahr, konzentrierte mich, askennte die Gegend und hob überrascht eine Augenbraue. 

Innerlich natürlich.

Über dem gesamten Lager lag eine Hintergrundstrahlung, doch sie war irgendwie maskiert. Es handelte sich um Maskierung, die offenbar verhindern sollte, dass man die Hintergrundstrahlung so einfach bemerke. Ein Phänomen, von dem ich noch nie gehört hatte und welches ich als überaus interessant empfand.

Eine Information, die ich für mich behielt.

❅❅❅

‹Ja Drachenkätzchen, ich muss zugeben, dass auch ich dies als besondere Erfahrung in Erinnerung behalten werde.›

‹Den Anblick, Katze?›

‹Nein, den gesamten Abschnitt der Reise, Drachenkätzchen.›

❅❅❅

Als BCG den Bison neben dem Trailer an der Einfahrt, die nicht mehr als eine Lücke war, zum Stehen brachte, streckte ein schlanker Mann mit Cowboy-Hut, in Jeans und weißem T-Shirt den Kopf aus einer der Hütten und kam dann schnellen Schrittes zu uns gelaufen.

Unter den wachsamen Augen von Shark Finn stieg ich aus. 

Der Mann, übrigens ein Mensch, blieb bei meinem Anblick ganz kurz stehen und kam dann noch eine Spur schneller herüber, zuckte mit den Schultern und lachte kurz.

Ich gefiel ihm offensichtlich. 

Gut!

Laughs To Much, zu dem Zeitpunkt war seine Identität zwar noch nicht bestätigt, aber es lag nahe, dass er es war, war gut 1,80m groß. Er hatte schwarzes, glattes und langes Haar. Sein Alter ließ sich schwer schätzen, ich vermutete, dass er jenseits der 50 Jahre alt war, aber ich konnte damit auch falsch liegen. Das indianische Gesicht war wettergegerbt und Lachfalten zeichneten sich sympathisch darauf ab. Als er mir gegenüberstand, zog er seinen Hut und verbeugte sich. Die Geste war vielleicht ein wenig übertrieben, doch da er es nicht abwertend meinte, fand ich das recht charmant. Laughs To Much wirkte alles in allem ein wenig unstet, fast schon zappelig. Sein Gang war leicht O-beinig und er stand nie wirklich still, so als müsse er die Bewegung der Erde ausgleichen, um in Balance zu bleiben. Er wandte seinen Blick immer wieder schräg nach oben und meinte dann plötzlich, „Nein, hört auf damit! Ich frag dann schon noch.“ Er winkte ab, „Ja, ich frage, aber ich entscheide wann! Drängelt nicht!“ Offenbar sprach er mit mehr als einem unsichtbaren Freund.

„Du bist Laughs To Much, nehme ich an.“, begann ich, sein anderes Gespräch ignorierend. Ich streckte ihm die Hand hin, „Hallo Ich bin Snowcat.“ 

Der Native griff mit seiner rechten Hand nach der meinen und legte seine linke Hand obendrauf, „Ja genau. Hallo Snowcat, ich bin sehr erfreut dich kennen zu lernen.“ „Seit doch mal ruhig!“, forderte er gleich darauf die Unsichtbaren auf und blickte dann langsam an Shark Finn hoch, der ein wenig angespannt da stand, da Laughs To Much meine Hand länger als normal festhielt.

Der Griff war angenehm fest und ich konnte die Wärme seiner Haut durch meine ledernen Reithandschuhe spüren. 

Das Handschütteln war bei den Amerikanischen Ureinwohnern keine übliche Begrüßung, man hielt lieber einen würdigen Abstand zu seinem Gegenüber. Außerdem unterstützten Gesten die gesprochenen Worte der Natives. Bei den zahlreichen verschiedenen Sprachen und unzähligen Dialekten der Stämme, waren allgemein gebräuchliche Gesten für die Kommunikation extrem hilfreich. Eine Hilfe, die man durch das Handschütteln unterband. Ich hatte mich dennoch für diese Friedensgeste der Anglos entschieden, um zu sehen, wie er reagierte. 

Eine Windböe ließ Funken am Lagerfeuer aufstieben, die in den glitzernden Sternenhimmel davon flogen. Erst jetzt ließ der Mann meine Hand los.

Inzwischen waren Columbo, TriXhot und Mr Jack ausgestiegen. 

Laughs To Much rieb sich die Hände, „Ja, so ein Lagerfeuer macht was her.“, freute er sich leise lachend, „Besonders für Stadtkinder.“ Er sah sich um, „Sind das alle von euch?“, wollte er dann wissen.

Ich lächelte, „Nein, noch nicht ganz.“, erwiderte ich.

Bubbles stieg als Nächste aus. Sie hielt gleich zwei Akku-betriebene Insektenlampen in ihrer fleischlichen, rechten Hand. 

Als letzter kam BCG und zwar ebenfalls durch die Seitentür des Bisons, durch die wir alle gekommen waren. Er schlug die Tür hinter sich zu. 

Laughs To Much winkte uns Richtung Feuer. Um das Lagerfeuer herum waren Matten ausgelegt, vielleicht würde der Native hier gleich einen Yoga Kurs mit uns abhalten. 

Wie setzten uns in Bewegung.

Nun rieb Columbo sich die Hände, „Au fein. Gibt es auch was zu essen?“

BCG schüttelte grinsend den Kopf, „Der denkt immer nur ans Essen.“

Laughs To Much nickte, „Ja, Essen gibt es auch. Wenn ihr Fleisch mögt, seid ihr bei mir richtig. Ich hab gutes Fleisch.“ „Ihr sollt aufhören. Ich werde sie fragen, das habe ich euch schon gesagt. Ich muss doch den richtigen Zeitpunkt abpassen.“ Dann stiefelte er in Richtung einer der Hütten davon und rief uns über die Schulter hinweg zu, „Setzt euch schon mal, ich bin gleich wieder da.“

Ich nahm in seinem Rücken astral wahr. Laughs To Much war offenbar magisch aktiv. Ihn zu askennen, gestaltete sich jedoch als schwierig, denn eine ganze Schar von Tiergeistern begleitete, umschwebte und bedrängte ihn und mit denen begann er nun auch zu diskutieren. Soweit ich sehen konnte, war der Native aufgeregt, erfreut und völlig ohne Argwohn uns gegenüber. Doch da war noch viel mehr. Seine Aura war ein komplexes Gebilde aus Gefühlen, wie ich sie selten gesehen hatte. Irgendetwas bereitete ihm Kopfzerbrechen, doch bevor ich mir das näher ansehen konnte, war es auch schon wieder weg und ich war mir nicht mal sicher, ob das alles seine Aura gewesen war oder sich nicht gar die Aura eines Tier-Geistes ins Blickfeld geschoben hatte.

Leise gab ich meinen Kollegen bekannt, „Er spricht nicht mit sich selbst, da sind Geister in Tiergestalt, mit denen er spricht.“

Columbo nickte interessiert, „Na dann ist ja gut.“

Nur wenig später kehrte Laughs To Much mit einem Transportkorb zurück, in dem sich diverse Tupperdosen mit mariniertem Fleisch und eine erkleckliche Anzahl von Fingerdicken Holzspießen befanden, die nach Eigenbau aussahen. Er setzte sich im Schneidersitz auf eine der Matten, spießte Fleisch auf und gab die fertigen Spieße weiter, „Einfach ins Feuer halten.“, erklärte er.

Ich schnupperte neugierig an meinem Fleisch. „Was ist das, Bison?“, fragte ich.

„Nein. Das ist Kuh!“, meinte der Native darauf.

Ich schmunzelte.

„Selbst erjagt?“, wollte Mr.Jack nun wissen.

Laughs To Much nickte, „Ja, im Supermarkt.“

Mein Schmunzeln wurde zu einem Grinsen. 

Wir hielten unsere Spieße ins Feuer und schon bald breitete sich ein köstlicher Duft aus und obwohl ich kein allzu großer Fleischfan bin, lief mir das Wasser im Mund zusammen. 

„Und Du bringst uns später über die Grenze?“, fragte BCG.

Für einen Moment wirkte Laughs To Much verwirrt, dann lachte er leise, „Ja, wenn ihr die geheime Prüfung besteht.“, antwortete der Native im Plauderton.

Columbo hob erstaunt beide Augenbrauen, „Prüfung? Was für eine Prüfung?“

Laughs To Much zwinkerte, „Das kann ich euch nicht sagen, dann wäre sie ja nicht mehr geheim.“ 

Was selbst verständlich einleuchtete, aber trotzdem ein unbehaglicher Gedanke blieb. 

Bubbles positionierte die beiden Insektenlampen neu und raunte mir zu, „Der scheint mir ein bisschen gaga zu sein. Nehmen wir an seiner Prüfung teil?“

Ich nickte und flüsterte, „Bis auf weiteres Ja.“

„Gut. Und essen darf ich das auch?“, fragte sie ganz leise.

Ich nickte abermals. 

Bubbles roch an ihrem Fleisch, zuckte mit den Schulten, zog aus einer der Tasche ihres Overalls ein kleine Büchse, schüttete etwas, das aussah wie rosa Zuckerperlen auf ihr Fleisch und hielt es dann ins Feuer. Die Perlen schmolzen und knisterten dabei. 

„Wollt ihr auch was trinken?“, fragte Laughs To Much und erstickte jegliche Nachfragen über geheime Proben damit im Keim.

Ich nickte, „Ein Wasser wäre nett.“

Er erhob sich. Ich gab meinen Spieß an Bubbles, und erhob mich ebenfalls, um Tragen zu helfen. Woraufhin Shark Finn seine gut gefüllten Spieße auch an Bubbles gab. Das Mädchen nahm das alles ohne zu Zögern an und kam mit der gewaltigen Menge an Fleisch ausgesprochen gut klar. 

Mr.Jack stand zusätzlich auf, um zu helfen und so würde ich selbstverständlich nichts tragen müssen, wovon ich von vornherein ausgegangen war. Doch ich hatte sehen wollen, wohin Laughs To Much ging. 

Unser Ziel war ein Container, den er öffnete. 

Darin befanden sich Paletten von Getränken, sauber aufgestapelt. Laughs To Much reichte Shark Finn einen Sechserträger Wasser nach dem anderen und zwar kein gewöhnliches Wasser, sondern teures Wasser aus Tir Taingire. Entweder, man verdiente als Coyote gut oder er hatte seine Quellen. 

„Ich finde, das schmeckt am besten!“, erklärte Laughs To Much. 

„Ich mag das auch sehr gern.“, bestätigte ich, „Ist das irgendwo vom Laster gefallen?“

Der Native runzelte die Stirn, dann grinste er, „Ja, im Supermarkt.“

Ich schmunzelte erneut. Wie weit der Supermarkt wohl weg war? Jedenfalls hatte Laughs To Much hier eine Menge Vorräte gelagert und würde wohl auch nach einer Shedim-Apokalypse eine Weile klar kommen. Es wies nichts darauf hin, dass hier noch mehr Personen außer ihm lebten. Bis auf seine Geister natürlich.

Mr.Jack bekam eine bunte Mischung Getränkedosen aufgeladen und letztendlich musste auch ich etwas tragen, denn unsere Gastgeber lief schnell und O-beinig zur Hütte links daneben und kam mit einem riesigen Beutel Marshmallows zurück, den er mir mit einer großen Geste zufrieden überreichte. 

Wir setzten uns zurück ans Lagerfeuer und aßen, tranken und unterhielten uns in angemessener Lautstärke, überwiegend über das Essen selbst.

„Wie gefällt es dir hier Snowcat?“, wollte Laughs To Much plötzlich wissen.

„Danke! Wirklich sehr gut.“, antwortete ich ehrlich. „Du hast es hier sehr schön.“ Ich warf einen Blick in den nächtlichen Himmel, „Und der Ausblick ist wirklich atemberaubend.“

Laughs To Much schien sich über meine Aussage zu freuen, „Und wie gefällt es Katze?“, fragte er gerade heraus.

Ich hätte mich vor Überraschung beinahe an dem schmackhaften Fleisch verschluckt.

‹Hast du gehört, Katze? Er möchte wissen, wie es dir gefällt!›, meinte ich vorsichtig.

‹Selbstverständlich habe ich das gehört, Drachenkätzchen. Ich bin ja nicht taub.›, erwiderte Katze im leicht bissigen Ton.

‹Und wie gefällt es dir, Katze?›

‹Es ist hier ganz nett, Drachenkätzchen. Für eine Stadtfreie-Gegend ist es hier sogar ziemlich angenehm.›

Ich hatte inzwischen runtergeschluckt und erwiderte lächelnd, „Katze gefällt es hier auch sehr gut. Sie findet es angenehm, um genauer zu sein.“

Laughs To Much nickte und sah dabei sehr zufrieden aus. „Sehr ihr, ich hab gefragt.“ 

Irgendwann erklärte Laughs To Much, dass wir - und auf einige von uns traf das sogar zu, denn die Zeit um shoppen zu gehen, war heute Vormittag nicht prall gewesen - für eine Reise in die Sioux Nation noch nicht angemessen ausgestattet wären.

Für Finn hatte er nichts passendes im Angebot, aber mit allen anderen trat er an eine Hütte, in der haufenweise Klamotten lagen. Und wenn ich haufenweise sage, dann meine ich, dass unzählige Kleidungsstücke in verschiedenen Größen gemischt, in Kategorieren sortiert aufgehäuft worden waren. Alles wirkte, als wäre es deutlich getragen, aber es war sauber und gut erhalten. Kleidung, die sich als Tarnung gut eignete.  

Für einen kurzen Augenblick fragte ich mich, ob die Sachen einst nicht all denen gehört hatten, die durch die geheime Prüfung gefallen und die deshalb hinter dem Gelände verscharrt oder verbrannt worden waren. 

Doch ich schob diese gruselig Idee schnell beiseite. Vorsichtshalber beschloss ich aber im Stillen, besser nicht durch die Prüfung zu fallen.

Ein reger Tauschhandel begann. 

Ich war eigentlich gut ausgestattet, dennoch tauschte ich einen Satz ‚Three Shadowrunner Bars‘ gegen ein grau kariertes Flanellhemd. 

Bubbles suchte sich gleich mehrere Langarm-Shirts, eine Jeans und Stoffschuhe aus, die sie gegen eine dickbäuchige, fast völlig nackte, pinkhaarige 10 Zentimeter kleine Plastikfigur eintauschte. 

TriXhot musste zwei Haarspangen und einen Sonnenbrille für ein T-Shirt hergeben und Mr.Jack bekam den von ihm ausgesuchten Satz Kleidung für einen funktionalen Rucksack, den er vor der Übergabe schnell noch ausgeräumt hatte.

Immer wenn Laughs To Much mit einem Tausch zufrieden war, rieb er schnell seine beiden Hände übereinander und sagte, „Guter Tausch!“. Diese Geste nach einem abgeschlossenen Geschäft kannte ich bereits von Sugmani und auch als ich mit meinem Liebsten in den Sioux gewesen war, war mir diese Bestätigung via Handzeichen ständig begegnet.

Wir zogen uns um oder die Sachen über und setzen uns dann zurück ans Lagerfeuer.

Ich nahm erneut astral wahr, die Tiergeister leisteten unserem Gastgeber immer noch Gesellschaft.

[Song 5: Indians - Indiana Drums4]Laughs To Much lächelte mich an, „Wenn die anderen meine Freunde auch sehen wollen, hole ich etwas zu rauchen und zu trinken.“ Das war keine Frage gewesen. Er stand auf und lachte herzlich. Vielleicht freute er sich oder vielleicht hatte einer der Tiergeister einen Witz gemacht.

„Hast Du auch eine Gitarre?“, rief ich ihm nach, „Dann könnte ich ein bisschen Musik spielen.“

Er sah sich um und lachte erfreut, „Eine Gitarre nicht, aber ich hab Trommeln.“ Dann verschwand er in einem Trailer, um kurz darauf beladen mit einer großen, verkorkten, nicht beschrifteten Tonflasche, einer langen Pfeife, die mit Federn verziert war, Trommeln, Rasseln und einem Beutel Tabak zurück zu kommen. 

„Kommt jetzt die Prüfung?“, fragte mich Bubbles leise.

Ich zuckte mit den Schultern, „Vielleicht, ich weiß es nicht.“

Laughs To Much gab mir eine Trommel, ließ sich erneut im Schneidersitz auf seiner Matte nieder, entkorkte die Flasche, hob sie dann an den Mund, wobei er sie mit der Schulter abstützte -sie schien demnach schwer zu sein - und trank dann einen kräftigen Schluck. 

Während er die Flasche kreisen lies, stopfte er die Pfeife.

Shark Finn bekam die Flasche als erster. Er zögerte nicht, Alkohol machte einem geborenen O’Niall nichts aus.

Sonderlich zu schmecken schien Shark Finn das Getränk nicht.

Ich stellte fest, dass der Krug tatsächlich ein ordentliches Gewicht hatte, ließ es mit dem Schluck vorsichtiger angehen -und dennoch traf mich die Überraschung voll. Ich hatte mit einem scharfbrennenden Alkohol-Geschmack gerechnet, doch das da war ein extrem süßes Getränk mit viel Zucker. Ich schmeckte Holunder und eine andere süße Frucht, die mir nicht bekannt war. Das Gebräu hatte maximal den Alkoholgehalt von mildem Met, wenn denn überhaupt Alkohol vorhanden war.

‹Interessant.›, kommentierte Katze und nahm auf meinem Schoß Platz.

Nachdem die Flasche wieder bei Laughs To Much angekommen war, nickte er mir zu. 

Ich begann zu trommeln.

Der Native trällerte einen markanten Laut im Rhythmus und entzündete im Anschluss die Pfeife. Er nahm den Kopf in den Nacken und pustete den Rauch in den Himmel. „Der erste Zug ist immer für die Sonne.“, erklärte er mit tiefer Stimme. „Nachts bewahren die Sterne den Rauch für die Sonne und geben ihn ihr, wenn sie am Morgen erwacht.“ Dann nahm Laughs To Much nacheinander zwei weitere Züge und blies den Rauch zunächst nach links und dann nach rechts. 

Ich nahm astral wahr. Der Tabak verfügte definitiv über eine astrale Komponente. Der Rauch hinterließ für einen Augenblick einen astralen Abdruck. Ein Geist mit der Gestalt eines Waschbären war aufgetaucht und spielte mit dem Rauch.

Ich vermutete mal, dass sich im Tabak zumindest Peyote - eine Kaktusfrucht mit halluzinogenen Stoffen-  befand und hoffte, dass es sich nicht gleich um so etwas potentes wie Red Mescalin handelte. Denn ein solcher Cocktail aus psychogenen Drogen würde uns mit ziemlicher Sicherheit umhauen. Zumindest ein Stoff, der Mundäne astral wahrnehmen lies, würde dem Tabak aber zugefügt sein müssen, wenn Laughs To Much sein Versprechen halten wollte.

Shark Finn sah fragend zu mir, als Laughs To Much ihm die Friedenspfeife reichte und ihn aufforderte, daran zu ziehen. Ich nickte und so zog er daran. 

Sicher, wir kannten Laughs To Much nicht, aber auch wenn er ein sehr eigentümlicher Mann zu sein schien, so hatte ich nicht das Gefühl, dass er uns an den Kragen wollte.

❅❅❅

‹Und dein Gefühl hat dich so gut wie nie getrogen, Drachenkätzchen.›

❅❅❅

Als Shark Finn den Rauch Richtung Himmel blies, tauchte ein Geist mit der Gestalt eines Büffels hinter unserem Gastgeber auf und kam entspannten Schrittes zu Shark Finn gelaufen, um sich neben ihm nieder zu lassen. 

Shark Finn wurde noch vor seinem zweiten Zug an der Pfeife astral aktiv und seiner Reaktion nach, hatte er den Büffel bemerkt und empfand dessen Gegenwart durchaus als angenehm.

Nun war ich an der Reihe. 

Ich konnte bereits astral wahrnehmen, also änderte sich nach dem ersten Zug zur Sonne nichts. Außer, dass mir schlagartig bewusst wurde, warum wir vorher das Zuckergetränk genommen hatten. Der Zucker beschleunigte die Aufnahme einiger Stoffe in den Blutkreislauf.

Ganz so potent wie RedMesc war der Tabak nicht, aber das hier war definitiv mehr als nur Peyote.

Zu mir kam ein Puma und setzte sich so dicht neben mich, dass ich seinen Atem spüren konnte. 

Er, oder nein, es war ein weibliches Wesen, wie ich plötzlich wusste, kam mir kräftig und ziemlich real vor. Meine Sinne schienen sich geschärft zu haben, das Bild um mich herum wurde klarer oder auch nicht. Ich war mir nicht ganz sicher.

Katze gab von ihrer Position keinen Millimeter preis, aber sie wandte dem Puma ihren Kopf zu und sah ihn eindringlich an.

Bubbles war an der Reihe und sie hatte den Rauch kaum ausgestoßen, als der Waschbär keckernd zu ihr gelaufen kam und mit ihr zu spielen begann.

Ich trommelte den Rhythmus, so als wäre mir die Musik der Native Americans genau vertraut, ja immer schon vertraut gewesen. Der Rhythmus kam wie von selbst. 

Zu BCG gesellte sich lautlos eine Eule, neben Mr.Jack nahm ein Bär Platz, zu Columbo kam ein Hund, der wahrscheinlich alle Rassen der Welt in seinen Vorfahren vereinigte und bei TriXhot ließ sich ein Adler nieder. 

Niemand aus der Runde verweigerte die Friedenspfeife. Alle schienen sich ausgesprochen wohl zu fühlen und alle waren von ihrem Tiergefährten fasziniert.

Oh, und neben Laughs To Much glaubte ich einen Kojoten zu sehen.

Ich war mir aber nicht ganz sicher, denn der Puma stupste mich mit seiner Nase an die Hand. 

Sie verlangte meine Aufmerksamkeit. 

Dann hob sie den Kopf und atmete tief ein. Ihre Nase kräuselte sich. Sie nahm die Witterung auf und ich sollte es ihr gleich tun.

Ich versuchte es und holte tief durch die Nase Luft und urplötzlich roch ich mehr als nur das Feuer und gebratenes Fleisch.

Da waren unzählige Details, die auf mich einfluteten und die ich nur schwer zu sortieren vermochte. Doch ich versuchte es und langsam aber sicher ergab sich ein dreidimensionales Geruchsbild. Zuckerperlen waren übrigens auch darunter.

Die Friedenspfeife kreiste ein zweites Mal, diesmal zog jeder nur zwei Mal daran und pustete einmal nach links und rechts. 

Als ich die Pfeife weiter gab, musste ich aufpassen, dass der Waschbär sie mir nicht stahl.

[Song 6: Johnnyswim - Heart Beats4] Ich trommelte, oder nein, ich trommelte nicht mehr, aber der Klang der Trommeln war noch da. Nein, das waren keine Trommeln, das war der Schlag meines Herzens.

Mein Herz schlug im Rhythmus der Trommeln der Amerikanischen Ureinwohner.

Das Pumaweibchen stieß mich mit dem Kopf an. ‚Steh auf!‘, schien sie zu sagen, ‚Komm, die Nacht ist jung, es ist Zeit für die Jagd.‘

Ich ließ mich nicht zweimal bitten. 

Ich wollte rennen.

Sie sprang auf und ich folgte ihr.

Irgendwo rief eine Eule.

❅❅❅

Sie beginnt zu rennen und ich renne mit ihr.

Unsere Herzen schlagen im gleichen Takt.

Sie führt mich durch den Wald und noch weiter hinaus zu den Bergen. 

Sie lehrt mich die Gerüche des Wasser und der Pflanzen. 

Als ich beim Versuch einen Fisch zu fangen ins Wasser falle, bekomme ich von ihr einen Blick zugeworfen, der mir vertraut scheint, doch ich weiß nicht woher. Der Blick sagt, ‚Du dummes Kätzchen, pass doch besser auf!‘ Der Blick ist auch voller Zuneigung.

Sie führt mich zu der Spur eines Hasen.

Das ist Beute. 

Ein Hase ist Beute. 

Ein Hase ist klein, aber für den Anfang genug.

Es dauert, doch kurz nach Morgengrauen fange ich den Hasen, als er vorwitzig aus seinem Loch kommt.

Sie lässt ihn mir. Ich darf ihn fressen. Es ist herrlich meine Zähne in sein Fleisch zu schlagen und das warme Blut zu schmecken. 

So klein finde ich den Hasen gar nicht. Ich werde satt. Wenn man ein Pumakätzchen ist wie ich, dann reicht ein Hase.

Sie bringt mir alles bei. Wie man das Fell pflegt, wie man springt und wie man das Revier eines anderen Puma meidet. Wie man Metamenschen umgeht. Wie man sein Revier markiert und wie man eine Höhle für den Winter findet.

Schon bald bin ich gut genug einen Hirsch zu jagen.

Voll gefressen genießen wir die warme Sonne des Herbstes, nachdem wir einen gewaltigen Elch erlegt haben.

Manchmal lässt sich kein großes Tier finden, dann müssen wir uns mit Eichhörnchen begnügen. Um ein Stinktier zu fangen, muss man besonders trickreich sein.

Ich wachse schnell und irgendwann bin ich fast so groß, wie sie. 

Puma sind starke und kluge Katzen und müssen auch im Winter keinen Hunger leiden.

In der ersten Frühlingssonne des neuen Jahres jagen wir ein letztes Mal gemeinsam, dann ist es Zeit für mich, eigene Wege zu gehen. 

Ich bin skeptisch, als ich das erste mal ein Männchen treffe, das um mich wirbt.

Bevor ich meine ersten Kätzchen gebäre, ist mir etwas bang, aber alles verläuft gut.

Ich bin eins mit der Natur. 

Ich bin ein Teil davon.

Jetzt lehre ich sie das Jagen und Leben, wie es mir beigebracht wurde.

So kommt ein Sommer und geht ein Winter.

Einmal.

Zweimal.

Viele Male.

Bei jeder Jagd packt mich das Fieber. Von dem Moment, an dem ich die Witterung aufnehme, bis hin zu dem Augenblick, an dem ich meine Zähne in die Beute schlage.

Mein Herz schlägt im perfekten Rhythmus, wenn ich renne, schleiche oder springe.

Wenn ich auf meinem Lieblingsfelsen in den Bergen liege, der Wind mein Fell streichelt und die Sonne meine Muskeln wärmt, sehe ich dem Funkeln der Sonnenstrahlen auf dem tanzenden Wellen zu.

Wenn ich döse, scheint es mir manchmal, als wäre da ein anderes Leben gewesen, als würde mir etwas fehlen. Dann hebe ich meinen Kopf und blicke in dem Himmel. Ich versuche Witterung aufzunehmen, von dem, was da fehlt. Doch die Spur ist flüchtig, wie ein Blatt im Wasser. 

Bestimmt ist es einfach nur Zeit, wieder auf die Jagd zu gehen.

Nach einem Winter der vielen Wintern folgte, fällt es mir schwer, mehr als nur Eichhörnchen zu fangen. 

Auch der Duft eines Männchen interessiert mich nicht mehr.

Ich mag mich auch nicht mit dem Bären um die Lachse streiten.

Auf der Jagd fühle ich mich immer noch ungebändigt und frei. Der Hase dort hinten ist klein und jung. Ich könnte ich leicht fangen. Doch ich bin müde.

Auf meinem Lieblingsplatz sehe ich dem Glitzern zu.

Der Hunger vergeht diesmal von allein.

So ist der Lauf des Lebens.

Das Trommeln meines Herzens wird langsamer.

Ich bin zufrieden.

Das letzte, was ich höre, ist ein Schnaufen. Der Wind trägt den Geruch eines Büffels zu mir. 

Aber ich habe keinen Hunger.

 ☞ Fortsetzung

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*