Episode 10/16: Summercamp in Redmond (Run 68)

WELCOME BACK, CHUMMER!

ON THE RUN1: Jaws, Metge, Snowcat, Shark Finn, Tiernan und TriXhot

TIMESTAMP2: 06/05/75; 09:35:22 - 06/10/75; 04:48:19

SPOILERALERT: Summercamp in Redmond enthält Spoiler auf Manhunt aus Sprawl Wilds3.

RUN NO: 68

TODAYS HEAD UP: Die Redmond Barrens sind ein Dschungel, manchmal sogar im wahrsten Sinne des Wortes. - Host

POSTED BY SNOWCAT:

Bald geht die Sonne auf und ein neuer heißer Tag bricht an, der die Smaragd-Stadt wieder zum Kochen bringen wird. 

Die Hitzewelle hält nun schon über 14 Tage an. Allein der Gedanke an die Temperaturen lässt so manchen schwitzen.

Wohl dem, der wie ich ein nach modernster Öko-Technik klimatisiertes Haus besitzt und sich die Stromrechnung für die Kühle auch leisten kann.

Im Aboretum hat es bis vor wenigen Minuten noch geregnet. Jetzt summen die kleinen Servomotoren und öffnen einige Fenster, damit die überschüssige Feuchtigkeit abziehen kann. Ich mag den Duft nach Wald und Wiese, der nach dem künstlichen Regen immer durchs Haus zieht.

Hier oben auf dem kleinen Balkon im Aboretum den Tag zu erwarten, beschert mir jedes mal einen perfekten Augenblick, doch ich schweife ab. Denn eigentlich wollte ich von etwas ganz anderem erzählen.

☼☼☼

‹Hast du denn nicht genug Zeit, um abzuschweifen, Drachenkätzchen?›

‹Nein Katze, ausnahmsweise nicht. Denn für den anstehenden Run gibt es doch eine Deadline von jetzt … Moment … noch etwas weniger als 8 Tagen.›

‹Dass es eine Deadline gibt ist mir wohl bewusst, Drachenkätzchen. Das eine ist mit dem anderen jedoch nicht zwangsläufig verbunden.›

‹Das stimmt selbstverständlich Katze. Doch da noch viel zu planen und zu erledigen ist, habe ich keine Zeit abzuschweifen.›

‹So, so Drachenkätzchen. Ich möchte darauf hinweisen, dass du mehr Zeit für alles hättest, würdest du mehr an deine Gefolgschaft delegieren. Und komme mir jetzt nicht damit, dass sie das nicht können. Wenn dem so ist, dann lege dir eine andere Gefolgschaft zu.›

‹Ich verstehe deinen Punkt Katze. Konkreter ausgedrückt, möchte ich nicht abschweifen, damit die Zeit dazu reicht die Geschichte noch vor dem Sonnenaufgang zu erzählen.›

‹Aha. - Drachenkätzchen, wenn du keine Zeit hast, dann setze doch deinen Eisatmen ein, anstatt zu erzählen. Das geht schneller.›

☼☼☼

[Song 1: Lovin’ Spoonful -Summer In The City4] Ich war schon ein bisschen überrascht, als sich vor knapp fünf Tagen mein Commlink meldete und als Absender die private Nummer von Eddy Kosky, dem Besitzer des Cusher 495 aus Redmond anzeigte. So viele Informationen waren nicht mitgeschickt worden, aber ich erkannte den Absender als solchen.

Ich war zum letzten mal vor gut 3 Monaten Gast in Eddys Nachtclub gewesen - nach dem Speed-Dating von Columbo und BCG- hatte an jenem Abend aber nur wenige Worte mit dem Ork gewechselt. Angerufen hatte der Mann mich überhaupt nur so selten, dass ich die Male an einer Hand abzählen konnte. Jedenfalls hatte ich Eddy so viel zu verdanken, dass ich den Farbpinsel augenblicklich an die Staffelei legte und das Gespräch ohne zu zögern annahm.

Eddy erzählte etwas davon, dass ein Freund von ihm Hilfe brauche, die er selbst nicht leisten konnte.

Genaueres besprach sich besser von Angesicht zu Angesicht und darum tauschte ich Kleid gegen eisblaue Jeans-Shorts, weißes Top, T-Shirt und feste Doc Martins in Türkis, schnappte mir Shark Finn, der sich zu Surferschuhen und 3/4-Hose eine Panzerweste überzog und dann bestiegen wir bei 31 Grad Außentemperatur um 10.00 Uhr am Vormittag das klimatisierte SUV, um nach Touristville zu fahren. Die eindeutig beste Gegend von Redmond.

Unterwegs sammelten wir noch TriXhot ein. Wir hatten uns für den Tag verabredet zusammen ein Eis essen zu gehen und die junge Frau war spontan genug, deutlich früher Zeit zu haben und mitzukommen.

„Ich hasse Hitze“, verkündete TriXhot kurz nach dem sie gekleidet in ein schwarz-orangenes Basketball-Shirt, eine schwarze 3/4 Armeehose und orangenen Chucks zu uns eingestiegen war. Sie klang bestimmt, aber dennoch fröhlich, „Nirgends kann man die Babies wegstecken.“ 

Und wenn sie Babies sagte, meinte sie ihre beiden Signatur-Pistolen.

Ich grinste, „Wie wäre es mit einer Handtasche?“

„Nee, das wäre ein Stilbruch.“, konterte TriXhot sofort. 

Es gab zwar solche Handtaschen wie den Chrom-farbenen Rucksack, den ich gerade nutze, aber wahrscheinlich hatte sie dennoch recht.

Die Temperatur war bereits um zwei Grad gestiegen, als wir am Crusher 495 ankamen. Ein paar örtliche Teenager - sie Ganger zu nennen, hätte den falschen Eindruck erzielt - traten aus den Schatten einer Gasse. Für ein paar nuYen würden sie auf unseren Wagen aufpassen. 

Eddy kam uns aus dem Laden entgegen und empfing uns auf der Strasse.

Der Ork war inzwischen faltig und grau geworden, strahlte aber immer noch einen Großteil der Stärke aus, die er besessen hatte, als ich vor mehr als zehn Jahren bei ihm untergekrochen war und Schutz gefunden hatte.

Seine Falten machten mir für einen Moment die Vergänglichkeit des Lebens bewusst, doch sein Lachen ließ mich das sofort vergessen. „Snowcat, du bist aber groß geworden.“, stellte er breit grinsend fest, als er mich herzlich umarmte. „Na, dann kommt mal schnell rein, ich hab auch ne große, kalte Limonade für euch. Genau das Richtige bei der Affenhitze.“, verkündete er.

Sein Freund mit dem Problem hieß Donnie Hua und weilte derzeit tief in den Redmond Barrens auf einer Farm. Kurz nach unserem Eintreffen meldete es sich via Commlink.

Die Verbindung war grottenschlecht und dies, obwohl zwischen uns und ihm wahrscheinlich nur ein paar Kilometer Entfernung lagen. Die Matrix-Verbindung in den Barrens war eben furchtbar, wenn sie denn überhaupt vorhanden war.

Der schlechte Feed konnte nicht darüber hinweg täuschen, dass das Gesicht des Elfen ausgezehrt mitgenommen und verlebt aussah. Seine Augen waren Blut unterlaufen und zudem hatte er noch getrocknetes Blut im Gesicht.

Trixhot raunte, „Da können wir nicht helfen, wenn sie sich beim Zaubern übernommen haben.“ Sie hatte versucht unbeschwert und fröhlich zu klingen, aber der Gedanke daran, dass sich ein Zauberer übernommen hatte, nagte noch an ihr und das war eben mitgeklungen. Zumindest ich hatte das hören können. Laut Eddy war Hua tatsächlich magisch aktiv, allerdings vermutete ich bei dessen Anblickt, dass er die Droge Long Haul genommen hatte, um nicht schlafen zu müssen.

Ich lächelte in die Kamera und begann mit einem simplen Hallo.

Der Elf lächelte leicht zurück, «Hallo. Ja, also ich bin hier auf der Kauer Farm und versuche den Leuten zu helfen und. …»

«Entschuldige, dass ich dich gleich unterbreche, aber ich habe zu allererst eine Frage, wann hast du das Long Haul eingeworfen?», wollte ich frei heraus wissen. 

Hua hob überrascht eine Augenbraue, «Vorgestern irgendwann.»

Ich lächelte, erfreut, weil ich mit meiner Vermutung richtig gelegen hatte und in Richtung Donnie, weil ihn das freuen würde, «Dann ist ja gut. Dann ist noch Zeit. Ich wollte nur wissen, ob zu befürchten ist, dass du gleich einschläfst, aber nun erzähl, was ist los?»

Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht, dann wurde er wieder ernst, «Hier passieren merkwürdige Sachen. Metamenschen verschwinden und zwar mehr als für die Gegend üblich ist. Und es gab vermehrt Tierangriffe» Er seufzte kurz, «Wenn ihr herkommt, dann helft mir bei der Ermittlung und sorgt dafür, dass ich am Leben bleibe.»

Ich nickte, «Gut. Das können wir machen.» 

«Großartig. Des Weiteren könnt ihr noch Vorräte mitbringen, die Eddy euch gibt.» Hua kratzte sich am Kopf, «Ach ja, ich kann euch 20.000 zahlen.»

Ich winkte ab, «Ja, lass mal das mit dem Geld.», erklärte ich. Was Hua überrascht dreinblicken ließ. «Erzähle bitte ein bisschen mehr von dem, was vorgefallen ist.», bat ich.

Donnie holte tief Luft, «Vor ein paar Tagen wurden Körperteile einer Leiche im Fluss gefunden, sie waren im fortgeschrittenen Stadium der Verwesung. Es war natürlich ein SIN-loser. Ich hab mir später die Leiche angesehen und als Todesursache einen Tierangriff festgestellt. Das Opfer wurde regelrecht zerrissen. Auch die Trash People haben erzählt, dass Leute in der Nacht verschwinden. Mehr als sonst. Immer wieder wurden Tierspuren gefunden, niemand weiß, woher es kommt. Ich möchte das klären, weil… » 

Donnie vollendete den Satz nicht.

Ich lächelte, «Wir kommen vorbei. Wir müssen nur noch mal kurz nach Hause, denn auf die Tiefen der Redmond Barrens sind wir nicht vorbereitet.», erklärte ich.

Eddy sagte uns zu, uns zur Farm bringen zu können. Nicht persönlich, sondern durch einen der Konvois, die regelmäßig dorthin fuhren.

Man kann nicht einfach in die Redmond Barrens fahren. Auch nicht, wenn man bewaffnet ist. Für die Gegend muss man die Balance finden, zwischen ‚wir sind die größten Raubtiere überhaupt‘ und ‚ich bin unauffällig und gehöre hierher‘.

Oh, mit genügend Waffen und dem richtigen Fahrzeug kann man sich selbstverständlich  jederzeit dort bewegen, allerdings darf man sich dann nicht davor scheuen Blut zu vergießen. 

Oder aber man läuft unauffällig zu Fuss durch die Barrens, dann muss allerdings die aktuelle Lage dort kennen und man sollte nicht all zu viel dabei haben.

☼☼☼

‹Oder aber, man setzt seinen Eisatem ein, Drachenkätzchen.›

‹Ja, das oder man nutzt einen der Konvois, die so etwas sind wie eine Karawane durch die Barrens. Die Metamenschen und Güter von A nach B und C bringen.›

☼☼☼

Mit einer solchen Karawane würden wir dank Eddy reisen.

Nach einer kurzen Retour zum Bootshaus, bei der wir Equipment, Tiernan, Jaws und wegen der möglicherweise Verletzten Bewohner der Farm - immerhin lebten dort mehrere Familien- Metge eingesammelt hatten, strudelten wir bei inzwischen extrem heißen 36 Grad vor dem Crusher 495 ein.

Wir kamen ziemlich martialisch daher. 

Tiernan trug zwei abgesägte Schrotflinten gekreuzt über den Rücken und hatte zudem einen Crossbow dabei. Die Flinten sind übrigens extravagant verziert. Die Sunblocker-Streifen in seinem Gesicht waren aus  Tarnfarbe.

Jaws trug gepanzertes Stadt-Tarn - er sah mit seinem Cybergebiss, welches er hier offen zeigte, so wie so schon gefährlich aus - und er hatte zudem sein leichtes Maschinengewehr dabei. 

Shark Finn hatte sich nicht umgezogen, jedoch gleich eine Waffen-Kategorie höher als Jaws gegriffen und ein MMG mitgenommen. 

TriXhot, ‚nur’ mit ihren beiden Pistolen ausgerüstet, verdrehte die Augen und meinte, „Oh man, Jungs immer mit ihrem Penis-Ersatz.“ Schweiß zeichnete sich auf ihrem Gesicht hab. Gepanzerte Klamotten waren bei über 36 Grad einfach zu warm, aber man schwitze eben lieber ein paar Stunden, als hinterher ein Leben lang tot zu sein.

Im Geiste sang ich eine Ode auf meine Temperaturtoleranz. Ich hatte nur Second Skin-Panzerung unter die nun lange Jeans gezogen und war mit meiner Fubuki-Pistole, MP, Schwert und Black-Tooth-Dagger bewaffnet. Dank der Temperaturtolerant schwitzte ich kein bisschen

☼☼☼

‹Du hättest auch deinen Eisatmen einsetzten können, Drachenkätzchen.›

‹Eisatem ist eine Waffe, Katze und dient nicht zur Abkühlung.›

‹Ich bin überrascht, dass dir das bewusst ist Drachenkätzchen und was die Abkühlung angeht, das hängt dann ganz von der Perspektive ab, Tote sind ziemlich kalt.›

☼☼☼

Der Konvoi bretterte die Strasse runter. 

Gut 40 Personen kamen in Autos und Busen angefahren. Die Fahrzeuge waren aus Teilen zusammen geschweißt und an diversen Stellen mit Metallplatten verstärkt. 

Fenster hatten die Wagen alle schon lange nicht mehr uns somit stellte die Frischluft die einzige Klimaanlage dar, die es auf einer Fahrt mit dem Konvoi je geben würde. Die Crimson Crush trugen Panzerwesten und waren bis an die Zähne bewaffnet. Ihre Wagen waren durch die rote Farbe ebensogut zu erkennen, wie ihre Besitzer.

Eine bildschöne Troll-Frau stieg vorne aus oder besser von einem hinten offenen, höher gelegtem Gaz Niki Van ab. Die Farben der Crimson Crush standen der exotischen Mischung der Frau aus kaukasisch, indisch, indonesisch und Native American richtig gut zu Gesicht. Sie war wirklich attraktiv und nicht nur für einen Troll. Ihre Hörner waren geschnitzt und so bemalt, dass sie aussahen, als züngelten Flammen heraus. 

Die Trollin nickte Eddy zu und betrachtete und mit einem abschätzendem Blick.

Der alte Ork stellte uns die Frau als Arona vor.

„Toller Name.“, meinte ich sofort und brach damit das Eis ein wenig auf. 

☼☼☼

‹Eis, wie witzig, dass du das jetzt sagst, Drachenkätzchen.›

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„Hängt die Taschen draußen dran, dann habt ihr zusätzlich Schutz.“, meinte Arona. 

Metge und TriXhot warfen sich einen beunruhigten Blick zu. 

Tiernan, Jaws und Shark Finn luden das Zeug von Eddy in den Wagen. Dann stiegen wir ein. Ich ging nach vorn zu Arona, selbstverständlich hatte ich sie vorher um Erlaubnis gefragt.

☼☼☼

‹Eigentlich hatte das Troll-Weibchen, dir das sogar angeboten, Drachenkätzchen.›

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[Song 2: Eminem - Survival4]  Hooonk, Hooonk! 

Arona zog an der großen Truckerhupe und alle starteten ihre Motoren. Wir fuhren an der Spitze des Konvois.

Vorsichtshalber bat ich meinen Luftgeist, uns vor Unfällen zu schützen.

„Bis zur Kauer Farm werden wie so Anderthalb Stunden brauchen.“, erklärte Arona, als sie das Monstrum von aufgemotztem Wagen gekonnt in Bewegung setzte.

Nach wenige Metern verließen wir die zivilisierte Welt und tauchten in die Wildnis der Strasse ein.

Die Redmond Barrens haben mehr von einem Kampfgebiet, als so manches Schlachtfeld. Fahrende Fahrzeuge auf den Strassen sind rar gesät. Der Asphalt ist in einem schlechten Zustand. Löcher, Risse, Geröll und Barrikaden verhindern, dass man eine hohe Geschwindigkeit aufnehmen kann. Wasser-, Matrix- und Stromversorgung werden zum großen Teil illegal abgezweigt, wenn sie denn überhaupt verfügbar sind. Die meist niedrigen Wohnhäuser sind verfallen, mit Plastik verstärkt oder durch Hütten und Trailer ersetzt worden.

Metamenschen, ja, davon gibt es viele in den Barrens und an heißen Tagen wie diesen, kann man sie sogar sehen. Sie tun sich in Gruppen zusammen. Einzelne Personen gibt es auch, aber die haben entweder nichts, was man ihnen nehmen kann oder sie lassen sich nicht blicken.

Und dann gibt es da noch die Anderen. Wesen, die nicht zu den üblichen Rassen von Metamenschen gehören oder gar überhaupt keine Metamenschen sind.

Ich wusste genau, wie es Redmond war. Ich war dort aufgewachsen.

Wodurch ich auch wusste, dass man auf den neuesten Stand an Informationen sein musste, um die richtigen Routen und Gegebenheiten zu kennen. Ich lebte schon seit Jahren nicht mehr dort und wegen genau dieser fehlenden aktuellen Informationen war ich froh, dass Arona uns bis zur Kauer-Farm brachte.

Nach gut 45 Minuten ereignisloser Fahrt- man hatte hin und wieder eher halbherzig und mit ausreichend Abstand auf den Konvoi geschossen - hielt die ganze Karawane an, um neue Gäste aufnehmen.

In diesen Teil von Redmond verirrten sich keine Touristen. 

Das harte Leben in den Barrens zeichnete sich besonders in den Auren der Metamenschen ab. Mangelernährung in körperlicher und seelischer Hinsicht hinterließen Spuren in Form von Rissen, Wirbeln und Flecken. Dennoch zeugten all diese Auren von einer Stärke, die man bei Konzernangehörigen oder Mitgliedern der High Society niemals finden würde. Das Leben setzte sich auch hier durch. 

Um das noch einmal hervorzuheben, hier gibt es eine Buslinie, der die Metamenschen von A nach B bringt. Nur hat sie eben die Form eines bewaffneten Konvois. 

Viele Erinnerungen fluteten über mich hinweg. Die Redmond Barrens waren eine Heimat, zu der man nicht gerade gerne zurückkehrte und dennoch waren sie eine Heimat gewesen. 

Mir kam eine lustige Geschichte zu Thema Teufelsratten in den Sinn und nachdem ich sie erzählt hatte und Arona mitbekam, dass ich hier aufgewachsen war, taute sie noch weiter auf, als ich sie durch meine Art hatte auftauen können.

☼☼☼

‹Der Einsatz von Eisatem hätte dir all die Mühe erspart, Drachenkätzchen.›

☼☼☼

Nach mehr als einer Stunde Fahrt hupte Arona erneut, die anderen hupten zurück und dann verließen wir den Konvoi und dessen Route.

Nach 15-20 weiteren Minuten, zuletzt war die urbane Gegend deutlich ländlicher geworden, bekamen wir das Gelände der Kauer Farm in den Blick. Es war von einem 6 Meter hohem Zaun umgeben. Das verstärkte Tor war geschlossen. Man sah sofort, dass hier etwas merkwürdiges vorgegangen war. Überall lagen tote Tiere herum. Vom Vogel über den Strassenhund bis hin zu diversen Ratten und Teufelsratten, war alles zu sehen.

Arona hupte und dann kamen zwei menschliche Männer gelaufen, um uns das Tor zu öffnen. 

Auf der Farm selbst hatte man den Schaden der Nacht zumindest optisch beseitig. Tote Tiere waren keine zu sehen und es wirkte aufgeräumt und heimelig. 

Hütten aus Plaststeel, Wellblech, Ziegeln und Decken waren auf einer Seite des Geländes hübsch nahe eines großen Haupthauses angeordnet. Es gab sogar Blumenkästen vor den Fenstern. 

Auf der anderen Seite des Geländes befanden sich die Gewächshäuser, Lager und technischen Anlagen der Farm. 

Bei der Kauer-Farm handelte es sich um eine hydroponische Farm. Zuchtbecken für essbare Fische liefern das Wasser für Gemüse und Obst und reichern es mit Fischexkrementen an. Die Erde der Beete reinigt das Wasser, welches dann wieder an die Fische zurück geführt wird. Dem Kreislauf muss im Vergleich wenig Frischwasser zugesetzt werden. 

Donnie Hua kam aus dem Haupthaus. So wie ich feststellte, dass er mit seinen mehr recht als schlecht angebrachten Bandagen noch fertiger aussah, als via Matrix, stellte er fest, dass wir real noch viel besser aussahen, als er gedacht hatte. Seine Augen weiteten sich beeindruckt. 

Hua wurde von einem Mädchen im Teenager-Alter begleitet, welches sich hinter ihm versteckte und wirkte, als wäre sie Jahre jünger, als sie eigentlich war. Donnie und Chaaya, wie mir das Mädchen vorgestellt wurde, schien eine Art Vater-und-Tochter Beziehung zu verbinden.

Metge fragte sofort nach der ersten Begrüßung, ob er die Verletzten sehen dürfe. Seine Worte waren eine Frage, aber sein Ton hatte eigentlich verlangt, dass er die Verletzten sah.

Ala Hua nun meinte, wir müssten erstmal reingehen und im Anschluss den Besitzer, Singh, kennenlernen, behagte das dem Mediziner gar nicht. Er ließ sich nur schwer beschwichtigen und war auch gegenüber meinen Argumenten via Commlink uneinsichtig, man müsse sich mit dem Besitzer doch gut stellen. Am Ende lief es darauf hinaus, dass er nicht mit zu Besprechung wollte und ich ihn benachrichtigen sollte, wenn er zu den Patienten könne. 

Metge war eben vielmehr Arzt, als Shadowrunner. 

☼☼☼

‹Vielleicht hättest du deinen Eisatem einsetzen sollen, um diesen Metge zu überzeugen, Drachenkätzchen.›

‹Das hätte ihn in jedem Fall ruhig gestellt, aber nicht überzeugt Katze.›

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Auf dem Weg zum Haupthaus nahm ich astral wahr. 

Es gab keine Hintergrundstrahlung. 

Donnie ist tatsächlich magisch aktiv, sein Magieattribut würde ich als fortgeschritten beschreiben und irgendwas war an der Aura der extrem scheuen und stummen Chaaya merkwürdig.

Mehr sogar, ihre Aura war und ist ein belastender Anblick. Es gibt tiefe, emotionale Narben, die sich wahrscheinlich sogar neurologisch nachvollziehen lassen. Als Kind ist Chaaya sicher schlecht versorgt worden. Da gibt es so einiges, was sich auch in meiner Aura wieder finden lässt, wenn man sehr genau hinsieht und sich auskennt. 

Das alles war selbstverständlich nicht das Merkwürdige an der Aura. Bemerkenswert war nämlich, dass irgendetwas einen Abdruck in Chaayas Aura hinterlassen hatte. Ein Naturgeist oder zumindest der Teil eines Naturgeistes, war mit ihr verschmolzen.

☼☼☼

An dieser Stelle greife ich mal ein Stück vor. 

Es hatte in den vergangenen Tagen mehrere Momente gegeben, in denen ich mich fragte, ob Chaaya nicht für die Tierangriffe auf die Farm verantwortlich gewesen war. Selbstverständlich unterbewusst, denn dem Mädchen selbst haftet nichts Böses an. Zum Glück stellte sich heraus, dass dem nicht so war. Allerdings machten wir auf unserer Suche nicht eine, sondern zwei Ereignisketten aus, die unabhängig voneinander stattfanden. Eine dieser Ereignisketten ist ungeklärt geblieben und ich könnte mir vorstellen, dass die zerrissenen Körperteile und die aufgehängten Leichen sehr wohl irgendwie mit Chaaya zu tun haben. Genau darum wurden wir eigentlich gerufen. Die Vermutung lag Nahe, dass diese Dinge eigentlich dem Schutz der Farm dienen sollten. Darum werden uns die Bewohner sicher verzeihen, dass wir nicht all zu sehr darauf eingegangen sind, dass wir nicht heraus gefunden haben, wer dafür verantwortlich ist.

Ich werde mit der Farm in regem Kontakt bleiben, ihnen die eine oder andere Drohne mit Versorgungsgütern vorbei schicken lassen und Chaaya studieren und die Geschichte um sie herum im Auge behalten. Sollte es nötig sein, werde ich meinen Mentor oder meine Liebsten beratend hinzuziehen.

☼☼☼

Im Gemeinschaftshaus wurden wir Singh vorgestellt. Der Mann war ein Sikh, definitiv indisch-stämmig und er trug zu seiner weichfließenden Hose und seinem Hemd, Turban und gepflegtes Schwert. Auch er sah abgerackert aus, doch seine angenehme Stimme zeugte von einer inneren Wärme und seine Worte bewiesen, dass er sich auf den Umgang mit Metamenschen verstand. Metge musste mit der Behandlung seiner zukünftigen Patienten noch weiter warten, denn Singh bat in die Kantine, zu Fisch-Curry und Naanbrot, das übrigens ausgezeichnet schmeckte. 

Danach dufte Metge sich um die bereits mit allen hier verfügbare Mitteln versorgten Bewohner der Farm kümmern, während der Rest von uns mit Hua in eine Art Büro ging, wo der Elf noch einmal genauer erzählte, worum es ging.

„Kurz nach unserem Gespräch hat sich ein Nebelluchs förmlich aus dem Nichts manifestiert und versucht mir die Eingeweide durchs Rückgrat rauszuziehen. Darum die frischen Verbände.“

„Du solltest das unbedingt von unserem Arzt ansehen lassen.“, meinte ich dazu.

Donnie winkte ab, „Ach was, das geht schon. Ist nicht so wichtig. Aber danke, nachher mache ich das. Also, die zerrissenen Körperteile, die könnte durchaus ein Raubtier verursacht habe, ein Gabriel Hound zum Beispiel. Das alles hat mich an einen Fall von vor 15 Jahren erinnert. Dabei hat ein Magier mit viel Zorn einen Naturgeist beschworen und Rache an denen genommen, die er für korrupt hielt. Mit Hilfe von Tierkontrolle hat er eine Reihe von Anschlägen verübt. Zum Beispiel wurde eine alte Catlady von ihren über 20 Katzen attackiert und gefressen.“

Bei dem Gedanken schüttelte es mich wirklich.

Donnie fuhr fort, „Lone Star Magier konnten den Verantwortlichen aufspüren und haben den Mage getötet. Es hat hier in den letzten 3-5 Jahren immer wieder verstärkte gewalttätige Kontakte mit Wild gegeben. Vielleicht ist der Geist von damals frei geworden. In den letzten Wochen wurde dann hier auch die Farm angegriffen und die Abstände der Angriffe verkürzen sich weiter.“

Donnie erklärte, „Es gibt zwei Orte, die ihr euch ansehen solltet. Einer ist nördlich von hier. Ein Ganger Lager. Von dort wurden Geräusche von Kämpfen gemeldet und seitdem hat man von dort nichts mehr gehört und ein zweiter Ort, im Sünden, da ist ein Squatter Dorf. Die Leute vom Dorf kommen regelmäßig vorbei, um andere Güter gegen Essen zu tauschen, letzte Woche sind sie nicht aufgetaucht.“

Wir besprachen mit Hua, die beiden Orte erst am nächsten Tag anzusehen. Heute wollten wir uns um die Verletzten und die Sicherheit der Farm kümmern. Denn wenn es in den letzten Tagen vermehrt zu Angriffen auf die Farm gekommen war, dann befand sie sich vielleicht im Fokus von wem auch immer.

Nachdem wir uns auf der Farm umgesehen hatten, hatte ich mit dem Bootshaus via Satelliten-Verbindung gesprochen und um die Sendung von Medkits, Spielzeug und Süßigkeiten per Drohne gebeten.

Tiernan hatte der Liste noch Werkzeuge, Baumaterial und Gewürze beigefügt.

Noch vor Einbruch der Dunkelheit wurde alles geliefert. 

Tiernan und Jaws reparierten und optimierten die Pumpenanlage der Farm. Trixhot kümmerte sich um das Verteilen von Munition und die Pflege von Waffen.

Metge versorgte die Patienten und ich sah in Begleitung von Shark Finn überall vorbei, heiterte die Kinder und Kranken auf und koordinierte mit Hua und Singh den Plan für die Nacht.

Nach dem besonders schmackhaften Abendbrot im großen Kreis der Farmbewohner, baute Tiernan einen großen Trideoshirm auf, den er ebenfalls auf die Liste gesetzt hatte. Die Zeit bis zur Fertigstellung der Installation überbrückte ich, indem ich eine Geschichte erzählte, die ich mit einer Trideo-Illusion und ein paar kleinen unmagischen Zaubertricks aufpeppte. Zum Lohn erhielt ich große, staunende Augen und bekam jede Menge Applaus obendrauf.

Ich hatte Chaaya ein Spielzeug geschenkt, für das sie sich interessiert hatte. Von da an hatte sie mich immer im Auge behalten. Nach der Trideoillusion hielt sie sich in meiner Nähe auf und schenkte mir hin und wieder ein Lächeln.

Bloody Guts hatte Informationen über Donnie Hua geschickt. Der Elf war bei Lone Star gewesen, und hatte sich vor ein paar Jahren zur Ruhe gesetzt. Er galt als guter Forensiker, wurde jedoch über die Jahre hinweg weniger befördert, als normal gewesen wäre. Vielleicht, weil er sich nicht befördern hatte lassen wollen, da er im Herzen immer Cop geblieben war.

In weiser Voraussicht hatten wir Wachen eingeteilt, einen Wachplan erstellt und dafür gesorgt, dass alle Bewohner ihr Nachtlager im Gemeinschaftshaus aufschlugen.

Ich will mich mit den Ereignissen derNacht nicht länger als nötig aufhalten.

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‹Wenn du die Geschichte eiskalt abkürzen möchtest, Drachenkätzchen, könntest du auch einfach deinen Eisatem einsetzten. Das spart jede Menge Zeit.›

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Genau, Eisatem. 

Gen Mitternacht meldeten die von uns installierten Sensorstäbe sich nähernde Barghests und zwar sechs Stück. Ihr Heulen konnte einen in Angst und Schrecken versetzten. Auch von der anderen Seite näherten sich Tiere. Ratten und Teufelsratten zu Beispiel. Noch weiter hinten hatten wir Höllenhunde entdecken können. Das Lager geriet in helle Aufregung. Ein Angriff stand bevor. 

Wir gingen in Kampfposition. Ich sah mich astral um und entdeckte einen magischen Punkt am Himmel, der sich mit normaler Optik als Eule darstellte.

Während mein Team die Hunde schon mal unter Feuer nahm, ließ ich mich durch Aravilar verschleiern, wandelte mich in Drakeform, erhob mich in die Luft, fand die Eule, ascannte sie, stellte fest, dass sie ein Zauberer in Tiergestalt war, wollte verhindern, dass er das Dorf angriff und pustete sie mit meinem Eisatem an.

☼☼☼

‹Ja, Drachenkätzchen, du hast ihn einfach geschock-frostet und vom Himmel gepustet. Ohne irgendetwas zu sagen.›

‹Vielleicht hatte ich auch nur Angst, er könne mich entdecken und mich anzaubern, Katze.›

‹Ach Schnickschnack Drachenkätzchen! Erzähle mir doch nichts von Angst. Du solltest langsam wissen, dass ich sofort erkenne, wenn du lügst.›

☼☼☼

Mit dem Absturz der metamenschlichen Gestalt, denn der männliche Zauberer hatte sich in seinem Tod in seine Gestalt zurück verwandelt, verloren die angreifenden Tier an Tempo, blieben bald darauf stehen und drehten ab.

Ich kehrte zu den anderen zurück.

Die weitere Nacht verlief ruhig.

Gleich nach Sonnenaufgang begaben TriXhot, Finn und ich uns auf Spurensuche. 

Der Mann war beim Aufschlag in mehrere Teile zerbrochen, die über Meter verteilt umher lagen. Da ein Gestaltwandlungszauber das Equipment nicht mit verwandelt, hatte er weder Kleidung an, noch irgendetwas dabei.

Trixhot fand den linken Arm und formte die Hand zum Stinkefinger. „Was hast du nur mit dem gemacht?“, fragte sie breit grinsend.

Für den Fall der Fälle nahm ich Fingerabdrücke. Shedim-Besuch mussten wir bei den Einzelteilen nicht befürchten, also beschränkten wir uns darauf, die Teile zur Seite zu räumen und den Kadaver dem Lauf der Welt zu überlassen.

Nach unserer Rückkehr zur Farm brachen wir nach kurzer Rücksprache mit Hua und Singh gleich wieder auf. Weitere Tierangriffe waren ausgeblieben und wahrscheinlich mit dem Tod des Zauberers generell vorbei. Dennoch blieb Jaws zur Vorsicht auf dem Gelände.

Da wir noch einen Job zu machen hatten und in Ermangelung weiterer Hinweise - die Kleidung der Eule würde irgendwo liegen, aber das konnte überall sein - machten Shark Finn, Tiernan, Trixhot, Metge und ich uns auf, die beiden Orte anzusehen.

Hua gab uns ein Forensik Kit mit. Singh bat uns im Shanty Town, also im Squatter-Dorf, Vladimir, dem Anführer, einem alten Ork mit grauen Haaren, herzliche Grüße auszurichten.

Arona war zwar auf der Farm geblieben, um uns bei Bedarf fahren zu können, doch für sie und ihren Gaz Niki Van war das Gelände nicht geeignet, also gingen wir zu Fuss.

Ich zog meinen Chamäleon-Suit an, stellte ihn auf Schwarz, nutzte Sonnencreme, verfasste eine erneute Ode an die Temperatur-Toleranz und band mir ein Bandana um den Kopf, um die Kapuze der Panzerung nicht nutzen zu müssen.

Im Shanty Town war Platz für 30 Leute.

Der Gestank des Todes lag in der Luft.

Tier-Kadaver und Leichen lagen umher. 

Die Gewalt, die Verzweiflung und die Morde, die hier stattgefunden hatten, hatten sich in der Umgebung als Hintergrundstrahlung nieder gelegt.

Wir sahen uns um und analysierten die Spuren, die wir fanden.

Vor 8 Tagen hatte hier ein Blitzüberfall stattgefunden. Die Leichen waren entweder männlich oder alt oder beides. Man hatte die Bewohner aus ihren Hütten gezerrt. Diese hatten sich verteidigt, so gut es ging. Tiere waren niedergeknüppelt worden, denn sie hatten zu den Angreifern gehört. Es waren sogar Köder für die Tiere ausgelegt worden, wahrscheinlich damit sie sich schon in der Nähe der Squatter-Dorfes aufhielten.

Vladimir war einer der Toten. Ich schloss ihm die Augen und deckte ihn zu. 

Die Kinder und Frauen fehlten. Es gab Abdrücke von Offroad-Motoradern und Schleifspuren. Offenbar hatte man Frauen und Kinder weggebracht. 

Metge fand noch heraus, dass man einige Bissspuren in den Toten durch Schüsse getarnt hatte, ein Fakt, der sich uns er später erschließen würde.

Die Schleif-Spuren führten in Richtung der Plastic-Jungles.

Wir reihten die Toten behelfsmäßig nebeneinander auf, schossen ihnen wegen der Shedim in den Kopf und deckten sie im Anschluss zu. Das war nur eine Geste, den Rest würden Aasfresser erledigen.

An dieser Stelle muss ich für alle nicht Seattle ein Wort zu den Plastic-Jungles5 verlieren.

Die Kunstoff-Dschungel sind ein außergewöhnlicher Anblick, selbst für Seattle Maßstäbe. Morgen von schmutzig-grauen und zerfetzten Vordächern aus Biokunststoff erstrecken sich über Stützstreben hoch in den Himmel und erschaffen darunter eine nahezu tropische Welt. Warm und gefüllt mit viel Grün, werden Regenwasser und Luft durch das Biokunststoff Netzwerk und das Pflanzenleben gefiltert. Dort wachsen kleine Bäume und Sträucher, kriechende und kletternden Reben und exotische Blüten in allen Farben des Regenbogens. Die Luft ist mit einem betörenden Duft erfüllt. Unter dem Blätterwald haben die Bewohner Zelte und Unterstände aus Resten der Biokunststoff-Folie, Altholz und Kunststoff gebaut.

Es ist ein der seltsamer Indoor-Outdoor-Regenwald am Rande einer der größten Sprawls der Welt.

Die Entstehung geht zurück auf ein Projekt um die Jahrhundertwende, als ein reicher Landwirt eine Reihe von massiven Gewächshäusern im Nordwesten von Redmond, in der Nähe von Echo Lake bauen ließ. Zeltartige Gebäude erstreckten sich mehrere Kilometer weit auf giftigem und verschmutztem Land. Die Skeptiker des Landwirtes, die gewettert hatten, dort würde nie etwas wachsen, wurden eines Besseren belehrt. Das Land ertrug erstaunliche Ernten von Lebensmitteln, aber das Meiste davon war für den menschlichen Verzehr wegen der starken Verschmutzung nicht geeignet.

So wurden die Gewächshäuser umgewandelt und tropische Pflanzen und Blüten wurden angebaut und durften bis zum großen Cash von '29 wachsen. Zu diesem Zeitpunkt verlor der Besitzer sein gesamtes Vermögen und die Anlage ging in Konkurs. Die dem Crash folgende Depression verschlimmerte die Lage in Redmond und die Gegend wurde langsam aber sicher von allen Metamenschen verlassen, denen das möglich war. Seitdem sind die Agrar-Kuppeln für viele metamenschliche Bewohner Seattles einen Heimat geworden, in der verschiedenen Pflanzen und Blüten wild wachsen.

Die metamenschlichen Hausbesetzer der Plastic-Jungles sind Allen und Allem von außerhalb mißtrauisch gegenüber eingestellt. Insbesondere gilt das gegenüber Menschen. Die Bewohner sind in neo-primitiven Stämmen organisiert und haben es nach all der Zeit geschafft, den Boden genug zu kultivieren und aufzuräumen, um genießbare Nahrung wachsen zu lassen. Genau jene Lebensmittel machen die Jungles zum beliebten Ziel von Aasfressern und marodierenden Banden.

Zumindest das Muster des Angriffs in Shanty Town passte zu dem, was der Kauer Farm widerfahren war. Vielleicht wäre auch dort den Tierangriffen eine Gruppe von Bikern gefolgt, die Frauen und Kinder verschleppt hätten. Jetzt stellte sich nur die Frage, was wollte jemand mit so vielen Kindern und Frauen? Für Menschenhandel waren die Plastic-Jungles nicht sonderlich bekannt.

Bei dem zweiten Ort, den wir uns ansahen, handelte es sich um eine verlassene Brauerei. Das Bild, welches sich uns bot, war ein völlig anderes.

Vor zwei bis drei Wochen hatte hier ein Hinterhalt stattgefunden. Vier der fünf Ganger Leichen waren kopf überaufgehängt worden. Der oder die Angreifer hatte stumpfe Gewalt eingesetzt und mussten sehr kräftig gewesen sein, Gliedmaßen waren ab- oder angerissen worden. Es gab Schnitte, Schläge, Bisse und ungeheuer viel Blut.

Die Merkmale konnten auf einen Gabriel Hound passen. Im Großen und Ganzen ist ein Gabriel Hound ein Hund mit einer Schulterhöhe von gut einem Meter, der menschliche Gesichtszüge besitzt und über begrenzte Gestaltwandlungsfähigkeiten verfügt. Durch sie kann er sich einige Zeit aufrecht auf zwei Beinen bewegen.

Wir fanden auf einem Commlink der Ganger oder auch nur Schläger, denn einer bestimmten Gang konnte ich sie nicht zuweisen, eine Information, laut der sich vor gehabt hatten, in nächster Zeit die Kauer-Farm anzugreifen. Was uns -und in erster Linie mich -auf die Frage brachte, ob Chaaya und ihr Naturgeist-Fragment versuchten via Gabriel Hound die Farm zu schützen.

Wir kamen nicht mehr dazu, das auszudiskutieren oder weitere Informationen über den Angriff durch meinen Einsatz von Psychometrie zu erhalten. 

Denn es pfiff erst und dann rief eine männliche Stimme „Kommt mal raus Jungs. Aber am besten ohne Waffen.“ 

Als ich antwortete, stellte der Pfeiffer erfreut fest, dass wie Mädchen dabei hatten und wollte uns erst Recht kennen lernen.

TriXhot kletterte auf das Dach der Brauerei und sandte uns das Bild eines Zwergs in grauer Armee-Hose, grauem T-Shirt, schwarzer Panzerweste, festem Schuhwerk, einem grauen umgedrehten Basecap mit schwarzem Schirm, darunter einer Glatze, einem rötlichen Bart aus Rasterlocken und einer Sonnenbrille. Bewaffnet war der Zwerg mit einen Scorpion Maschinenpistole und ich ordnete ihn, so wie er da stand, den Red Hot Nukes zu, einer Zwergen GoGang, die auf Feuer und Explosionen stand. Das Gangzeichen, einen grauen Atompilz, konnte ich allerdings nicht entdecken.

Weitere Zwerge fand TriXhot keine und auch keine größeren Metamenschen. Sie sah am Rand nur ein paar abgestellte Taschen.

Nach einem kleinen Ruf-Gefecht durch die Wand, bei dem es darum ging, wie Frauen oder Männer in solchen Situationen handeln, beschloss ich mit Shark Finn rauszugehen und sagte an, dass Tiernan und Metge in der Brauerei bleiben sollten. 

Metge meinte darauf empört; „Natürlich, lazzen szie dene Arzt rauzsgehän. Haben szie daran gedacht Szeniora, welche Größe ein Loch einer Kugel in mir machte?“ 

Tiernan grätschte ein, „Aber sie hat gesagt, wir sollen hier blieben und sie und und Shark Finn gehen raus.“

Metge grinste kurz entschuldigend und meinte dann, „Natürlich, iche habe mich aufgeregt, weil iche nicht mitkomme darfe. Nehmen szie mich mit Szeniora, damit ich szie schützen kann!“

Fuse, so lautete der Name des Zwergs, Freunde durften Short Fuse zu ihm sagen, entpuppte sich als sympathischer Draufgänger von der Strasse, der gerade alleine von einer Tour in den NAN zurück gekommen war. Nachdem wir Fuse davon überzeugt hatten, dass wir wirklich nur hier waren, um zu ermitteln und er nicht ganz fassen konnte, dass jemand so etwas tat, schloss er sich uns an.

Besonders fasziniert war er davon, dass Metge ein richtiger Arzt war. Fuse hatte noch nie einen richtigen Arzt getroffen. In Redmond war diese Aussage keine Seltenheit. 

Fuse zog uns immer wieder auf, allerdings ließ er mich dabei schon bald außen vor. Ich hatte erkannt, dass er ein Red Hot Nuke war und damit bewiesen, das ich mich bei all meiner Optik in Seattle auskannte.

Singh bedauerte den Tod von Vladimir. Ich fand es irgendwie schön, dass er das noch konnte und dass es hier in Redmond für irgendwen bedauernswert war, wenn jemand starb.

☼☼☼

[Song 3: Three Drays Grace -Get Out Alive4] Die ersten Sonnenstrahlen verkündeten einen neuen heißen Tag.

Wir wollten den Spuren Richtung Plastic Jungles folgen. Jaws würde erneut auf der Farm bleiben, dafür würde Fuse uns begleiten. Immerhin besaß er aktuelles Insiderwissen über die Redmond Barrens.

Wir machten uns zu Fuss auf den Weg und würden schätzungsweise 2 Stunden bis zu den Plastic Jungles brauchen. Vielleicht etwas länger, je nachdem, wie die Spurensuche verlief.

Die Temperatur stieg schnell an. Ratten verzogen sich und selbst Katze sprang in den Schatten der Häuser entlang.

☼☼☼

‹Es klingt, als würdest du glauben, ich hätte Schutz vor der Sonne gesucht, Drachenkätzchen.›

‹War dem nicht so, Katze?›

‹Nein Drachenkätzchen. Ich wollte nur etwas Abstand halten, falls du spontan auf die Idee gekommen wärst, den Eisatem einzusetzen.›

☼☼☼

Auf dem Weg in den Dschungel entdeckten wir weitere Reifenspuren, die laut des Forensik-Kits von Hua mit denen von Shanty Town übereinstimmten. Ein Bündel Klamotten hing an einem Baum. Neben Hose, Shirt und Schuhen, gab es ein Armband aus polierten Plast-Steel mit bunten Steinen, dass sich als Sustaining Fokus entpuppte. Von hier aus war der Zauberer als Eule gestartet. Des weiteren waren da 3 Portionen Psyche, eine Droge, die intuitiver machte und eine Streetland Special mit zwei Clips.

Um einen Einzeltäter handelte es sich bei der gefrosteten Eule also nicht, denn offenbar war er mit zwei Motorrädern her gekommen und die waren ohne ihn wieder abgefahren.

Gut eine halbe Stunde bevor wir die Plastic Jungle erreicht hatten, drangen Motorgeräusche an unsere Ohren. Zwei menschliche Männer in Panzerwesten, ansonsten eher Outdoor-typisch gekleidet, allerdings hatten sie grüne und blaue Bänder um einen Oberarm gebunden, verließen die Dschungel inmitten der Stadt auf einen Bike. Sie passten von Bike und Schuhen auf das Profil, gehörten jedoch keiner Gang an. Zumindest keiner, die mir oder Fuse etwas sagte. Der Beifahrer war mit einem AK-Sturmgewehr, einem Messer und einer Pistole bewaffnet.

Shanty Town schien ihr Ziel zu sein. Oder aber, sie würden zu dem Baum fahren, um zu sehen, ob die Eule zurück gekehrt war. Wie auch immer, sie würden irgendwann wieder hier vorbeikommen.

Wir zogen uns an ein einigermaßen schattiges Plätzchen zurück und hielten mit der Verpflegung von der Kauer Farm eine kleine Siesta ab.

Nach gut zwei Stunden näherten sich die Motorengeräusche erneut. Wir bauten einen Hinterhalt auf. Ich hatte in der Zwischenzeit Luftgeist Keeya um Hilfe gebeten und sie hatte sich bereit erklärt, mir zu Diensten zu sein und wirkte mit ihrer beeinflussenden Kraft dafür, dass die beiden genau vor unserem Hinterhalt anhielten und abstiegen, um sich dort etwas anzusehen. 

☼☼☼

‹Du hättest auch einfach deinen Eisatem einsetzen können, Drachenkätzchen.›

‹Das wäre aber keine gute Wahl gewesen, wir wollten ja mit ihnen sprechen. Tote sprechen ziemlich schlecht, Katze.›

‹Ha! Jetzt sagst du es selbst, Drachenkätzchen.›

‹Ich habe doch bereits mehrmals zugegeben, dass es keine sonderlich clevere Wahl gewesen ist, den Zauberer mit dem Eisatmen anzugreifen, Katze.›

‹Clever war das mit Sicherheit nicht, Drachenkätzchen.›

‹Genau. Darum beschwere ich mich auch nicht, dass du jetzt seit vier Tagen auf diesem Punkt rumreitest, Katze, denn ich bin froh, dass du überhaupt wieder mit mir sprichst.›

Als wir uns alle auf mein Zeichen zeigten, bekamen die Zwei einen gehörigen Schreck. Sie einzuschüchtern, fiel uns im Anschluss ziemlich leicht. Was dann schwieriger war, war sich nicht nach dem zu übergeben, was sie uns erzählten.

Bereit für eine widerliche Redmond-Barrens-Geschichte?

Na dann los.

Die Eule, die ich vom Himmel geholt hatte, war ein Schamane namens Derek, den sie tatsächlich vermissten und Derek war nicht nur ein Schamane, sondern auch ihr Prophet. Ihre Gruppe schimpfte sich die „Children of the Naked Dawn“ und lebte ohne die Erde zu stören. Sie waren über 20 Leute, gehorchen den Geboten der Heiligsten, Mütterlichen Tochter, die über Derek zu ihnen sprach -und - die entführten Frauen und Kinder, verkauften sie nicht etwa, nein, sie aßen sie.

Genau, ihr habt richtig gehört: sie aßen sie!

Die Children of the Naked Dawn waren Kannibalen. 

Klar, das unser Ziel sich gerade geändert hatte. Wir mussten die, die noch nicht gegessen worden waren, retten.

Aber auch diese fehlgeleiteten Fragger zu killen stand bei uns als Idee hoch im Kurs.

Sogar Metge legte nicht all zu großen Wert darauf, sie alle am Leben zu lassen. Obwohl er tatsächlich vorschlug, wir sollten die Typen in eine Anstalt für psychisch Kranke bringen, dort würde man ihnen helfen, schon allein, weil es deren Pflicht sei.

Ja, na klar… Beinahe hätte ich laut los gelacht. Konnte der Mediziner wirklich so naiv sein und das glauben? Ja, wahrscheinlich war der kleine Mann behütet genug aufgewachsen um so etwas zu glauben. Ich würde ihm nicht die Illusionen rauben und beschränkte mich darauf ihm zu erklären, dass uns Möglichkeit und Finanzen fehlten, die Männer zu transportieren.

Wir ließen uns von Paul und Bob, das Leben hätte sich wirklich keine besseren Namen für die beiden ausdenken können, die Koordinaten ihres Lagers geben. Dazu mussten wir sie nicht mal foltern, denn wir zogen die Daten einfach aus ihren Commlinks. Damit sie ihre Kultisten-Freunde nicht warnen konnten, fesselten und knebelten wir sie, schalteten ihre Commlinks aus und legten sie und das Bike in die Ruinen eines Hauses. 

Fuse, der von der Angelegenheit auch ziemlich angeekelt war - wobei er wohl eher angepisst gesagt hätte- holte zwei Granaten aus seiner Weste, zog die Stifte und klemmte dann jeweils eine unter den Rücken von Bob und von Paul.

Ja, das war irgendwie grausam, aber die Trottel waren es nicht wert, dass ich mich dafür mit Fuse anlegte.

Wir beeilten uns zum Lager der durchgedrehten Children zu kommen, immerhin war bald Abendbrotzeit. 

Nachdem mein Ekel über diesen Kult verflogen war und ich aufhörte hochzurechnen, wie viele Menschen sie irregeführt, wie sie waren, in den letzten Jahren gegessen hatten, beruhigte ich mich und wollte sie nicht mehr töten. 

Ich wollte die Frauen und Kinder befreien und den Kult stoppen, Vielleicht reichte es ja schon, dass ich ihren Propheten in Eis -  der Gedanke war jetzt noch merkwürdiger - verwandelt hatte und er nicht wiederkehrte.

Aber so einfach war es selbstverständlich nicht.

Denn - ihr ahnt es wahrscheinlich schon - die Göttin zum Propheten existierte irgendwie.

Hätte ich mehr Zeit, würde ich euch jetzt in vollendeter Form beschreiben, wie wir das Lager entdeckten und auf welche geniale Art wir die Gefangenen befreiten und wie exotisch das alles im Dschungel von Redmond gewirkt hatte. 

Kannibalen in den Plastik Dschungeln, das ist doch fast schon eine Schlagzeile wert.

Doch bald muss ich los.

Darum nur die Fakten. Wir zählten im Lager tatsächlich gut 20 Männer, alles Orks und Menschen -und fanden einen in der Luft hängenden Käfig mit 16 gefangenen Frauen und 11 gefangenen Kindern. 

Ein astraler Blick offenbarte zwar nicht gerade die Existenz irgendeines wie auch immer gearteten Gottes, aber sie hatten alle erst kürzlich unter dem Einfluss einer Kraft gestanden.

Mit Hilfe der Angst-Kraft meines Geistes, jeder Menge Peng Peng aus allen Rohren und dem einen oder anderen Treffer, vertrieben wie die Männer kurzfristig aus dem Lager und befreiten die Frauen.

Oh, das war weniger einfach, als es sich jetzt anhört, aber wir waren gut. 

Die Hälfte der Nacht verbrachten wir damit die dankbaren Befreiten zur Kauer-Farm zu führen. 

Dort gab es einen Zaun, Hütten, einen Wachturm, Waffen und genug zu Essen.

In den Redmond Barrens war die Kauer-Farm gleichzusetzen mit dem Besitz eines eigenen Königreiches.

Überraschenderweise - oder auch nicht- bot Singh den Frauen an, für immer auf der Farm zu bleiben.

Wir ließen die Befreiten sich erstmal erholen, und unser Teamarzt Metge kümmerte sich um die Ladies und war widerwillig bald darauf ihr Star. Auch sie hatten noch nie in ihrem Leben einen echten Arzt gesehen.

Am nächsten Morgen befragten wir die Frauen vorsichtig zum Thema Allerheiligste Mütterliche Tochter.

Marge, eine rustikale Menschenfrau mit kurzen Haaren, tat sich als so etwas wie die Anführerin der Gruppe hervor. 

Sie wusste zwar nichts über den Kult, aber sie wusste von einigen Mädchen, die drohendes Flüstern gehört hatten.

Es brauchte dann schon etwas Geduld und Einfühlungsvermögen von uns, nützliche Informationen aus den Mädchen heraus zu bekommen.

☼☼☼

‹Wieso sagst du uns, Drachenkätzchen, wenn du doch dich selber meinst?›

‹Ich meine nicht nur mich, Katze. Dass die anderen zumindest nichts sagten oder machten, was etwas Gegenteiliges bewirkte, war wichtig.›

‹Da unterschätzt du dich, Drachenkätzchen. Schon wieder.›

☼☼☼

Jedenfalls wurde nach den Gesprächen mit den Frauen klar, dass es da tatsächliche eine unsichtbare Präsenz gab, die ihnen zugeflüstert und gedroht hatte.

Wir hatten alle etwas Erholung gebraucht und so machten wir uns erst am Nachmittag auf den Weg. Die Hitze verzehrte zusätzliche Kräfte.

Donnie konnte uns übrigens derzeit nicht mehr mit Rat und Tat zur Seite stehen, er schlief tief und fest. Das Long Haul hatte inzwischen aufgehört zu wirken. Donnie vor dem Ablauf von 48 Stunden zu wecken, würde seine Gesundheit gefährden.

Also noch ein Fussmarsch. Diesmal begleitet uns zu Fuse auch noch Jaws - und wir alle hatten unsere komplette Bewaffnung mitgenommen.

„Ich glaube, so viel bin ich schon ewig nicht mehr gelaufen.“, maulte ich spielerisch, „Wenn das weiter so geht, dann bekomm ich noch ganz kurze Beine.“ Ich zwinkerte Fuse zu.

Fuse lachte, „Bei deinen langen Beinen wäre das halb so schlimm. Ich hab keine Probleme mit den langen Wegen. Das ist die berühmte Konstitution der Zwerge.“, er warf einen eindeutig zweideutigen Blick zu TriXhot, „Na, interessiert?“

Ich verdrehte die Augen, „Oh ja und wenn man mit Elfen Sex hat, dann wir man jünger.“

Trixhot meinte trocken, „Ja das stimmt, ich hatte mal einen elfischen Freund. Ich bin jetzt 120.“

Selbstverständlich stimmte das nicht, auch nicht das mit dem elfischen Freund, wie die junge Frau gleich darauf zugab.

Scherzend kam einem der Weg einfach kürzer vor. 

„Hast du eine Freundin zu Hause?“, wollte ich von Fuse wissen.

„Nee, wieso? Willste mich verkuppeln?“

„Nein, ich wollte es nur wissen. Aber tatsächlich haben wir jemandem im Team, der dir gefallen würde. Oder besser gesagt, mit der du dich gut verstehen würdest. Sie teilt deine Affinität zu Sprengstoff.“

Fuse nickte, „Cool. Ich hab nämlich keine Problem mit Frauen.“, fügte er hinzu und trat hinter Trixhot, um ihr auf Hintern zu hauen.

Die hübsche junge Frau schüttelte grinsend den Kopf und ließ es dem Zwerg durchgehen.

Die beiden Kultisten mit den Granaten unter dem Rücken waren immer noch am Leben. Sie besaßen mehr Disziplin, als ich gedacht hätte. Paul und Bob riefen um Hilfe, als wir uns näherten. 

Ich sah zum Zwerg, „Komm Fuse, erlös die Typen.“

„Warum?“, fragte er, „Das sind Arschlöcher, die haben es nicht anders verdient.“

„Weil das Folter ist. So auf seinen Tod zu warten, der unweigerlich kommt. Ich verlange ja nicht, dass du sie retten sollst. Du kannst sie auch töten.“

Fuse begann böse zu grinsen, „Die halten gut durch. Vielleicht bekehrt sie das. Und wovor sollte ich sie retten, wenn die sich bewegen, sind nur rot und lila.“

Ich lachte perlend, Fuse war viel cleverer, als ich gedacht hatte.

[Song 4: Skunk Anasie (Sucker Punch) - Search and Destroy4] Bevor wir uns dem Lager näherten, rief ich nach Arielle, einem meiner Luftgeister. Die Sylphe gewährte mir 5 Gefallen. Ich bat sie sofort, uns alle vor den Sinnen anderer zu verschleiern.

Ein paar Verletzte unter den Kultisten hatte unser Angriff vom Vortag hinterlassen. Ansonsten sah es dort inzwischen ziemlich aufgeräumt aus.

Aus den grünen Blättern und den exotischen Blumen des Dschungel heraus konnten wir einen Streit zwischen 3 Leuten beobachten. 

Man hatte diverse Lagerfeuer angezündet und das Licht eingeschaltet.  

Es beschäftigte sie, dass weder Derek noch die beiden Späher zurück gekehrt waren. Sie diskutierten tatsächlich, ob sie einen Angeschossenen verspeisen sollten, da er es vielleicht nicht mehr schaffen- und man selbst so Buse tun würde. Einer behauptete, die Allerheiligste Mütterlichste Tochter hätte zu ihm gesprochen. Als ich astral wahrnahm, bemerkte ich, dass ihm Lebensessenz fehlte. Selbstverständlich wusste ich nicht, ob das schon immer so gewesen war, doch ich nahm einfach nicht an, dass dies ein Zufall war. War hier ein HMHVV-Infizierter am Start?

Ein Zauber näherte sich aus dem Tiefen der Plastic Jungles und zwar nähern in der Form von hingehen. Da lief eine Illusion. 

Ich sah genauer hin. 

Die Illusion zerfaserte. Die unsichtbare Gestalt war ein weiblicher Wendigo, also ein HMHVV-Infizierter Ork, die nun ein weißes Fell statt einer Haut hatte. Wendigos sind zu einem hohen Anteil magisch aktiv und diese dort konnte zumindest schon mal zaubern.

Dank meinen Anleitung die Illusion zu durchschauen, konnte schon bald darauf ein Großteil unserer Gruppe die Wendigo sehen. 

Wir diskutierten eine Zeit lang das Für und Wieder und ob wir einen Wendigo in der Nacht angreifen sollten, wo er doch durch besonders bei Sonnenlicht und durch eisenhaltige Metalle verwundbar war. 

„Eisenhaltige Metalle, verstehe.“, bemerkte Shark Finn beiläufig, „Mein eiserner Wille zählt wohl nicht.“

Ich schmunzelte, „Wirken wird er nur gegen den einen oder anderen Zauber, aber zählen tut er immer.“

Ich fügte meiner kurzen Erläuterung zum Thema Wendigo noch hinzu, dass sie über die Kraft der Regeneration und über andere Fähigkeiten wie Beeinflussung und Zwang verfügen konnten.

„Also alles ähnlich wie bei den Shedim.“, meinte TriXhot darauf.

„Was ihrer Fähigkeiten angeht schon, nur ist ein Wendigo tot, bleibt er das auch und kehrt nicht nach 40 Tagen wieder - und ein Wendigo kann in der Regel keine Tore zu Metaebenen öffnen.“

Schnell stand der Plan.

Wir wollten dem Kult seinen Gott zeigen und darum brach ich den Unsichtbarkeitszauber. 

Ich verrate euch jetzt, dass dies mein erster Versuch war, außerhalb von weisen und wachsamen Augen einen Zauber zu brechen. Etwas zum ersten mal im Feldeinsatz zu tun, finde ich immer ein bisschen aufregend. 

Es gelang problemlos.

Die Wendigo sah sich noch nach mir um und wirkte ein wenig erschrocken und hilflos. 

Die Anhänger der Allerheiligsten Mütterlichen Tochter reagierten wie erwartet, als ein über zwei Meter großes, weißes, pelziges Monster plötzlich mitten unter ihnen stand. Einige rannten, einige schrieen, einige zitterten und wieder andere zogen ihre Waffen und schossen.

In entstandenen Wirrwarr setzte TriXhot, wie besprochen, den einzelnen Schuss in den Nacken der Wendigo. Geladen war eine TAG-Kugel. Das Signal erschien augenblicklich via AR in unserem Teamnetzwerk.

Die Wendigo suchte ihr Heil in der Flucht.

Wir folgten ihr im Schutze der Verschleierung und in den Schatten des Dschungels.

Irgendwann verloren wir das Signal, doch wir setzten den Weg fort und kamen an eine alte, verlassene Pumpstation.

An der Tür war eine Klinke improvisiert worden und wies darauf hin, dass da jemand hatte nicht auf das Eisen fassen wollen. Wir waren also weiter auf der richtigen Spur.

Oh, natürlich war es ziemlich gruselig einem Wendigo ins Dunkel hinab zu folgen und das mitten in den Plastic-Jungles. 

Aber wir waren Shadowrunner oder im Fall von Fuse, harte GoGanger, da konnten wir so ein bisschen Grusel schon ertragen.

Kaum waren wir durch die schwere Eisentür getreten, war das TAG-Signal wieder da.

Lautlos und verschleiert folgten wir den Spuren und dem Signal in die untere Etage. Wasser tröpfelte von den Wänden und hier und da hatten sich geheimnisvolle Ranken ihren Weg ins Innere und an den Wänden entlang gesucht. 

Mein Herz schlug heftig … Naja, ihr kennt das ja inzwischen. Ich habe oft davon erzählt, wie es ist, wenn das Adrenalin das Blut durch die Venen pumpt.

Unsere Verfolgung endete vor einer weiteren Tür und einem Hüter. 

Die Wendigo zeterte dadrinnen wütend umher.

Es war nicht davon auszugehen, dass die Tür verschlossen war.

„Feuert aus allen Rohren auf sie, wenn ihr den weißen Pelz der Wendigo seht!“, hatte ich als  Devise ausgegeben.

Ich nahm den Black-Tooth-Dagger in meine Hand. Nein, ich wollte die Wendigo nicht im Nahkampf angreifen. Es ging um den Hüter. Ich wollte ihn zerstechen.

Was mir auch gelang, mit einem einzigen Stich. 

☼☼☼

‹Eine weitere Demonstration der dir innewohnenden Macht, Drachenkätzchen. Und im Gegensatz zum 'mit Eisatem auf kleine Spatzen oder Eulen zu schießen', eine wohl gelungene Demonstration.›

☼☼☼

Die Wendigo nahm den Kopf hoch, als wir eintraten. Wegen der Verschleierung, die nach Vernichtung des Hüters wieder wirkte, konnte sie uns nicht richtig sehen.

Was soll ich sagen?

Wir machten kurzen Prozess und sahen gut dabei aus. 

Fuse schlug der Wendigo am Ende den Kopf ab. Vorsichtshalber, obwohl Tote eigentlich nicht regenerierten.

Ist das nicht eine unglaubliche Geschichte?

Eine Wendigo macht sich unsichtbar einen Kult untertan, formt ihre Anhänger zu Kannibalen und nutzt sie als Lieferservice für Nahrung. 

So etwas ist so krank und doch geschieht es in der 6.Welt. Jeder kämpft auf seine Art um das Überleben.

Dieser Part der Geschichte, die ich zu erzählen habe, ist hiermit abgeschlossen. 

Die Redmond Barrens sind nun sicherer als zuvor. Obwohl der Gedanke eigentlich lachhaft ist.

Das Schicksal der Wendigo ist sicher nicht lachhaft. 

Eigentlich war sie ja nur ein kranker Ork. 

Doch dieser unheilbare Virus hat sie eben zu einem Raubtier gemacht und ihr Weg, war der eines Monsters gewesen, den wir beendet hatten. 

Die Geschichte um Chaaya und das Fragment des Natur-Geistes ist noch nicht abgeschlossen, wie ich ja zwischendurch bereits erzählte.

Huas Geld nahm ich übrigens nicht an. Ich bat ihn, das lieber auf andere Art in die Farm zu investieren oder damit zu tun, was immer er sonst damit tun wollte. 

Der Zufall, das Schicksal oder auch nur der Lauf der Welt hat der Geschichte ein Nachwort verschafft, um das wir uns zuerst kümmern müssen.

Im Keller der Pumpstation haben wir zwei Gefangene befreit.

Zu einem war da Mika, ein menschlicher Ameri-Inidianer, mit völlig zerschlagenen Beinen, die mehrmals gebrochen waren und zum anderen Rodney, der bewusstlos vor sich hin stöhnte. Metge teilte mir mit, dass Mikas Beine selbst mit Magie nicht sofort heilen würden. 

Wir mussten Mika also in Sicherheit tragen. 

„Welcher Tag ist heute?“, wollte Mika wissen, noch bevor er sich für seine Rettung bedankt hatte. Inzwischen war der 09.06. Ich war so nett ihm das zu sagen.

Womit Mika einen Kontakt verpasst hatte und seine Deadline in acht Tagen für gefährdet hielt.

Nachdem ich mich Mika mit Snowcat vorgestellt hatte, wollte er mich unbedingt im Licht sehen, was darauf hinwies, dass er von mir gehört hatte. 

Er grüßte mich von Bull und zusammen mit dieser Information war mir sofort klar, welchen Mika ich hier getroffen hatte. Einen JackPointer, Shadowrunner und Einbrecher.

Wir versorgten Mika und Rodney, soweit das möglich war und brachten die beiden zur Kauer-Farm.

Nachdem wir uns alle ein wenig ausgeruht hatten, suchte ich das private Gespräch mit Mika.

Ihr ahnt sicherlich was geschah. 

Genau, da Mika seinen Job nicht rechtzeitig erledigen konnte, bot ich an, mit UC für ihn einzuspringen. Selbstverständlich gegen Bezahlung.

Job ist dabei übrigens nicht ganz richtig. Es handelte sich um eine Sache, die Mika sehr am Herzen liegt.

Irgendwann am Nachmittag verließen wir die Redmond Barrens auf die selbe Art, auf die wir gekommen waren, mit Arona. Diesmal waren wir drei Personen mehr, denn wir brachten Fuse noch ein Stück des Wegs und hatten eben Mika und Rodney dabei. Wir mussten ein wenig enger zusammenrücken. Da ich wieder vorne bei der schönen Crimson Crush Trollin saß, störte mich das weniger.

Ich werde mit Fuse in Kontakt bleiben. Ich kann ihn ziemlich gut leiden, was ich ihm natürlich nicht sagen werden. Eine brauchbare Connection ist er in jedem Fall.

Mika und Rodney haben wir im Upper Class untergebracht, da fahre ich dann gleich nach meinen Morgenritual hin. 

Immerhin sind jetzt nur noch 7 Tage übrig und Vorbereitungen müssen getroffen werden.

Was genau unser Auftrag ist, erzähle ich euch, sollte ich euch von jenem Run berichten. 

Was ich vielleicht sogar tun werde.

Solltet ihr mal vorhaben die Redmond Barrens zu besuchen, dann denkt daran, jemand Ortskundigen mitzunehmen und auch daran, dass es mehr zwischen Himmel, Erde und den Metaebenen gibt, als Shakespeares Schulweisheit sich vorstellen konnte.

☼☼☼

‹Drachenkätzchen?›

‹Ja, Katze.›

‹Vielleicht solltest du einfach deinen Eisatmen einsetzten, anstatt dein Morgenritual mit ein paar Übungen zu vollenden. Neuerdings musst du dich für Dinge wie den Eisatem ja nicht einmal wandeln.›

‹Das könnte ich wohl tun, Katze. Aber ich denke, Rainwalker sieht es wie du, für einen solchen Fall hat sie mir all das nicht beigebracht. Darum verzichte ich darauf.›

‹Gut, Drachenkätzchen. Dann freue ich mich darauf, die beim Abschluss deines Rituals zuzusehen.›


Deine Kommentare zu Summercamp in Redmond passen am unter The Tale Goes On, Part Three [LINK].

Fussnoten

0. Bei den Episoden handelt es sich um in Geschichten umgewandeltes Pen & Paper RPG. Durch die Umstellung von SR4A auf SR5 und zusätzlichen Regelerweiterungen, kann es in den Geschichten zu Unbeständigkeit oder Widersprüchen zu früheren Episoden kommen. So beherrscht zum Beispiel ein Charakter eine Fähigkeit nicht mehr, die er vorher konnte oder das Wirken einer Kraft hat andere Auswirkungen, als zuvor. Für den Charakter ist es aber so, als wäre es immer schon so wie nach den neuen Regeln gewesen.  

1. Die Episode wurde am 25.03., 10.06. + 17.06. erspielt. Der Spieler von Metge war am ersten Abend nicht anwesend. Wegen den Widrigkeiten und Schönheiten des RL, können nur selten alle Spieler am Spielabend teilnehmen. Deshalb können Charaktere ohne weitere Erklärung auftauchen oder verschwinden. Manchmal ist ihr Charakter dennoch mit auf einem Run. In diesen Fällen wird der Charakter zwar mitgeführt, sein Handeln gerät, wenn möglich, aber in den Hintergrund. Der Spotlight soll auf Charakteren stehen, deren Spieler anwesend sind. Gegebenenfalls hinterlassen Spieler beim GM Regieanweisungen. Eine Beschreibung aller Charaktere findest du hier [LINK].

2. Der Zeitstempel wird an unsere Zeitlinie angepasst und ist maximal an die offizielle Timeline angelehnt.

3. Sprawl Wilds ist eine Shadowrun® Fifth Edition Abenteuersammlung von Catalyst Game Labs. Der Run wurde an unsere Spielergruppe angepasst und kann stark verändert sein. An dieser Stelle danken die Spieler unserer Runde den Autoren von Shadowrun® für ihre Arbeit. Ohne sie wäre unser Spiel nicht möglich.

4. Die verlinkten Songs sollen lediglich zu Stimmung beitragen und enthalten keine versteckten Hinweise. Jedenfalls meistens nicht. Eine komplette Episoden Playlist findest du hier [LINK]

5. Bei den Information über die Plastic Jungles handelt sich um eine Wiedergabe des Textes aus dem Buch Seattle 2072 von Catalyst Game Labs.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*