Tales of Snowcat 4: The DJ Plays (SatHS S3/E3)

TALES OF SNOWCAT (4)

PERIOD6: Magician

ERA6: Light Baroque

AGENDA12: Boston Lockdown

DATE1: 06/14 - 15 / 2076

BROADCAST6: Unter „SatHS in Danger“ wird Material als Dokumentation der Situation in Boston gedreht. Folge 3 wird ab 07/17/2076 als Stream zur Verfügung gestellt.

PRODUCTION: Spinrad Media

APPEARANCE2 : AveRage, Columbo,  Doc, Eden, Fang, Fierce, Foggy, Liam (aka Sapper), Mash, Mr. Tea, Shark Finn, Sinister, Snowcat, Tiernan;

SPECIAL APPEARANCE2;7: Dave, Hub-Blogger, Tango

SPOILER ALERT: Die Episode enthält massive Spoiler auf Boston Lockdown von Catalyst Game Labs

WARNING: Diese Trideoserie ist für Zuschauer unter 17 Jahren nicht geeignet. Sexualität, Gewalt, Magie, Tod, Kraftausdrücke und Drogenkonsum können vorkommen. Mitglieder der Howling Shadows sind in Waffen- und Magiegebrauch ausgebildet und sind sich der tödlichen Gefahr bewusst, mit der sie es während des Drehs zu tun haben. Zuschauer werden gebeten, diese Dinge nicht nachzumachen, es sei denn, es wird in einem Nachspannclip ausdrücklich erlaubt. Ferner ist absolut davon abzuraten, sich auf eigene Faust mit den gezeigten oder ähnlichen magischen Gefahren, Geistern und/oder Crittern anzulegen.

ANMERKUNGEN

1. Der Zeitstempel wird an unsere Zeitlinie angepasst und ist maximal an die offizielle Timeline angelehnt.

2. Die Episode wurde am 17.11.17 erspielt. Neben dem GM und mir, waren die Spieler von AveRAGE/Columbo und Fang/Sinister anwesend. Wegen den Widrigkeiten und Schönheiten des RL können nur selten alle Spieler am Spielabend teilnehmen. Deshalb können Charaktere ohne weitere Erklärung auftauchen oder verschwinden. Darüber, welche Charaktere mit auf einen Run gehen, entscheiden die Spieler nach eigenem Gefallen. Das muss nicht immer die logischste Entscheidung sein. Manchmal ist ein Charakter mit auf einem Run, obwohl sein Spieler abwesend ist. In diesen Fällen wird der Charakter zwar mitgeführt, sein Handeln gerät wenn möglich aber in den Hintergrund. Der Spotlight soll auf Charakteren stehen, deren Spieler anwesend sind. Gegebenenfalls hinterlassen Spieler beim GM Regieanweisungen.

Eine Beschreibung aller Charaktere und Marks findest du hier [LINK].

Eine Übersicht von Cast und Crew von SatHS findest Du hier [LINK].

3. Die verlinkten Songs sollen lediglich zu Stimmung beitragen und enthalten keine versteckten Hinweise. Jedenfalls meistens nicht :). Übrigens kaufen wir jeden in den Episoden verwendeten Song, sollte er sich nicht schon vorher in unserem Besitz befunden haben. Nicht nur, damit wir die Songs jeder Zeit auf all unseren Geräten abspielen können, sondern auch, weil wir damit den jeweiligen Künstler unterstützen möchten. Eine Liste mit dem kompletten SatHS Soundtrack findest du hier [LINK]. Eine YouTube Playlist zur aktuellen Season findest du hier [LINK].

4.Die Truppe mit der Captain America (Marvel) im zweiten Weltkrieg gegen Hydra ins Feld zieht, heißt „Captain America and the Howling Commandos". Daran angelehnt entstammt die Titelidee eigentlich. Abgesehen davon ist „Howling Shadows“ der Titel des aktuellen Shadowrun® -Critter Quellenbuchs von Catalyst. Wir fanden die Doppeldeutigkeit gerade bei der Zusammensetzung des Teams passend. 

5. Eine Übersicht des Steampunk- Journals findest Du hier [LINK].

6. In den ‚Tales of Snowcat’ erzählt Snowcat einem imaginären, nicht näher definierten Zuhörer die Ereignisse aus ihrer ganz persönlichen Sicht. ‚Period' beschreibt dabei den Lebensabschnitt, auf dem sich Snowcat befindet. ‚Era' beschreibt das Farbthema, unter das Snowcat in dieser Zeit den Inhalt ihres Kleiderschranks gestellt hat. ‚Broadcast‘ fasst zusammen, was von dem per Drohne gedrehten Material dem Trideo-Zuschauer der Serie Snowcat and the Howling Shadows zur Verfügung gestellt wird und wann es gestreamt wird.

7. Einige der Namen, die in der Geschichte auftauchen, sind auch in der offiziellen Shadowrun-Welt ein Begriff. Ähnlichkeiten sind beabsichtigt. Allerdings kann das hier dargestellte Bild auch deutlich von dem Bild im SR-Kanon abweichen, da es unserer Spielwelt angepasst wurde.

8. KE, kurz für Knight Errant, ein Sicherheitskonzern und Tochter von Ares Macrotechnologies.

9. Teilweise stehen Dialoge in diesen « » Textzeichen. Die gesprochenen Worte werden dann vornehmlich via Teamnetzwerk oder Commlink verbreitet und sind für Wesen, die keine Mitglieder im Teamnetzwerk sind, nicht oder nur schwer zu hören. Ferner stehen in < > schriftliche Nachrichten und in ‹ › stehen Dialoge via Geistesverbindung, wie zum Beispiel die mit einem Geist unter Kontrolle, Gespräche via Mindlink oder Dragonspeech.

10. „AveRage“ hat seine Drohnen-Kamera-Einheiten, die je aus drei CU^3 bestehen, nach berühmten Kameramännern benannt.

11. Snowcat sieht die Geister, die einen Element zugeordnet sind als klassische Elementarwesen: Luftgeister sind Sylphen, Erdgeister Gnome (früher Brownies), Feuergeister Salamander und Wassergeister sind Undinen. Jeder Geist, den sie beschwört, hat für sie zudem einen eigenen Namen. Guidance Spirits sieht Snowcat als weise Paten, die sie mit Godfather und Godmother betitelt. Guardian Spirits sind für sie Warden, Krieger verschiedenen metamenschlichen Rassen. Die Warden tragen als Hommage an meine Lieblingsbuchsreihe, die Dresden Files von Jim Butcher, die Namen von den Warden des White Council. Spirits of Man sind für sie Leprechauns (Kobolde) und Task Spirits sind Brownies. Beast Spirits bekommen den Titel Master und Plant Spirits den Titel Mother (z.B. Master Wolf oder Mother Oak). 

12. Schlagwort(e), Überschrift(en) unter dem die Episode steht.

POSTED BY SNOWCAT

[Song 1: Rihanna - Pon De Replay3] „Warum kriegen die Kaffee?“ rief Fang fröhlich-empört und meinte damit Dave und Hub. 

„Genau!“, stimmte Fierce sofort zu. „Die haben keinen Kaffee mitgebracht!“

„Ich trinke Tee“, entschuldigte sich Dave.

Tiernan griente. „Tee habt ihr auch nicht mitgebracht!“

„Genau!“, pflichtete diesmal Fang bei. „Wir haben schon genug geleistet, indem wir euch gerettet haben. Tiernan, gib ihnen nur Wasser!“

„Genau so!“, meinte Fierce und bekräftigte das mit einer ausdrucksstarken Geste. „Nur Wasser, das reicht zum Leben!“ Dann wandte sie sich an Fang: „Du, wir sollten auch ihr Essen einschränken. Reicht doch, wenn sie das kriegen, was wir nicht mögen.“

Fang zögerte. „Na, beim Essen wäre ich nicht so, aber wenn du meinst. Dann dürfen sie sich erst was nehmen, nachdem wir ausgesucht haben!“

Dave schob seine Teetasse in Richtung von Mr. Tea.

Jetzt griff ich ein. „Du kannst den Tee einfach trinken, Dave. Sie scherzen nur!“

Sowohl Fang als auch Fierce lag eine Erwiderung auf den Lippen, aber sie schluckten sie hinunter.

Fierce zog die Platte mit Rühreiern, Speck und Würstchen ein Stück in ihre Richtung. Es war unglaublich, was die Orkin an Essen verputzen konnte, selbst für die Maßstäbe von Orks. Da war ein bisschen Futterneid schon verständlich.

Foggy bot mir etwas von den frisch gebackenen Scones an, die vor seinem Platz abgestellt waren. Ich zögerte kurz, da ich eigentlich keinen Hunger hatte, doch der köstliche Duft siegte und ich nahm mir einen. Foggy lächelte kurz zufrieden und meinte dann: „Wenn wir unser gedrehtes Material rausschaffen, sollte wir die Anregung beifügen, unsere Fans nach jeder Folge über ihren Liebling abstimmen zu lassen.“

Fierce verzog das Gesicht. „Wieso, hast du Angst einer von uns kratzt ab?“

„Angst würde ich das nicht nennen. Obwohl bei unserer Arbeit die Möglichkeit, sein Leben zu verlieren, durchaus besteht. Ich dachte allerdings vielmehr daran, dass wir nicht wissen, wie viele Episoden es geben wird, und auch nicht, wann sie zur Verfügung stehen. Da wäre ein zwischenzeitliches Voting doch was?“

„Wer lag denn beim Voting nach Staffel zwei vorne, bevor wir los sind?“, fragte Fierce neugierig.

AveRage wusste es: „Fang, vor Sapper aka Liam, vor Bloody Guts!“

Fierce hob die Hand Richtung Fang. „Yeah! Schlag ein, Chummer!“

Fang schlug ein.

Tiernan grinste.

„Nach Staffel eins hat Rubber Duck gewonnen. Wo lag er nach Staffel zwei?“, wollte Fang wissen.

AveRage musste das offenbar kurz kontrollieren. „Er ist Zwölfter geworden und an Punkten weit abgeschlagen!“

Fierce lachte. „Ja, die Gunst der Fans ist 'ne wackelige Angelegenheit. Aber hey, er hätte Achtzehnter werden können, das wäre doch viel schlechter gewes’n.“ Das letzte ihrer Worte wurde unter der nächsten Ladung Essen verschüttet.

„Ich find das mit dem nach jeder Folge voten gut!“, erklärte Fang nun. „Dann trag ich in Staffel vier Shirts mit ‚Vote for Rubber Duck‘!“

Fierce, die den Mund schon wieder voll hatte, meldete sich heftig, um anzuzeigen, dass sie etwas sagen wollte, nachdem sie runtergeschluckt hatte.

Alle schwiegen und sahen sie erwartungsvoll an. 

„Au ja! Das machen wir dann alle. - Oder ich mach das dann auch“, brach es aus ihr heraus.

Liam schüttelte missbilligend dem Kopf.

„Aber nicht immer für Rubber Duck! Auch für mich, oder noch besser, für Fang.“ Die Orkin sah nun sehr zufrieden aus.

Liam verzog das Gesicht.

Shark Finn sah zu Fierce. „Na, auf jeden Fall hast du in 'nem Shirt 'ne offensichtlich bessere Werbefläche, Sis’!“

Fierce streckte ihren üppigen Busen vor. „Ja, nä? Glaub ich auch. Könnte ich auch vermieten!“

„Na, solang’ Fang nicht die Leinwand beschriftet, soll es mir egal sein“, erklärte Liam.

Fang griente.

Fierce lachte nun und meinte dann stolz: „Dürfte er auch. Wir machen alles zusammen. Schließlich sind wir BFF!“

Liam machte große Augen.

Tiernan prustete los und auch Shark Finn lachte. 

„BFF, wie best friends forever?“, fragte Mash nach. 

Obwohl Mash nicht in dem Sinn frühstückte, nahm er allein aus Gesellschaft an den Frühstücksmeetings teil, die in der kurzen Zeit fast schon so etwas wie eine Familientradition geworden waren, und zwar unabhängig davon, zu welcher Tageszeit sie stattfanden. Heute zum Beispiel waren wir spät dran und es war bereits kurz vor 11 Uhr am Vormittag. Eine Zeit, die Mr. Tea entgegen kam und die Eden für ungeeignet hielt. Die Frau deckte jeden Morgen noch vor 7 Uhr den Tisch. Überhaupt war sie immer wachsam und sah zusätzlich zu ihren Wachdiensten überall nach dem Rechten, behielt die Umgebung im Auge und kontrollierte unsere Abgrenzungen und Shamblerfallen. Die Diskrepanz eines frühen Frühstücks mit der Zeit heute hatte sie mit extra Training ausgeglichen. Ich fand 11 Uhr am Vormittag passend, besonders für einen - ich warf einen Blick auf die Datumsanzeige in meinem AR-Overlay - oh, es war tatsächlich Sonntag, wie ich feststellte.

„Genau so!“, bestätigte Fierce und unterstütze ihre Aussage wieder durch eine bekräftigende Geste.

Tiernan lachte weiter.

„Was denn?“, rief Fierce. „Das ist wirklich so, mit allem Drum und Dran. Wir wollen uns sogar mal gegenseitig die Fußnägel lackieren, wenn wir später mal nicht so viel abwaschen müssen.“

Auch Shark Finn fing nun wieder an zu lachen. Die meisten anderen grinsten zumindest. 

Liam schien nun ebenfalls zufrieden, da auch Fangs Körpersprache von Freundschaft und keinerlei sexueller Verbindung sprach. Nicht, dass Liam Fierce Sex mit Fang nicht gönnen würde oder etwas gegen Fang an sich einzuwenden hätte, er wusste nur, dass Fierce sehr leidenschaftlich und impulsiv war und wollte nicht, das Fang ihr mit seiner lockeren Einstellung das Herz brach.

Tiernan grinste breit und sagte lachend: „Fußnägel lackieren, ich schmeiß mich weg. BFF, Best Friends Forever oder Best Fang and Fierce!“

„Du bist ja nur neidisch!“, witzelte Fierce. „Weil ich dann schicke Fußnägel habe und du nicht!“

„Ich kann das mit den Fußnägeln bestimmt!“, bestätigte Fang. „Ich kann die Zeit hier ja nutzen, um was zu lernen. Tiernan könnte mir Kochen beibringen!“

Tiernan schüttelte den Kopf. „Vergiss es!“ Er verschwand lachend in der Küche.

„Was? Warum denn nicht?“

„Weil man Kochen nicht einfach mal so eben lernen kann“, rief Tiernan. „Dazu braucht man Talent!“

Ich lächelte wissend. Wenn man es am Ende so können wollte wie Tiernan, dann benötigte es mit Sicherheit Talent. 

„Ich könnte auch Combat Biker von Fierce lernen?“, meinte unser Wolf-Folger nun.

Fierce nickte. „Klar, wir können jederzeit mit dem Üben anfangen.“

Liam schob seine Nickelbrille zurecht und sagte in seinem leicht herausfordernden Ton zu Fang: „Das bedeutet entweder, dass Fierce mehr Vertrauen in dich hat als Tiernan, oder dass Combat Biking leichter ist als Kochen.“ 

„Oder beides!“, kommentierte ich charmant. 

AveRage meinte nun: „Dass Fang glaubt, er kann hier alles lernen, liegt nur daran, dass für Fang Lernen nicht bedeutet, dass er wirklich etwas lernt. Der ist doch schon glücklich, wenn er die Regeln verstanden hat, und wenn er mal gewinnt, ist das Glück.“

Fang grinste jungenhaft. „Was ist denn Glück? Gewinnen ist Können!“

„Ah, deshalb kannst du es nicht!“, konterte AveRage. 

Columbo hatte sich die allgemeine Beschaffungsliste vorgenommen, wechselte urplötzlich das Thema und fragte: „20 Kilogramm Ziegel? Sollen die einfach oder doppelt gebrannt sein?“

Tiernan streckte den Kopf aus der Küche. „Egal, einfach nur Ziegel, wir brauchen Ton und ich hab hier keinen Brennofen.“

❄️

[Song 2: Clutch - The Regulator3] Ich stand auf, gab Liam und Doc Bescheid, mir zu folgen, rief AveRage dazu und zog mich ein Stück weit zurück, um etwas Ruhe zu haben. Ich stellte mich vor eines der dick verglasten, schweren Fenster der ehemaligen Werkshalle und lehnte mich mit meinem knackigen Hintern gegen das schmale Fensterbrett. Die milchigen Butzenscheiben brachen den spätmorgendlichen Sonnenschein und tauchten die Szene so in ein warmes, gelbes Licht. Meine perlweiße Haut und mein eisweißes, zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenes Haar würden so noch strahlender und reiner wirken. 

Ich hatte vor, die Comm-ID auszuprobieren, die mir ein gewisser DJ gestern hatte zukommen lassen. „An das außerordentliche Shadowrunner-Team, das heute den Hub infiltriert hat: Falls ihr Interesse an einem Job habt, meldet euch!“, hatte es dort geheißen. 

Nicht, dass wir tatsächlich Interesse an einem Job gehabt hätten, aber ich war neugierig. Außerdem konnten bei einem Job einer oder gleich mehrere Kontakte herausspringen. Und genau genommen waren wir ja immer noch Shadowrunner. Nur eben sehr gute und ebenso gut bezahlte Runner.

Ich bat AveRage, die Leitung sicher zu machen. Doc lehnte sich in einiger Entfernung an die Wand, Liam hatte sich mir gegenüber lässig in einen Stuhl geworfen und schloss die Augen, da er in die Matrix verschwand. Alle hatten sich so aufgestellt, dass sie mich und ich sie sehen konnte, sie sich aber nicht im Aufnahmebereich der Kamera befanden.

Nach AveRage Nicken stellte ich die Verbindung her. 

Der Anruf ging direkt in das Ares Global Grid. Ich bekam von Liam kurz die Trutzburg mit wehenden Fahnen über grünen Feldern eingeblendet.

Dann erwachte der eigentliche Bildschirm zum Leben, da mein Gegenüber das Gespräch angenommen hatte. Ein Elfengesicht mit Brille. Die Brille ließ ihn ein wenig nerdig aussehen. Er war kaukasischer Herkunft und hatte ein emotionsloses Pokerface aufgesetzt.

Ich forderte ihn heraus, indem ich mein Bild ebenfalls einschaltete. 

In Sekundenbruchteilen huschten Mikroexpressionen über das Gesicht des Elfen, die ich wie folgt beschreiben würde: Wow, was für eine Frau; Boah, sieht die gut aus; Moment mal, die kenn ich irgendwo her? Nee, das kann gar nicht sein; Aber doch, das ist sie; Ach du dicke Neune; 

Er hatte sich gut im Griff, das Pokerface saß sofort wieder und er sagte ruhig: «Guten Morgen. Ich wusste gar nicht, dass ihr hier dreht!» 

Ich lächelte und erwiderte: «Hier zu drehen war auch nicht beabsichtigt, wir waren zufällig hier!»9

Er fuhr sich kurz durchs Haar. «Puh, die Howling Shadows, na, dann kann ich euch wahrscheinlich nichts bieten, ich meine, dazu reicht mein Budget nicht aus. Also, wenn ihr das wart, die in die HCZ eingedrungen sind?»

«Ich habe deine Nachricht bekommen, fühlte mich angesprochen und habe die Comm-ID genutzt.» Ich grinste kurz. «Dass wir in der HCZ waren, kann ich weder dementieren noch bestätigen», erklärte ich bezaubernd lächelnd. 

Die HCZ - wie schnell so ein frischer Begriff doch in den normalen Sprachgebrauch überging. Fast, als wäre es immer so gewesen. «Die Explosion war übrigens rosa», fügte ich hinzu und bestätigte damit, dass wir es gewesen waren. «Ich bin allerdings nicht mit meinem kompletten Team hier.»

DJs Augen weiteten sich vor Überraschung. «Bist du allein?», fragte er. 

Liam zeigte genervt den Mittelfinger. Zynisch murmelte er: «Wenn du allein bist, dann komm ich dich retten!»

Ich lachte charmant. «Nein, ich bin nicht allein. Einige von meinem Team sind hier, aber nicht alle sind Howling Shadows.»

«Hmm, Dinge gibt’s. Gut, also wie gesagt, ich kann euch nichts bieten!», meinte er zögerlich.

Ich legte den Kopf ein wenig zur Seite. «Sag doch erst mal, worum es geht. Dann sehen wir weiter.»

«Es handelt sich um eine Rettungsmission in der MCZ.» Es folgte eine Anschrift. «Ich kann euch 500 Nuyen pro geretteter Person zahlen.»

Ich grinste kurz. Dass ich für 500 Nuyen gearbeitet hatte, war gefühlte Ewigkeiten her. Mir lag auf der Zunge, das zu sagen. Doch ich schluckte die Bemerkung lächelnd runter. Das auszusprechen, wäre unangebracht gewesen. DJ hatte ja schon zugegeben, dass er uns nichts zu bieten hatte. «Geld können wir aktuell tatsächlich am wenigsten gebrauchen. Doch uns fällt bestimmt etwas anderes ein, was du besorgen kannst und das wir brauchen können.»

DJ konnte es kaum glauben. «Ihr wollt das tatsächlich machen?»

«Ja! Um wie viele Personen geht es denn?»

DJ fiel ein Stein vom Herzen. «Um neun.» 

«Wann hast du das letzte Mal von ihnen gehört?»

«Das ist jetzt schon fast drei Tage her.»

Ich überlegte kurz, dann lächelte ich. «Kannst du Schuhe besorgen? Also High Heels?»

Damit hatte Dj nun nicht gerechnet, er zögerte einen Moment und meinte dann leicht verwirrt: «Ja, das müsste gehen.»

«Wie wäre es dann mit folgender Idee: Für jeden Geretteten bekommen wir ein paar Schuhe? Ich schicke dir noch eine Liste mit Größen und Modellen, damit du weißt, was wir darunter verstehen.»

DJ zog beide Augenbrauen erstaunt hoch. „Also wirklich High Heels?“, fragte er nach.

Liam sandte mir eine Nachricht zu: <Frag nach einer Ares Redline! Wenn er von Ares ist, kann er das besorgen.>

„Genau, High Heels. Und wenn es uns gelingt, alle neun zu retten, dann bekommen wir etwas Besonderes. Eine Ares Redline!»

Der Elf verschluckte sich beinahe an seiner Spucke, so viel zum Thema Pokerface. Obwohl das natürlich auch Absicht gewesen sein konnte. «Weißt du, was die kostet?»

<7,5k, aber sie ist F!>, erschien auf meinem AR-Bildschirm. F stand für ‚forbidden‘, was dann bedeutete, dass ihr Straßenwert sich vervielfachte. Abgesehen davon war eine Laserpistole eben eine extrem leise, nützliche Waffe, wenn man denn damit umgehen konnte. Liam konnte, wie ich wusste.

«7.500 NuYen», antwortete ich auf die von DJ gestellte Frage. 

DJ atmete hörbar aus. «Also gut, abgemacht. Ich werde bis zu acht Paar Schuhe bereithalten und für den besten Fall besorge ich eine Redline.» 

Eigentlich hatte ich den Bonus zusätzlich gemeint, aber ich war gut gelaunt und darum ließ ich ihm das durchgehen. «Sehr gut!», lobte ich.

«Die Metamenschen, um die es geht, befinden sich 65 Otis Street, Appartement 2 Caesar. Ihr bekommt von mir noch einen Code, mit dem euch die Gardisten an der Route 28, Ecke Dritte Straße, durchs Tor und wieder zurück lassen. Dort gebt ihr dann auch die Geretteten ab.» 

«Wollen die Leute denn auch raus?», fragte ich nach.

DJ nickte ernsthaft. «Ja, sicher, die wollen raus!»

«Hervorragend. Dann steht ihrer Rettung ja nichts mehr im Weg», meinte ich zuversichtlich.

Wieder gab es Mikroexpressionen auf DJs Gesicht. Warum auch immer, er schien an der Rettung der Metamenschen echtes Interesse zu haben und ein Teil von ihm war sich bewusst, was für ein Schnäppchen er mit uns als Runnern gemacht hatte. «Dann viel Erfolg!» Nach einer kurzen Pause fügte der Elf hinzu: «Und ihr seid wirklich…?»

Ich nickte, «Ja, sind wir.» 

«Das glaubt mir kein Schwein!», stellte DJ fest und beendete die Verbindung.

❄️

Für Schuhe war ich noch nie auf einen Run gegangen. Jedenfalls nicht direkt. Selbstverständlich hatte ich schon Unsummen von auf einem Run verdientem Geld für Schuhe ausgegeben. Aber so war dann doch mal etwas ganz Neues. Waffen hatten hingegen schon öfter auf der Liste unserer Forderungen gestanden.

„Die lokalen Infos sagen, dass DJ direkt von KE ist!“, gab AveRage bekannt.

„Ich hab ihn auch zu einer KE-Adresse zurückverfolgen können“, fügte Liam hinzu.

Wenn DJ von Knight Errant war, wollte ich doch lieber alle neun Personen retten. Cops besaßen im Normalfall keinen guten Schuhgeschmack, und für gute Kontakte zu Zoé oder Ashton waren weder KE noch Ares berühmt.

Ich stieß mich in einer coolen Geste und mit einem breiten Grinsen im Gesicht von dem Fensterbrett ab und trat zurück an den Frühstückstisch, um dort noch mal um Aufmerksamkeit zu bitten. Als ich sie hatte, erläuterte kurz, was ich eben mit DJ besprochen hatte. 

❄️

„Warum hast du keine Turnschuhe mit auf die Liste gesetzt?“, wollte AveRage am Ende meiner Erläuterung wissen.

Ich grinste. „High Heels schienen mir eine passende Wahl für einen Trideostar. Aber wenn du magst, dann setze ich beim nächsten Mal gerne auch Turnschuhe auf die Liste. Ich kann das sicher auch nachreichen. Was für Turnschuhe magst du denn?“

AveRage zögerte keine Sekunde. „Weiße mit schwarzen Streifen.“

Das mit dem auf die Liste setzen erledigte Liam für mich.

Ich ließ meinen Blick kurz über die Runde meiner Gefährten am Tisch schweifen. 

Fierce meldete sich. „Ich will mit!“, erklärte sie.

Ich lächelte. „Es spricht nichts dagegen. Dann sind wir damit schon mal zwei. Wie während der letzten beiden Einsätze möchte ich die Größe der Gruppe auf fünf bis sechs Teilnehmer beschränken.“

Fierce rammte Fang ihren Ellenbogen in die Seite. Der im Vergleich zu Fierce schmächtig wirkende Mann wackelte nach dem Stoß, beschwerte sich aber nicht. Er hatte sogar verstanden und meldete sich. „Ich würde auch gerne mitmachen.“

Tiernan verdrehte die Augen. „Das war so klar!“ 

Fierce grinse bis über beide Hauer. „Best Fang and Fierce!“, betonte sie nur.

Ich konnte spüren, dass Liam jetzt erst recht mit wollte, also sah ich in seine Richtung. „Würdest du auch mitkommen, Liam?“

Er nickte. „Aye!“

Columbo meldete sich zu Wort: „Wir haben dann indirekt mit Ares zu tun, unser Auftraggeber ist wahrscheinlich von KE und mich interessiert, wie es in der MCZ im Vergleich aussieht. Ich würde auch gerne noch mal mitkommen!“

„Gut, dann bist du dabei“, bestätigte ich. 

Tiernan hatte Shark Finn beiseite gebeten und nun redete er gestikulierend auf den Fomori ein. Wenn mich nicht alles täuschte, handelten die zwei irgendetwas aus. 

Mit einem Lächeln auf den Lippen kehrte Tiernan schließlich zurück an den Tisch. „Ich komm auch mit, wenn das für dich okay ist, Snowcat?“

„Sehr gern!“, meinte ich nur.

AveRage sah ein bisschen bedripst drein. Er hatte offenbar auch gerne mitgewollt. „Wann sehen wir uns denn das Labor oder den Tower 4 an?“, fragte er.

„Heute noch nicht“, erklärte ich. „Doch die heutige Mission verschafft uns schon mal einen Eindruck, was die MCZ angeht. Das ist zumindest für einen Besuch in dem unterirdischen MIT&T-Labor hilfreich.“

Liam legte Average die Hand auf die Schulter. „Wir gehen jetzt erstmal den Weg zum Labor ausscouten. Spätestens, wenn wir da reingehen oder zum Tower gehen, dann kommst du mit!“, versprach er ungewohnt sanft. 

AveRages Gesicht hellte sich auf. „Fein, ich freu mich!“

[Song 3: Dropkick Murphys - Rose Tattoo3] Es war Liams Art, fast ausschließlich aggressiv, angepisst, herausfordernd oder ironisch zu klingen. Er sei denn, er erklärte einem etwas, dann klang er nur ernst. Er trug immer das entsprechende Gesicht dazu zur Schau. Jedenfalls war das der Eindruck, den fast alle von ihm bekamen. Sein Gegenüber bemerkte meist schnell, wie viel Wissen, Können und Wahres in Liams Aussagen steckte. So erntete Liam den Respekt seiner Mitmetamenschen. Lernte man Liam näher kennen, konnte man bemerken, dass seine schroffe Art nicht auf ständige schlechte Laune oder Verbitterung hinwies. Wer ihn beobachtete, entdeckte, wie zufrieden er zum Beispiel aussah, wenn er konzentriert an etwas werkelte. Man konnte ihn dabei erwischen, wie er schmunzelnd zur Musik mit dem Fuß im Takt wippte, was er übrigens jedes Mal tat, wenn Tiernan musizierte. Wenn Liam stolz auf ein Familienmitglied war, dann wurde die Wärme und Liebe in ihm sichtbar, übrigens auch für weniger empathische Metamenschen als mich. Für Liam ging seine Familie über alles. In ihrer Mitte blühte er auf. Liam war zornig, fröhlich, nachtragend, hochintelligent und loyal. Er liebte, lachte und lebte und hatte Launen, wie jeder andere Metamensch auch. Dennoch lag in ihm stets eine Sehnsucht oder einen Schmerz, der mir das Gefühl gab, Liam könne nie lange völlig glücklich sein. Selbst in den Stunden, in denen er von seiner Familie umgeben war und fröhlich feierte, gab es Augenblicke, in denen Wehmut an die Oberfläche trat. Ich schrieb das der schon legendären Tatsache zu, dass er seine Heimat Tír na nÓg - oder für ihn weiter Irland - vermisste. Iren hatten schon immer gemeint, dass sie einen Teil von sich zurückließen, wenn sie ihre Heimat verließen. Geschah das unfreiwillig, konnte sich das doch eigentlich nur schlimmer anfühlen. Ich wusste nicht viel von dem, was Liam widerfahren war. Ich wusste nur, dass er als Mensch in Irland geboren worden war. Er konnte dann später nicht sonderlich alt gewesen sein, als Tír na nÓg ausgerufen worden war und die Danaan-Familien die Herrschaft übernommen hatten. Wie, wann und warum er das Land verlassen musste, wusste ich ebenso nicht. Doch ich wusste, dass er im Widerstand gegen die rassistische Elfenregierung gekämpft hatte. Ich vermutete zudem, dass Liam dort auch den Elfen Thorn kennengelernt hatte. Vielleicht hatte Liam Thorn etwas über Sprengstoff beigebracht, vielleicht war es auch umgekehrt gewesen. Wenn wir irgendwann aus Boston wieder heraus waren, musste ich die beiden mal zu mir nach Hause einladen, zwei bis vier Flaschen Whisky bereit halten und sie zu dem Thema ihrer gemeinsamen Vergangenheit befragen. 

Ich selbst konnte das mit der Sehnsucht nach der Heimat nicht nachvollziehen. Ich fühlte mich mit vielen Orten verbunden, auch wenn ich Seattle vielleicht am ehesten als meine Heimat bezeichnen würde. Doch wer weiß, wenn ich vielleicht nicht mehr dorthin zurück könnte…? Außerdem  kannte ich Tír na nÓg noch nicht. Es gab weltweit nur wenige Orte, die sich durch das Erwachen der Magie so verändert hatten wie Irland. Dort hatte sich das Land förmlich unter den Füßen der Metamenschen verwandelt. Bäume waren aus dem Nichts gewachsen, Straßen waren entstanden. Das musste unglaublich gewesen sein. Doch das hatte dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land keine Ruhe gebracht. ‚Die Elfen‘ hatten das Land für sich beansprucht und so war aus dem Kampf England gegen Irland der Kampf Menschen und andere Rasse gegen Elfen geworden. Die Magie veränderte das Land weiter, denn die Magie an sich war deutlicheren Veränderungen ausgesetzt, als der Verlauf der Manazyklen allein hätte bewirken können. Durch das Wirken der Metamenschheit war das Mananiveau unberechenbar geworden. Mir war nur wenig über Irland, die Danaan-Familien und den Sídhe-Court bekannt. Letzterer war zwar genau genommen kein Teil von Tír na nÓg, aber irgendwie doch eng mit dem Land verbunden. Ich hatte keine Ahnung, ob ich wirklich ‚Elfenkönigin‘ werden konnte oder überhaupt wollte. Aber ich war sicher, Liam eines Tages eine sichere Rückkehr in seine Heimat verschaffen zu wollen, was immer dafür auch nötig sein würde. Vielleicht würde eine mögliche Rückkehr von Liam auch eine mögliche Rückkehr von Thorn bedeuten.

Mit einem Blick auf die Szene von Liam und AveRage schob ich den Gedankenfluss beiseite. Jetzt waren wir erstmal hier in Boston. 

❄️

Wir beschlossen, diesmal in der Nacht zu gehen. Das verschaffte uns mehr Zeit für die Vorbereitung. Abgesehen davon war es vielleicht gut, nicht von verzweifelten Metamenschen in der MCZ gesehen zu werden. Wir würden schließlich nur die rausbringen, die wir rausbringen sollten. Wahrscheinlich. Außerdem lohnte es sich, auch für die Nacht in Boston ein Gefühl zu bekommen. 

Bevor sich Tiernan seinen magischen Vorbereitungen widmete, kam er auf eine Idee. „Willste nicht als Wolf gehen?“, fragte er Fang.

Obwohl BF-Fierce zunächst nicht sonderlich begeistert von der Idee war, stieß der Vorschlag auf die freudige Zustimmung von BF-Fang. 

„Dann sollte er aber ein Boston-Revolution-Halstuch tragen“, schlug Shark Finn vor. 

„Besser, wir machen gleich ein Revolution-Trikot auf seine Wolfsrüstung!“, meinte Liam sofort. 

Fang verzog das Gesicht. 

„Tiernan formt das Trikot um, damit du das als wolfsgerechtes T-Shirt tragen kannst“, versprach Liam noch. 

„Ey, mal ehrlich, kein Kleidungsstück ist wolfsgerecht!“, maulte Fang.

Ich legte den Kopf leicht schief. „Auf deine Panzerung kannst du aber nicht verzichten. Dann kommt es auf das T-Shirt nicht mehr an.“

Fang seufzte und nickte dann.

„Dann kannst du als mein Hund gehen“, feixte Fierce nun. 

Fang verdrehte die Augen. „Wolf, kein Hund. Aber gut, solange ich nicht an die Leine muss.“

Ich grinste wölfisch. „Zumindest, wenn wir durch die Kontrollen am Zaun gehen, sollte es aber genau so sein.“

Fang nervten solche Dinge, aber sie nervten ihn nicht genug, damit er auf seine Wolfsform verzichtete. „ Ja, ja, ich soll eurer Haustier sein. Sogar Katzenfutter steht ja auf der Besorgungsliste.“

Tiernan lachte. „Immerhin kein Hundefutter.“

Fierce buffte Fang hart. „Das Katzenfutter ist nicht für dich, das hat Snowcat auf die Liste gesetzt!“

Fang sah zu Tiernan. „Siehst du, der schmeckt dein Futter nicht, darum ist Katzenfutter auf der Liste!“, witzelte er.

Doch das konnte ich gleich aus mehreren Gründen nicht so stehen lassen. Tiernan war eigen, was Witze über sein Essen anging. Liam war eigen, was jegliche kränkenden Bemerkungen über seine Familienmitglieder anging. Und ich war eigen, wenn man mich mit ‚der‘ oder ‚die‘ betitelte. „Ich mag Tiernans Essen nicht nur, ich liebe es!“, stellte ich klar. „Wenn ich Tierfutter für dich auf die Liste gesetzt hätte, wäre es natürlich Hundefutter gewesen.“ 

Fang schenkte mir seine volle Aufmerksamkeit, alles andere wäre auch unangebracht gewesen. Kühl fügte ich hinzu: „Wenn du Tiernans köstliches Essen nicht zu würdigen weißt, kannst du es gerne mal mit Hundefutter versuchen.“ Ich grinste urplötzlich freundlich. „Du weißt bestimmt, wo es das gibt!“

„Ich mag Tiernans Essen sehr, sehr gern!“, erklärte Fang nach einer kurzen Pause.

Fierce buffte ihn erneut in die Seite. „Mensch, du musst aufpassen, was du manchmal für 'nen Blödsinn sagst. Erst denken, dann sprechen!“ Sie beugte sich vor und flüsterte: „Snowcat musst du immer auslassen, wenn's um Witze geht. Das gehört sich einfach nicht, man macht über Prinzessinnen keine Sprüche. Und den Oheim musst du auch auslassen, denn sonst ist gefährlich, und Tiernan und Shark Finn auch.“ Fierce sah sich kurz um. „Und über Doc würde ich besser auch nichts sagen.“

Fang machte große Augen. „Aber warum denn? Wir sind doch eine Familie?“

„Ja, schon, aber es gibt Familie und Familie! Ein Teil der Familie ist eben eigen, und dann hör auf mich und legt dich nicht mit denen an.“

Fang kratzte sich am Kopf. „Okay, aber wer bleibt dann noch?“

„Na, Eden oder AveRage oder Mash oder Sinister oder Columbo oder ich. Ich hau dir einfach aufs Maul und dann ist gut.“

❄️❄️

[Song 4: A Perfect Circle - The Doomed3] In der Nacht waren die Straßen dunkel und still. 

Dunkler und stiller als sie es normalerweise in einem Sprawl gewesen wären. Ein Teil der Straßenbeleuchtung funktionierte, andere Teile blieben schwarz. Die Metamenschen in ihren Häusern und Wohnungen waren entweder nicht zu Hause, schliefen bereits oder achteten darauf, keinen Lichtschein nach draußen dringen zu lassen. Vielleicht sparten sie einfach auch den Strom, oder… die Bewohner waren inzwischen zu Shamblern geworden. Die meisten Fenster waren jedenfalls dunkel. 

Erneut bildeten wir eine auffällige Gruppe. 

Fierce in ihrer dunkelroten, martialischen Combat-Biker-Rüstung, mit dicken roten Zöpfen und polierten Hauern.  

Fang in Wolfsgestalt mit einem für ihn magisch angefertigten New-England-Revolution-Fußball-Shirt und einem farblich passenden Nietenhalsband.

Tiernan in gepanzerter Cargohose, geputzten Docks nebst Panzerjacke, bewaffnet mit Armbrust, Smartköcher und Pistole, alles in einer Kombination aus dunkelgrün und schwarz.

Liam bot vom Kleidungsstil her ein Pendant, dennoch waren die Details an den Outfits so verschieden, dass sie nicht gleich wirkten. 

Columbo im Ares-Business-Anzug, der ihm gut stand, in dem er aber dennoch nicht wirkte, als hätte er das Konzerngelände gerade erst verlassen.  

In ihrer Mitte lief ich in meinem weißen, rosengeprägten CatSuit, den ich trotz der Dunkelheit nicht auf schwarz gestellt hatte. Shambler reagierten auf Geräusche, nicht auf Farben. Wir würden sie entdecken, bevor sie uns sahen, und gegen Heckenschützen - mit denen ich hier einfach nicht rechnete - hatte ich einen mächtigen Deflection-Zauber  in einen Zauberspeicher an meinem Strumpfband geladen. 

❄️

Nach einem kleinen Umweg über ein Machthoch der Dragon-Line, wo ich voller Freude Leprechaun11 Maff beschworen hatte, erreichten wir kurz vor 23:00 Uhr das Tor an der Route 28. 

'Das Tor' war natürlich nicht ganz korrekt. Es musste 'die Tore' heißen. 

Männer und Frauen in leichten Militärpanzerungen, durch entsprechende TAGs eindeutig als Mitarbeiter von Knight Errant gekennzeichnet, hielten auf dem hell erleuchteten Mittelstreifen zwischen den doppelten Grenzzäunen Wache. Containerhäuschen fungierten als Wachhaus und Aufenthaltsraum. 

Der Grenzstreifen selbst wurde durch patrouillierende Ares City Master und Drohnenüberwachung geschützt. 

Die Generatoren für Scheinwerfer und Klimaanlagen summten leise vor sich hin. Ares hatte hier schnell Abgrenzungen auf die Beine gestellt, die totalitäre Regimes neidisch machen konnten. Inzwischen hatte Ares ja auch Übung im Hochziehen von Grenzen, wie mir sauer aufstieß. 

Noch vor einigen Wochen hatte ich mich auf dem Jägerball mit Damien Knight darüber unterhalten, dass die Serie Toxic Hunter Inspiration für unsere eigene Serie gewesen war. Ich lachte leise in mich hinein. Ich hatte ihm meine virtuelle Karte gegeben und ihm gesagt, er könne sich ja melden, wenn er Stress mit magischen Gefahren habe. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich hatte das Gefühl gehabt, er hatte bei der Erwähnung von magischen Gefahren kurz gezuckt. Wie auch immer, ich fand Damien Knight nicht gerade sympathisch, würde mir das aber nie anmerken lassen. 

Doch egal, ob er nun mit Insektengeistern gemeinsame Sache machte oder nicht, das spielte heute keine Rolle.

Fierce nahm Fang an die symbolische Leine, und wir sendeten das Commsignal, welches DJ uns gegeben hatte.

Leicht ruckelnd öffnete sich Tor 1. Tor 2 wurde uns erst per Hand geöffnet, nachdem Tor 1 sich hinter uns geschlossen hatte.

Vier Knight-Errant-Gardisten in voller Bewaffnung nahmen uns in Empfang. Vier weitere warteten im Container, wie Liam mir mitteilte. 

Ich nahm kurz astral wahr und entdeckte Wachgeister, die die mundanen Kräfte unterstützen.

Hätte ich nicht gewusst, dass wir mehr als nur gut waren, wäre ich wohl in Sorge geraten. Es würde im Ernstfall nicht einfach werden, die Grenzanlagen zu überwinden. 

Doch für heute hatten wir ja einen Code. Wenn es nach Abschluss des Auftrags auch problemlos wieder raus ging, würde sich der Job schon allein für den Kontakt zu DJ bezahlt machen. Was er einmal konnte, konnte er bestimmt auch ein zweites Mal organisieren. 

Die vier Gardisten nickten uns zu, begleiteten uns dann mit gesenkten Waffen zu Tor 3 und machten sich daran, es zu öffnen.

Immer, wenn mir jemand von den Gardisten auch nur ansatzweise zu nahe kam, trat Wolf Fang dazwischen und knurrte leise. Wenn mich nicht alles täuschte, 'tuschelten' zwei der Wachmänner via Commlink über Fang. Ob sie ihn wohl erkannt hatten? Die Visiere der Knight-Errant-Gardisten waren alle geschlossen. Ich vermutete anhand des Körperbaus und der Blicke, die Fierce zugeworfen bekam, dass die Gardisten alle männlich waren, zwei Menschen und zwei Orks. 

Wir traten durch Tor 3.

„Die, die ihr eintretet, lasset alle Hoffnung fahren!“, sagte einer der beiden Menschen leise und durch den Helm gedämpft. Ich verstand es trotzdem.

‹Haltet sie mal kurz auf!›, forderte Liam via Mindlink-Zauber, den ich selbstverständlich auch heute wieder gesprochen hatte.

Ich drehte mich schwungvoll und strahlend lächelnd um. „Wie poetisch“, lobte ich in meinem charmantesten Ton. „Und ich vermute, ein Zitat aus ‚Dantes Inferno‘ ist bei der Situation in der MCZ durchaus angebracht.“

Der Mann öffnete das Visier seines Helmes und räusperte sich. „Das haben Sie gehört?! Verzeihung, ich habe eigentlich sehr leise sprechen wollen.“

Ich neigte den Kopf ein wenig. „Ich habe ein gutes Gehör. Wenn Sie gestatten, dann bringe ich Hoffnung in die MCZ, statt sie beim Betreten fahren zu lassen, Officer!“

„Ja, sicher!“

Ich lächelte entwaffnend und schaffte es so, auch dem Gardisten ein Lächeln zu entlocken. „Das wird für Sie leicht sein!“ Er rang sich durch und nach einer Pause fügte er hinzu. „Sind Sie eigentlich Snowcat?“

„Ja, bin ich.“

Nun öffneten auch die anderen ihre Visiere. Die vier aus der Baracke kamen hinzu, und einige fragten tatsächlich, ob ich mich wirklich unbedingt in die MCZ wagen musste.

Wir gaben ein paar Autogramme und erlaubten Selfies. Fang achtete weiter darauf, dass niemand mich berührte. Außerhalb von Boston würde sich nichts von dem Material verbreiten. Also stellten die Bilder kein Problem dar.

Liam war schon längst fertig mit dem, was er hatte tun wollen. Also war es Zeit für uns, zu gehen.

Kurz darauf schloss sich Tor 4 hinter uns und wir betraten einen Kreis der Hölle.

❄️

Unwillkürlich fragte ich mich, wie oft man sagen konnte, dass eine Situation schlimmer geworden war, bevor sie endgültig unerträglich geworden war.

Im Gegensatz zu dem, was wir in den letzten Tagen gesehen hatten, war hier alles noch schlimmer. 

Weniger Licht, weniger Leben, weniger Hoffnung. 

Mehr Shambler, mehr Zerstörung, mehr Feuer, mehr Gestank.

Die ersten Shambler waren schon durch das Geräusch der sich schließenden Türen angelockt worden und näherten sich von Nordosten. Wir setzen uns leise laufend in Bewegung, und nachdem wir außer Sichtweise des Tors waren, bat ich Leprechaun Maff, uns zu verschleiern. 

Unsere Zieladresse war nur drei Blocks von unserem Eingang entfernt und lag in südlicher Richtung. Profis, wie wir waren, formierten wir uns in einer Diamantformation. Ich ging in der Mitte und Fang als spurensuchender Wolf lief uns ein Stück voraus.

Das praktische am Mindlink-Zauber war, dass Fang völlig normal mit uns kommunizieren konnte. Liams Spezialanfertigung des Trodennetzes für einen Wolfskopf gestattete zwar auch schon eine Kommunikation, aber so war es noch ein bisschen einfacher für alle Beteiligten. Auf die magische Art konnte Fang uns einfach melden, dass sich unter den Gestank von Tod und Verwesung der von Ghoulen gemischt hatte, die gerade schmatzend ihr Mittagessen einnahmen. Bald darauf schickte er uns Bilder, auf denen gut ein halbes Dutzend Ghoule zufrieden beim Essen um einen Leichenberg versammelt saßen. 

Wir umgingen die Gruppe. 

Ich seufzte innerlich. In ganz Boston würde es wohl nicht genug Ghoule geben, um all die Toten auf den Straßen in der MCZ aufzuessen. 

❄️

[Song 5: No - The Long Haul3] Ich hatte in meinem Leben schon viele Kampfzonen, ehemalige Kampfzonen und Z-Zonen gesehen. Ob Sarajevo, die Redmond Barrens, GeMiTo, die Slums in Bogotá, Chicago oder der verseuchte Hamburger Hafen, um nur einige der schlimmen Zonen zu nennen, die ich mit eigenen Sinnen aufgenommen hatte. Sie alle waren auf ihre eigene Art schlimm gewesen. Dennoch schmerzte das hier besonders. Denn ich kannte es von „davor“.  Noch vor einigen Monaten war ich umgeben von anderen Studenten über das Gelände gelaufen. Gerade Boston hatte ich von der schönen, teilweise luxuriösen Seite kennengelernt. Bei meiner allerersten Begegnung mit der Stadt auf unserem ersten großen Run - damals noch mit Craven - hatte ich zwar die Schattenseite gesehen, doch die meiste Zeit hier hatte ich behütet erlebt und ‚nicht so gute Gegenden’ waren nur Teil eines Ausflugs gewesen. 

Jetzt wirkte das alles surreal. 

Verdorben.

❄️

Das Gebäude unserer Zieladresse war acht Stockwerke hoch. Es war totenstill und wirkte verlassen.

DJ hatte uns selbstverständlich nicht nur die Adresse, sondern auch die Appartementnummer gegeben. 2c lag im zweiten Stock und würde dort auf der Rückseite des Gebäudes das dritte von links sein.

‹Ich geh gucken, ihr beschützt mich?›, schlug Columbo vor.

Ich nickte und sagte dann an: ‹Diamantformation, Wechsel, Colombo kommt in die Mitte.› Dann tauschte ich mit dem Ex-Ares-Mann die Position und trat nach außen.

Columbo zögerte nicht und legte sich auf die Straße. Dann verließ seine Astralgestalt seinen Körper, der augenblicklich erschlaffte.

❄️

Als einige Minuten später Leben in ihn zurückkehrte, bestätigte Columbo verbal, was er uns via Mindlink-Zauber zuvor mitgeteilt hatte: Bis auf zwölf Shambler, die man dort offenbar eingesperrt hatte, da die Eingangstür von außen verbarrikadiert worden war, war das Gebäude metamenschenleer. 

Die Shambler hatten sich im Flur des Hauses versammelt. Sollten sie zuvor versucht haben, aus dem Gebäude auszubrechen, hatten sie es inzwischen aufgegeben. 

‹Wir gehen von außen hoch und sehen uns drinnen um. Vielleicht haben sie Hinweise hinterlassen. Doch selbst wenn nicht, dann kann Fang ihren Geruch aufnehmen›, entschied ich. ‹Hinten gibt es sicher eine Feuerleiter!› 

So war es dann auch.

‹Kannst du die Feuerleiter runterziehen, Columbo?›, fragte Liam. 

‹Das kann ich!›, bestätigte er. Dann fiel sein Blick auf Fang in Wolfsgestalt. ‹Soll ich ihn dann hochlevitieren?›, wollte er wissen.

Fierce schüttelte den Kopf. ‹Nee, lass mal, ich nehme ihn Huckepack!› Die Orkin beugte sich vor, der Wolf sprang auf ihren Rücken und sie packte ihn bei den Vorderpfoten, was jetzt gar nicht nötig gewesen wäre, da Fang seine selbsthaftenden Gecko-Grip-Schuhe aktivieren konnte. Beide hatten ihren Spaß an der Sache, das konnte ich sehen.

❄️

Wir durchsuchten die Wohnung. Ich nahm meinen Breezer ab. Der Geruch von zu vielen Metamenschen, die mehrere Tage eng aufeinander gehockt hatten, schlug mir entgegen. Doch immerhin stank es in dem Appartement nicht nach Tod. 

Der Müll war voll, die Tür von innen zugestellt. Außerdem deuteten die Spuren darauf hin, dass sie Wachposten an den Fenstern aufgestellt hatten, die die Straße im Auge behalten hatte. Hier und da gab es Lücken in der Unordnung, die darauf hindeuteten, dass man zusammengepackt hatte und dann aufgebrochen war. 

Auf eine leere Cerealien-Schachtel war etwas mit einem Filzstift geschrieben worden. 

DJ: Wir konnten nicht länger auf dich warten, wir gehen zu 117 Charles Street, 4 Blocks nach Süden.

Fang teilte uns mit: ‹Sie sind über die Feuerleiter im Bad raus. Ich denk, sie waren da zu neunt. Ist so auf einem Haufen aber schwer zu sagen.›

❄️

Dank der Wolfsnase konnten wir ihrer Spur problemlos folgen. Da Fang das Schnüffeln übernahm, konnte ich getrost meinen Breezer wieder aufsetzten.

Die ersten zwei Blocks Weg stießen wir weder auf Ghoule noch auf gestrandete Shambler. Irgendwie wertete ich das als schlechtes Zeichen. Doch es hieß hoffentlich nur, dass man die Shambler irgendwo eingeschlossen hatte und die Ghoule alle satt waren.

❄️

Direkt an einer Kreuzung stand ein vierzehnstöckiges Gebäude, vor ihm tummelten sich dann wieder Shambler. Die unterschiedlichen Rassen hatten sich zu gut zwei Dutzend vor einer Tür zusammengerottet. Die Vordertür ins Haus war eingedrückt. Im Flur konnten wir weitere Shambler ausmachen. 

‹Ich hab oben eine Reflexion gesehen›, meldete Fang.

Bis zur Adresse waren es zwar noch zwei Blocks und die Spur war auch nicht in Richtung des Hauses abgebogen, dennoch konnte es unsere Gesuchten rein theoretisch dorthin geführt haben. Man konnte nämlich auch noch aus anderen Richtungen in das Gebäude gelangen. 

‹Ich geh schon!›, verkündete Columbo, lehnte sich gegen einen Multifunktionsmast und erschlaffte.

Er schickte uns, was sein Astralblick ihm zeigte. 

Zunächst einmal gab es kleinere Gruppen von zwei bis vier Shamblern, die sich bis zur 6. Etage auf den Gängen herumtrieben. 

In der 13. Etage, die es hier überraschenderweise gab, hatte man den Flur verbarrikadiert und den Fahrstuhl verklemmt. Dann hatten sich fast alle überlebenden Metamenschen in die 14. Etage zurückgezogen. Wir zählten insgesamt 11 Personen. Neun von ihnen lebten zusammen in einer Wohnung. Den Auren nach waren drei von ihnen potenziell infiziert, sprich, sie hatten eine erkennbare Menge von Naniten in ihrem Körper. Aber hey, das hier war das MIT&T, da waren Naniten keine Unmöglichkeit. Unter reichen Kids waren zum Beispiel Naniten, die die Lernfähigkeit des Gehirns stimulierten, keine Seltenheit. Ich schüttelte mich kurz innerlich. Der irisierende Regen war hier auf jede Menge Nahrung gestoßen, die er umprogrammieren konnte. 

Ein menschlicher Mann mit Taschenlampe und herkömmlichem Fernglas hatte sich eine Art Lager auf dem Flur vor der großen Wohnung aufgebaut. Er hielt Richtung Treppenhaus Wache, blickte aber auch immer wieder auf die Straße. Höchstwahrscheinlich war es es gewesen, der die Reflexion verursacht hatte. 

Bei der letzten metamenschlichen Gestalt in dem Haus handelte es sich um einen einzelnen, schlafenden Zwerg in der 10. Etage. Meine Nackenhaare stellten sich auf, als Columbo uns das Bild schickte. 

Fang knurrte leise. 

Gut 30 Shambler standen leise schwankend vor und in dessen Wohnung. Der Impuls, dem Zwerg zu warnen oder ihm gar zu helfen, währte nur kurz, denn sie Shambler hätten den Zwerg durchaus angreifen können. Die Tür zum Schlafzimmer stand offen. 

Doch sie taten es nicht. Sie standen vielmehr ungewohnt ruhig herum. Außerdem wirkten sie, als hätte man sie so entlang der Wände aufgestellt, dass sie so wenig wie möglich im Weg herumstanden. 

Was bei allen Drachen der Sechsten Welt ging da ab?

Fierce kam meiner Frage ans Team zuvor. ‹Fragg!›, entfuhr ihr ein ziemlich lauter Gedanke. ‹Was'n das für'n Freak?›

‹Ich nehme an, man kann die Shambler hacken›, erklärte Liam. ‹Vielleicht hat der das gemacht?›

‹Igitt! Hat er sie unter seine Kontrolle gebracht? Ziehen die am gleichen Strang? Hauen wir denen aufs Maul?›, fragte Fierce nun.

‹Heute noch nicht›, meinte ich dazu. ‹Wir haben eine Mission. Wenn er sie gehackt und umgedreht hat, wäre das einen zweiten Blick wert. Sie scheinen ja seine Armee zu sein. Im Moment befürchte ich er ist einfach nur ein Gegner mit einer Horde Shambler.›

‹Wenn er von Anfang an für sie gearbeitet hat, weiß er vielleicht etwas›, gab Liam zu bedenken. 

‹Da hast du Recht. Der Zwerg sieht aber nicht so aus, als würde bald umziehen. Wir notieren uns die Adresse für den späteren Gebrauch. Jetzt suchen wir erstmal unsere Ziele.›

‹Okay. Du gibst die Spielzüge an, Prinzessin. Aber scary ist der auf jeden!› Damit hatte die Orkin so was von Recht.

❄️

Als wir näher an den Shamblern vorbeikamen, vernahmen wir wieder ihr Murmeln. ‹Wartet kurz bitte!›, sagte ich an. ‹Ich würde gerne versuchen, ob sie unter dem Einfluss eine Geisterkraft sagen, wovor sie Cerberus warnen sollen. 

Ich bat Maff darum, die Shambler zu beeinflussen. Doch alles, was sie dann ausspuckten, war, dass sie Cerberus vor Gefahr warnen sollten. Nun denn.

Liam hatte die Zeit genutzt, um einen Hackingangriff auf das Hirn eines Shamblers zu starten. Im Anschluss war er sich sicher, dass dies möglich war. Richtig beruhigend fand ich das jedoch nicht.

Ich schob meine Neugier beiseite, und wir folgten weiter der Spur.

❄️

[Song 6: Hans Zimmer & Benjamin Walfilsch /Blade Runner 2049 - Flight to LAPD3] Als wir das Haus an der 117. in den Blick bekamen, gefror mir das Blut in den Adern.

Wir blieben alle stehen. 

Ein Ameisenhaufen vor einem Baumstamm, schoss es mir durch den Kopf.  

40, nein eher 50, vielleicht sogar 60 Shambler standen einer schwarzen, wankenden Masse gleich vor dem fünfstöckigen Gebäude. Sechs von ihnen brachten Unruhe in das Gewusel, denn sie rannten durch die Reihen, immer wieder auf den Eingang zu. Wild, unaufhörlich, im hohen Tempo.

‹Rager!›, flüsterte ich tonlos. 

‹Shit! Sind unsere Homies da rein?›, fragte Fierce.

Fang nickte mit dem pelzigen Haupt. ‹Yep, sind sie. Die Spur führt jedenfalls in die Richtung. Ich denk mal, sie sind gerannt, was das Zeug hält.›

‹Wahrscheinlich waren ihnen Shambler auf den Fersen›, mutmaßte Columbo. 

Fang reckte seinen Hals in die Luft und schnupperte. ‹Dicht sogar. ›

‹Den Shamblern nach hat es zumindest einer bis ins Haus geschafft›, stellte Liam ruhig fest.

‹Was jetzt, brutzeln wir die weg?›, fragte Fierce.

‹Negativ. Das dauert lange, ist gefährlich und womöglich laut. Abgesehen davon müssten wir sie wirklich alle töten. Denn sie werden kaum aufgeben, nur weil sie angeschossen sind›, erklärte ich. ‹Lasst uns hier leise stehen bleiben und erstmal herausfinden, wo unsere Ziele sind und wie viele es geschafft haben. Columbo, gehst du bitte gucken?›

Columbo bestätigte. Ich konnte jedoch spüren, dass es ihm nicht behagte, sich in dieser Situation, so viele Shambler vor Augen, einfach auf den Boden zu setzen. ‹Setz dich zu Fierce. Sie wird dich tragen, sollten wir weg müssen.›

Fierce trat vor eine Hauswand. Columbo setzte sich neben sie auf den Boden und lehnte sich an die Wand. 

‹Mein Geist und ich können helfen›, fügte Tiernan hinzu. 

Wir konnten wieder via Gedankenübertragung bei Columbos Erkundung dabei sein. 

Ich nahm astral wahr, um unseren projizierten Scout im Auge behalten zu können. Als er sich auf die wabernde Masse zubewegte, gruselte es mich erneut. 

Selbstverständlich ließ Columbo seinen Blick ebenfalls über die Shambler schweifen. Auch hier stachen die Rager aus der Masse heraus und das nicht, weil sie sich bewegten. In ihnen brodelte so viel mehr Wut und Energie, dass es sich in ihren Auren niederschlug. 

Irgendwo in den Shamblern schlummerten sicher noch die Metamenschen, die sie einmal gewesen waren. Doch ehrlich gesagt war davon im Moment nicht mehr viel zu sehen. Was bei mir die Frage aufwarf, ob sie denn überhaupt noch zu retten waren? Und wenn ja, wie lange würden man sie durch eine Heilung noch retten können? Wann wäre der Schaden an ihrer Seele zu groß? Sollte es irgendwann ein Heilmittel geben, war zu wünschen, dass sie sich an diese Zeit nicht erinnern können würden. 

Columbo durchstreifte das Gebäude in hoher Geschwindigkeit. 

Wieder wurde er ganz oben fündig. Vier Menschen, drei Männer und eine Frau, hatten sich verbarrikadiert, jeweils einer pro Raum. Spärliche Vorräte standen neben ihnen bereit. Sie alle wirkten müde und erschöpft, hielten aber dennoch Ausschau. Jeder in eine andere Richtung. Darum hatten sie auch wohl die verschiedenen Räume in Beschlag genommen. 

‹Ich komme jetzt erstmal in meinen Körper zurück›, erklärte Columbo. ‹Dann können wir besprechen, wie es weiter geht. › 

‹Copy!›, bestätigte ich.

‹Wo sind denn die anderen fünf?›, fragte Fierce. ‹Hätten wir nicht merken müssen, wenn sie alle draufgegangen wären?›

‹Klar!›, dachte Fang sofort laut. ‹Kampf oder frisches Blut hätte ich gerochen.›

‹Vielleicht haben sie sich vor dem Haus irgendwie getrennt?›, mutmaßte ich. Die traurigen Erklärungen, dass Columbo ihre toten Auren im Haus nicht gesehen hatte oder sie inzwischen zu den Shamblern gehörten, sprach ich nicht aus. Es war hier traurig genug, da musste man keine niederschlagenden Gedanken dazuwerfen, bevor sie Gewissheit waren.

‹Ja, das könnte sein!›, meinte Fang auch gleich. ‹Ich geh mal ein Stück vor und schnuppere rum.›

BF-Fierce wollte BF-Fang begleiten, aber Liam hielt sie auf. ‹Du musst auf Columbo aufpassen!›, forderte er.

❄️

‹Wir haben von hier einen guten Blick aufs Dach oder an die oberen Fenster. Der Winkel bis zu uns ist auch ganz gut. Meinst du, du kannst sie zu uns runter levitieren, Colombo? Nacheinander, versteht sich›, fragte ich einige Minuten später.

Columbo überlegte kurz. ‹ Wenn sie auf dem Dach stehen, dann ja. Aber wie bekommen wir sie da hin?›

‹Du manifestierst dich bei einem, sagst: ‚DJ schickt mich. Wir retten euch jetzt!‘ Und dann sagst du ihnen, was sie tun sollen.›

Columbo verzog das Gesicht. ‹Ich bin mir nicht sicher, ob sie auf mich hören.›

‹Stell dein Licht nicht unter den Scheffel. Du kannst gut kommunizieren. Abgesehen davon sind Metamenschen nicht so, wenn sie dafür gerettet werden. Notfalls kann ich dich durchsprechen.›

Niemand hatte etwas gegen den Plan einzuwenden, also machten wir es so.

❄️

[Song 7: IAMX - Oh Cruel Darkness, Embrace Me3] Man kann sich nicht vor jemanden materialisieren, ohne denjenigen zumindest zu erschrecken. Je nachdem, wie sehr sich der Überraschte unter Kontrolle hat, fällt das Erschrecken doll oder weniger doll aus.

Der junge Mann, den Columbo sich ausgesucht hatte, war erschöpft und angespannt. Dafür machte er das aber noch ganz gut. 

Ein kurzer, spitzer Schrei, dann presste er sich schnell die Hände auf den Mund. Dabei stieß er seine Wasserflasche um, die zum Glück geschlossen war.

Mit ruhigen Worten erklärte Columbo ihm die Sachlage.

„Echt, DJ schickt dich? Oh Mann, Gott sei Dank.“ Die Erleichterung konnte man dem Mann in der Aura ablesen. 

Peter schlug sogar von selbst vor, die anderen seiner Leute zu informieren und sie dazu zu bringen, sich auf dem Dach zu versammeln. 

Eigentlich war der Schrei leise gewesen, aber ich hatte dennoch das Gefühl, dass unten bei den Shamblern eine erhöhte Unruhe aufgekommen war. 

❄️

Wir stellten sicher, dass die vier alles ausgeschaltet hatten, was ein Matrixsignal verursachte, dann begann Columbo damit, sie einzeln vom Dach zu fliegen.

Zugegeben brauchte es Mut, sich durch Magie durch die Luft und über die Shambler hinweg fliegen zu lassen. Aber das hier war das Gelände des MIT&T. Die Metamenschen wussten zumindest ansatzweise, was Magie konnte. Es war für sie kein Teufelswerk. Technikstudenten stellten sich oftmals für Geld als Versuchsobjekte für Zauberer zur Verfügung. 

Um möglichst nicht entdeckt zu werden, ließen wie auch die vier vor allen Sinnen verschleiern.

Da die Kapazitäten von Leprechaun Maff irgendwann aufgebraucht waren, mussten wir uns aufteilen und einige von uns unter den Schutz von Tiernans mächtigem Geist stellen. Das Team würde durch den Mindlink-Zauber weiter ungestört kommunizieren können. Hätte ich geahnt, wie viel wir diesen Zauber nutzen würden, ich hätte mir einen entsprechenden Zauberspeicher besorgt. Die ewige Konzentration auf den Spruch war anstrengend. Wenn ich das nächste Mal einen Leprechaun beschwor, würde ich darauf achten, dass er diesen Zauber beherrschte. Warum war mir das nur nicht früher eingefallen?

❄️

Die vier waren schon überrascht, von den Howling Shadows gerettet zu werden. Sie kannten uns und hatte offenbar auch die zweite Staffel gesehen, da Fierce ihnen nicht fremd war. Eine große Rolle spielte der Umstand, dass wir Trideostars waren, verständlicherweise nicht. Zumal es ja noch galt, nach ihren Freunden zu sehen.

Fang hatte inzwischen herausgeschnüffelt, an welcher Stelle sich die Spur teilte. Unsere vier bestätigten, dass sie bei der Flucht vor den Shamblern getrennt worden waren. 

Ich ermahnte unser Gäste, leise zu sein. Doch das hätte es gar nicht gebraucht. Sie hatten lange genug in der MCZ überlebt, um zu wissen, wie wichtig es war, die Shambler nicht durch Geräusche anzulocken. 

Wir folgten also der Spur. Leise, verschleiert und durch die Dunkelheit zusätzlich geschützt. 

❄️

Kurz zuvor war mir das Blut in den Adern gefroren. Jetzt verharrte ich in meiner Bewegung und wagte kaum zu atmen.

Die Frage, wohin die anderen geflohen waren, stellte sich nicht mehr. Nur ein Haus in der Straße war von Shamblern umgeben. Es waren noch mehr als kurz zuvor.

Das mussten an die 100 Shambler sein. Die acht Rager waren leichter zu zählen. 

Die Shambler tummelten sich am Haus und auf der Straße davor. Das Dach des fünfstöckigen Hauses war leicht schräg. Die Fenster waren schmal und lang, gegenüber gab es andere Häuser. Den Plan von kurz davor würden wir nicht einfach kopieren können.

Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Ich bezeichnete es nicht als Angst, aber es war nicht weit davon entfernt.

Wenn diese Shambler uns bemerkten und unsere Verfolgung aufnahmen, konnte es sein, dass sie uns überrannten. Es waren einfach so viele. Kampflärm würde die Shambler vor dem ersten Haus zusätzlich auf den Plan rufen. Ich ging fest davon aus, dass das hier nicht alle Shambler waren. Vielleicht gab es mehrere, die uns erreichen konnten. Vielleicht verständigten sie sich gegenseitig, wenn sie etwas bemerkten. 

'Gruselig' war gar kein ausreichender Ausdruck. 

Wir zogen uns ein Stück zurück und besprachen uns. 

❄️❄️

Tiernan und Fang blieben als Schutz der vier zurück. Die Gruppe würde zwischen zwei Häusern warten.

Columbo, Liam, Fierce und ich bewegten uns unterdessen leise auf die Shambler zu.

Columbos astraler Ausflug hatte ergeben, dass aus den bisherigen vier Paar Schuhen doch eine Ares Redline werden würde. Er hatte vier Menschen und einen Ork in der dritten Etage lokalisiert, wo sie sich in eine Küche zurückgezogen hatten. Sie waren am Leben, nicht befallen und auch sonst gesund, soweit wir das mit einem astralen Blick hatten beurteilen können. 

❄️

Es war ein unangenehmes Gefühl, sich auf diese bedrohliche Gruppe von Shamblern zuzubewegen. Unterbewusst versuchte ich, so flach wie möglich zu atmen. Ich war bis in die Haarspitzen angespannt. Ich vertraute der Verschleierung durch den mächtigen Maff, das ungute Gefühl blieb dennoch.

Dann holte ich doch tief und langsam Luft, um mich zu fokussieren. Ich war unsichtbar und leise. Ich konnte das! 

Ich sammelte die Magie um mich herum zusammen, wob die Fäden nach meinem Willen und zauberte.

Die Illusion lockte die Shambler an, erst nur ein paar, dann kamen immer mehr angelaufen, um die imaginäre Gruppe zu fangen. 

Ich lockte die Shambler mithilfe der Illusion die Straße entlang. Auf mein Nicken ließ Columbo mich mittels Levitation in die Höhe steigen. So hoch, dass ich die Shambler auch um eine Ecke und ein Stück die Seitenstraße entlang führen konnte. 

Die Illusionsgruppe schaffte es in ein Haus. Lärmend versteht sich. Die Rager rasten gegen die geschlossene Tür, dann brandeten die normalen Shambler über sie hinweg und verschluckten sie in ihrer Mitte. 

Ich nahm mir nicht die Zeit, das Schauspiel länger in Augenschein zu nehmen. Stattdessen ließ ich mich leise auf der Straße absetzen. 

Obwohl die Shambler ein Stück weit weg waren, schlichen wir zum Eingang des Hauses. Wir bewegten uns angespannt und vorsichtig durch das Treppenhaus und wurden erst wieder sichtbar, kurz bevor wir auf der Etage ankamen, auf die sich die fünf fehlenden Personen zurückgezogen hatten. 

Wieder sichtbar gelang es uns mit dem leise gerufenen Stichwort ‚DJ schickt uns‘ die anderen davon zu überzeugen, mit uns zu kommen. 

Auch sie hatten gelernt, dass leise zu sein nun Überleben bedeuten konnte. 

❄️

Als wir mit den fünf im Schlepptau unter frischer Verschleierung die Treppe hinunter huschten, schlug mein Herz bis zum Hals. 

Ich konnte erst ein wenig aufatmen, als klar war, dass keiner der Shambler zurückgekehrt war. 

In zwei getrennten Gruppen, jede verschleiert und nur via Mindlink-Zauber verbunden, bewegten wir uns so leise wie möglich durch die Straßen der MCZ. 

❄️❄️

Erst kurz vor dem Tor im Grenzzaun wurden wir wieder sichtbar. 

Die Wachmänner und Frauen von Knight Errant gehörten noch zur selben Schicht. Sie waren tatsächlich erfreut drüber, dass wir es geschafft hatten. Unsere neun Gäste blieben dann bei den Wachposten. Sie waren extrem dankbar, aber das war nun wieder nicht weiter verwunderlich.

Der Commander des Tor-Checkpoints hatte den Redline-Laser für uns parat. Für einen Moment juckte es mich in den Fingern, ihn darum zu bitten, mich einen Blick auf die Schuhe werfen zu lassen. Doch zum zukünftigen Schutz von Personen ließ ich von dem Gedanken ab. Ich wollte, sollte es zu einer weiteren Rettungsmission für DJ kommen, nicht Gefahr laufen, Metamenschen den Gegenwert von einem bestimmten Paar Schuhe zuzuordnen. Ein paar Zoé-High-Heels waren schließlich ein weitaus höheres Risiko wert als ein Paar Europa-Flats, wie ich böse grinsend feststellte. 

❄️

Erst zurück in Tangos Studio stellte ich noch einmal Kontakt mit DJ her. Er war von unserer guten Arbeit deutlich beeindruckt. Da er meinem Lächeln nicht widerstehen konnte, versprach der Knight-Errant-Mitarbeiter, uns noch einmal eine Code zum Durchgang durch den Vierfachzaun zu organisieren, sollten wir hinein wollten. Das würde uns eine weitere Mission in der MCZ vereinfachen. 

Wir würden bei all dem Schrecken dort mit Sicherheit dorthin zurückkehren. Selbst ohne Auftrag oder eigene Rettungsmission, denn wir wollten ja noch herausfinden, was hier geschehen war.  

❄️❄️❄️

[Song 8: Kaleo - Vor í Vaglaskógi3]

<Rumpeln. Wackeliges Bild ist zu sehen. Das Bild stabilisiert sich. Das Gesicht von Fierce ist zu erkennen. Ein dünnes Kabel führt aus ihrer Schläfe. Sie guckt schräg nach oben. Ihre Augen weiten sich.>

„Boah, krass!“ <Kamera zoomt näher> 

Die Stimme von Shark Finn ist zu hören: „Was ist krass?“

„Meine Haut. Ich hab durch dieses Healthy-Glow-Dingen voll die feine Haut bekommen! Fast schon elfisch.“

<Kamera zieht auf. Fierce sitzt am Esstisch, vor ihr stehen ein leerer Teller und ein flaches Pad, in das das Kabel führt. Hinter Fierce ist ein Teil von Shark Finn zu sehen.>

„Was machst’n da?“

„Ich mach so einen Charakterisierungsdingen. So eines hat Average vor ein paar Tagen gemacht. Snowcat hat gesagt, wir sollen mehr davon machen, das macht sich gut am Ende einer Folge. Besonders, wenn's von den Neuen ist, weil man die noch nicht so gut kennt. Komm, setz dich und mach mit!“

<Kamera zieht auf. Shark Finn holt sich einen Stuhl und setzt sich neben Fierce.> „Soll ich dich charakterisieren?“

<Fierce lacht und schüttelt den Kopf.> „Nee, ich dachte, du erzählst auch was von dir.“

„Ich bin seit Staffel eins dabei, Sister, ich bin kein Frischling.“

<Fierce lacht wieder.> „Ich glaub nich’, dass sie über dich schon alles wissen. Average is' auch nicht neu dabei.“

„Stimmt, aber der war sonst nur hinter der Kamera, den konnte keiner sehen. Das ist dann auch irgendwie neu. Ich kann dich interviewen!“

„Na, dann mach. Ich bin schon öfter interviewt worden, Interview kann ich.“

<Shark Finn setzt sich und er und Fierce wenden sich einander zu. Fierce legt das Pad auf ihren Schoß.>

„Na, Fierce, dann erzähl mal, wie geht es dir denn so in der zweiten Season mit deinem neuen Team?“

„Das Team ist super cool. Das Beste überhaupt. Hier in der Stadt ist das Gamebook aber ein bisschen eingeschränkt.“ <Fierce hebt die Hand> Warte mal kurz, Finn, wenn wir zu zweit sind, starte ich mal noch die beiden anderen Kameradrohnen. Die CUs laufen ja eh lieber zu dritt. Dann kann ich mehr rausholen aus der Sache. Oder Average beim Schneiden. Es war übrigens gar nicht mal so leicht, ihn davon zu überzeugen, dass ich die Drohnen auch steuern kann und haben darf.“

„Was? Traut er dir nicht? Soll ich mal mit ihm sprechen?“

„Nee, das passt schon. Alle Rigger sind eigen mit ihrem Equipment, und er war bisher eben nur der Kameramann.“

<Zwei CU^3 tauchen hinter Fierce und Shark Finn auf und fliegen durchs Bild. Shark Finn wartet.>

„Schalt' doch mal den Interviewmodus ein. Dann kannste dich besser auf meine Fragen konzentrieren.“

„Gute Idee.“ <Fierce zieht das Kabel aus dem Pad. Das Kabel zieht sich zusammen und verschwindet im Kopf von Fierce. Die Datenbuchse an der Schläfe verschließt sich.

„Unserer Zuschauer interessiert viel mehr, was da zwischen dir und diesem Fang abgeht. Also, was ist da?“

„Wir sind wie Kumpels!“

„Will der was von dir?“

<Fierce schüttelt den Kopf.> „Nee.“

<Shark Finn grinst böse. > „Wie, nee? Ist der doof?“

<Fierce lacht herzhaft.> „Ein bisschen bestimmt. Aber Spaß beiseite, selbst wenn er sich für mich interessieren würde: Ich will nix von ihm. Er ist so wie ein kleiner Bruder für mich.“ < Fierce stupst Shark Finn an den Oberschenkel.> „Weißt du, wie der Zurückgebliebene, dem die anderen immer die Muttermilch weggetrunken haben und der darum ein bisschen schwach auf der Brust ist. Wie so einer!“ 

<Shark Finn lacht.> „Okay, verstehe. Hast du ihn adoptiert?“

„Vielleicht ein bisschen.“

„So solltest du ihn nicht bei Onkel Liam beschreiben.“

„Wieso nicht?“

„Na, wenn du so einen Beschützer-Mama-Instinkt entwickelt hast, das wäre blöd. Fang riskiert viel, und wenn du ihn beschützt, dann bringt er dich damit in Gefahr.“

„Aber das ist immer noch besser als wenn was zwischen uns laufen würde, oder? Außerdem riskiere ich auch viel.“

„Stimmt, Sis. Doch du weißt doch, wie der Onkel ist. Gerade nach der Sache mit dem, dass du die Waffe von Fang bist. Wenn dir einer nur das Herz bricht, kriegt er aufs Maul. Dann gibt’s ne Sauforgie gegen das gebrochene Herz und gut ist. Aber wenn einer aus Dummheit einen von uns in Gefahr bringt, dann tickt der Onkel aus.“

<Fierce schweigt nachdenklich.>

„Fang ist dir also zu schwach auf der Brust. Wer sind denn deine Favoriten aus dem Team?“

„Nur die, die hier mit in Boston sind, oder alle?“

„Ruhig alle.“

„Na, ist nicht viel in meine Größe dabei. Ich find Bloody Guts cool und interessant, so für alles. Aber sonst???“

„Na, dann anders, wen würdest du zur Familienfeier mitnehmen? Nenne mir mal drei.“

<Fierce grinst bis über beide Hauer.> „Fang! - Bloody Guts, weil er richtig cool ist. Rubber Duck, so als ein Anhängsel von Bloody Guts, und weil er auch feiern kann.“ 

„Ist das mit dir und Fang dann sowas wie bei Bloody Guts und Rubber Duck? Würdest du mit dem zusammenziehen?“

<Fierce verzieht das Gesicht.> „Nee, ich glaub, so auf die Dauer haben wir nicht das gleiche Lebenstempo. Fang ist irgendwie auch noch ein Welpe. Er weiß nicht, worauf es ankommt. Ich hab ihn gefragt, ob er auch ein Instrument lernen will, weil das hier die Gelegenheit ist, wir bleiben bestimmt noch 'ne Weile hier und da ist dann Zeit. Er hat jetzt zwar zugestimmt, 'ne Trommel zu lernen, aber er hat eben auch kein Problem damit, nur rumzusitzen. Ich kann das nicht. Er ist eben kein Ork. Das ist kein Vorwurf, sondern einfach so. - Bin ich jetzt genug charakterisiert?“

„Nee, du musst noch was von dir erzählen? Warum bist du mitgekommen?“

„Weil Snowcat gefragt hat, ob wir mitkommen, ihre Freunde zu retten.“

„Aber du kennst die Freunde nicht.“

<Fierce zuckt mit den Schultern.> „Das muss ich auch nicht. Wenn Freunde oder Familie fragen, komm ich sogar mit, auch wenn ich nicht weiß, wohin es geht. Snowcat ist ja sogar beides, Freund und Familie.“

„Was hältst du von Mash?“ 

<Die Augen von Fierce weiten sich.> „Der hat viel drauf. Ich bewundere den für sein Können. Ich werde ihn aber nie verstehen, er wird nie älter. Solche Metamenschen, die spüren das Leben nicht verrinnen. Geht ja auch gar nicht. Da kann man sehr gelassen werden und das macht mich ungeduldig.“

„Du merkt das Leben also?“

<Fierce lacht.>  „Ich sehe jeden Morgen älter aus.> 

„Das liegt aber an deinen Trinkgewohnheiten!“

<Fierce lacht wieder und klopft sich auf die Schenkel.> „Ja, daran auch. Man muss eben jeden Tag genießen. Jedes Leben kann im Nu vorbei sein. Darum macht es ja auch Spaß, mit Fang rumzutoben. Und wenn wir genug Musik machen, dann schlägt einem das Rumgesitze auch nicht aufs Gemüt. - Weißt du, das Schlimmste ist für mich, wenn jemand keine Leidenschaft für was hat. Doc zum Beispiel hat keine Leidenschaft. Jedenfalls keine, die man sieht. Aber er trinkt wenigstens ordentlich was weg und spielt gerne. Elfen fehlt auch oft die Leidenschaft.“

Tango hat Leidenschaft!“

<Fierce lacht wieder.> „Ja, der könnte auch mit auf 'ne Familienfeier von uns. Da hätte er bestimmt Spaß.“ <Fierce schweigt nachdenklich.> „Ein bisschen ist das hier ja wie beim Camping. Man muss sich alles besorgen und so und hängt viel mit den gleichen Leuten rum.“

„Genau! Wie Camping! Nur zu wenig Wasser und zu wenig Strand.“

<Fierce grinst.> „Ja, und zu wenig Auslauf. Aber es schweißt zusammen.“

<Shark Finn lächelt.> „Man braucht immer jemanden, der das alles im Blick hat, so mit den Vorräten und so.>

„Oh ja, da hast du Recht. Zum Glück müssen wir das nicht bedenken, weil das andere können. - Wen magst du denn am liebsten hier?“

<Shark Finn antwortet sofort.> „Snowcat!“

<Fierce lächelt.> „Ja, sie ist toll. Sie ist beides. Leidenschaftlich und kontrolliert. Und sie kann so viel. Sie kann alle motivieren! Wie Weihnachten als Beispiel. Du fragst, wollen wir surfen? Sie sagt, ja, lasst uns surfen gehen - und alle kommen mit, auch die, die sonst nicht surfen! - Wie lange kennst du Snowcat denn eigentlich schon?“

„Seit vier Jahren, drei Monaten und 27 Tagen! - Was wissen die Fans denn jetzt von dir, Fierce?“

„Na, dass ich leidenschaftlich bin.“

<Shark Finn lacht. > „Und dass du Fang für ein Weichei hältst, das zu wenig Milch bekommen hat.“

<Fierce stimmt in das Lachen mit ein.> „Genau! Kann ich jetzt noch jemanden grüßen?“

<Shark Finn nickt.> „Ja, klar.“

„Dann grüße ich Dark Shore.“ <Fierce guckt stolz.> „Der ist nämlich mein größter Fan, seit ich hier bei SatHS bin. - Und was haben die Fans über dich gelernt, Shark Finn?“

„Nichts Neues, ich bin stark und schön. Und kann surfen!“

„Du bist sogar ein Super-Surfer!“ <Fierce seufzt.> „Wir hängen jetzt schon ewig hier rum, acht Tage oder so! Aber wir haben Metamenschen gerettet. Das ist toll. Ich mag Dave!“ 

„Ja, Dave ist echt ein Netter! Als wir die zwei Semester in Prag waren, da war Dave auch da. Es ist so lustig mit dem in einer fremden Stadt. SpArcade haben ihm sein Commlink eingestellt, damit ihm alles übersetzt wird. Damit er nicht irgendwo hinläuft. Ich glaub, der müsste mal drei Monate mit Thunderstrike verbringen. Aber Dave hat auch schon was drauf, er ist eben nur ein bisschen unbedarft.“

<Fierce lächelt. > „Dave war wirklich froh, uns zu sehen!“

„Ja, und er hat fest geglaubt, dass Snowcat kommt, um ihn zu holen. Für ihn war das keine Frage. Dave hat noch vor Prag die Vorlesungen für Snowcat aufgezeichnet, wenn wir auf 'nem Run waren. Da kam er sich vor wie ein Geheimagent.“

<Fierce lacht.> „Das passt zu ihm.“ <Fierce stöpselt das Kabel wieder in die Datenbuchse an der Schläfe.> „Das muss jetzt genug sein. Ich hab Hunger.“

<Shark Finn lacht.> „Du hast immer Hunger, Sis!“

„Ja und das ist auch immer berechtigt. So ein imposanter Körper braucht eben viel Energie.“

<Das Bild wird schwarz.> 

[Song 9: Lawless - Diminuendo (feat. Britt Warner)3] Ich stand auf dem Aufbau des Dachs des Nachbarhauses von Tangos Studio und blickte den Horizont entlang. Die Nacht neigte sich dem Ende zu. Der Morgen zeigte bereits sein erstes Licht. 

Ich war nicht hoch genug, um tatsächlich über die Stadt blicken zu können, aber ich sah zumindest über einige Dächer hinweg. 

Der Ausflug in die MCZ hatte mir so einiges zum Nachdenken mitgegeben. Diese großen Gruppen von Shamblern waren beängstigend. Sie rotteten sich zusammen und verfolgten zielgerichtet jedes Leben, das sie entdeckten. Ihre schwankende Masse wurde immer wieder durch ein paar Rager aufgewühlt.  

Viele Hasen sind des Jägers Tod, heißt es so schön. In ausreichender Zahl sind selbst winzige Ameisen eine Gefahr. 

Gut 7 Millionen Metamenschen waren laut Schätzungen im Lockdown eingeschlossen. Wenn nur ein Prozent mit der Boston-Variante von CFD infiziert war, dann wären das 70.000 Shambler. 

Siebzigtausend Shambler!

Fünfzig Shambler gruselten mich bereits, hundert von ihnen jagten mir einen Schrecken ein. 

Der Ausbruch war jetzt 12 Tage her. Metamenschen waren in der Lage, so einige Wochen ohne Nahrung auszukommen, doch drei Tage ohne Wasser bedeuteten normalerweise das Ende. Also mussten die Shambler etwas getrunken haben. Blutverkrustete Shambler-Münder deuteten daraufhin, dass sie von den Toten aßen oder tranken. 

Mich schüttelte es. Ghoule waren eine Sache. Metamenschen mit umprogrammierten Hirnen eine andere. 

Was lag all dem zugrunde?

War da einfach nur alles schief gegangen oder lief dort etwas für irgendjemanden oder irgendetwas sogar nach Plan? Wenn, dann konnte es nur ein metamenschenverachtender Plan sein, den wir um jeden Preis aufhalten würden müssen.

Miauz!

„Ah, da bist du ja wieder!“, sagte ich zu dem kleinen Kätzchen, das soeben auf seinem üblichen Weg durch die schief in den Angeln hängende Tür auf den Aufbau getreten war. Ich deutete zu den beiden Schalen, die ich bereits bereitgestellt hatte. „Das Frühstück ist angerichtet“, erklärte ich und gähnte. „Oder ist es für dich vielleicht auch ein Nachtmahl?“

Das Kätzchen tänzelte zu den Schalen, als hätte es es nicht eilig, schnupperte und begann dann, zu fressen.

Ich schmunzelte. „Richtig so! Eine feine Lady zeigt niemals, wie hungrig sie ist!“, lobte ich. „Never fall from grace! Doch das weißt du schon, nicht wahr?“

Ich gähnte unterdrückt. Natürlich hatte ich mir extra damenhaft die Hand vor den Mund gehalten. Ich wollte dem Kätzchen doch kein schlechtes Vorbild sein. Ich stand auf, um mich zu strecken. Ich war wirklich froh, dass mich so viele fähige Metamenschen hier nach Boston begleitet hatten. Wir konnten etwas tun, etwas herausfinden und sogar etwas verändern. 

Es gab eine Menge zu tun! 

Unsere Arbeit hier würde nicht beendet sein, wenn wir alle Namen auf unserer Liste abgearbeitet hatten. Nicht zuletzt AveRage wollte hier bleiben und herausfinden, was es mit CFD auf sich hatte. Immerhin waren Technomancer irgendwie involviert. Das trieb auch Liam zusätzlich an. 

Die Shambler waren bedrohlich, doch es gab eigentlich nichts, dem wir gemeinsam nicht gewachsen waren. Jedenfalls nicht viel.

Das Kätzchen hatte sein Mahl beendet und strich mir schnurrend um die Beine.

Ich hockte mich zu ihm und kraulte es eine Weile. 

Als sich erneut ein Gähnen ankündigte, streckte ich mich noch einmal. „Langsam ist Schlafenszeit für mich“, verkündete ich. 

Doch für ein kleines Schlaflied war noch Zeit.

Ich griff nach meiner E-Violine, verband sie mit dem Commlink und begann zu spielen.

Die aufgehende Sonne tauchte die Szenerie in ein rosiges Licht. 

❄️❄️❄️

Ende der Episode

Du möchtest die Episode kommentieren? - Das kannst du [HIER] tun.

Du hast Fragen an das Team oder an die Macher von SatHS? - Deine Fragen kannst du uns [HIER] stellen.

Wir freuen uns, dass du uns während dieser Geschichte begleitest hast, danken dir für’s Lesen und verbleiben bis zum nächsten Mal:

Snowcat and the Howling Shadows

An dieser Stelle bedanken sich die Spieler unserer Runde bei allen, die an der Entwicklung und Verarbeitung der Shadowrun®-Produkte mitgewirkt haben. Ohne ihre Arbeit wäre unser Spiel nicht möglich! 

We would like to thank the authors, artists and all others who are involved in the development of the Shadowrun® rules, adventures and stories. Without them, our game would not be possible.

Vielen Dank auch an @Vin für das Korrekturlesen. ;*

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*