Tales of Snowcat 28: Heels ’n’ Wheels

TALES OF SNOWCAT (28)

PERIOD4: Magician

ERA4: Modern Baroque

AGENDA8: Clubbing 

TIMESTAMP1: 01/16 + 17/2077

APPEARANCE2 : Dawante, Medaron10, Moxi, Phoenix9, Snowcat.

SPECIAL APPEARANCE2;5: Bubbles, Fuse, Fusion, Liam, SpArcade, Shark Finn, Tiernan;

WARNING: Dieser Text ist für Leser unter 17 Jahren nicht geeignet. Sexualität, Gewalt, Magie, Tod, Kraftausdrücke, Folter, Rassismus, Alkohol- und Drogenkonsum können vorkommen. 

DAS GESCHAH ZULETZT:

Ein kleines Team macht sich aus der MCZ heraus auf, den NeoNET-Tower 4 zu infiltrieren. Die Extraktion von Dr. Alcoval gelingt und man kann mit ihm fliegend, in Drake, Adler und Schildkröte verwandelt, in die MCZ zurückkehren, wo weitere Runner auf die kleine Gruppe warten.

Einige der Runner gehen gleich erneut los und dringen in das Labor ein, aus dem vor Monaten der Drache ausbrach. Es gelingt, die gesuchten Video-Dateien sicher zu stellen. Das Team kehrt mit der Beute nach Snow Haven zurück. Noch während der Party am Abend treffen finanzielle Angebot diverser Großkonzerne ein. Alle sind bereit Millionen von Nu¥ für die Exklusivrechte an sämtlichen gesammelten Daten zu zahlen und alle bieten an, die Runner aus Boston rauszuholen. Als Snowcat das Angebot von SK betrachtet, traut sie ihren Augen nicht. Mr. Drake behauptet, dass Blackstone noch lebt, und SK ist bereit, ihn zu übergeben. Snowcat und die Runner stimmen für dieses einzigartige Angebot. Bereits am nächsten Tag kann das Team abgeholt werden (Tag134). Beim Abflugpunkt erscheinen zwei Hubschrauber. Scale, ein Elf, Drake und Agent von Lofwyr ist ebenso unter den Personen, die aus dem Hubschrauber steigen, wie der totgeglaubte Blackstone, der einer von Snowcats ältesten Freunden und Gründungsmitglied von UC ist. (Tag 135).

Das Team lässt sich bis Cheyenne bringen. Dort wird die Gruppe von weiteren Mitgliedern von UC im Empfang genommen und zum Compound gebracht. Bis Halloween gibt es einiges zu erledigen. Viele der Runner treffen individuelle Entscheidungen bezüglich ihrer Zukunft. Halloween selbst findet ein SatHS-Event in St. Louis statt. Im Anschluss fährt Snowcat mit ihrem Liebsten in den Urlaub.

Anmerkungen:

1. Der Zeitstempel wird an unsere Zeitlinie angepasst und ist maximal an die offizielle Timeline angelehnt.

2. Die Episode wurde am 15.03.19 erspielt. Neben mir und dem GM waren die Spieler von Medaron und Phoenix anwesend. Da wir eine große Gruppe von 8 Spielern sind, nimmt jeder Spieler meist nur einen Charakter mit auf den Run. (Unter Umständen kann ein weiterer Charakter für den Run notwendig sein.) So sollen zu viele gleichzeitige Handlungsstränge vermieden werden. Nur in der ausgespielten Downtime kann ein Spieler alle seine aktiven Charaktere ausspielen. Wegen den Widrigkeiten und Schönheiten des RL können nur selten alle Spieler am Spielabend teilnehmen. Deshalb können Charaktere in einer Episoden ohne weitere Erklärung auftauchen, verschwinden oder nicht weiter erwähnt werden. Darüber, welche Charaktere mit auf einen Run gehen, entscheiden die Spieler nach eigenem Gefallen. Das muss nicht immer die logischste Entscheidung sein. Manchmal ist ein Charakter mit auf einem Run, obwohl sein Spieler abwesend ist. In diesen Fällen wird der Charakter zwar mitgeführt, sein Handeln gerät, wenn möglich, aber in den Hintergrund. Das Spotlight soll auf Charakteren liegen, deren Spieler anwesend sind. Gegebenenfalls hinterlassen Spieler beim GM Regieanweisungen. 

Eine Beschreibung aller Charaktere findest du hier [LINK].

3. Die verlinkten Songs sollen lediglich zu Stimmung beitragen und enthalten keine versteckten Hinweise. Jedenfalls meistens nicht :). Übrigens kaufen wir jeden in den Episoden verwendeten Song, sollte er sich nicht schon vorher in unserem Besitz befunden haben. Nicht nur, damit wir die Songs jeder Zeit auf all unseren Geräten abspielen können, sondern auch, weil wir damit den jeweiligen Künstler unterstützen möchten. Eine Liste mit dem kompletten Soundtrack findest du hier [LINK]. Eine YouTube Playlist zur aktuellen Season findest du hier [LINK].

4. In den ‚Tales of Snowcat’ erzählt Snowcat einem imaginären, nicht näher definierten Zuhöredie Ereignisse aus ihrer ganz persönlichen Sicht. Seit dem Weggang von Katze führt Snowcat auch Tagebuch. Was ihr zunehmend wichtiger wird, da ihr die Dialoge mit Katze fehlen. Man kann ToS demnach auch als Tagebuchauszug betrachten. ‚Period‘ beschreibt dabei den Lebensabschnitt auf dem sich Snowcat befindet. ‚Era' beschreibt das Thema, unter das Snowcat in dieser Zeit den Inhalt ihres Kleiderschranks gestellt hat. ‚Broadcast‘ fasst zusammen, was von dem per Drohne gedrehten Material dem Trideo-Zuschauer der Serie Snowcat and the Howling Shadows zur Verfügung gestellt wird und wann es gestreamt wird.

5. Einige der Namen, die in der Geschichte auftauchen, sind auch in der offiziellen Shadowrun-Welt ein Begriff. Ähnlichkeiten sind beabsichtig. Allerdings kann das hier dargestellte Bild auch deutlich von dem Bild im SR-Kanon abweichen, da es unserer Spielwelt angepasst wurde.

6. Teilweise stehen Dialoge in diesen « » Textzeichen. Die gesprochenen Worte werden dann vornehmlich via Teamnetzwerk oder Commlink verbreitet und sind für Wesen, die keine Mitglieder im Teamnetzwerk sind, nicht oder nur schwer zu hören. Ferner stehen in < > schriftliche Nachrichten und in ‹ › stehen Dialoge via Geistesverbindung, wie zum Beispiel die mit einem Geist unter Kontrolle, Gespräche via Mindnet oder Dragonspeech. Wird zusätzlich eine andere Schriftart verwendet, handelt es sich um unausgesprochene Gedanken oder extra-persönliche Anmerkungen von Snowcat.

7. Snowcat sieht die Geister, die einen Element zugeordnet sind als klassische Elementarwesen:  Luftgeister sind Sylphen, Erdgeister Gnome (früher Brownies), Feuergeister Salamander und Wassergeister sind Undinen. Jeder Geist, den sie beschwört, hat für sie zudem einen eigenen Namen. Guidance Spirits sieht Snowcat als weise Paten, die sie mit Godfather und Godmother betitelt. Guardian Spirits sind für sie Warden, also Krieger verschiedenen metamenschlichen Rassen. Die Warden tragen als Hommage an meine Lieblingsbuchsreihe den ‚Dresden Files‘ von Jim Butcher, die Namen von den Warden des White Council. Spirits of Man sind für sie Leprechauns (Kobolde) und Task Spirits sind Brownies. Beast Spirits bekommen den Titel Master und Plant Spirits den Titel Mother (z.B. Master Wolf oder Mother Oak). 

8. Schlagwort(e), Überschrift(en) unter denen die Episode steht.

9. Phoenix wird von der Spielerin T. geführt. Sie ist neu in der Gruppe und ein RPG-Frischling. Phoenix stieß als Reporterin Alba zum Team. 

10. Medaron wird von dem Spieler M2 geführt. Auch M2 ist ein RPG-Frischling. 

• Weitere Begriffserklärungen findest Du dort: [LINK].

POSTED BY SNOWCAT:

[Song 1: Civil Twilight - Holy Dove3] Moxi steckte den Kopf durch die Tür. „Und, was sagst du?“, fragte sie fröhlich.

Ich stellte die Violine in ihrer Halterung ab. „Das neue Musikzimmer hat einen tollen Klang.“

Moxi zog einen Schmollmund.

Ich grinste. „Und du hast Tapete und Teppich grandios ausgesucht.“ Ich lief zu meiner Assistentin rüber, die das und vielmehr noch eine Freundin für mich war. Ach, was rede ich, Moxi war meine beste Freundin. Ich umarmte Moxi und küsste sie auf die Wange. „Das hast du alles wieder unglaublich geschmackvoll eingerichtet, danke!“

Moxi seufzte wohlig. „Hach, wie schön du dich anfühlst!“

„Das Kompliment gebe ich gerne zurück!“, erwiderte ich. 

Es war gerade erst vier Tage her, dass wir aus dem Weihnachtsurlaub zurückgekehrt waren. 

In den vier Tagen hatten wir einen großen Teil des Umzugs von unserem viktorianischen Haus am Rande von Bellevue in die gigantischen Wohnungen nach Tacoma geschafft. Wir wohnten jetzt praktisch über dem Haunted MugDas gesamte Center gehörte inzwischen dem O’Niall-Clan. Jedenfalls, wenn man mich mit zum Clan zählte. Ich hatte einen Großteil der seit Jahren verlassenen Büros und Geschäfte gekauft. Die gesamte erste Etage hatten wir zu Wohnungen umfunktioniert. SpArcade, Tiernan, Moxi, Liam, Shark Finn, Sionn und ich lebten nun unter einem übergeordneten Dach. Moxi und Sionn waren sogar gemeinsam in eine Wohnung gezogen. Wie es dazu gekommen war? Ich weiß es nicht. Das war einfach so passiert und es sagte nichts über die Beziehung der beiden zueinander aus. Sollte ich das zum besseren Verständnis dennoch etikettieren, würde ich ihnen das Label ‚Freunde mit gewissen Vorzügen‘ verpassen. 

Die Wohnungen oben waren also fertig renoviert und so gut wie komplett eingerichtet. Mein Loft war an die 500 Quadratmeter groß und beherbergte einen Wintergarten, eine kleine Bibliothek, ein gigantisches Bad und eben ein Musikzimmer.  

Im Erdgeschoss wurde noch gebaut. Liams Werkstatt war ebenso fertig wie die Brauerei von Tiernan und unser Gemeinschaftsbereich mit Küche und Esszimmer. Aber das Anwaltsbüro für Foggy, unser aller privates Fitnessstudio und mein Atelier mussten noch fertiggestellt werden. Gleichzeitig entstand auf dem Dach ein Garten, und in Erinnerung an Snow Haven bekam ich bestimmt einen neuen Kirschblütenthron - hoffte ich zumindest. 

Nein, wir hatten das nicht alles innerhalb von vier Tagen geschafft, auch wenn die O’Nialls wahre Zauberer waren, was das Bauen anging. Das meiste hatte der Clan erledigt, während ich mit Harlequin unterwegs gewesen war.

Harlequin - er hatte mich Halloween abgeholt und wir waren im Anschluss ganze 53 Tage gemeinsam unterwegs gewesen. Was für eine tolle, aufregende, inspirierende und romantische Zeit das gewesen war!

Nach 53 Tagen Abenteuer hatten wir für die traditionelle Weihnachtsfeier mit UC unsere gemeinsame Zeit für ein paar Stunden unterbrochen.  

Die Feier hatte natürlich wieder im Haunted Mug stattgefunden. Beinahe alle der inzwischen sage und speichere 25 UC’ler - der wiederauferstandene Blackstone inbegriffen - waren ebenso dabei gewesen wie unsere Anwärter Dawante, Hamaka, Medaron und Phoenix. Klar, dass Liam und Sionn auch mit uns hatten feiern dürfen, denn auch wenn sie offiziell nicht bei UC waren, so gehörten sie doch dazu. Einzig Sinister hatte sich auch über Weihnachten und den Jahreswechsel an einen anderen Ort zurückgezogen.

Auch Tradition bei UC war es, dass wir vor unserer eigentlichen Feier ein Kinderheim beschenkten. Diesmal hatten wir das wieder ganz ohne Kamerabegleitung getan.

Obwohl Moxi eigentlich nicht zum O’Niall-Clan gehört und auch nicht die feste Freundin von jemandem aus dem Clan ist, hatte ich sie diesmal eingeladen, mit uns zu fliegen. Mir war klar gewesen, dass niemand protestieren würde. Für Finn war Moxi sowieso schon wie eine Schwester - und Moxi hatte nur allzu gerne Ja gesagt.

Fang hätte durch seine Lebensschuld bei Fierce auch nach ihrem Tod die Chance gehabt, als einer der wenigen Gäste ohne Blutsverbindung oder Anschluss an den Clan mit zur Weihnachtsfeier kommen zu dürfen. Doch verständlicherweise hatte er lieber die Zweisamkeit mit Phoenix genießen wollen und hatte verzichtet. Kurz vor der Abreise des Clans hatte Fang sein Halsband abgenommen und Liam gebeten, es für ihn mit zur Feier zu nehmen und es ihm danach wiederzubringen. 

Als der illustre Clan schließlich die Koffer in die Wagen hatte laden wollen, um zum Flughafen zu fahren, hatte mein Liebster bereits auf mich gewartet, lässig an ein Fahrzeug gelehnt. 

Auch die Zeit beim Clan auf Hawaii hatten wir also gemeinsam verbracht.

Nun waren Harlequin und ich gerade erst seit vier Tagen getrennt und ich vermisste ihn bereits. Doch im Gegensatz zur Zeit in Boston war nun klar, dass wir uns bald real wiedersehen würden. So war das Vermissen nur die Erinnerung an meine Liebe zu ihm.

Ich reiste gerne durch die Welt, liebte unsere Zeit beim Clan auf Hawaii und genoss es, unterwegs zu sein, doch wenn ich etwas als meine Heimat bezeichnete, dann Emerald City. 

Hohe Bäume, Regen, Meer, die Kombination war einfach wunderbar.

Ich grinste Moxi breit an: „Komm, stylen wir uns auf! Wir gehen heute Abend aus.“

„Ins Dante's?“, fragte sie nach.

Ich schüttelte mein eisweißes Haupt. „Nein, nicht ins Dante's. Ich habe gesehen, dass Medaron auf seinem Bike vorgefahren ist. Das Dante's ist definitiv eine Nummer zu groß für ihn!“

Moxi lachte, fasste mich an der Hüfte und schob mich Richtung Bad. „Heiße Motoren, leichtbekleidete Frauen, Lack, Leder, jede Menge Highheels und sexy Elfen, es muss ein toller Abend werden!“

„Du findest Medaron sexy?“

Moxi lachte. „Das kann ich noch nicht sagen. Aber Dawante ist auch schon hier, und ich bin sicher, er kommt ebenfalls mit.“

❄️

Phoenix schüttelte ihr Haar, als sie das Haunted Mug betrat, ganz so wie ein Hund es tut, der sein Fell schüttelt. Eine nette Art, mit dem häufigen Regen über Seattle umzugehen. Ihr Cyberhaar trocknete so tatsächlich schneller.

Dawante und Medaron hatten sich zu Liam, Sionn und SpArcade an den für die Familie reservierten Tisch setzen dürfen. So hatte bereits ein illustre Runde beisammen gesessen, als Moxi und ich perfekt gestylt das Haunted Mug durch die Seitentür aus der Innenseite des Gebäudes heraus betraten.  

Dawante hatte bei unserem Anblick gestrahlt, Moxi hatte Sionn einen nicht ganz jugendfreien Kuss gegeben, Liam hatte dazu die Augen verdreht, und Mac hatte mir einen Teller mit Kuchen gebracht. 

Wie so oft strahlte Phoenix über das ganze Gesicht, als sie auf uns zukam. Und wie immer, wenn sie das tat, erhellte ihr Lachen den Raum.

Phoenix warf einen Blick auf mich, in meinem königsblauen Minikleid [BILD], sah dann zu Moxi, stutzte einen Moment, da Moxi nicht nur eine lila Bluse und einen pinken Lack-Minirock angezogen, sondern auch ihre Haut dunkelbraun gefärbt hatte und ihr Haar heute braun und gelockt trug. „Wow, wo geht ihr heute noch hin?“, fragte sie.

„Ich dachte, wir gehen ins Heels’n’Wheels. Das ist ein Club, in dem die Cocktails fantastisch sind und in dem man außerdem noch Rennen fahren kann. Was meinst du, Phoenix?“ 

„Klingt super, allerdings bräuchte ich da noch eine bisschen Styling. Du kannst mir da bestimmt helfen, oder, Moxi?“

Moxi griente. „Klar! Lass und gleich mal hochgehen, wir finden bestimmt was für dich.“

Bei der Erwähnung der Rennen hatten Medarons Augen zu leuchten begonnen.

„Du kannst natürlich auch gerne mitkommen!“, sagte ich an den Rigger gewandt. 

„Super!“, erwiderte er.

Ich aß meinen Kuchen, trank dazu ein Bier und war verdammt gut drauf. Ich schäkerte ein bisschen mit Dawante - er sah einfach zu gut aus, um ihn unbeachtet zu lassen. Aktuell lebte er wie Medaron im - oder sollte ich besser auf der sagen? - Upper Class, unserem Hotel-Schiff. Dennoch waren die beiden getrennt gekommen, die zwei Elfen hatten sich also nicht weiter miteinander angefreundet, zumindest noch nicht. Aber warum sollten sie auch? Nur, weil sie beide Elfen waren und beide gerne Motorrad fuhren? Mit Sicherheit nicht. 

❄️

Wenn es um Styling ging, war Moxi ungeschlagen, so waren die beiden Frauen nur 30 Minuten später zur Abfahrt bereit. 

Medaron und Dawante waren - wie ich gerade schon erwähnte - unabhängig voneinander auf ihren Bikes gekommen. 

Eigentlich hatte ich ebenfalls Motorrad fahren wollen. Die Harley Davidson Nightmare, die jeder SatHS vorletztes Jahr zu Weihnachten von Johnny Spinrad bekommen hatte, noch bevor sie offiziell auf dem Markt zu haben gewesen waren, war ich maximal ein halbes Dutzend mal gefahren und meine BMW Blitzen fühlte sich auch schon ganz missachtet. Doch da Moxi und Phoenix bei mir mitfahren wollten, griff ich auf auf meinen Porsche Panamera zurück, in dem wir für das Heels’n’Wheels auch ganz hervorragend ausgestattet waren. 

Ich konnte einfach auf ein anders Fahrzeug zurückgreifen, klang das nicht herrlich dekadent? 

Der Wagen war von der Grundfarbe her weiß, sah aber aus, als wäre er mit einer Schicht glitzerndem Eis überzogen worden. Der Effekt verstärkte sich zum Heck hin. Die Armaturen waren dunkelblau, die Sitze aus edlem, weißen Leder und mit hellblauen Schneeflocken verziert. Alles designed von den O’Nialls. Keine Frage, dass ich an einem solchen Abend die Neons unter dem Wagen einschaltete. - Und schon waren die beiden Männer auf den Motorrädern nur noch Begleitschutz. 

Ich überließ kurz dem Autopiloten das Steuer und drehte mich zu Phoenix nach hinten um. „Ich gratuliere dir hiermit zur offiziellen Aufnahme bei UC!“, erklärte ich lächelnd. 

Phoenix jubelte.

„Doc und Thunderstrike haben zugestimmt. Morgen können wir zusammen ins Clubhaus fahren und dein Profil hinterlegen, damit du freien Zugang zu allen Vorteilen bekommst. Irgendwann demnächst sollten wir das dann teamintern mit möglichst vielen UClern begießen“, erzählte ich noch. Ob ich Doc und Thunderstrike wirklich gefragt hatte? - Natürlich. Nicht, dass sie jemals gegen mich voten würden, doch auf ihre Meinung legte ich tatsächlich Wert. 

Moxi hatte vorausschauenderweise schon mal eine Flasche eisgekühlten Champagner und drei Gläser eingepackt.

Der Korken ploppte dezent, Moxi schenkte ein und wir stießen an. 

Als wir die bessere Wohngegend verlassen hatten, schaltete ich den Autopiloten aus und gab ordentlich Gas.

❄️

[Song 2: Midikløran - On My Own3] Das Heels’n’Wheels ist kein Club im eigentlichen Sinne. Vielmehr handelt es sich um ein aufgemotztes, ehemaliges Flugfeld in den Redmond Barrens, nahe der Grenze zum Salish-Shidhe Council. Tanzende Lichter am nächtlichen Himmel, gezeichnet vom Flak-Scheinwerfern, weisen schon von Weitem den Weg. 

Auf der Straße poppten immer wieder bunte ARO’s auf, die auf Angebote hinwiesen. Näherte man sich dem Gelände auf 100 Meter, brach via AR ein Gewitter aus Icons aus dem Erdboden. 

Kaum richtig in Reichweite des Systems, wurde man über diverse Rennen ebenso informiert wie über den Cocktail des Tages.

Während wir auf den Eingang zufuhren, drangen die dröhnenden Beats der Technomusik zu uns rüber. 

Im Heels’n’Wheels stellt man sich natürlich mitsamt Fahrzeug in der Schlange an. 

Zwei bis unter den letzten Zipfel der Karosserie aufgemotzte, aber schon deutlich in die Jahre gekommene SUVs bildeten das Eingangstor des 12 Meter hoch umzäunten Clubs. 

Rote und orange Neonröhren tauchten die Szene in ein poppiges Licht. Vor den mit Scheinwerfern gespickten Aufbauten der beiden Torwagen waren riesige Lautsprecher aufgestellt, die die Schlange der wartenden Fahrzeuge so laut beschallten, dass der eigene Wagen vibrierte. 

Selbstverständlich gehörte es sich bereits jetzt, die Scheiben runterzulassen. 

Niemand tauchte im Heels’n’Wheels mit einem unmodifizierten Fahrzeug auf, und wenn doch, dann waren ihm die abfälligen Blicke der anderen Clubbesucher sicher. 

Ebenso hielt man es mit der Kleidung und dem eigenen Aussehen. Hier wurde gepimpt, was das Zeug hielt. Zumindest das virtuelle Outfit sollte sich also sehen lassen können.

In diesen extravaganten Club kam man zum Sehen und Gesehen-Werden.

Sechs männliche Orks, in überwiegend schwarzen Klamotten, aber mit roten T-Shirts und ebensolchen Bandanas, standen hinter den SUVs zur Einlasskontrolle bereit. Durfte man rein, gaben sie die Fahrt nach vorne frei. Wenn nicht, musste man nach links abbiegen und zur zusätzlichen Schmach auf schlammigem Untergrund an den anderen Wartenden vorbeifahren. Der ‚Drive of Shame‘ wurde täglich neu gewässert.

„Hi!“, sagte ich strahlend lächelnd zu dem Ork mit dem besonders breiten Kinn, der zu uns in den Wagen blickte. „Fünf mal bitte, die beiden Bikes gehören auch zu mir.“

Der Ork erwiderte mein Lächeln. Jedenfalls kurz, dann legte er die Stirn in Falten. Sein Haar war schwarz und sein Gesicht wies Native-American-Züge auf. Ich vermutete spontan, dass es sich bei ihm um einen Cascade Ork handelte. „Wird das hier ein Ancients-Undercover-Ding?“, fragte er mit einem Akzent, der ihn eindeutig als Einheimischen auswies. 

Ich lächelte unschuldig, zeigte auf die beiden menschlichen Frauen bei mir im Wagen und meinte: „Ancients? Nein! Wie kommst du überhaupt darauf? Wegen der beiden Elfen auf Bikes?“ 

Phoenix grinste niedlich und ebenfalls unschuldig, als der Ork sie genauer ansah. Moxi winkte dem Ork auf ihrer Seite zu. 

Mein Ork fuhr sich mit dem Finger über den gefrästen Hauer. „ Ja, genau, die Elfen. Außerdem kommst du mir bekannt vor!“

Ich winkte ab. „Das höre ich öfter. Ich habe ein Allerweltsgesicht!“, dann lachte ich perlend, damit er sich nicht allzu verarscht vorkam.

Der Ork nickte. „Dass du das öfter hörst, glaub ich, aber echt, ich kenne dich irgendwo her!“, dann sickerten die Bits ein. „Du bist Snowcat!“

Ich grinste freundlich. „Stimmt!“

Die Augen des Orks begannen zu leuchten. „Wow, wie cool, wenn wir das bekanntgeben …“

Ich unterbrach ihn. „Nein, bitte nicht, dann habe ich keinen ruhigen Abend. Wir können gerne ein paar Fotos machen und ihr könnt ab morgen auch damit werben, dass ich hier zu Gast war, aber gebt es bitte nicht bekannt.“

Buster, so hieß er nämlich, ließ sich überzeugen. „Aber wir machen Fotos mit euch allen dreien, und deine Spielzeugelfen können die Bilder aufnehmen.“ Darauf ließen wir uns ein, und da Buster und seine Kumpels so nett waren, packte ich sogar noch ein paar VIP-Codes für das SatHS-Forum drauf.

Eintritt bezahlten wir keinen. 

❄️

Während wir den Wagen vor der ehemaligen Abfertigungshalle parkten, in der sich nun mal die beste Cocktailbar von Redmond befand, und Dawante sein Motorrad in unserer Nähe abstellte, fuhr Medaron gleich durch bis zu den Rennstrecken. Mehr beiläufig teilte er uns via Teamnetzwerk mit, dass wir ihm ein Bier mitbringen sollten. 

Ich hatte Verständnis dafür, dass es dem Rigger ein Bedürfnis war, gleich Rennen zu fahren, dass er sich aber sofort abseilte, hatte dennoch keinen Stil. 

Sämtliche Hangars waren umfunktioniert worden. Es gab Tanzflächen, Werkstätten und drehbare Bühnen, die einzig und allein zur Autobeschau dienten. Stilecht wurden Essen und Getränke aus Foodtrucks heraus verkauft. Die einzige Ausnahme bildete eben die Bar in der Abfertigungshalle. In der Halle war zudem die V.I.P.-Lounge untergebracht, von der man einen überdachten und beheizten Blick über die Rennstecken bekam.

Obwohl wir nicht ‚beheizt‘ bleiben würden, hatte ich meinem Mantel gleich im Wagen gelassen und mir nur den Schal mitgenommen. Ja, mein Kleid war kurz und leicht, aber ersten fror ich nicht so schnell, zweitens waren hier überall Fackeln und Feuertonnen aufgestellt, und drittens hatte ich für den Notfall ja Dawante dabei.

Ausgestattet mit Cocktails und Bier schlenderten wir Richtung Tower und Rennstrecken. Da unsere Commlinks im Teamnetzwerk zusammengeschaltet waren, konnten wir Medaron leicht ausmachen und mussten gar nicht erst nach der charakteristischen Glatze suchen. 

Für einem Moment hatte ich tatsächlichen überlegt, mein niegelnagelneues Trompe l’Oeil-Commlink, ein Weihnachtsgeschenk von Spinrad, nicht mehr silent laufen zu lassen, aber bei der Flut von Gästen an einem Samstagabend war es wahrscheinlich keine gute Idee, mich via AR als Snowcat zu outen. 

Medaron hatte sich, soweit man das von Weitem beurteilen konnte, auf zwei Gruppen zubewegt. 

Die eine bestand aus in schwarzes Lack und Leder gekleideten Orks und Menschen, die sich nicht nur im Kleidungsstil ähnelten, sondern auch alle je einen weißen Totenkopf-Patch irgendwo aufgenäht hatten. 

Die zweite Gruppe bestand aus fünf asiatischen Männern, die alle sichtbar irgendwo ein schwarz-weißes Bandana trugen.

Ich kreuzte die Finger und wünschte mir, dass Medaron die Gruppe mit den Orks angesprochen hatte. 

❄️

[Song 3: Davis Guetta, Kaz James - Blast Of3] Natürlich hatte er das nicht. Medaron stand bei den Asiaten, die zu allem Überfluss auch noch über und über kunstvoll tätowiert waren. 

Der offensichtliche Rädelsführer, ein Mann Ende 20, Anfang 30, der vielleicht attraktiv gewesen wäre, wäre sein Blick nicht so grausam gewesen, beäugte Medaron gerade abfällig. Er sagte etwas, woraufhin seine... sagen wir spontan mal 'Anhänger'... lachten. Medaron hatte das offenbar nicht verstanden, denn er wiederholte seine Frage.

Dann waren wir vier ebenfalls nahe genug, um verstehen zu können.

„Du willst gegen uns fahren?“, fragte der Anführer. 

„Ja, genau.“

Wir gruppierten uns um Medaron. Ich stellte mich sogar hinter ihn und sah über seine Schulter rüber zu den Japanern. Ja, sie waren Japaner, was ich daraus schloss, dass sie zwischenzeitlich Japanisch sprachen.

Den Männern fielen bei unserem Anblick beinahe die Augen aus dem Kopf, dann sagte einer auf Japanisch: „Wo hat der Gaijin die Schnecken her?“

„Will der die uns anbieten oder wirklich Rennen fahren?“, fragte der nächste.

„Wenn der die Mädchen am Start hat, führen wir nachher ein anderes Gespräch!“, meinte der Anführer, worauf alle lachten. Der Mann konnte nicht anders, als mich genauestens zu beäugen. Die Wortwahl hatte klar gemacht, was ich geahnt hatte: Die vier waren seiner Untergegebenen, und das da waren leider keine normalen Ganger. Hinter Medarons Rücken getarnt schrieb ich: <Keine Gang, Obacht! Yakuza!6>

„Um welchen Einsatz willst du denn fahren?“, fragte der Chef.

Medaron überlegte kurz. „Weiß nicht, müsst ihr sagen.“

Der Rädelsführer sah Medaron herausfordernd in die Augen. „Du bist auf uns zugekommen. Du machst den Vorschlag.“

Ich nutze die Chance, blickte kurz nach unten und wechselte mit meiner Wahrnehmung in die Astralwelt. Die Typen waren leicht verdrahtet und hatten schon einiges an Alkohol und Drogen intus. Das erhöhte ihre Lust auf uns und verstärkte die Abscheu auf Medaron. 

Da Medaron noch nichts vorgeschlagen hatte, formulierte einer der Männer neutral: „Was ist mit deinen Mädchen?“

„Das sind nicht meine Mädels, das sind meine Freunde!“, erklärte Medaron. „Wir können um Geld fahren.“

„Um die Bikes?“, schlug der Anführer vor, „der Gewinner bekommt das Motorrad des anderen.“

Medaron nickte. „Einverstanden. Und wer fährt gegen mich?“

Der Anführer zeigte auf einen seiner Männer, der sich sichtlich über die Ehre freute. 

„Waren wir eigentlich schon bei den Namen?“, fragte ich.  

Medaron schüttelte den Kopf. Warum in aller Welt hatte er seinen Namen nicht genannt? 

Der Rädelsführer sah kurz zu mir. „Wollt ihr euch vorstellen?“

Ich fand, dass ich mehr Respekt verdient hatte und er sich selbst vorstellen konnte. Charmant, aber dezent lächelnd und in einem netten, höflichen Ton sagte ich: „Ach, das muss nicht sein, es reicht auch, wenn wir euch nachher einfach ‚die Verlierer‘ nennen!“

In den Augen des Mannes blitzte es kurz böse auf. Ich konnte sehen, wie er über eine passende Erwiderung nachdachte. 

Ein Orkin in chromfarbenem Bustier und schwarzer, perfekt eng sitzender Hose kam zu uns allen rüber. „Hey, Sato, ich fahr gegen den Gewinner.“ 

Sato würdigte die Orkin keines Blickes und sagte voller Abscheu: „Ey, Fusion, du reißt den Mund zu weit auf, vor allem an der völlig falschen Stelle!“

Die Orkin lachte. „Ja, Sato, lass mal den kleinen Kani fahren. Sonst kommt noch Dreck auf dein Bandana.“ 

Jetzt sah Sato doch kurz zur Orkin. „Fusion, was machst du denn für 'ne Welle? 

Fusion winkte ab. „Also gut, danke Sato, mein Abend ist allein für das Gesicht gerettet.“

Der Name Fusion im Zusammenhang mit dem Totenkopf hatte es in meinem hübschen Köpfchen klingeln lassen. Das waren die ‚Death Heads‘, eine kleine aufstrebende gemischt-rassige Gang aus der Gegend, und Fusion war sogar ihr Boss. 

Während einer von Satos Männern die Anmeldung des Rennens übernahm und Medaron nur noch schnell seinen Namen eintrug, kam Fusion offiziell zu unserer Gruppe und stellte sich vor. Ich grinste und stellte im Gegenzug uns vor. Laut genug, damit auch die Yakuza das hören konnten. Als ich zuletzt meinen Namen nannte, schluckte Sato ein wenig. Fein, nun wusste er, dass ich tatsächlich ich war. 

Sato schien ausgesprochen gute Kontakte zum Tower zu haben, denn kaum dass wir die Vorstellung beendet hatten, wurde das Rennen Medaron gegen Kani aufgerufen. 

Wie so oft wurde die Rennstrecke hell erleuchtet und die riesige Würfelanimation erwachte zum Leben. Das Teil würfelte die Schwierigkeit und Art der virtuellen Hinternisse aus. Wer eines dieser Hindernisse durchbrach oder auch nur streifte, bekam eine Zeitstrafe angerechnet. Avatare fuhren über den Fahrzeugen und auf einer virtuellen Strecke mit. Nur via AR oder auf einer der drei riesigen Leinwände konnte man demnach sofort sehen, wer das Rennen tatsächlich gewann. Nur, wer als erster die Ziellinie der virtuellen Strecke überfuhr, war der Gewinner. 

Klar waren die Fahrer im Vorteil, die die Strecke kannten und denen die ausgewürfelte Zahlkombi etwas sagte.   

Die beiden Kontrahenten brachten sich in Position. Medaron bekam einen roten und Kani einen orangenen Motorrad-Avatar.

Fusion kam zu mir. Leise sagte sie: „Euer Mann wird sein Motorrad verlieren, Sato bescheißt.“

Ich lächelte. „Danke für die Info. Wir gucken mal. Medaron ist ein guter Fahrer.“

So so, Sato manipulierte also das Spiel, fragte sich nur wie? Ich nahm erneut astral wahr, doch auch, als ich genauer hinsah, blieb Sato so magielos wie ein Auto. Allerdings bemerkte ich, wie er Blickkontakt mit dem Tower aufnahm. Vielleicht hatte er dort oben jemanden zu sitzen. «Phoenix, sieh mal, ob du Medaron von der Matrixseite aus schützen kannst. Sato könnte betrügen, vielleicht macht er das mit Hilfe des Towers.“

Phoenix nickte mir zu, sie hatte also verstanden. Sie lehnte sich gegen einen der Stehtische und tauchte in die Matrix ab. Clever ging der Feuerkopf nicht voll VR, um nicht bewegungslos in der Ecke rumliegen zu müssen.

Das Rennen startete in wenigen Sekunden.

Für mich war es an der Zeit, an die Absperrung zu treten, um meinen Mann - nein, die Formulierung wäre deutlich übertrieben - um Medaron anzufeuern.  

Ich ging dazu dicht an Sato und seinen Leuten vorbei, verbeugte mich kurz und fragte: „Sollte dein Mann verlieren, bekommt er dann Ärger?“ Ich ließ Interesse und Sorge in meinem Worten mitschwingen. 

Sato starrte mich ein wenig verwirrt an. Vielleicht versuchte er irgendeine Absicht in meinem Handeln zu erkennen, vielleicht kam er auch nur mit meiner vollen Schönheit nicht klar.

Das Rennen begann. Da ich mich mit meinem Commlink für den Feed des Rennens angemeldet hatte, konnte ich zufrieden feststellen, dass Medaron sofort die Führung übernahm.

„Ich meine, verliert er zu Strafe einen Finger oder so?“

Satos Verwirrung löste sich für den Moment, ehrlich erwiderte er: „Nein, das ist das Rennen nicht wert!“

Ich lächelte strahlend. „Dann ist ja gut!“ 

Erneut zeichnete sich eine Spur Verwirrung auf dem Gesicht von Sato ab. Ich ging ein paar Schritte, drehte mich noch mal um und winkte Sato. Dann trat ich an die Absperrung, um Medaron anzufeuern. 

[Song 4: Tom & Dexx vs. Mico  - Radiation3] Kani bretterte schon an der ersten kniffligen Stelle durch zwei virtuelle Hindernisse, die Zeitstrafe warf ihn deutlich zurück. Dennoch, der junge Yakuza war kein schlechter Fahrer, Ehrgeiz und Siegeswille beflügelten ihn. Er holte einen guten Teil seines Abstandes wieder raus. Es konnte nicht schaden, Medaron ein wenig zu pushen. Ich nutzte meine Qualitäten als Anführerin und gab ihm via Commlink ein paar nützliche Tipps für den Streckenabschnitt.

Aus dem Augenwinkeln heraus bemerkte ich eine leichte Veränderung in der Körpersprache unserer Deckerin. Ich sah genauer hin. Phoenix trat Schweiß auf die Stirn. Das war noch keine Angst oder gar Panik, nur Sorge.

Medaron hatte sein Fahrkönnen und meine Tipps geschickt kombiniert, sein Vorsprung wuchs, virtuell war er kaum noch einzuholen und auch auf der realen Strecke war der Abstand beachtlich. Ich wandte meine volle Aufmerksamkeit Phoenix zu. «Die haben mein Hacking bemerkt», erklärte sie justament.

«Das macht nichts», sagte ich im gleichen beruhigenden Ton, den die hübsche Frau bereits von unseren Einsätzen her kannte. «Versteck dich einfach, damit sie deine Spur verlieren. Du kannst das. Sionn schwärmt davon, wie gut du bist.»

Phoenix bestätigte und nur Sekunden später begann sie zu lächeln. Na also.

Medaron gewann mit Abstand. Unter dem Jubel der Schaulustigen hob er das Hinterrad an, drehte sich und fuhr dann mit Siegerpose rückwärts durchs Ziel.

Medaron hatte Kani deklassiert. Zugegeben, das Rennen war keines auf Augenhöhe gewesen. Jeder noch so gute Fahrer hatte es schwer, gegen einen Rigger zu gewinnen. 

Dennoch hatte Medaron ein Zeichen mit seinen Fahrkünsten gesetzt, die sich sehen lassen konnten und die man sich merken würde.

❄️

Fusion begrüßte Medaron grinsend: „Ich habe mir schon ganz kurz Sorgen gemacht. Ich bin froh, dass meinem neuen Motorrad nichts passiert ist!“

Medaron lachte, stellte seine Maschine bei uns ab und ging dann zu Sato und dessen Männern. Kani kam ebenfalls zurück. Geknickt und mit hängendem Kopf - er wagte es kaum, seinen Herren Sato anzusehen. Doch der musste sich nun eh Medaron stellen.

Der Elf ließ Sato gar nicht erst zu Wort kommen. „Wenn du dich schon selber nicht traust, gegen mich zu fahren …“

Nanu? Woher wollte Medaron das wissen? Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass Sato ihm jetzt ein Rennen anbieten würde, nun, da er wusste, dass es sich lohnte, gegen ihn zu fahren. Aber selbst wenn nicht: Warum in aller Welt hätte Sato selbst gegen einen ihm Unbekannten fahren sollen, ohne vorher zu sehen, was der konnte? Eine große Klappe hatten viele. 

„ … dann soll dein Mann nicht darunter leiden. Er kann er sein Motorrad behalten. Ich brauch das nicht.“ 

Ich schüttelte innerlich den Kopf. Medaron wusste doch, dass er damit Sato beleidigte und auch Kani keinen Gefallen tat. ‚Nicht mal das Motorrad war es wert, gewonnen zu werden.‘ Seine Spielschulden konnte Kani auch nicht bezahlen. Ich hatte doch gewarnt, dass das da Yakuza waren. Wusste Medaron nicht, wer oder was die Yakuza war? Aber dann hätte Medaron mich doch wohl gefragt, oder? Zugegeben, ich hatte mich Sato gegenüber auch nicht gerade höflich verhalten. Ich hatte zu Beginn Medaron mit meinem Gebaren unterstützt. Hatte ich den Elfen damit in eine falsche Richtung gelenkt?

Medaron setzte all dem noch einen drauf, denn er drehte Sato schwungvoll den Rücken zu und unterband so jede Möglichkeit der Erwiderung. Ich hätte wohl besser dicht bei Medaron bleiben sollen, dann hätte ich eingreifen können … was wahrscheinlich auch nichts genutzt hätte, wenn ich von Medarons Verhalten bei den Vorfällen mit Duda damals in Boston ausging.

Ich konnte nicht anders, als Liam nachahmend missbilligend den Kopf zu schütteln. 

„Was ist?“, fragte Phoenix sofort. 

„Medaron hat Sato gerade stark beleidigt. Vor dessen Männern. Das kann Sato gar nicht so auf sich sitzen lassen. Das war keine gute Idee und könnte Medaron teuer zu stehen kommen.“

„Aber er wollte doch wirklich nicht gegen ihn fahren“, rechtfertigte Phoenix. „Was ist denn daran so schlimm?“

„Jede Gang oder sogar jede Gruppe hätte so reagiert wie sie. Hätte Medaron uns angesprochen, ich hätte auch nicht meinen besten Mann fahren lassen und wäre schon gar nicht selber gefahren. Hinzu kommt noch der kulturelle Unterschied. Medaron hätte Sato auch ins Gesicht spucken können, das hätte den gleichen Effekt gegeben. Die Details kann ich ja dir gerne mal ausführlich erklären, wenn es dich interessiert.“

Phoenix nickte. „Ja, gerne. Ich möchte das lernen.“

Medaron hatte jedoch keine Fragen. Er redete mit Fusion über das bevorstehende Rennen. Der Kerl machte sich keine Sorgen darum, ob er mit seinen Handlungen Ärger heraufbeschwor. Leider hat Ärger die Eigenschaft, dass nicht nur der ihn abbekommt, der ihn provoziert. Medarons Verhalten konnte das gesamte Team betreffen.

Leider hatte ich Sato ebenfalls nicht sonderlich gut behandelt. Ich hatte mich nicht vorgestellt und ihn nicht mal gebeten, sich vorzustellen. Das musste ich im Laufe des Abends noch korrigieren. Vielleicht konnte ich damit noch was retten.

Doch jetzt wurde erstmal das Rennen Fusion gegen Medaron angekündigt, beide wollten erneut um ihre Motorräder fahren. 

„Muss es denn ums Motorrad gehen?“, warf ich ein. Natürlich nicht, damit Medaron sein Motorrad behalten konnte. Die Gefahr konnte beim nächsten Rennen zwar durchaus bestehen, da Fusion die charakteristische Datenbuchse besaß und ihre Aura an den für einen Rigger passenden Stellen Cyberware anzeigte. Mir ging es um Fusion. Medaron war ein guter Fahrer, und ich wollte verhindern, dass er die nette Orkin um ihr Motorrad erleichterte. Fusion verlor im Verhältnis einfach viel mehr, wenn sie ein Motorrad abgeben musste. „Wie wäre es stattdessen mit einem Essen oder so?“ 

Fusion fand die Idee gut. „Wir gehen gemeinsam essen, und der Verlierer bezahlt. Da du nicht von hier bist, such’ ich aber in jedem Fall das Restaurant aus“ 

❄️

Diese beiden fuhren auf Augenhöhe und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Immer wieder lagen beide gleichauf, und keiner von beiden kassierte eine Zeitstrafe. Ich griff nicht weiter ein und verzichtete diesmal darauf, Medaron Tipps oder gar Anweisungen zu geben. Zum Start des Rennens hatte ich einen Geist beschworen und ihn gebeten, die zwei Fahrer vor Unfällen zu schützen und sich selbst beim Einsatz dieser Kraft zu verschleiern, damit man seine materialisierte Gestalt nicht entdecken konnte.

Kurz vor Ende der Strecke fuhr Fusion einen kleinen Vorsprung heraus, den Medaron nicht mehr einzuholen vermochte. Vielleicht … wenn die Strecke ein Stück länger gewesen wäre …

Die Menge feierte jedenfalls Gewinner und Verlierer.  

[Song 5: Katherine MacNamara - Ember3] Berauscht von dem tollen Rennen versandte Medaron eine Anfrage an den DJ des Towers, der für die Beschallung des Heels’n’Wheels verantwortlich war. Der Rigger hätte lieber ‚anständige‘ - in seinem Fall Metal - Musik gehört. Doch die spielte man in diesem Club nur an jedem dritten Freitag im Monat, da war nämlich ‚Death Match Day‘, wie man Medaron nur allzu gerne mitteilte.

Als wir so beisammen standen, entdeckte ich ein Icon in der Menge, das auf unsere Gruppe zugehüpft kam. Fuse war hier. 

Der Zwerg trug seine praktischen aber durchaus hierher passenden Straßenklamotten, und auch heute hatte er sein Basecap wieder verkehrt herum aufgesetzt. Er grinste über das ganze Gesicht, als er auf uns zukam. „Hallo, Snowcat, kennst du mich noch von früher? Also, aus der Zeit, als du noch in Redmond spazieren gegangen bist?“

Die gute Laune von Fuse sprang sofort über. 

Ich ging in die Hocke, um ihn besser umarmen zu können. „Natürlich. Es ist doch gerade erst anderthalb Jahre her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben.“ Ich zwinkerte ihm zu. „Du bist mir sogar positiv in Erinnerung geblieben!“

Wir plauderten fröhlich drauf los. Selbstverständlich stellte ich Fusion und Fuse einander vor. Dass die beiden aus verschiedenen Gangs kamen, war für sie kein Problem. Sie arbeiteten auch nicht wirklich in der selben ‚Branche‘.

Dawante lief los, um für uns alle Getränke nach Wahl zu holen. Als der Elf zurückkehrte, beschwerte sich der Zwerg über die kleinen Gläser. 

Fusion gab irgendwann zu, mir gegenüber zunächst skeptisch gewesen zu sein. Schließlich sei ich immer noch ein Ancient, und mit denen waren Fusion und ihre Death Heads schon mal aneinander geraten.

„Weist du eigentlich, zu welchem Gumi Sato gehört?“, fragte ich die Orkin.

Sie schüttelte den Kopf. Auch wenn das Wort 'Gumi' bei Phoenix ein Fragezeichen im Gesicht ausgelöst hatte, so konnte ich sie doch auf die Matrix-Suche nach der Information schicken. Wenige Minuten später wusste ich es: Sato gehörte zum Shigeda-gumi. 

Seiner Aura nach war er machtbesessen. Auch wenn Phoenix seinen Rang nicht herausbekommen hatte, seinem Auftreten nach würde er sich schon ein Stück weit nach oben gearbeitet haben. Er konnte die erteilte Schmach durch Medaron gar nicht auf sich sitzen lassen. Auch meine Gegenwart würde bei seinen Überlegungen , was nun zu tun sei, eine Rolle spielen.  

Ich sah mich nach Sato und seinen Männern um, aber sie waren nicht mehr an ihrem angestammten Platz und auch via AR konnten ich sie nicht mehr finden. Offenbar waren sie bereits gegangen. 

Ich teile den anderen meine Erkenntnis mit.

Fuse ließ sich ins Bild setzen und kommentierte dann: „Ja, sind schon 'ne komische Sache, die Japaner. Könnte schon sein, dass sie irgendwo auf euch warten, um Medaron die Ohren langzuziehen.“ 

Medaron reagierte nicht weiter darauf, darum tat ich es auch nicht. 

Dann ging Fuse dazu über, Phoenix anmachen, sie nach ihrem Freund auszufragen und zu betonen, dass er selbst groß für einen Zwerg sei. 

Ich nutzte die Chance, um mich kurz zu entschuldigen. Natürlich ging ich nicht allein. Ich nahm Moxi mit. 

❄️

Wir verschwanden Richtung Tower. 

Dort eine Comm-ID von Sato herauszubekommen, war kein Problem. Ich hatte zwar die Chance vertan, unser Verhältnis gleich an Ort und Stelle in Ordnung zu bringen, aber ich würde nicht riskieren, dass der heutige Abend meinen Ruf, den Ruf von UC oder das Leben irgendeines Mitglieds von UC in Gefahr brachte. 

Ein Anruf würde Sato die Möglichkeit nehmen, alles zu überdenken und angemessen zu reagieren, also schrieb ich eine Nachricht. Selbstverständlich auf Japanisch, auch wenn das etwas länger dauerte, da mein Japanisch durch Nichtgebrauch ein wenig eingerostet war.

<Werter Sato, ich bedauere, dass du schon gehen musstest. So konnte ich mein Versäumnis nicht mehr nachholen, mich persönlich vorzustellen. Wie du vielleicht mitbekommen hast, bin ich Snowcat. Ich würde mich freuen, wenn ich dich bei unserer nächsten Begegnung zu einem Getränk einladen dürfte.

Hochachtungsvoll

Snowcat>

❄️

Als wir zu den anderen zurückkehrten, erkundigte sich Dawante gerade, ob es das Funhouse eigentlich noch gäbe. Ich hob interessiert eine Augenbraue. Wie kam Dawante denn jetzt ausgerechnet darauf?  

Fuse nickte. „Klar, das wächst und gedeiht. Urubia, der Chef, soll einem angeblich alles besorgen können. Aber ich würde dennoch vorsichtig sein. Da hängen viele Gangs rum, der Boss der Halloweeners geht da angeblich ein und aus, aber vor allem werden da keine Streitigkeiten geduldet. Schon gar nicht zwischen rivalisierenden Gangs oder so. Bei Streitigkeiten wird hart und durchaus blutig durchgegriffen.“

Was Fuse nicht berichtete, war, dass es sich bei Urubia um einen erwachsenen, westlichen Drachen handelte.  

Ich erwähnte es ebenfalls nicht. Aber vielleicht würde ich diesem Funhouse irgendwann mal einen Besuch abstatten? Oder lieber einen Bogen darum machen? Im Moment konnte ich das noch nicht sagen.

❄️

Wir blieben noch eine ganze Weile im Heels’n’Wheels. Ich verschwand sogar mehrmals auf die Tanzfläche, selbstverständlich immer in Begleitung.

Fuse, Dawante, Phoenix und ich verabredeten uns sogar noch für den nächsten Abend zu einer kleinen Redmond-Clubtour. Das Yakuza-freundliche Tokyo Shuuz stand selbstverständlich mit auf dem Programm. Fusion und Medaron würden nach ihrem Date und Essen im Big Rhinos zu uns stoßen. Ich riet Medaron, Alka Seltzer zum Essen mitzunehmen, da ich von dem Hurlg Sodbrennen bekam. Der Elf würde dort sicher welches trinken müssen. Ob er meinem Rat folgte, konnte ich natürlich nicht sagen. Und es war mir auch ebenso egal, wie Medaron meine Ratschläge.

❄️

Als wir das Heels’n’Wheels schließlich verließen, durchsuchten wir meinen Wagen und Dawantes Bike gewissenhaft. Es war eben nie die Frage, ob man paranoid war. 

Das einzige, was wir fanden, war ein unübersehbarer neongrüner Ancient-TAG, der über meinen Panamera hinwegstrahlte. Wir konnten niemanden ausmachen, der ihn dort abgelegt hatte. Vielleicht hätte mich der TAG als Ancient ‚diskreditieren’ sollen. Das war mir egal. Ich nahm es als freundliche Geste zu meinem Schutz, zog meinen Luxus-Lippenstift aus der Tasche, schrieb ‚Danke“ damit auf den Boden und steckte den TAG schließlich ein, nachdem Phoenix ihn gecheckt hatte. 

Unsere Wege trennten uns schon bald von Fusion. Fuse nahmen wir noch ein Stück im Wagen mit, um ihn dann irgendwo an der Straße abzusetzen. 

Als wir dann quasi wieder unter uns waren, fragte ich: «Sag mal, Medaron, möchtest du dir eigentlich noch schnell einen Security-TAG unter die Haut setzen lassen?»

«Äh, nee! Wieso das?», lautete die Gegenfrage.

«Na, damit wir dich wiederfinden, wenn du irgendwo tot oder halbtot in einer Ecke liegst», erwiderte die clevere Phoenix. 

«Nö, danke», meinte Medaron nun. «So mit unter die Haut klingt nicht schön.»

«Das ist aber gar nicht schlimm, ich trage auch einen», versuchte ich es noch.

Medaron lehnte dennoch ab. Er stellte keinerlei zusätzliche Fragen. Mehr noch, er verabschiedete sich bei nächster Gelegenheit. 

Für die, die es vergessen haben: Medarons Zuhause war aktuell UCs Hotelschiff, und genau dort lebte Dawante auch. 

Ich fragte mich unwillkürlich, wie es Medaron geschafft hatte, mit dieser Attitüde in der Rox so lange zu überleben? 

Ich musste Medaron zugute halten, dass er sich bisher wahrscheinlich leise und unauffällig durch seinen Hometurf bewegt hatte. Er hatte sich mit Hundepaddeln in seinem lokalen Teich über Wasser gehalten und war nun nicht etwa selbstständig und vorsichtig weiter raus geschwommen, sondern war mit uns voll ins offene Weltmeer gesprungen. Keine Frage, es war schwer, mit einer solchen Situation umzugehen. Er kannte die Regeln nicht. 

Doch wenn Medaron weiterhin meine Boote, Rettungsinseln und Schwimmwesten ablehnte, würde er früher oder später unweigerlich untergehen. 

Das war jedoch nicht mein Problem.

Sein Verhalten war aber der Grund, warum wir ihn demnächst nicht bei UC aufnehmen würden. Zusammenarbeit ja, Mitgliedschaft nein. Dafür war mir Medarons Verhalten nämlich viel zu gefährlich. Jedenfalls noch.

Wir brachten Phoenix sicher in ihre gemeinsame Wohnung mit Fang. 

Dawante lud ich ein, heute in der leeren Gästewohnung in unserem Center zu übernachten. 

Morgen früh konnte ich den extrem attraktiven Elfen dann gleich noch zu seiner Aufnahme bei UC gratulieren.

Was war ich doch für ein schlaues und überaus schönes Köpfchen. 


Ende der Geschichte. 

❄️❄️❄️

Ob Sato noch eine Rolle spielt, ob Medaron doch noch zu UC kommt und was die Runner alles so unternehmen, wird demnächst hier zu lesen sein.

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Wir freuen uns, dass du uns während dieser Geschichte begleitest hast, danken dir für’s Lesen und verbleiben bis zum nächsten Mal:

Snowcat und die Runner von UC.

An dieser Stelle bedanken sich die Spieler unserer Runde bei allen, die an der Entwicklung und Verarbeitung der Shadowrun®-Produkte mitgewirkt haben. Ohne ihre Arbeit wäre unser Spiel nicht möglich! 

We would like to thank the authors, artists and all others who are involved in the development of the Shadowrun® rules, adventures and stories. Without them, our game would not be possible.

Vielen Dank auch an @Vin für das Korrekturlesen. ;*

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*