Teil 1 (Intermezzo)

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Snowcat erwachte und buntes Licht strahlte durch das Glasfenster. Ihre Augen waren verklebt und ihr Gesicht brannte. Als sie sich aufrichtete schmerzte ihr Rücken, das Leder von Cravens Mantel war am Kragen ganz spröde. Sie streckte und reckte sich ausgiebig und torkelte dann ins Bad. 

Nachdem Snowcat den Badezusatz ,Ein Hauch von Winter‘ in das laufende Wasser gegeben hatte, betrachte sie sich im Spiegel. Unschöne lila Streifen durchzogen ihr Gesicht. Sie öffnete das antike Medizinschränkchen, irgendwo musste doch noch eine Pflegekur fürs Gesicht rumliegen. Da das Schränkchen nicht besonders voll war griff sie sofort das richtige Döschen. Dann blickte sie zum ersten Mal auf die Uhr. Es war bereits nach fünf Uhr am Nachmittag. Gähnend schickte sie eine Nachricht an Blackstone, Bittersweet, Dodger, Candy und Fiddler: Verschiebe Termin auf 22.00, lg Snowcat.

Als Snowcat sich genüsslich in das warme duftende Wasser gleiten ließ, begann sie umgehend zu schnurren. Jegliche Anspannung viel von ihr ab. 

Katze kam hinzu und setzte sich auf den Wannenrand: „Du hättest vorher noch was essen sollen, Elfenmädchen. Ich kann deinen Magen knurren hören.“

„Später Katze, später!“

„Ja, Elfenmädchen, aber dann ganz bestimmt. Es freut mich übrigens zu sehen, dass du mit der Zeit immer noch schöner wirst.“

Snowcat lächelte sanft.


Mit anständig gefülltem Magen raste Snowcat auf ihrer Blitzen eine Strasse in Touristville entlang. Schnell preschte sie zwischen den zahlreichen Wagen hin und her. Sie war ein bisschen spät dran, doch selbst wenn sie das nicht gewesen wäre, wäre sie wahrscheinlich nicht langsamer gefahren. Sie hatte an diesem Tempo einfach viel zu viel Freude. 

Mittwochs war im Dark Light immer Darkhour: Eintritt und Getränke zum halben Preis. So war der Parkplatz, der wie ein alter Friedhof gestaltet worden war, vor der alten gotischen Kirche bereits gut mit dunklen Wagen gefüllt, als Snowcat mit einem Affenzahn durch das Gittertor raste. Über AR zogen Nebelschwaden über den Boden, die ihre Finger klauenhaft nach den Besuchern ausstrecken. Düsterer Angstrock tönte aus der geöffneten doppelflügligen Eingangstür des Nachtclubs. Ein blutroter Vorhang verbarg den Blick auf das was sich im Inneren der ehemaligen Kirche abspielte. Zwei riesige Schränke, ein Mensch und ein Ork, warteten in schwarzer Messdiener-Kleidung davor, um jene draußen zu halten, die nicht den wahren Glauben besaßen; Anders ausgedrückt: All die, die nicht die passenden Klamotten trugen.

Sie hatten sich am Grabstein von Vincent Price verabredet und diesen bereits im Vorfeld als Parkplatz für sich reserviert. Der von Kurt Cobain war den V.I.P.s vorbehalten. Ein Schwarm Fledermäuse löste sich aus einer Öffnung des Glockenturmes und flog dicht über die Köpfe der Metamenschen auf dem Friedhof hinweg. Die Flatterwesen waren so programmiert, dass sich je eine von ihnen millimeter-dicht an jedem Besitzer eines aktiven Commlinks vorbeischob. 

Snowcat vollführte einen Weehly, der ihren Kopf genau in einen Fledermaus-Schwarm brachte. Die Tiere stoben in alle Richtungen auseinander. Von irgendwoher erklang ein düsteres Lachen.

Bittersweet, die heute eine zerrissene schwarze Jeans, ein bauchfreies, schwarzes Shirt mit einem Totenkopf und 12er-Loch-Stiefel trug, war bereits da. Sie lehnte an ihrem schwarzen Thundercloud und zündete sich gerade eine frische Kippe an. Neben ihr parkte ein dunkelgrauer Bulldog vor dem Candy stand. Der orangene Minirock, den sie zu einem schwarzen Top, einer orangenen Fliege und schwarzen Schnürstiefeln trug, war so kurz, dass man ihn schon eher als Gürtel bezeichnen konnte, dennoch hätte man aus der Menge Stoff wohl ein Kinderkleid schneidern können. Das Orange war so grell, dass es Snowcat sofort ins Auge sprang. 

Es war gerade 5 nach 10 und Dodger  wartete ebenfalls bereits. Er war auch heute vollkommen in Schwarz gekleidet. Sein silberweißer langer spiegelglatter Pony verdeckte die Hälfte seines Gesichts. Snowcat fand, dass ihn das wie einen Bösewicht aus einem Manga aussehen ließ. 

Fiddler war natürlich auch nicht zu übersehen, selbst wenn Snowcat das gewollt hätte. Er trug zu seinem schwarzen Dreiteiler eine zu Candys Rock farblich passende Krawatte.

Snowcat ließ ihrer Blitzen mit einer gekonnten Bewegung zur Seite driften und parkte zirkusreif ein, um dann eines Pin-Up-Kalender-Fotos würdig, abzusteigen. Über ihrer perfekt sitzenden Lederhose trug sie Cravens Mantel. Ihre Augen waren etwas dunkler geschminkt als sonst und unter ihrem linken Auge glitzerte eine gläserne Träne. Noch verbarg der Mantel den Blick auf ihre neue, außergewöhnliche Korsage aus schwarzer verstärkter Spitze, mit tiefem Dekolletee und Stehkragen. Geschwärzte Spangen, die an beiden Seiten angebracht waren, hatten Snowcat die Möglichkeit verschafft die Korsage so eng zu schnüren, als wenn sie Hilfe dabei gehabt hätte.

Nervös blickte Bittersweet ständig auf die Uhr.

Kurz nach Snowcat erschien auch Blackstone. Er lies sich in einem alten, polierten Leichenwagen vorfahren. Gekleidet war er in das Highlight des Abends: einen weißen Anzug über einem schwarzen T-Shirt. Durch seinen weißen Bart zog sich eine zarte, kaum erkennbare rote Spur und auf seinem Revers saßen drei kleine rote Steine die hübsch funkelten. Die Andeutung auf Blut war nicht misszuverstehen. 

Bittersweets Emotitoy nörgelte irgendetwas vor sich hin. Bittersweet sah auf ihr Commlink und erklärte dann, dass sie noch was zu erledigen hätte und sie alle drinnen wieder träfe.

Natürlich wurden sie ohne Probleme eingelassen. Offensichtlich waren sie alle vom richtigen Glauben. Das Dark Light war bereits brechend voll. Snowcat schob sich elegant durch die Metamenschenmenge. Problemlos, denn Candy und Fiddler gingen vor und machten so den Weg frei.

Snowcats Anmach-Counter stieg unglaublich schnell in die Höhe. Fast schien es, als wenn ihr jeder Hetero-Mann und so manche Frau eine Einladung geschickt hätte. Dodgers Stimme erklang dicht neben ihr, sein Atem streifte ihre Wange und ihr Dekolletee, er roch leicht nach Pfefferminz. „Beeindruckend!“, sagte er nur.

 Die Runner gingen schnurstracks nach oben. Blackstone trat an einen Tisch schräg hinter der DJ-Kanzel und sorgte mit seinem unwiderstehlichem Charme dafür, dass man ihn für ihre Gruppe freimachte. Sie bestellten Absinth mit Energy-Drink für alle. Gleichzeitig orderte Fiddler eine Flasche Whisky, einige Gläser, 4 Ein-Liter-Humpen dunkles Bier und eine zweite Runde Green Flying Fairys. Er schien in dieser Nacht noch eine Menge vor zu haben.

Candy nutzte die Gelegenheit und flirtete ungehemmt mit Fiddler, der seinerseits sehr darüber erfreut war.

Nach 15 Minuten hatte sich Bittersweet noch immer nicht zu ihnen gesellt. Snowcat bat Dodger, sich doch mal nach ihr umzusehen. Die Antwort kam sofort: Bittersweet hielt sich irgendwo im hinteren Bereich der Kirche auf.

Snowcat scannte mit ihren Augen den Laden ab. Zwei Gruppen fielen ihr auf: Die eine bestand aus vier in Leder und Nieten gekleidete Menschen, die im Dark Light umherstreiften wie Raubtiere auf der Jagd. Snowcat ordnete sie nach kurzen überlegen den Iron Crusadern zu, einer kleinen unbedeutenden Gang aus Redmond, unbedeutend nach Snowcats Maßstäben jedenfalls. Die andere Gruppe saß unten in einer Nische hinter der DJ Kanzel und die Leute darin ließen sich kaum erkennen, aber sie bestellten bereits die 3. Flasche Magnum-Champagner. Snowcat glaubte 3 gut gekleidete menschliche Männer zu erkennen, die den vier herausgepuzten Damen ständig nachschenkten, aber selbst anscheinend nichts tranken. Ein Blick auf Blackstone verriet Snowcat, dass ihm beide Gruppen ebenfalls aufgefallen waren. 

Bittersweets Imp landete auf dem Tisch und verkündete krächzend: „Meine Meisterin bittet sie, sie noch eine kleine Weile zu entschuldigen. Sie wird gleich hier sein!“

Kurz darauf machte der DJ lautstark eine Ankündigung: "Dark Light, wir haben alle darauf gewartet, jetzt sind sie endlich wieder hier: ,Corperate Trash!‘ " Jubel erfüllte die hohe Decke der Kirche. Ein Ork und zwei Menschen, ein Mann und eine Frau, betraten den "Altar" und griffen nach den Instrumenten die bereits bereit lagen. Dann betrat eine weitere Frau die Bühne, sie trug eine offene Zwangsjacke und war offensichtlich die Leadsängerin der Band: Bittersweet!

Alle aus dem Team waren überrascht. Alle außer Dodger.

Candy stieß einen lauten Pfiff aus, den sie mit ihren Voice-Enhancern verstärkte und zerrte Fiddler nach unten zur Tanzfläche. Hier machten die beiden Trolle Party für 2 Dutzend Gäste. 

Snowcat fand die Band gar nicht mal so schlecht, sie heizte die Stimmung im Laden ordentlich an. Beim letzten Lied, einer Cover-Version der ,Bittersweet-Symphonie‘ begann um die Tanzfläche herum sogar eine wilde Knutscherei. 

Nach dem Konzert kam Bittersweet an den Tisch der Runner, eine angeregte Unterhaltung nahm ihren Lauf, in der Candy in den höchsten Tönen von dem Konzert und der Band schwärmte. Snowcat entfernte sich, sie wollte lieber tanzen. 

Irgendwann bemerkte Snowcat, wie die Iron Crusaders eine erneute Runde durch den Laden drehten und an der Nische der Nichttrinker vorbeikamen. Man nickte sich gegenseitig zu, hielt aber gebührenden Abstand. Kurz darauf brachen die Nichttrinker samt ihrer Schnecken auf. Die Mädels waren deutlich angetrunken und schwankten und die Männer? Die bewegten sich irgendwie merkwürdig, es wirkte so als hätte man gelgentlich einen oder zwei ihrer Schritte verpasst. Inzwischen hatte sich unbemerkt ein gut gekleideter Ork zu der Gruppe gesellt, und sie machten sich gemeinsam auf das Dark Light zu verlassen.

Einer aus der Gruppe, ein extrem attraktiver Mann, Mitte 1,80m groß, dunkle wild aufgestellte Haare, etwas blass, mit eindrucksvollen Augen und in einen hippen, teuren Anzug gekleidet, den er mit einer ungeheuren Lässigkeit trug, steuerte direkt auf Snowcat zu und flüsterte an ihr Ohr: "Freitag Abend im Eyecatcher. Ich freue mich schon darauf dich zu sehen!" Im nächsten Augenblick war er wieder zu seiner Gruppe aufgeschlossen. Es war fast, als wäre er einfach an seine Position teleportiert.

Snowcat war beunruhigt, nicht, weil er sich so merkwürdig bewegen konnte, sondern weil sie tatsächlich geneigt war, auf diese plumpe Anmache einzugehen. Sie schüttelte sich und sah der Gruppe nach. Die waren fast raus. Ihr Blick fiel auf den Ork und sie konnte es nicht fassen, sie riss die Augen weit auf und schüttelte sich erneut, doch es war tatsächlich wahr: der sah genau aus wie Retnuh, Der Wendigo, dem sie eigentlich vor gut drei Wochen den Kopf abgeschlagen hatte!

Sie stürmte hinterher. Anscheinend hatte Blackstone Retnuh ebenfalls gesehen und jagte die Treppe hinunter. An der Tür angekommen, konnten die beiden gerade noch sehen, wie die gesamte Gruppe in einer Stretchlimousine davonfuhr.

Zurück im Dark Light setzten Blackstone und Snowcat ihre Freunde ins Bild, bis auf Fiddler wusste nämlich keiner der gerade Anwesenden, was es mit Retnuh auf sich hatte. 

"Lies mal Retnuh rückwärts.", forderte Blackstone Bittersweet auf.

Sie hoben besonders hervor, dass sie bei ihrem damaligen Job herausbekommen hatten, dass Retnuh als Wendigo mit Vampiren zusammen Partys veranstaltete und dass, wo doch beide Arten HMHVV-Infizierte unterschiedliche Tischmanieren aufwiesen, wie Snowcat irgendwie amüsiert feststellte. Vielleicht war der Typ der Snowcat eben angesprochen hatte sogar ein Vampir, was ja mal zumindest seine Wirkung auf sie erklären würde.

Es war ja nicht so, dass die Runner nun wieder in ihren vergangenen Job reingezogen worden waren, aber trotzdem konnte es nicht schaden sich mal nach dem Nichttrinker umzuhören, zumal er Snowcat wirklich fasziniert hatte. Snowcat kamen sogleich die Iron Crusaders in den Sinn. Sie machte sich mit Blackstone auf, die vier anzusprechen.

Dodger vernetzte sie. Fiddler und Bittersweet erklärten, dass sie zu allererst die Auren der vier Crusaders überprüfen würden. Fiddler erklärte darauf, er könne durch den emotionalen Nebel nichts sehen. 

Doch Bittersweet sagte: „Drei von denen haben weniger Lebenskraft, als normal, obwohl sie keine Cyberware oder so haben. Sie sind außerdem von irgendwas abhängig. Der vierte hat dafür aber irgendwie zu viel Lebenskraft! Besser kann ich es nicht ausdrücken.“

Snowcat wählte den mit der hohen Essenz aus und sprach ihn direkt an, da sie ihn sowieso für den Rädelsführer hielt. Der Gedanke, dass auch er ein Vampir sein könnte schreckte sie dabei nicht ab: „Hey. Du siehst genau so aus, als wenn du mir weiterhelfen könntest.“ Blackstone stand dicht neben ihr.

Der Iron Crusader trat sofort einen Schritt näher an Snowcat ran und sagte lächelnd: „Hi, ich helf‘ dir gern.“, dann streckte er ihr die Hand entgegen und fragte: „Wollen wir tanzen?“

Snowcat nahm die Hand nicht sondern sagte stattdessen: „Später vielleicht. Die Typen, die dahinten vorhin gesessen haben, kannst du mir sagen wer das war?“

Der Iron Crusader sah kurz in die von Snowcat angezeigte Richtung, dann schürzte er die Lippen und schüttelte simpel den Kopf: „Keine Ahnung wen du meinst?“

Blackstone mischte sich ein: „Aber ihr habt denen doch zugenickt, erzählt uns doch nicht, dass ihr die nicht kennt!“

Abfällig sah der Iron Crusader auf Blackstone herab: „Wer bist du denn?“

Blackstone grinste: „Ich bin der, der auf die hübsche Elfe aufpasst und mit ihr ausgeht!“

Nun verzog der Mensch angewidert das Gesicht: „Oh Mann!“, dann lächelte er Snowcat an, „Komm, lass den Typen stehen und lass uns tanzen gehen.“

„Wenn du mir was über die Typen sagst, dann vielleicht!“, erklärte Snowcat zuckersüß.

Der Iron Crusader zuckte mit den Schultern: „Ich kenn‘ die Typen nicht, warum willste das denn überhaupt wissen?“

Snowcat lächelte weiter: „Na weil die mich auf ne extrem uncoole Art zu sich eingeladen haben, und ich möchte eben gerne wissen, wer so dreist war.“

Der Crusader machte jetzt ein offenes Gesicht: „Na wenn die eh uncool sind, dann reagier doch einfach nicht aus diese Einladung und komm stattdessen mit uns. Ich bin sicher,“ seine Stimme wurde nun leiser, „dass du mit uns ne Menge coolen Spaß haben kannst.“ Dann drängte er: „Komm, lass uns tanzen.“

Blackstone grinste als er nun sagte: „Wir können ja auch ein Tänzchen machen!“

In einer obercoolen, fragenden Geste warf der Iron Crusader die Hände auseinander, blickte sich suchend um und fragte dann: „Wer spricht dann da?“, dann blickte er nach unten, tat überrascht und sagte: „Ah, da unten, ein schwarzer, sprechender Fussabtreter!“

Seine Gangkollegen lachten.

Nun schwabbte eine Menge männliche Hormone hin und her. Irgendwann traten die drei Handlanger-Crusader vor und nahmen es gleichzeitig mit Blackstone auf.

Snowcat trat währenddessen ihrerseits lieber einen Schritt zurück.

Bittersweet und Fiddler schlossen Wetten über den Ausgang der Handgreiflichkeiten ab, stellten aber gleichzeitig großzügiger Weise ihre magische Hilfe bereit.

Als Snowcat während einer Schubs-Pause beschwichtigend eingriff, rief Bittersweet: „Hey, dass ist unfair, du willst ja nur, dass Fiddler die Wette gewinnt.“ Man konnte an ihrer Stimme hören, dass sie dabei lachte.

Ob nun die Einschüchterungen von Blackstone, der Amor-Zauber von Bittersweet oder die Barriere, die Fiddler gezaubert hatte dafür verantwortlich gewesen war: schließlich zogen die Iron Crusaders den Schwanz ein und traten den Rückzug an, ohne Informationen dagelassen zu haben.


Eigentlich gab es ja nicht wirklich was zu tun, aber dennoch beschlossen die Runner, die Sache nicht vollkommen auf sich beruhen zu lassen. Klar war für alle nur, dass Snowcat nicht am Freitag Abend ins Eyecatcher gehen würde.

Sie fuhren stattdessen alle sechs sofort zum Nachtclub, es war ja nicht weit von hier. Snowcat wollte an der Bar eine Nachricht für Mr. Unbekannt-und-von-sich-überzeugt überbringen.

Candy und Bittersweet gingen zuerst  ins Eyecatcher. Für gut aussehende Frauen war der Eintritt frei. Dodger hatte ihnen unterwegs mitgeteilt, das der Nachtclub für seine "exotischen" Tanzdarbietungen bekannt war. Außerdem wusste er zu berichten, dass vor Jahren hier einst das Eyekiller gestanden hatte, dass das aber eines Tages unter mysteriösen Umständen bis auf die Grundmauern abgebrannt war. An selber Stelle hatte man das Eyecatcher unter dem Motto: "Größer, schöner, moderner, BESSER!", aufgebaut. 

Die Tanzshows, die auf bis zu vier Bühnen gleichzeitig stattfanden, sollten angeblich atemberaubend sein. Candy und Bittersweet waren wohl der selben Meinung. Jedenfalls fand Snowcat, dass ihre Commlink-Kommentare wie „wow“ und „cool“ und „boah“ so klangen.

Blackstone war der nächste der in den Club ging, er sollte sich an die Bar setzen und hatte nach eigenen Angaben so seine Mühe damit die Tür im Auge zu behalten. Er beschrieb, wie immer wieder ein gigantischer Spotlight aufleuchtete und irgendeine Frau anstrhlte, die sich sofort im Fokus der Aufmerksamkeit befand.

Niemand übersah Snowcat, als sie den Club betrat auch ganz ohne Spotlight. Wie an Fäden gezogen folgten ihr die Blicke der anwesenden Männer, als sie mit ihrem perfektioniertem Katzengang zur Bar stolzierte. Sie hatte die Bar fast erreicht, als ein in einen roten Anzug gekleideter Zwerg mit Glatze und gepflegtem Bart in ihrem Blickwinkel erschien, einen Mann mit den Worten: "Ich hab sie zuerst gesehen!" einen heftigen Schlag in die Kniekehle verpasste und dann zu Snowcat aufschloss. "Traumfrau!", rief er.

Blackstone fing seinen Rassenbruder ab und verhinderte gerade noch, dass dieser Snowcats Auftritt störte. Er nahm ihn zur Seite und sprach mit ihm. Snowcat hörte mit einem Ohr zu. Blackstone fing den Unbekannten ein, indem er ihm bewies, dass er ihm Snowcats Nummer geben konnte.

Snowcat erreichte die Bar und der attraktive Mann dahinter stellte ihr ungefragt einen Erdbeerdaiquiri hin: "Auf Kosten des Hauses!", sagte er strahlend, als er eine duftende echte Erdbeere oben auf den Drink legte. 

Snowcat lächelte geheimnisvoll, über Commlink erklang eine Stimme: "Wenn sie jetzt in die Erdbeere beißt, ist unser Deal geplatzt."

Innerlich grinste Snowcat, doch ihr geheimnisvolles Lächeln blieb unverändert, als sie sagte: "Ich bin nicht hier um etwas zu trinken. Ich bin hier, um jemandem eine Nachricht zu hinterlassen!"

"Okay," der Barkeeper nickte, "und für wen?"

"Für einem Mann, der am Freitagabend hier sein wird."

"Nun, äh, sie können sich sicher vorstellen, dass am Freitag hier ziemlich viele Männer herkommen!"

Snowcat zuckte lässig mit den Schultern und nahm eine ihrer atemraubenden Posen ein: "Mag sein, aber er wird sie schon bekommen, wenn er will. Sagen sie ihm: Mich kann man nicht irgendwo hinbestellen, mich muss man erobern!" Dann biss sie die Spitze der Erdbeere ab, was einige Männer hektisch Atem holen lies, hauchte schnurrend: "Lecker! - Ich geh jetzt ins Tokyo Shuuz.", und ließ den Rest der Erdbeere ins Glas fallen. Dann drehte sie sich um und stolzierte mit wiegenden Hüften hinaus.

"Traumfrau, warte!", rief ihr die  Stimme nach und folgte ihr Flick-Flack schlagend. Doch er wurde von den Rausschmeißern aufgehalten, woran Dodger auf bitte von Blackstone schuld war.

Draußen empfing die Hackerlegende Snowcat mit einem geflüsterten: „Nettes Piercing My Lady!“

Die sechs Runner fuhren gegen 1.45 Uhr zum Starbucks gegenüber des Tokyo Shuuz und der Zwerg im roten Anzug folgte ihnen kurz darauf. Er setzte sich einfach zu ihnen, stellte sich als Cannonball vor und himmelte Snowcat an. Was sie äußerst passend fand. Dabei stellte er stolz zur Schau, dass er Cyberarme hatte.

Man kam ins Gespräch und der wahrscheinlich gesundheitsbewusste Zwerg, er trank seinen Kaffee mit fettfreier Sojamilch und aß den Obstsalat, konnte ihnen doch tatsächlich etwas über ihren unbekannten Nichttrinker sagen. Die Beschreibung passte eventuelle auf den Besitzer oder auch Manager des Eyecatchers, einem Mann namens Decon Frost, der laut Cannonball eine erkleckliche Anzahl unsympathischer Freunde hatte, und der Schlimmste von ihnen war angeblich ein schwarzer Elf.

Allerdings stellte sich auch heraus, dass Cannonball und Blackstone sich nicht sonderlich grün waren. Snowcat wusste nicht warum das so war. Vielleicht lag es daran, dass sie beide Zwerge waren. Vielleicht ging es Blackstone auch nur auf die Nerven, dass Cannonball Snowcat so sehr anhimmelte. Vielleicht konnte jeder aber auch einfach nur nichts mit der Art des anderen anfangen. Snowcat war sich sicher, dass sie in nächster Zeit aber noch die Gelegenheit bekommen würde darüber etwas herauszufinden, denn Cannonball würde mit Sicherheit viel dafür tun ihnen erneut zu begegnen.

Das Team beschloss, am Freitag einfach noch mal ins Dark Light zu gehen. Wenn sie dann tatsächlich noch mal auf diesen Frost trafen, dann konnten sie ja immer noch weiter sehen. Dodger sollte bis da mal die Ohren offen halten, ob sich jemand nach Snowcat umhörte und was dieser eventuelle herausbekam.

Und was Retnuh anbetraf konnte bis Freitag ja jeder noch mal darüber nachdenken, unter welchen Umständen er sich mit dem näher befassen wollte.


Als Snowcat um 2.45 Uhr am Morgen den Rand von Puyallup erreichte, wartete dort bereits eine Eskorte von drei Ancients auf sie, die sie wortlos bis vor ihre Haustür begleiteten und dann sogar warteten, bis sie sicher dahinter verschwunden war.

Snowcat ging in ihr Appartement und zog sich um. Heraus aus den neuen Partyklamotten und rein in den beliebten Urban Explorer Anzug in Lacklederoptik. Dann wartete sie noch einen Moment. Schließlich holte sie ihren Schlafsack, packte eine Flasche des besten Absinths aus Tir, echten Würfelzucker, zwei dicke lilafarbene Kerzen, eine Rolle Hartplastfolie und ein Glas samt Mini-Rechaud in eine Tasche, schulterte alles und ging wieder nach unten. 

Von den Ancients war nichts mehr zu sehen. Sie bestieg ihre Maschine und brauste damit zum Southwind Complex, einer Ansammlung von drei teilweise zerfallenen Hochhäusern mit bis zu 100 Stockwerken in Tarislar. Das Gelände war schon vor langer Zeit weiträumig abgesperrt und irgendwann sogar umzäunt worden. ,Betreten verboten ; Lebensgefahr‘ war auf einem Schild davor zu lesen. Auf Englisch, Japanisch und Sperethiel.  Der dazu passende Tag funktionierte schon lange nicht mehr. Angeblich sollte es hier spuken. 

Snowcat bog eine aufgeschnittene Stelle Zaun an der Rückseite des Geländes hoch und schob ihre Blitzen hindurch. Dann drückte sie den Zaun wieder zurecht und verbarg die Stelle mit etwas Unkraut. Ohne das Licht anzuschalten fuhr sie zum mittleren der drei Gebäude und überbrückte die Stufen zum Eingang mit einem Sprung. Um das Gebäude zu betreten musste sie zunächst den Notfall-Hebel an der Seite 1-2 mal betätigen, um Luft in die Konstruktion zu pumpen, ansonsten würde die Tür sich nicht stromlos öffnen lassen. Hierfür musste Snowcat ihre gesamte Kraft aufwenden. Doch danach ließ sich die Tür problemlos aufschieben und Snowcat lenkte die Blitzen direkt hinter den ehemaligen Empfangscounter.

Dann ging sie zum Treppenhaus und machte sich an den Aufstieg. Im 99igsten Stockwerk befand sich eine Tür, auf der „Notfall-Generator, oben“ geschrieben stand, Eines Tages würde sie mal nachsehen, ob dort wirklich ein Generator zu finden war und ob dieser noch funktionierte.

Leicht geschwitzt erreichte Snowcat das Dach. Hier war es wirklich wunderschön. Man hatte einen wunderbaren Blick über ganz Tarislar und Puyallup. An guten Tagen konnte man sogar die Needle in Downtown ausmachen. 

Snowcat ging zum Dachrand, baute den Windschutz aus Hartplastik um ihre Kerzen auf, kuschelte sich in ihren Schlafsack und bereitete den Absinth vor. Als zufrieden beobachtete wie der brennende Zucker in das Glas tropfte, gesellte sich Katze schnurrend und wortlos zu ihr.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*