Episode 03/16: Choose wisely; (Run 63)

WELCOME BACK, CHUMMER!

ON THE RUN1: BCG, Bloody Guts, Columbo, Doc, Metge, Mr.Jack, Shark Finn und Snowcat

TIMESTAMP2: 03/25//75, 16:55:28 - 03/XX/75 ERROR 17 no time transmission 

SPOILER ALERT: Choose wisely enthält massive Spoiler für Splintered State3.

RUN NO: 63

TODAYS HEAD UP: Der FBI Agent Seth Dietrich war monatelang untergetaucht. An dem Tag, an dem er sein Gesicht im Fort Lewis Zoo zeigte, war er nicht er selbst - und wurde prompt erschossen. Einige der höchsten Mächte von Seattle wollen die Informationen, die Dietrich besaß, und zwar koste es was es wolle. -Host

POSTET BY SNOWCAT:

Zeit an sich mag unendlich sein, ist aber täglich auf 24 Stunden begrenzt. Das Wichtigste dabei, Zeit vergeht. Sie lässt sich weder aufhalten, noch zurückdrehen. 

Mann kann seine Zeit nur effektiver nutzen, sie anders einteilen, auf Schlaf verzichten oder irgend etwas in der Art. 

Genug Zeit zu haben ist ein Luxus, den man sich in sofern nicht immer leisten kann. Um manche Dinge muss man sich einfach sofort kümmern, weil sie genau in jenem Moment anstehen. Wenn etwas geschieht, hat man eben nur Sekunden, um zu regieren.

‹Wobei ich betonen möchte, dass sich die meisten Metamenschen beim Thema Zeit viel mehr Gelassenheit zulegen müssten Drachenkätzchen.›

‹Von deiner Position aus gesehen ist das bestimmt so Katze.›

Ich hätte Seth Dietrich rein intuitiv gerne gerettet und der Wunsch dazu wurde, nachdem ich mehr über dessen Geschichte erfahren hatte, sogar noch größer. 

Wenn man auf dem Schuss aus einem Scharfschützengewehr nicht vorbereitet ist, dann lässt sich nicht viel machen - Scharfschützengewehre sind diesbezüglich allgemein recht schwierig- und Zeit lässt sich eben nicht zurück drehen.

Entscheidungen haben generell nicht ewig Zeit. Sie müssen irgendwann getroffen werden und in einem demokratischem System - jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt demokratisch - wie in einem Shadowrunner-Team, ist das mit dem Entscheidungen treffen nicht immer ganz so einfach. Da kann eine Menge Zeit bei drauf gehen.

Diskussionen, Diskussionen.

‹Denen du entgangen wärest, wenn du die Entscheidung von vornherein alleine getroffen hättest, Drachenkätzchen.›

‹Da hast du zweifelsohne Recht, Katze. Doch manchmal finde ich die Meinung anderer sogar interessant. Außerdem funktioniert es im Team nun mal so. Auch andere Meinungen zählen.›

‹Meinst du Drachenkätzchen? Am Ende hast du doch stets das letzte Wort und bestimmst.›

‹Meistens. Was aber nicht heißt, dass ich die Meinung anderer nicht mit einbeziehe, Katze.›

‹Jedenfalls, wenn sie dir passt. Du musst Dich vor mir nicht rechtfertigen, Drachenkätzchen. Ich wollte dir nur einen Weg zeigen, über den du auf die ermüdenden Diskussionen verzichten könntest.›

Zeit, Meinungen, Diskussionen, Politik und nicht zu vergessen Geheimnisse, das alles spielt bei dem, was ich heute erzählen möchte, eine Rolle.

Ich beginne mit der Geschichte am Besten ungefähr an der Stelle, wo ich das letzte Mal aufgehört habe.

❄︎❄︎❄︎

[Song 1: System Of Down - Highway Song4] Fünf Minuten vor 17.00 Uhr fuhr ich im ziemlich hohen Tempo mit dem Team SUV, einem Rover 2072, auf das Gelände des Bootshauses zu. Via Commlink meldete ich mich am Haussystem an, gab den Code ein, und das Tor öffnete sich. 

Ich fuhr gleich durch bis zur Garage.

BCG klebte förmlich an meiner Stoßstange. Vielleicht hatte er als Rigger einfach nur Spaß daran? Vielleicht wollte er Doc, dem neben ihm saß, etwas beweisen? Vielleicht beides? Ich kannte ihn noch nicht gut genug, um das einschätzen zu können.

Als ich den Motor ausgeschaltet hatte, stieg Shark Finn aus, lief um den Wagen herum und öffnete mir die Tür. Hier war alles sicher genug, so dass das nicht nötig gewesen wäre, aber dieses Handeln war Finn inzwischen so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er das unabhängig von der Gefahrenstufe machte. Abgesehen davon, stand ich nun mal total auf solche Dinge. 

Laut Haussystem waren Mr.Jack, Columbo, Bloody Guts und Metge im Bootshaus. Ich sandte Metge eine Nachricht, in der ich ihn bat, in den Bootsschuppen zu kommen, da wir einen ‚Gast‘ dabei hätten, der sediert werden müsse.

Unterdes ging Shark Finn zum SUV, schulterte sich den gefesselten, geknebelten und bewusstlosen Angreifer aus dem Zoo und brachte ihn in den Schuppen.

Was früher mal ein Bootsschuppen gewesen war, war jetzt natürlich keiner mehr. In diesem Bereich der Anlage hatten wir unsere Werkstätten und unser kleines Krankenhaus eingerichtet. 

Auf eines der Krankenbetten legte der Fomori den Mann, der nun unser Gefangener war.

Metge berat den hinteren Bereich und scannte mit den geübten Augen eines Mediziners erst einmal Doc, Shark Finn, BCG und mich. Zusätzlich fragte er, „Iszt jemand von ihnen verletzt?“, der katalanische Akzent des Zwerges war dabei stark wie eh und je.

Ich schüttelte den Kopf, „Nein, wir haben keinen Kratzer.“

Bloody Guts war neugierig gucken gekommen, er stand in der Tür. Ich winkte ihn herein und zu mir. 

Gleich hinter ihm kamen Mr. Jack und Columbo. Beide mit je einer Teetasse in der Hand und beide noch in ein Gespräch verwickelt. 

Colombo sagte gerade, „ … Earl Grey vorsichtig sein. Eine zu hohe Dosis Bergamotte kann nämlich tödlich sein.“

Bloody Guts verdrehte die Augen und warf Columbo einen Blick über die Schulter zu, „Oh man, weißt du auch etwas Nützliches?“

Columbo nahm die Szene vor ihm in Augenschein und meinte dann, „Ja. Bergamotte ist auch noch nach 24 Stunden im Körper nachweisbar.“

Ich erklärte Metge unterdes, „Den Mann dort haben wir gerade bei einer Schießerei eingesammelt. Shark Finn hat ihn mit Stick `n Shock Munition schlafen geschickt. Wir wissen so gut wie nichts über ihn, wollen ihn aber eventuell nachher noch befragen. Bis dahin soll er tief und fest schlafen und vor allem nicht in der Lage sein irgendwo anzurufen.“

„Versztehe.“, erwiderte Metge knapp und machte sich sofort an die Arbeit, wobei er als erstes Plastikhandschuhe überzog und das Bett auf eine Höhe hinab ließ, auf der er den Patienten bequem behandeln konnte.

Auch hier hinten gab es neben den Arbeitshockern einige bequeme Sitzmöbel. Mir entging nicht, dass Doc sich setzte, dabei aber tunlichst darauf achtete, unseren unfreiwilligen Gast im Auge behalten zu können.

Ich sah zu Bloody Guts auf, „Dir haben wir auch etwas mitgebracht.“ 

Er grinste zufrieden.

Ich holte die vier Commlinks aus meiner Handtasche, legte ihm eins nach dem anderen in seine riesigen Hände und erläuterte, „Das ist das Commlink von Clive. - Das gehörte Rocker…“ 

Bloody Guts Augen weiteten sich vor Überraschung und Interesse. 

„… Das ist das gesuchte Seth Dietrich Teil und das vierte und letzte beschriften wir erstmal geistig mit Armitage.“ Ich schloss die imposanten Finger des Trolls um die frische Beute und fügte etwas leiser hinzu, „Aber bevor du dich damit beschäftigst, kannst du bitte gucken, ob er…“, ich deutete mit dem Kopf Richtung des Gefangenen, „irgendein Signal absondert, über das er geortet werden kann?“

„Mach ich.“

Ich nahm meine Ballonmütze ab, zog den Pullover aus und legte sie ordentlich auf die Armlehne eines Sessels. Dabei färbte ich ohne hinzusehen mein Haar und meine Haut zurück zum Original-Ton. 

Mr.Jack fragte an BCG gewandt, „Ist das Freund oder Feind?“

BCG zuckte mit den Schultern, „Keine Ahnung. Ich kenn ja deine Einstellung nicht.“

Ich grinste kurz in mich hinein, sah zu Mr.Jack rüber und schenkte ihm ein Lächeln, „Wir stufen ihn erstmal als Feind ein.“

Woraufhin Mr.Jack sofort seine Tasse abstellte, eine andere Haltung annahm und näher trat.

Ein Blick auf den Biomonitor, den Metge inzwischen an unserem Gast angeschlossen hatte, zeigte immer noch friedlich schlafende Gehirnströme.

Bloody Guts gab Entwarnung, was das Signal anging.

Vorsichtshalber holte ich dennoch einen lokalen Jammer aus einem kleinen Schrank und stellte ihn bereit. Spätestens, wenn sich in seinem Hirn etwas regte, würde ich ihn einschalten. Der Kerl war ziemlich stark verdrahtet, wie ich nach einem astralen Blick festgestellt hatte und da war auch was in seinem Kopf. 

‹Ja und sogar mehr als ein zu kleines Hirn, Drachenkätzchen.›, bemerkte Katze.

„Bevor ich erzähle, wie wir an ihn und die Commlinks gekommen sind, muss Metge noch über den Run von gestern Nacht ins Bild gesetzt werden. Könntest du das übernehmen Mr.Jack?“, fragte ich.

Mr.Jack nickte „Mach ich gerne. Gleich?“

Ohne hinzusehen erwiderte Metge, „Si Senior, Erzählen szie ruhig. Ich bin durchausz in der Lage zu arbeiten und gleichzeitig zuzuhören.“

Katze gähnte und setzte sich direkt auf meinen ordentlich zusammen gelegten Pullover. Ich warf ihr einen skeptischen Blick zu und nahm dann auf der Sitzfläche des Sessels Platz. 

So berichtete Mr.Jack, „Wir erhielten gestern Nacht um 21.00 bei einem Meeting im Penumbra einen neuen Auftrag [siehe Episode 02/16]. Ein Runnerteam mit dem Namen Rock Band sollte sich im Besitz eines Commlinks befinden, auf dem sich eine geheime, verschlüsselte Datei befindet. Die Datei sollte die Schlüsselworte Seth Dietrich und Operation Daybreak enthalten. Premier Ziele waren, festzustellen, ob sich die Rock Band tatsächlich im Besitz des Commlinks befindet und eine Gefahrenanalyse über die Rock Band zu erstellen. Sekundär Ziele waren, zusätzliche Kaufinteressenten festzustellen und die Partei, die das Commlink hat, nicht aus den Augen zu lassen. Wir sollten dabei unbemerkt bleiben und gegebenenfalls sicherstellen, dass die Rock Band im Besitz des Commlinks bleibt. Wegen der Sicherheit der Operation sollten wir keinen Backroundcheck zu den Schlüsselwörtern durchführen.“ Mr.Jack sah zu mir.

Ich nickte und fügte noch hinzu, „Columbo wusste zu berichten, dass Johnson ein Mann namens Walker war, der ein …“, ich setzte die nächsten Worte mit den Fingern in Anführungsstriche, da Metge kurz zu mir rüber sah, „Special Project Manager bei Ares ist, eigentlich keinen Kleinkram macht und vor 5 Jahren von Detroit nach Seattle kam.“

Mr.Jack fuhr fort, „Wir konnten die Rock Band bestehend aus dem Ork-Sam Rocker, dem Mensch-Face Clive, der Zwerg-Deckerin Sten und dem Mensch-Rigger Crash in einem Safehouse ausfindig machen und den Besitz des gesuchten Commlinks bestätigen. Dabei wurden wir Zeuge, wie ein Gespräch abgespielt wurde, bei dem sich ein Seth Dietrich meldete, der der Rock Band das Commlink für 100.000 nuYen abkaufen wollte. Das Treffen sollte heute um 15.00 Uhr am Fort Lewis Zoo stattfinden.“ Mr. Jack dachte kurz nach und berichtet dann, „Weitere Kaufinteressenten konnten wir nicht ausmachen. Allerdings erschienen in der Nacht 16 Night Hunter, eine Gang aus Renton, die das Safehouse der Rock Band zum Ziel hatten. Wir schalteten sie alle aus und nahmen einen gefangen. In einem Verhör erklärte der Night Hunter, dass sie im Auftrag eines Mannes Namens Zane gekommen waren.“ Mr. Jack sah erneut zu mir.

Katze gähnte abermals.

Ich lächelte, dankte Mr.Jack für die Zusammenfassung und erläuterte, „Auf einen Runner Namens Zane ist UC schon einmal vor einiger Zeit getroffen. Ein eiskalter Allrounder, der als Troubleshooter für Gouverneur Brackhaven gilt.“

Bei der Erwähnung des Namens Brackhaven blickte Metge in meine Richtung und hob eine Augenbraue.

Ich schloss diesen Part der Erzählung mit den letzten Informationen, „Heute Morgen haben wir den Job bei Johnson abgegeben. Es hat uns keinen Folgeauftrag erteilt. Doc wusste später zu berichten, dass es sich bei Seth Dietrich um jenen FBI Mann handelt, der gegen Brackhaven wegen seiner Umtriebe gegen den Ork Underground ermittelte und auf der Suche nach Beweisen gewesen, dann aber untergetaucht ist. Seit Monaten hatte niemand etwas von ihm gehört und einige halten ihn für tot.“ Ich grinste kurz, „Das Ganze war so interessant, dass Doc und ich beschlossen, zu der Übergabe im Zoo zu fahren, um zu gucken, ob dort tatsächlich Seth Dietrich auftauchen würde. BCG war mit von der Partie.“, ich zwinkerte dem Rigger kurz zu, „Und Shark Finn hat uns zu meinem Schutz begleitet.“ Ich stand auf, nahm mir eine Dose NukeIt aus dem Kühlschrank, öffnete sie und meinte dann, „Was uns dann zu dem Events im Zoo bringt. Bis auf den Rigger Crash erschien die Rock Band komplett am Treffpunkt.“, begann ich. Ich trank einen Schluck, setzte mich wieder und fasste im Anschluss die Ereignisse der vergangenen Stunden zusammen. Ich erzählte, wie Seth Dietrich erschienen war und nicht mehr gewusst hatte, worum es ging, da er nun Armitage gewesen war, wie ein Scharfschütze Armitage und Rocker von der Rock Band erschossen hatte und wie zwei weitere Männer vor Ort gewesen waren, die Clive getötet hatten und auch versucht hatten, Sten zu töten. Ich ließ nichts aus, weder die Illusion, mit der wir unser Eingreifen verborgen hatten, noch, dass Doc einen der Angreifer erschossen hatte und, dass wir die Toten nach Commlinks durchsucht hatten. 

Irgendwann kam ich zum Schluss, „Der Typ da ist also der Mann, den Shark Finn ausgeschaltet hat. Wir sind dann mit ihm und Sten aus dem Zoo abgehauen, was ohne Probleme ging, da man wegen der Gefahr des kaputten Basilisken-Geheges alle Ausgänge geöffnet hatte. Unterwegs kauften wir Sten noch das Commlink für die 100.000 nuYen von Armitage ab.“ Ich holte tief Luft, „Leider umsonst, denn das Auto mit Crash und Sten ging hoch, als wir den Parkplatz des Zoos verließen.“ Das NukeIt war wirklich lecker, ich trank in einem Zug die halbe Dose leer.

Columbo meinte mit ernsten Gesichtsausdruck, „Da wollte also jemand sichergehen, dass es keine Rock Band Zeugen gibt.“

Ich nickte, „So scheint es zu sein. - Jedenfalls haben wir jetzt die Commlinks und einen, den wir eventuell befragen können, falls das was bringen könnte. Mal sehen, ob wir mehr aus den Commlinks rausbekommen, als die Rock Band.“

„Davon gehe ich fest aus.“, meinte Doc. Er warf Bloody Guts einen milden Blick zu. Der Troll saß im Schneidersitz auf den Boden und hatte sich an die Wand gelehnt. 

[Song 2: Alicia Keys and Jack White - Another Way To Die4] BCG ergriff das Wort, „Wir haben ja nicht nur die Geschichte um die Brackhaven-Sache. Es sieht doch so aus, als hätte Dietrich mit Armitage das Gleiche gehabt, wie dieser Gus Torres mit Shawn Walker. Also zumindest wusste er nicht mehr, wer er war.“

Ich nickte, „Der Gedanke ist mir auch schon gekommen. Eine weitere Persönlichkeitsveränderung, das Ganze Nichtwissen und das Entsetzen in Armitage, weil er nicht wusste, was das alles soll. Das passt einfach zu gut in das Schema, damit es ein Zufall ist.“

BCG fragte fast ein bisschen aufgeregt, „Bist du sicher, dass diesmal wieder keine Magie im Spiel war?“

„Keine, die ich bemerken konnte.“, bestätigte ich.

„Sind szie denn szicher, dasse der Mann Seth Dietrich gewesen ist?“, fragte Metge.

Ich nickte, „Soweit man das über ein optische Bestätigung sein kann, ja! Sich verändern zu können und dann bei Seth Dietrichs Aussehen zu bleiben, wäre auch sehr dumm gewesen. Immerhin wird der Mann seit vier Monaten von vielen Seiten gesucht. Ein Wunder, dass er es überhaupt in den Zoo geschafft hat.“

Das leuchtete Metge ein, „Und szie szind auf eine solche Szache mit einer anderen Person in einem Körper schon einmal gestoßen?“, fragte Metge nun.

Richtig, auch da war Metge nicht dabei gewesen, also setzen wir ihn kurz auch über den Run um den toten Serienkiller Shawn Walker ins Bild, dessen Bewusstsein irgendwie in Gus Torres gekommen war. [siehe Run 62

Ich fasste mich so kurz es ging, dennoch dauerte es ein bisschen. Immerhin musste ich die Veränderung ebenso erläutern, wie dass Walker versucht hatte, sich an den Leuten zu rächen, die für seinen Tod verantwortlich gewesen waren. 

Obwohl das nur eine Vermutung gewesen war. Es konnte durchaus sein, dass er einfach nur sein Werk hatte zu Ende bringen wollen. 

Katze war inzwischen eingeschlafen und schnarchte leise.

Ich erwähnte sogar, dass der Jack Pointer Fast Jack ebenfalls an diesem Phänomen litt und, dass Fast Jack glaubte, es dort bekommen zu haben, wo wir vor Monaten Average befreit hatten, aus der Celedyr-Anlage in Albuquerque nämlich. Genaus deswegen war Average bei Metge in Behandlung gekommen. 

Alles war mit einander verwoben.

Metge notierte sich das, bedauerte dabei, dass er keine Hirn-Scans von Average vor dieser Zeit habe und nachdem ich dann auch noch mal erwähnt hatte, dass Average sich im Hort von Alamais [siehe Run 58] merkwürdig verhalten hatte, wären wir fast völlig von den Ereignissen des Nachmittags abgekommen. 

Zum Glück war Metge justament mit den Untersuchungen des heutigen Ehrengastes fertig geworden. „Dieszer Mann besitzt hochklassige Cyberware.“, erläuterte der Arzt, was er herausgefunden hatte, „Durchweg Betaware oder höher. Von den Fabrikaten her vermute ich, dass szie ihm in Vladivostok eingesetzt wurde. In seinen offensichtlichen Cyberarmen hat er ein eingesetzte Maschinenpistole und einen Szporn. Szeine Ohren und szeine Augen szind ebenfalls Cyberware.“

Columbo horchte auf.

Metge fuhr fort, „Dass er damit Aufzeichnungen vornimmt, iszt möglich …“

Columbo unterbrach, „Können wir da ran?“

Metge erklärte, „Dasz weiß ich nicht. Ich konnte jedenfallsz keine externen Speichermedien ausmachen. Es ist aber durchaus möglich, dass er etwas in szeinem Commlink abgeszpeichert oder szonst irgendwie weitergeleitet hat. Ferner besitzt der Mann Synaptic Booster und einige andere Dinge, von denen ich ihnen gerne eine Liste ersztellen kann. Szie sollten aber unbedingt wissen, dass er ein Bombe im Kopf hat.“

Mr. Jack trat einen winzigen Schritt zurück.

Metge beschwichtigte, „Keine Szorge, Kopfbomben haben gewöhnlich eine geringe Szprengwirkung.“

Doc erhob sich, „Davon ist auszugehen. Wie auch immer, der Mann wird innerhalb von 24 Stunden sterben.“

Ich legte den Kopf leicht schief und sah Doc fragend an, „Weil da die Bombe hoch geht?“

„Das oder weil ich ihn dann erschieße. Der Mann ist von Chimera …“

Ich zog scharf die Luft ein.

„ … eine Attentäter-Organisation, die aus dem russischen Geheimdienst hervor ging und die Aufträge ab 500.000 nuYen pro Hit annimmt. Sie arbeiten im Team und jeder von ihnen hat eine Microbomb im Kopf. Sie sind bereits in Settle aktiv geworden und haben durch den erfolgreichen Hit auf den Mafia Don O’Malley von sich reden gemacht.“

Columbo sah Metge an, „Kannst du die Bombe entfernen?“, fragte er.

Dem Arzt stand der Schreck ins Gesicht geschrieben. Docs Aussage hatte ihn schockiert, denn die Vehemenz in seinen Worten war ihm nicht entgangen. Metge hielt nichts vom Töten. Er starrte noch einen Augenblick in die Luft und wandte sich dann Columbo zu, „Senior ich werde nicht verszuchen, die Bombe zu entfernen, nur damit der Mann hinterher erschossen wird.“ Eine Spur von unterdrücktem Zorn schwang in seiner Stimme mit.

„Warum sollen wir das tun? Worin liegt der Vorteil, die Bombe zu entschärfen?“, fragte ich mit einem leichten Lächeln in Columbos Richtung.

Columbo lächelte zurück, „Damit wir ihn befragen können.“

„Verstehe. Aber ich glaube nicht, dass er uns irgendetwas über seinen Auftraggeber sagen kann. Eine Organisation wie Chimera wird in Zellen organisiert sein und ihre Aufträge von ihrem Zellenführer bekommen.“, erläuterte ich 

Columbo zuckte mit den Schultern, „Okay. Dann lassen wir ihn laufen, verfolgen ihn und fragen den Zellenführer.“

Doc grinste wölfisch, „Ich finde die Idee gut.“

Ich lachte zart, „Ja, das glaub ich sofort, weil du dann einen weiteres Chimera-Mitglied erschießen kannst.“

Doc neigte den Kopf leicht und lächelte dabei.

Columbo überlegte, „Man weiß nie, was man so rausbekommt, wenn wir ihn auf die richtige Art fragen. - Kannst du die Bombe nun aus seinem Kopf holen, Metge?“

Metge verkniff das Gesicht, „Esz iszt eine schwierige Operazion, dasz macht man nicht in ein paar Minuten.“

Columbo wollte nachhaken. 

Doch Bloody Guts unterbrach ihn und fuhr ihn an, „Ich glaub, du verstehst die Botschaft nicht. Metge ist Arzt. Der operiert nicht nur aus Spaß, um was zu versuchen.“

„Du meinst. Er kann eine solche Operation also nicht durchführen?“, mutmaßte Columbo.

Bloody Guts verdrehte die Augen, „Ich sag doch, du verstehst die Botschaft nicht. Metge ist Arzt, ein richtiger Arzt. Er will die Leute nur operieren, um ihnen zu helfen und der will niemanden töten oder verletzen.“

Columbo hob beide Augenbrauen. Jetzt hatte er verstanden.

„Ich glaube auch nicht, dass sich der Aufwand einer Verfolgung lohnt. Es wäre dennoch schwer bis unmöglich an den Auftraggeber zu kommen und so wichtig ist das auch nicht. Ich vermute mal, dass es Brackhaven war. Der ist derjenige, dem keine Zeugen am Wichtigsten sein dürften. Den Chimera mit ins Bootshaus zu bringen, hat sich aber dennoch gelohnt. Dank Metge wissen wir auch ohne Befragung, womit wir es zu tun haben.“ Ich sah zu unserem Arzt, „Das war sehr gute Arbeit. Was die generelle Frage nach so einer OP angeht, ich nehme mal an, du könntest die Operation zur Entfernung der Bombe zwar durchführen, aber bräuchtest jemanden wie Liam oder zumindest Bubbles, um die Bombe zu entschärfen?“

Metge zögerte kurz, „Das stimmt wohl.“

Ich nickte, „Gut.“, dann sah ich in die Runde, „Dann werden wir den Chimera wohl besser so bald wie möglich los. Was tun wir mit ihm? Werfen wir ihn in den Pudget?“ 

„Das ist dann das Beste.“, bestätigte Doc.

Shark Finn erhob sich, „Ich mach das. Thunderstrike ist in seinem Hausboot, den hol ich noch dazu.“

Metge versuchte zwar noch zu intervenieren und irgendeine Lösung zu finden, bei der der Chimera-Mann lebend frei gelassen wurde, aber er sah schnell ein, dass er keine Argumente hatte, die uns und ganz besonders Doc, auf das Gegenteil brachten.

Ob ich Doc hätte überreden können, von seinem Vorhaben den Chimera-Mann zu töten, abzusehen? Vielleicht.

‹Ach, wenn es dir wichtig gewesen wäre, hättest du das mit Sicherheit gekonnt, Drachenkätzchen. Aber warum solltest du das für einen vercyberten Niemand tun?›

Da wir nun keinen Patienten mehr hatten, konnten wir auch nach nebenan in die gemütliche Lounge des Bootshauses umziehen. Hier stand auch Bloody Guts bequemer Sessel. Der Troll mit dem schiefen Gesicht hatte einen Moment gezögert, als ich ihn gebeten hatte mit rüber zu kommen. Er werkelte die ganze Zeit intensiv an den Commlinks.

„Wie geht es nun weiter?“, wollte Metge wissen, „Ich meine, was haben szie mit dem Commlink vor?“

„Das weiß ich noch nicht.“, erwiderte ich und ließ mich elegant auf einer Zweiercouch nieder. Ich musste ein Gähnen unterdrücken und das, obwohl ich das NukeIt Double-Energy-Kick inzwischen ausgetrunken hatte. Verwunderlich war das nicht, sonderlich viel schlafen hatte ich in den vergangenen Stunden nicht können. „Das hängt ganz davon ab, was wir oder in dem Fall Bloody Guts heraus findet und was auf den Commlinks an brauchbaren Informationen ist.“ Ich blickte in die Runde, „So lange wir darauf warten, noch mal zurück zu Armitage. Hat jemand von euch schon von Armitage gehört?“

Bis auf Doc schüttelten alle den Kopf. 

Da Doc jedoch nichts sagte, meinte ich, „Ich habe mal von einem Jake Armitage gehört. Das war ein Datenkurier und Shadowrunner in den 50er Jahren. Er ist der Anekie Corporation auf die Füsse getreten, als sie versucht haben, eine KI zu kreieren, das Ganze hängt dann irgendwie mit Renraku zusammen und hat am Ende zu Deus geführt, der ja für den Shutdown der Arcology hier in Seattle verantwortlich war. Die genauen Zusammenhänge kenne ich allerdings nicht.“

Als ich angefangen hatte davon zu berichten, hatte BCG sich aufmerksam vorgebeugt, „Datenkurier spricht für Matrix und mit AI ist da ein zweites Stichwort, das passt. Weißt du, ob dieser Armitage tot ist?“

„Soweit ich weiß, ja.“, erwiderte ich.

BCG versank für einen Moment in Nachdenklichkeit und wurde von Bloody Guts unterbrochen, „Also die Commlinks von der Rock Band sind nicht sonderlich gut, aber auf einem hab ich was gefunden. Entschlüsselte, unzusammenhängende Textabschnitte, die sie aus dem Dietrich Teil gezogen haben. Ich beam euch das vorab mal ins Netzwerk.“

Die vier entschlüsselten Teile, die wirkten, als stammen sie aus einem Bericht, erschienen via AR in meinem Sichtfeld. 

Wir alle befassten uns augenblicklich damit.

[Song 3: Phantogram - Black Out Days 4] Aus den vier Fragmenten ging folgendes hervor:

1. Hatte jemand, wahrscheinlich Dietrich, den Tod einer FBI-Agentin mit dem Namen Jennifer Kovalski untersucht und einen Bill als Täter oder Auftraggeber dafür in Betracht gezogen.

2. Hatte jemand keine Beweise für eine Verbindung zwischen Bill und Brackhaven gefunden, was ihn frustriert hatte.

3. Hatte ein Mann namens George Mathers den Copycat-Killer, der MacCallisters Tochter getötet hatte, zu irgendwas beauftragt oder zumindest Kontakt mit ihm aufgenommen. Der war dann hinter MacCallister selbst her gewesen. Eine Bombe war im Ork Underground hoch gegangen, aber MacCallister war dem Anschlag knapp entkommen. Der Jemand war fast zu spät auf all das gestoßen und war dann selbst in den Underground gegangen, um den Leuten dort alles zu berichten, was er wusste.

4. Hatte jemand das Safehouse von Bill gefunden, Bill selbst war nicht da gewesen, aber es hatte Paydata zu Operation Daybreak gegeben.

Noch keine Beweise für irgendwas, aber ziemlich viele interessante Informationen. Ich hoffte, Bloody Guts würde alles entschlüsseln können.

Schon wieder war MacCallister involviert. Wenn wir seinetwegen noch irgendwelche Fragen hatten, war es gut, dass wir ihn bei dem Run um die Reinkarnation des Copycat Killer, der den Mayan Cutter kopiert hatte, kennen gelernt hatten.

Wir wollten uns gerade alle darüber unterhalten, als Bloody Guts sich erneut zu Wort meldete, „Auf dem Commlink von Clive ging vor Kurzem ne Nachricht ein. Wollt ihr die sehen?“

Ich neigte den Kopf leicht, „Na klar, her damit.“

Bloody Guts grinste schief, als er uns die Nachricht auf den großen Trideoschirm schnippte. Offenbar war das seiner Meinung nach eine höchst interessante Nachricht.

Und Bloody Guts hatte mit seiner Meinung so was von recht.

Das überlebensgroße Konterfei von Caran King erschien auf dem Schirm. 

Ich zog scharf die Luft ein. Columbo, Doc und BCG hatten die Dame ebenfalls sofort erkannt.

Die Frau war ihres Zeichens Executive Manager bei Ares und somit die Nummer 1 des Triple A-Konzerns in Seattle. Sie blickte direkt und resolut in die Kamera. Die Macht, die sie aus zu üben gewohnt war, schwang in jedem ihrer Worte mit.

‚Mein Name ist Caren King. Ich will weder ihre noch meine Zeit verschwenden. Ich komme also gleich zum Punkt. Nach meinem Verständnis sind sie zufällig auf Informationen gestoßen. Ich bin bereit ihnen dafür einen Finderlohn von 200.000 NuYen zu zahlen. Selbstverständlich verkaufen sie nur an uns. Meine Sekretärin ist unter folgendem Com Code zu erreichen und wird mit ihnen einen Termin ausmachen. Sie dürfen den Ort bestimmen.‘

Der Bildschirm wurde kurz schwarz, dann erschien ein Com Code darauf.

Für einen Moment waren wir alle sprachlos.

Dann meinte Columbo, „Das klingt doch nach einem ausgezeichneten Angebot.“

Metge war überhaupt nicht dieser Meinung, „Nun, nehmen wir einmal an, wir verkaufen an Ares und es gelingt ihnen, die komplette Datei zu entschlüsseln und an Beweisze gegen Brackhaven zu kommen, was machen szie dann wohl mit diesem Wiszen?“

Ich musste nicht lange überlegen, „Sie laden Brackhaven zu Verhandlungen ein und nutzen es zu ihrem Vorteil.“

BCG fasste es in zwei Worten zusammen, „Also Erpressung?“

Ich nickte.

„Besser Ares, als jemand anderes.“, sagte Columbo dazu.

Metge erhob sich, „Damit bin ich nicht einversztanden. Ich war im Ork Underground bei einem dieser Anschläge. Dasz war nicht spaßig. Wenn der Gouverneur dafür verantwortlich ist, muss er abgesetzt werden.“

Columbo sah zu Bloody Guts, „Kann man denn mit dem Dietrich Commlink allein was anfangen?“, fragte er.

Bloody Guts schüttelte den Kopf, „Nö. Sten hatte Recht. Das ist nur die Hälfte. Aber wir haben ja auch das Commlink, das Dietrich als Armitage mitgebracht hat.“ Der Troll grinste extra breit. „Ich bin gleich durch damit.“

Columbo sah wieder zu mir, „Na dann verkaufen wir an Ares nur das eine Commlink und sehen, was wir mit dem Rest machen.“

Sehr geschäftstüchtig, dennoch schüttelte ich den Kopf, „Negativ. Erstens hintergehen wir unsere Auftraggeber nicht und zweitens würde Ares doch sofort auf uns kommen, wenn nur wenig später jemand anderes die richtigen Informationen präsentiert.“

Ich spielte kurz mit dem Gedanken, Ares tatsächlich ein Geschäft anzubieten. Zum Beispiel den Verkauf für 500 k und ein privates Abendessen mit Damien Knight. Allein die Reaktion auf das Angebot wäre interessant gewesen und ein Abend mit Damien hätte was gehabt. Doch die Idee währte nur einen Augenblick. Damien Knight war ja kein Großer Drache.

„Wo du gerade wichtige Informationen sagst. Ich bin fertig mit dem Entschlüsseln.“, verkündete unser Troll-Decker. „Da wir beide Teile hatten, konnte ich richtig was damit anfangen.“

Er schnippte uns den Seitenlangen Bericht ins Teamnetzwerk.

❄❄

Wir hatte ihn alle schweigend gelesen. 

Am Ende hatten wir brisante Informationen in der Hand. Allerdings ohne jegliche Beweiskraft.

Ganz knapp zusammen gefasst, klang das so.

• Seth Dietrich hatte im Todesfall einer FBI-Agentin ermittelt. 

• Dietrich hatte das alles mit den Aktionen gegen Proposition 23 und den Ork Underground in Zusammenhang gebracht.

• Irgendwann war Dietrich auf einen Mann namens Bill gestoßen, der das Verbindungsstück zwischen Operation Daybreak und Brackhaven, beziehungsweise der Brackhaven Administration darstellte.

• Operation Daybreak sollte verhindern, dass der Ork Underground ein Bezirk von Seattle wird. Die Angst gegen den Underground und deren Bewohner sollte geschürt werden. Der Plan sollte in sechs Schritten ablaufen. 1. sollten ableugbare Kräfte angeheuert werden, die über Notfall-Fonds bezahlt werden sollten. 2. sollten Informationen an die Presse durchsickern, die die Gefährlichkeit des Ork Untergrunds heraus stellen und sich, wenn möglich, in der Öffentlichkeit festsetzen. 3. sollten Schlüsselfiguren von Projekt Freedom, (Projekt Freedom lautet der Name, des Projekts der Proposition 23 auf den Weg brachte), zu denen auch MacCallister und seine Tochter gehörten, eliminiert werden. - Was dann im Schluss bedeutete, dass auch der Copycat Killer Shawn Walker aus dieser Richtung engagiert worden war. 4. sollte Knight Errant oder die Metroplex Guard den Ork Underground abriegeln. 5. sollte der Ork Underground belagert, Storm ausgeschaltet und die Bevölkerung ausgehungert werden. 6. sollten diverse Kräfte in den Ork Underground geschickt werden und die Kontrolle darüber gewinnen.

• Bill hatte sich als William Green entpuppt, Brackhavens korrupter Energie-Sekretär, der sich durchaus dazu bereit erklärte, auszusagen. 

• Die oberste Distrikt-Staatsanwältin Dana Oakes wollte mit Greens Aussage allein keine Anklage erheben. Sie sagte, dass sie für all das Beweise brauche.

• Green versicherte, dass Beweise für die Verwicklung Brackhavens existierten, da der Stabschef des Gouverneurs, Emile Corrigan, sie auf einem sicheren Server im Hauptquartier von Brackhaven Investments abgelegt habe.

• Der Mainframe des Servers befindet sich in Server Raum 8 im 10 Stockwerk.

Nein, wir hatten keine Beweise. Aber wir wussten nun, wo man sich Beweise holen konnte. 

Brackhaven selber hatte sich später angeblich von Operation Daybreak distanziert. Uns hatten die Ereignisse am 23.Februar diesen Jahres aber gezeigt, dass es anscheinend immer noch Kräfte gab, die den Plan ungeachtet dessen umsetzten wollten. Sogar nachdem Propostion 23 verabschiedet worden war. Anscheinend dachte man sich, solange es noch keinen offiziellen Bürgermeister gibt und das noch nicht etabliert ist, ist es noch nicht zu spät. 

Was wir da hatten, war also aktuell wie eh und je.

Dietrich wäre mit seinen Ermittlungen viel früher fertig geworden und hätte all das vielleicht schon lange vorher zu Ende gebracht, wäre er nicht von diesen ominösen Black Outs befallen worden, in denen er als eine andere Person gelebt hatte. Aus seinem Bericht ging hervor, dass er immer wieder irgendwo aufgewacht war und sich an die vergangenen Tage, Wochen oder gar Monate nicht mehr hatte erinnern können.

In Dietrichs Bericht gab es diverse Hinweise auf die anderen Persönlichkeiten, die er während der Black Outs ausgelebt hatte. 

Ja, Persönlichkeiten! -  Mehrzahl.

Wir wussten von einer, dass sie Armitage war. Offenbar hatte es da noch einen Magier gegeben, der einen schottischen Akzent gehabt hatte. Magie hatte der Magier wohl nicht wirken können, sich aber Drogen bedient, um das auszugleichen.

Ich vermutete nach einem zweiten Lesen der Daten zumindest noch eine weitere Persönlichkeit, hatte die aber nicht weiter fassen können. 

In den entsprechenden Zeiten hatte die jeweilige Persönlichkeit offenbar sogar mit den Freunden dieser Person Kontakt gehabt und sie überzeugen können, dass der falsche Dietrich-Körper nur eine Nebensache gewesen war. Vielleicht hatten Armitage, der schottische Mage und Co sogar versucht zu erfahren, woher ihr Körper gekommen war? 

Wir hatten also diverse Punkte, an denen wir ansetzen konnten, um dem nachzugehen und so mehr über das Phänomen heraus zu bekommen. 

Später!

All diese Persönlichkeiten waren mit Dietrich gestorben. 

Tote hatten Zeit.

Die Informationen um Brackhaven nicht. Es gab Personen, die bereits danach suchten.

Dietrich hatte seinen Bericht mit den Worten begonnen, dass wenn das jemand lesen sollte, wohl etwas schief gegangen war und er wahrscheinlich tot sei. Er hatte seine Hoffnung ausgedrückt, dass wer auch immer das fand, dann das Richtige damit tue.

❄❄

Das Richtige. 

Genau!

Damit begannen sie, die schier unendlichen Diskussionen.

Ich will euch jetzt nicht mit den Details langweilen. Ihr könnt euch sicher selbst vorstellen, wie das ist. 

Es geht hin und her und zurück.

Meine Highlights bei diesen Gesprächen waren, dass Bloody Guts Bull MacCallister am Liebsten als neuen Gouverneur von Seattle ausgerufen hätte. 

Dass Columbo fand, dass Rache etwas Unpersönliches sei, worauf ihm Mr.Jack bestätigte, dass sie wohl völlig verschiedene Moralvorstellungen hätten.

Und, dass Metge uns 10.000 nuYen bot, um uns anzuheuern, damit wir die Beweise aus dem Server holten und sie an Staatsanwältin Oaks übergaben. Etwas, dass er angeboten hatte, da mir wichtig gewesen war die Daten nicht auf eigene Faust, sondern im Auftrag zu stehlen.

Wichtig war am Ende nur, dass wir es so machten, wie ich es hatte haben wollen. 

‹Es ist, wie ich vorhin sagte Drachenkätzchen, am Ende bestimmst du. Aber lass ihnen ruhig die Illusion von Kontrolle.›

❄❄

Als unser Vorgehen feststand, war es bereits nach 7.00 Uhr am Abend. Was wir da hatten, war wirklich brisant, darum stellte sich bei mir eine gewisse Paranoia ein. 

Ich nutzte meine Jack Point ID, um Bull zu kontaktieren und schickte ihm folgende PN: ‚Weiteren Fall vom Fast Jack Phänomen entdeckt. Wir müssen dich unbedingt heute noch sprechen. Schlage gleichen Treffpunkt wie beim letzten Mal vor. Wir werden zu siebt sein. Gruß, Snowcat!‘

Ich hatte unbedingt vermeiden wollen die Schlagwörter ‚Dietrich’ oder ‚Operation‘ Daybreak zu nennen und war darum für meine Nachricht komplett auf die Sache mit den veränderten Persönlichkeiten ausgewichen. 

Bull meldete sich innerhalb weniger Minuten ,21,00 Uhr, selber Treffpunkt, bis gleich, Bull.’

Für ein Schläfchen war keine Zeit mehr, aber zumindest reichte es für eine Dusche und dafür, sich umzuziehen. 

Ich würde sicher nicht das anbehalten, was ich heute im Zoo getragen hatte.

[Song 4: Linkin Park -  Wretches and Kings4] Doc, Mr.Jack, BCG, Columbo, Bloody Guts, Shark Finn und ich erschienen zwei Minuten nach Neun im The Big Rhino. Es war schwer gewesen, Parkplätze zu finden. 

Auch wenn heute Montag war, war der Laden brechend voll.

Eine mit Tabletts beladene Bedienung sah uns entschuldigend an, blickte sich noch mal um, schüttelte den Kopf und rief, „Sorry, aber nichts mehr frei. Es reicht nicht mal, wenn ich euch einzeln irgendwo zwischen quetsche.“

Ich trat näher an sie heran, damit ich nicht schreien musste, „Wir sind mit MacCallister verabredet.“

Erkenntnis breitete sich in ihrem Gesicht aus, sie nickte. „Wartet kurz.“ Sie verschwand, um die Gerichte auf den Tabletts an ihren Bestimmungsort zu bringen, dann kam sie zurück und bahnte uns den Weg zu dem Tisch, an dem Bull saß.

Der Ork-Decker hatte es geschafft einen Ecktisch mit zwei Dreierbänken und zwei Stühlen zu bekommen und frei zu halten. Vielleicht hatte man das hier sogar noch nachträglich aufgestellt. Jedenfalls fanden wir alle Platz und waren irgendwie sogar unter uns, da wir einen separaten Tisch  hatten.

Sehr gut.

Wir orderten die Getränke und auch wenn man uns hier kaum abhören konnte, stellte ich einen White Noise Generator auf den Tisch.

„Und, hat es euer Freund?“, fragte Bull, nachdem die Bedienung die Drinks und eine Vorspeisenplatte gebracht hatte.

Ich schüttelte den Kopf, „Nicht, dass wir es bisher feststellen konnten.“

Bull lehnte sich leicht zurück, sah mir aber weiterhin ins Gesicht.

„Wir sind auf einen anderen Fall gestoßen. Ziemlich überraschend sogar. Hast Du zufällig von der Schießerei im Zoo heute gehört?“, fragte ich.

Bull nickte.

„Hast du auch gehört, wer erschossen worden sein soll?“

Bull kniff die Augen ein wenig zusammen, jetzt war er mehr als nur interessiert. „Ja, Seth Dietrich.“

Ich lächelte leicht, „Genau der. Wir waren heute bei einer Übergabe dabei, bei der ein gewisses Commlink mit wichtigen Daten zurück gekauft werden sollte …“

Bull gab sich Mühe zu verbergen, wie wichtig ihm die Sache war und das gar nicht mal so schlecht.

„ … und als Seth Dietrich dort auftauchte, wusste er weder, dass er Dietrich war, noch was er im Zoo wollte. Er hielt sich für einen Mann namens Armitage und darum verlief nicht alles so, wie eine Übergabe laufen sollte.“

Bull stand die Aufregung nun deutlich ins Gesicht geschrieben, „Habt ihr?“, fragte er wie aus der Pistole geschossen.

Ich nickte lächelnd, „Ja.“ 

Bulls Gesicht entglitt, „Warum habt ihr ihn denn erschossen???“ 

Ich lachte. Ein Missverständnis. So was passierte mir auch nicht oft. „Ach so nein! Erschossen hat ihn ein Chimera Team. Wir waren ohne Auftrag da.“ Leiser fügte ich hinzu, „Aber wir haben jetzt das Commlink.“ 

Ein Vielzahl von Emotionen hatten sich in den letzten Sekunden in Bulls Gesicht abgezeichnet. Es hatte mit Unverständnis begonnen und nun war da wieder Aufregung mit einem Hauch Freude. „Ihr habt das Commlink mit den Daten drauf?“, Bulls Stimme klang ein wenig tonlos. „Wir suchen schon ziemlich lange danach.“

Wir? Sie mal einer an. „Ja, das haben wir und darum wollten wir das Treffen. Dass Dietrich die Persönlichkeit von einem Datenkurier mit dem Namen Armitage angenommen hatte, ist nur eine Nebengeschichte. Wir würden das Commlink gerne an die Staatsanwältin verkaufen und dachten, du könntest uns den Kontakt dorthin vermitteln.“

Bull trank einen gewaltigen Schluck Hurlg, sein Blick war kurz in die Ferne geglitten, „Ja, das müsste gehen. Wir suchen wirklich schon so lange danach. Ich würde gerne noch jemanden dazu holen. Habt ihr was dagegen?“

Ohne in die Runde zu blicken, schüttelte ich den Kopf, „Nein, mach nur.“

Die Wartezeit nutzen wir für das Verspeisen der Vorspeisen-Platte und das Erläutern einiger weiterer Details unseres Zoo Besuches.

Nicht mal ganz eine halbe Stunde später erschienen ein männlicher Ork und ein weiblicher Zwerg bei uns am Tisch. Beide hatten das Rhinos über den Eingang aus dem Ork Underground betreten und beide kannte ich. Den Ork nur vom Sehen. Das war Tauren, Bulls Sohn. 

Der weibliche Zwerg war eine Überraschung, mit der ich nicht gerechnet hatte. Das war Eliza Bloom und ich kannte sie, weil wir im Oktober 2072 von Alexander Tintagel beauftragt worden waren, die Gouverneurs-Kandidatin ein paar Tage zu beschützen. Etwas, was wir erfolgreich getan hatten. Aber nicht nur das. Wir hatten dabei auch ihre Mutter, eine Fixer mit dem Namen Badpenny gerettet, die entführt worden war. [siehe Termin 15/13 und 16/13].

Eliza war ebenfalls überrascht mich zu sehen und die Freude über diese unerwartete Begegnung konnte man auf ihrem Gesicht ablesen.

„Eliza. Schön dich wieder zu sehen.“, grüßte ich freundlich.

„Hallo Snowcat. Was für einen angenehme Überraschung.“, erwiderte sie.

Bull hob beide Augenbrauen, „Ach, ihr kennt euch? Na eigentlich sollte mich das nicht wundern.“

Dass ich Eliza persönlich kannte und sie mir vertraute, da wir ihre Mutter gerettet hatten, machte das folgende Gespräch leichter und schneller. 

Die Freude darüber, dass wir beide Commlinks und somit sämtliche Daten hatten, war groß und als allen klar war, dass die Daten besagten, dass es Beweise gab und wo man sie finden konnte, wurden Eliza und Tauren ebenfalls aufgeregt.

„Wir, also einige vom Ork Underground, würden euch das Alles gerne abkaufen und können euch 70.000 dafür zahlen.“, sagte Eliza.

Ich grinste, „Das klingt toll.“

Als ich nicht verhandelte, schmunzelte Bull dankbar und zufrieden.

„Aber für das Geld müssen jetzt nicht irgendwelche Kinder hungern oder so?“, versicherte ich mich.

Eliza lachte freundlich, „Nein, wir schütteln das Geld zwar nicht aus dem Ärmel, aber das passt schon.“

Columbo sah enttäuscht drein.

Eliza entging das nicht, „Die 70.000 sind für die Commlinks und die Daten darauf. Das hat nichts damit zu tun, ob ihr noch die Beweise holt oder nicht.“

Columbos Stimmung verbesserte sich augenblicklich.

Eliza erhob sich, „Dann holen wir jetzt das Geld und setzen uns mit Oaks in Verbindung. Ich schätze mal, wie sind in zwei Stunden wieder da. Geht das in Ordnung?“

Ich nickte und lächelte bezaubernd, „Ja klar.“

Meine Müdigkeit ließ ich mir nicht anmerken. Zwei Stunden. Dann war es Dreiviertel-Zwölf und mein Bauch würde bis dahin mit mehr schwerem Essen gefüllt sein. 

Wie gut, dass sie hier im Big Rhino auch sehr starken Kaffee hatten.

Diese Wartezeit nutzten wir, um mit Bull über die Persönlichkeitsveränderung von Dietrich zu sprechen. 

BCG war an diesem Gespräch aktiver beteiligt, als an der Angelegenheit um Brackhaven zuvor. 

Am Ende fragte Bull, „ Wäret ihr bereit euch in der Sache mit einem anderem Jack Pointer zu treffen?“

„Na klar.“, meinte ich sofort, „Alles was hilft. Mit wem denn?“

„Butch. Ich weiß, dass sie die Leiche von Dietrich obduzieren möchte.“

Etwas, was durchaus Sinn machte, denn soweit ich wusste, war Butch ein weiblicher Ork, der irgendwas mit Medizin zu tun hatte.

Bull machte eine längere Pause, „Meint ihr, ihr könnt die Leiche von Dietrich besorgen?“ 

Ich zögerte kurz, sagte dann aber. „Klar, das können wir bestimmt.“

Bull schmunzelte, „Butch hat nicht viel Geld. Mehr als 5k könnte sie nicht zahlen.“

BCG sah zu Bull, „Lass mal. Das passt schon.“

Doc und ich sahen uns an. BCG war so sehr an dem Thema interessiert, dass er spontan etwas entschieden hatte. Zwar nach dem Schema, dass ich gegenüber Bull an den Tag gelegt hatte, aber dennoch hatte er entschieden. 

Wir entschieden wortlos auch etwas, nämlich nichts zu sagen, da wir eh vorhatten, die Sache zu übernehmen. 

Obwohl mir überhaupt nicht danach war, heute Nacht noch eine Leiche zu stehlen. 

Schade war in diesem Moment übrigens, dass wir den Chimera Mann schon entsorgt hatten. Es ist einfacher, eine Leiche zu stehlen, wenn man eine andere dafür dalassen kann. 

❄❄

Zehn Minuten vor Mitternacht, das Rhino hatte sich inzwischen bis auf einige wenige Metamenschen geleert, kehrten Tauren und Eliza Bloom mit dem Geld zurück. 

Ich atmete erleichtert auf.

Ich hatte ja schon gesagt, dass die Sache mich paranoid machte.

Eliza gab mir das Geld. 

Ich verschwand kurz in den Erfrischungsraum und holte die beiden Commlinks und unseren Chip mit der entschlüsselten Datei-Variante unter meinem Strumpfband hervor.

Eliza nahm alles bald darauf dankbar entgegen. Sie zögerte kurz und meinte dann, „Oaks würde euch gerne treffen.“

Ich neigte den Kopf leicht, „Verstehe ich. Vielleicht hinterher. Wir sollten keine Aufmerksamkeit auf uns oder sie ziehen.“

Eliza nickte, „Das haben wir ihr auch gesagt. Es ist klug, wenn ein bisschen Abstand zwischen Runnern und Auftraggeber besteht.“ Sie lächelte, „Wir prüfen das jetzt und dann melden wir uns zeitnah, um den Folgeauftrag anzugehen.“

„Fantastisch. Dann bis bald.“

Eliza und Tauren verließen das Rhino durch den Eingang, durch den sie Minuten zuvor gekommen waren.

Der neue Tag hatte inzwischen begonnen.

❄︎❄︎❄︎

Ja Zeit, da man sie nicht aufhalten kann, endet meine Geschichte hier. 

Und? Seid ihr neugierig auf die Fortsetzung geworden? 

Ja?

Das verstehe ich und darum erzähle ich auch weiter, - jedenfalls wenn ich die Zeit und die Gelegenheit dafür finde.

Solltet Ihr mal das Glück haben, mich persönlich zu treffen, dann sprecht mich nicht auf die Story an. Selbst, wenn ihr nicht wisst, wie es weiter gegangen ist. Ich würde alles abstreiten und Doc würde euch höchstwahrscheinlich allein für die Frage erschießen. 

‹Ja, das würde er, Drachenkätzchen. Ausnahmslos und sei es auch nur, weil er Spaß daran hat.›

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Hier kannst du deine Kommentare zu Choose wisely hinterlassen: The Tale Goes On, Part One [LINK].


Fussnoten:

0. Bei den Episoden handelt es sich um in Geschichten umgewandeltes Pen & Paper RPG. Durch die Umstellung von SR4A auf SR5 und zusätzlichen Regelerweiterungen kann es in den Geschichten zu Unbeständigkeit oder Widersprüchen zu früheren Episoden kommen. So kann zum Beispiel ein Charakter eine Sache nicht mehr, die er vorher konnte oder das Wirken einer Kraft hat andere Ergebnisse, als zuvor. Für den Charakter ist es aber so, als wäre es immer schon so wie nach den neuen Regeln gewesen.  

1. Die Episode wurde am 19.02.2016 erspielt. Der Spieler von Metge ging an diesem Abend vor dem Treffen mit MacCallister im Big Rhino. Wegen den Widrigkeiten und Schönheiten des RL können nicht immer alle Spieler am Spielabend teilnehmen, obwohl ihr Charakter mit auf einem Run ist. In diesen Fällen wird der Charakter zwar mitgeführt, sein Handeln gerät, wenn möglich, in den Hintergrund. Der Spotlight soll auf Charakteren stehen, deren Spieler anwesend sind. Gegebenenfalls hinterlassen Spieler beim GM Regieanweisungen. Eine Beschreibung aller Charaktere findest du hier [LINK].

2. Der Zeitstempel wird an unsere Zeitlinie angepasst und ist maximal an die offizielle Timeline angelehnt.

3. Splintered State ist ein Shadowrun® Fifth Edition Abenteuer von Catalyst Game Labs. Der Run wurde an unsere Spielergruppe angepasst und kann stark verändert sein. An dieser Stelle danken die Spieler unserer Runde den Autoren von Shadowrun® für ihre Arbeit. Ohne sie wäre unser Spiel nicht möglich.

4. Die verlinkten Songs sollen lediglich zu Stimmung beitragen und enthalten keine versteckten Hinweise. Jedenfalls meistens nicht. Eine komplette Episoden Playlist findest du hier [LINK].

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*