Teil 6 (Run 2 & 3)

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Die nächsten Tage waren ereignisreich, lehrreich, überwiegend erfolgreich und vergingen wie im Flug. 

Für den Sonntag hatte Craven tatsächlich ein Job aufgetan, Snowcat wusste nicht wie, aber genau das liebte sie ja so an ihm. Er war immer wieder für eine Überraschung gut.

Duke erschien zum ersten Mal in Tarnhose und Combatboots, welche genauso blank waren, wie all seine anderen Schuhe zuvor.

Das Meeting fand im Banshees statt und ihr Job war es eine junge, SIN-lose Orkin, Sandra Caruso aus Redmond wieder zu finden, die seit einem Drive-By-Shooting vor einem Nachtclub in Touristville, dem Prestige, verschwunden war. Sollte Caruso nicht mehr am Leben sein, sollten sie zumindest herausfinden, was geschehen war und ihre Überreste soweit vorhanden, beschaffen. Sie erhielten einen Bioscanner, der bei der Identifizierung behilflich sein sollte.

Dabei stellte sich später noch heraus, dass nicht etwa besorgte Eltern oder Freunde die Auftraggeber waren, sondern nur jemand seine experimentelle Bio- und Cyberware zurück haben wollte und darum hauptsächlich nur an ihren Organen interessiert.

Sie verfolgten Sandras Spur bis ins Redmond Memorial, fanden mit der Hilfe von Snowcats Verführungskünsten heraus, dass dort regelmäßig zwei Ärzte SIN-lose Personen für tot erklärten, die noch gar nicht tot waren und ihre Körper dann zu hohen Preisen an eine große Ghul-Familie verkauften.

Zunächst versuchten sie mit einem der Ghule zu verhandeln, mussten dann aber doch Montag Nacht in das Kellerrevier der Ghule  gewaltsam eindringen, da diese Sandra, oder das was von ihr übrig war, nicht übergaben. Die Ghule leisteten erbittert Gegenwehr. Bei dem Kämpfen wurden Starbuck und Clicks schwer verletzt. Clicks sogar so schwer, dass Craven ihn nur mit Hilfe von Magie dem Tod entringen konnte. Zur Erinnerung ritzte Craven Clicks während der Heilung noch ein Ancients-Symbol in den Rücken, dass er dann gekonnt vernarben lies. 

Tief im Keller stießen sie auf eine widerwärtige Vorratskammer der Ghul- Kommune, in der halb-tote Menschen in Leichensäcken von der Decke hingen. Sandra Caruso fanden sie hier ebenfalls, sie war bereits fürs „Essen“ vorbereitet, ihre Organe waren jedoch zum Teil bereits an eine Strassen- und Cyberklinik weiter verkauft worden. Das Team nahm mit, was von ihr verfügbar war.

Beim Abtransport kam es dann zum Showdown mit mehren Ghulen im Keller des Gebäudes. 

Nach diesem Kampf suchte das Team alles entflammbare zusammen und fackelte das Gebäude beim Verlassen kurzer Hand ab.

Zu guter Letzt suchten sie noch die Cyberklinik auf und mussten zu ihrer Enttäuschung feststellen, dass diese Klinik unter Shadowrunnern einen guten Ruf genoss und eines der Organe bereits bei jemandem eingebaut worden war. Die Daten dazu sammelten sie ein.

Ihr Auftraggeber war zwar über den Verlust der Organe enttäuscht, aber dennoch mit der erbrachten Leistung des Teams zufrieden. 

So strichen die fünf Runner Dienstag Morgen ihre Bezahlung von 3500 New Yen pro Person ein. Einen weiteren Job, in dem alle Organe wiederbeschafft werden sollten lehnten sie dankend ab, da sie nicht hinter anderen Runnern herjagen wollten, um ihnen ihre frisch eingebauten Organe abzunehmen.

Starbuck grinste, als er zum Ende des Jobs bemerkte: „Hey, bisher haben wir unsere gemeinsam verdiente Kohle nur dem HMHVV- Virus zu verdanken. Diesmal zwar mit Typ III Infizierten, trotzdem der gleiche Virus. Interessanterweise ist Typ III, der so genannte Krüger-Strang übrigens die einzige Variante dieses Virus bei dem die unterschiedliche Rassen keinen unterschiedlichen Veränderungen unterworfen werden, sondern alle zu Ghulen...!“

Craven unterbrach ihn fröhlich: „Einstein, der Job ist jetzt vorbei, die Infos brauchen wir jetzt so dringend wie ein Loch im Fuss!“ Ernster fuhr er fort: „Aber merk‘s dir, denn wenn wir noch mal auf eines dieser Monster treffen, dann könnte das wichtig sein!“


Für Freitag, den 18 April 2070 verabreden sich Craven, Snowcat, Starbuck, Clicks und Duke, um gemeinsam im Miami Vice den Abschluss ihres zweiten gemeinsamen Job als Team zu feiern. 

Das Miami Vice gehörte zur Zeit zu den angesagtesten Nachtclubs der Stadt. Es war vor allem für seine AR-Performance bekannt.

Hier konnte man seine Zeit in der Blauen Lagune, auf einer Yacht oder am Strand von Miami verbringen. Überall lief passende Musik und wenn man über volles AR-Input verfügte, indem man sich zum Beispiel am Eingang ein Nano-Netz auftragen lies, konnte man sogar richtig schwimmen gehen.

Viele der Gäste trugen Badebekleidung und um die real-Anwesenden von den virtuell-Anwesenden oder den Programmen zu unterscheiden, musste man wohl oder übel sein AR ausschalten. Tat man dies, befand man sich allerdings in einem ziemlich trostlosen Umfeld.

Die bunte AR-Welt sorgte für ein stark unterschiedlichen Grad an Wohlbefinden bei den fünf Runner.

Duke fand es überaus ungemütlich und beschwerte sich ständig über seine flackernde Umgebung. Starbuck meinte dazu nur: „Oh man, Alter, du brauchst dringend ein neues Commlink!“

Starbuck fühlte sich wie im Paradies und unterhielt seine Teamkollegen mit wechselnden Outfits und einem kleinen Hai, der über Clicks schwebte. 

Clicks, der diesmal übrigens extra für das Miami Vice einen rosa Taucheranzug angezogen hatte, schleppe eine virtuelle Blondine ab, mit der er dann eine Sexhöhle in der Blauen Lagune aufsuchte und vollkommen enttäuscht zurück kam, weil er sie nicht „dabei“ nicht ein bisschen ertränken konnte, worüber alle anderen im Team ziemlich glücklich waren. 

Craven sah sich gezwungen nach dieser Geschichte übrigens mindestens ein Duzend mal laut: „Ihhhh.“, zurufen, was ihm niemand aus dem restlichen Team verdenken konnte. 

Snowcat fand die Äußerungen von Clicks sogar stark beunruhigend und dachte darüber nach, ob Hai vielleicht dafür bekannt war, Psychopathen unter seinen Anhängern zu haben, konnte sich aber nicht daran erinnern so etwas schon mal gehört zu haben. Sie hoffte inständig, dass Clicks seine Teamkollegen einfach nur schocken wollte.

Starbuck entpuppte sich so langsam aber sicher als Womenizer, denn bald hatte er zwei Mädels an seiner Seite, Elaine, ein virtueller Gast und Alina eine Fleischliche. Keine von beiden war ein Miet-Programm.   

Alina wurde die ganze Zeit von einigen südamerikanischen Männen im Alter von Anfang bis Mitte Zwanzig im Auge behalten, die zu einer Gang, den Chulos, gehörten. Das sorgte für einen Disput zwischen ihnen, Craven, Snowcat und Duke.

Dann machte einer der Chulos den Fehler zu Snowcat zu sagen: „Hey, Süße, halts Maul. Das einzige Mal an dem du in meiner Gegenwart den Mund aufmachen darfst ist, wenn du vor mir kniest.“ Was ihnen gewaltige Prügel einbrachte.

Die Schande von einem Mädchen verdroschen worden zu sein wollten die Chulos nicht auf sich sitzen lassen. Und als das Team beschloss für Duke noch ins Underworld zu wechseln, denn er konnte sich einfach nicht mit der „unwirklichen“ Umgebung anfreunden, folgten die Chulos ihnen. 

Leider kam es beim entstehenden Strassenkampf während der Fahrt zu unbeabsichtigten Komplikationen. Snowcat und Craven waren auf zwei Motorrädern unterwegs und der Rest saß wie immer in Starbucks Karre. Das Team kam mit den sechs Verfolgern im Cabrio gut klar. Um den Kampf endgültig und eindeutig zu beenden feuerte Clicks einen mächtigen Feuerball ab und blastete nicht nur den Wagen samt Insassen weg, sondern fegte auch noch Craven vom Bike, der sich mehrmals überschlug. Snowcat stand kurz vor dem Ausrasten, doch Craven stand auf, als wäre nichts gewesen und meinte nur ruhig: „Du schuldest mir nen neuen Mantel und du bezahlst die Reparatur an meinem Bike, Locke.“ Clicks willigte ein und so war die Sache erledigt.

Snowcat ihrerseits war dennoch einige Zeit aufgewühlt und flüsterte Craven zu: „Ich dachte wirklich schon, du stehst nicht mehr auf!“

Craven lächelte sanft und flüsterte zurück: „Hey, Süße, es braucht schon mehr als einen Clicks, um mich ins Jenseits zu feuern und außerdem habe ich dir doch schon mal gesagt, dass ich auf keinen Fall an einem Tag sterben werde, an dem ich keinen Sex hatte. Und wenn ich mich nicht irre hat dieser Tag vor Kurzem erst begonnen!“


Mit einem rosa Taucheranzug, Glatze und ohne Augenbrauen war es eigentlich unmöglich ins Underworld zu kommen. Aber da die restlichen Mitglieder des Teams alle für ihre jeweilige Rasse überdurchschnittlich gut aussahen und Snowcat leicht schnurrend wirklich sehr charmant seien konnte, durfte Clicks auch an diesem Abend mit hinein.

  

Am folgenden Mittag balancierte Snowcat auf dem Dachsims eines verfallenen fünfstöckigen Gebäudes am Stadtrand von Seattle. Sie hatte einen Löffel im Mund, auf dem ein großes Nougat-Schokoladen-Ei lag, vollführte eine Standwaage und versuchte sich dann an einem Überschlag, ohne das Ei zu verlieren. Ein wenig Putz fiel dabei zu Boden, aber alles in allem hatte es geklappt. Snowcat setzte sich, ließ die Beine vom Dach baumeln, steckte sich den Löffel in den Ausschnitt und betrachte das bunte Papier, in das die Süßigkeit eingepackt war.

Katze kam und setzte sich neben sie: „Sehr hübsch anzusehen, mein liebstes Elfenmädchen. Aber macht man das klassischer Weise nicht mit einem Hühnerei?“

„Keine Ahnung. Ich wusste nicht mal, dass es für so was überhaupt eine klassische Art gibt Katze.“

„Löffel, balancieren, Ei... ich finde das klingt klassisch, Elfenmädchen.“

„Ich mag aber nun mal Hühnereier nicht besonders. Nougat-Eier aber schon. Damit sind Motivation und Belohnung mit einem Schlag größer, Katze.“

„Clever Elfenmädchen! Vor allem da   es für den Schwierigkeitsgrad keine Rolle spielt aus welchem Material das Ei ist.“

„Ja, Katze, das würde nur beim Aufschlagen des Eies auf dem Boden ein anderes Ergebnis erzielen.“ Snowcat sah sich die Landschaft der Umgebung an. „Es ist schön hier, findest du nicht, Katze?“

„Welche Seite meinst du Elfenmädchen? Die Stadt oder die Berge und Bäume und so?“

„Beide Seiten Katze.“

„Hmm ich mag ja mehr die Seite mit der Stadt Elfenmädchen, die andere Seite finde ich langweilig. In der Stadt gibt es Wesen, die einen angemessen bewundern und kraulen, ausreichend Mäuse und Sahne. Außerhalb gibt es nur... Landschaft.“

„Hmmmm.“

„Oh, wie überaus aufmerksam von die Elfenmädchen!“

„Entschuldige bitte Katze, ich hab nur gerade daran gedacht, dass Craven gestern fast gestorben wäre, weil dieser dumme Clicks keine Ahnung hat welche Ausmaße sein Feuerball besitzt. Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn Craven etwas passiert wäre.“

„Ach so.“, Katze gähnte, „Du hast mal wieder an das Männchen gedacht.“, sie gähnte erneut und putzte kurz ihre Tatze, „Was war denn nun, ist ihm was passiert, oder wäre er fast gestorben, Elfenmädchen?“

„Im Endeffekt hat er nicht viel abbekommen, aber wie er da so im hohen Bogen durch die Luft gesegelt ist, da ist mir fast das Herz stehen geblieben, Katze.“

Katze reckte sich: „Das ist schlecht. Nicht, dass dem Männchen nichts passiert ist Elfenmädchen, sondern dass dir fast das Herz stehengeblieben wäre. Du solltest nicht so sehr an einem einzelnen Männchen hängen. Das ist nicht gut.“

„Aber ich liebe ihn Katze!“

„Ja, ja, ich weiß. Dieses vollkommen überbewertete, gefährliche, meta-menschliche Gefühl, Elfenmädchen. Manche sterben sogar deshalb.“

„Du findest es dumm, wenn jemand für jemand anderen aus Liebe stirbt, Katze?“

„Nun, nicht ganz Elfenmädchen. Ich finde es überaus dumm, wenn du etwas idiotisches tust, wie zum Beispiel dein Leben  zu riskieren, weil du jemanden liebst. Wenn jemand anderes allerdings aus Liebe zu dir sein Leben riskiert, um deines zu retten, finde ich das nur passend. Du sollst von deinem Männchen auch all die Liebe bekommen, die du magst. Und meinetwegen kannst du auch das kleine Kätzchen spielen und das Männchen zurücklieben. Wenn du allerdings in Angst oder Wut verfällst, weil diesem Männchen etwas ‚fast‘ passiert, bereitet mir das Sorge! Du könntest das Wichtigste aus den Augen verlieren - dich selbst, Elfenmädchen.“

Snowcat lächelte: „Manchmal bin ich schon verwundert über mich selbst. - In ein paar Tagen feiere ich doch meinen fünften Geburtstag und wenn ich darüber nachdenke, was vorher war, dann stelle ich fest, dass das zunehmend alles verblasst. Wenn ich mich überhaupt an etwas aus den Jahren davor erinnern kann, dann nur an Dinge, in denen du eine Rolle spielst Katze. Ich weiß, dass ich früher noch die Gesichter einiger Kinder, die mit mir unter der Stadt von Redmond gelebt haben vor meinem geistigen Augen sehen und Namen mit ihnen in Verbindung bringen konnte. Aber jetzt weiß ich nicht mal mehr, ob da überhaupt andere waren, geschweige denn, wie sie ausgesehen haben. Und vorher, war ich da wirklich in einem Waisenhaus? Es ist mehr so, als würde ich versuchen, mich nach dem Aufwachen an einen Traum zu erinnern und wenn ich nach einem Detail greifen möchte, zerfällt das Bild, als bestünde es aus Nebel.“

„Na dann hör doch einfach auf dich zu erinnern, Elfenmädchen.“

Snowcat warf Katze einen grimmigen Blick zu. „Ja, aber versteh doch Katze, jetzt frage ich mich nicht mal mehr, wer meine Eltern waren, sondern ob ich überhaupt welche hatte. Seit einiger Zeit ist es sogar fast so, als hätte ich plötzlich eines Tages einfach mit der Manhunter in der Hand dagestanden und beschlossen die Ancients zu suchen.“

„Ich sagte dir doch bereits, dass die Frage, wer dich zur Welt gebracht hat, vollkommen unwichtig ist und natürlich wurdest du von irgend einem Männchen gezeugt und Monate später von irgend einem Weibchen geboren. - An das, was ich dir in der Vergangenheit beigebracht habe, kannst du dich doch erinnern Elfenmädchen?“

„Ja, daran schon, Katze.“

„Und wenn du morgens aufwachst, dann weißt du deinen Namen, wo du gerade bist, wo deine Socken sind und kennst den Namen des Männchens neben dir, Elfenmädchen?“

Snowcat zog einen Schmollmund: „Nun, vielleicht nicht immer sofort, aber ja, wenn ich erstmal richtig wach bin schon, Katze.“

„Na dann ist doch alles bestens Elfenmädchen, wenn die anderen Dinge aus deiner Vergangenheit wichtig sind, dann fallen sie dir schon wieder ein. So, und jetzt wäre es schön, wenn du dich endlich von allem frei machen könntest und anfangen würdest dich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Ich möchte dich jetzt in die höhere Kunst der Meta-Magie einzuführen .“


Drei weitere Tage später zog Snowcat spielerisch ihre Augenbrauen ein wenig mit einem grauen Stift nach. Unnötig, dachte sie. Dann warf sie einen letzten Kontrollblick in den Spiegel und streckte sich selbst keck die Zunge raus. Was sie sah, stimmte sie mehr als zufrieden. Ihre leuchtend blauen Augen strahlten und wie so oft tanzten kleine silberne Sterne darin, umrandet von ihrer perlweiß schimmernden Haut. Unzählige eisblaue und silberne Reflexe zeigten sich ihn ihrem eisweißem Haar. Selbstverliebt blickte sie sich an und lächelte. Dann fragte sie ihr Spiegelbild: „Eingebildet bist du gar nicht, oder?“ „Doch, aber berechtigt!“, antwortete sie lachend.

Zur Feier ihrer Initiation und überstandener drei-tägiger Trennung fuhr Craven mit ihr heute in einen Club in Redmond, in dem sie bisher noch nicht gewesen waren, dem Darklight

Das außergewöhnliche am Darklight war, dass man eine alte Kirche mit allem drum und dran in einen Nachtclub verwandelt hatte. Standesgemäß trugen alle Gäste hier schwarz oder blutrot und manche hätten mit ihrer Kleidung durchaus an einem Ball vor zweihundert Jahren teilnehmen können.

Craven war gut drauf und fing, kaum dass sie angekommen waren, Stunk mit zwei Typen an der Bar an, die ihn mit ihrem Gehabe nervten. Ein Spruch folgte dem nächsten, doch zu Cravens Leidwesen machte Oberarschloch Chris nach eine Weile den Rückzieher und ging nicht auf das Angebot ein die Sache draußen zu klären. 

Snowcat hatte sich das Alles mit einem stolzen Lächeln angesehen. Sie tanzten eine Weile und suchten sich dann einen Tisch im oberen Bereich des Clubs über der Kanzel. 

Snowcat bewunderte gerade die riesigen, bunten gotischen Fenster, als sich ein äußerst hübsches Mädchen ... äußerst hübsch für ein Menschenmädchen, zu ihnen an den Tisch stellte. Sie war nur knapp über 1,60m groß, schlank und hatte orangene Haare, die in einem frechen Pagenkopf geschnitten waren. Sie trug eine schwarze, gut sitzende und nicht verwaschene Jeans im top-aktuellen Design, ein zu ihren Haaren passendes bauchfreies orangenes T-Shirt und darüber ein schwarzes Netzhemd. Ihre sinnlichen Lippen erstrahlten ebenfalls im selben orangerot wie ihr Haar. Unterlippe und Augenbraue zierten ein Piercing.

Snowcat und Craven blickten den Neuankömmling erwartungsvoll an. Das Mädchen erklärte: „Ich wollte euch nur, ... sagen wir mal, auf etwas aufmerksam machen: Chris der Idiot da unten hat gerade mit all seinen Freunden gesprochen und er hat so einige hier im Darklight. Und die versammeln sich da jetzt und werden sicher gleich hochkommen.“

„Oh danke.“ Craven lächelte freundlich. „Will‘ste vielleicht was trinken?“

„Ja, setzt dich doch.“, Snowcat deutete auf den Stuhl. „Ist echt süß von dir, uns zu warnen. Chris ist aber kein Vampir oder so?“ Das Mädchen setzte sich. „Das ist Craven und ich bin Snowcat und du bist?“

„Mein Name ist Orange Crush, aber ihr könnt einfach OC sagen. Und nein, soweit ich weiß ist weder er, noch einer seiner Freunde ein echter Vampir.“

Snowcat war mit dieser Auskunft äußerst zufrieden. In einem Laden wie dem Dark Light konnte man sich dessen in der sechsten Welt nicht sicher sein. Schließlich gab es heut zu Tage auch Vampire und hier zwischen düsteren Möchtegern-Blutsaugern, Gruftis und ihren Anhängern könnten sie getarnt umherwandern ohne aufzufallen. Nicht, dass Snowcat sich vor Vampiren fürchtete, aber sie wusste einfach nicht, was die klassischsten unter den HMHVV Infizierten wirklich drauf hatten. Eventuell auf einen Gegner zu stoßen, den man nur durch einen Pflock ins Herz töten konnte, war keine beruhigende Aussicht. Ein Vampir konnte, schenkte man den Legenden glauben, alle möglichen Fähigkeiten haben. Andere Infizierte, wie der Dzoo Noo Qua, den sie vor ein paar Tagen getötet oder die Ghule, galten wie sie inzwischen von Starbuck wusste, offizielle als weit aus ungefährlicher. Aber solche Gedanken waren nun eigentlich unnötig, denn OC hatte ja gesagt, dass das keine Vampire waren. Das genügte Snowcat fürs Erste völlig.  

OC kam offen-hörbar nicht aus Seattle, sie hatte einen Ostküsten Akzent. Als Snowcat sie danach fragte, gab OC sofort Auskunft: „Nö, ich komm aus der echten grünen Stadt, aus dem schönen Boston und ich bin noch nicht so lange hier in Seattle.“

Doch dann mussten sie ihre gerade beginnende Unterhaltung erstmal unterbrechen, denn Chris kam die schmale Treppe mit seinem Gefolge bestehend aus fünf Kumpanen hoch und baute sich vor dem Tisch auf.

„Hey Großmaul,“, begann er aufbrausend an Craven gewandt: „Du hast hier nichts verloren,  das ist unser Laden und unser Gebiet. Also verschwinde hier! Deine Freundin kann meinetwegen hier bleiben, dann kann sie sich zur Abwechslung mal ein bisschen mit richtigen Männern amüsieren.“

Craven lächelte sein bösartigstes Lächeln. „Das ist aber sehr freundlich von dir, dass du ihr helfen willst sich zu amüsieren und es war auch klug von dir, all deine Freunde mitzubringen, denn je größer die Partygesellschaft, desto besser und deren Hilfe wirst du brauchen!“ Chris blickte verdutzt drein. „Aber, wollen wir das nicht draußen besprechen und ein für alle mal klären, Elf gegen Mensch, wessen Gebiet das hier ist.“

„Ja,“ Chris‘s Augen leuchteten auf, „lass uns rausgehen! Wir klären das mit unseren Fäusten, wie es sich gehört.“

Sie standen auf. Craven raunte OC zu: „Komm doch mit, gibt bestimmt was interessantes zu sehen.“

Draußen auf dem Parkplatz stellten sich Chris und seine Freunde demonstrativ im Halbkreis auf. Ringsherum versammelte sich eine größere Menge an Schaulustigen, einige hatten den Disput mitbekommen, andere waren Bekannte von Chris und Co und wieder andere stellten sich einfach nur aus Neugier dazu.

Chris trat vor, starrte Craven an und sagte: „Na los, komm schon. Ich verpass dir ne Abreibung und wenn du erstmal den Dreck dieser Strasse gefressen hast, kommst du freiwillig nie wieder her.“

Craven zwinkerte Snowcat zu, sie verstand sofort und freute sich, endlich war es mal an der Zeit ihre hinzugewonnenen Carromeleg- Fähigkeiten auszuprobieren. Sie reichte Craven ihren Mantel und in Korsage, Lederhose und Stiefellette stellte sie sich Chris entgegen.

Dem entglitten sämtliche Gesichtszüge und er stotterte los: „Was soll das, ich dachte... was... was bist du denn für ein Jammerlappen, du lässt deine Braut für dich kämpfen?“

Craven wedelte mit dem Zeigefinger: „Nnnt, nnt, nnt. Dir selbst war doch daran gelegen, dass meine wahnsinnig tolle Freundin sich amüsiert. Und weißt du, mir liegt noch viel mehr daran als dir und deshalb lasse ich ihr den Vortritt. Deshalb darf sie dich jetzt zu Boden stampfen und dein Blut über dem Asphalt verteilen.“

„Ich schlag mich doch nicht mit nem Mädchen!“ Chris wahr stinkig.

Craven tat verwundert: „Wieso nicht, weil die Schmach dann viel größer ist?“

Snowcat zog einen Schmollmund: „Na das habe ich gerne. Erst angeben, das Revier verteidigen und weit die Schnauze aufreißen und dann den Schwanz einkneifen und jaulend nen Rückzieher machen. - Dann,“ sie zuckte mit den Schultern, machte eine ausschweifende Geste in Richtung der Schaulustigen und wandte sich zum um, „gehen wir eben einfach zurück in unseren Laden und amüsieren uns da. Auch wenn das leider viel unblutiger ist.“

„Hey“, Chris trat einen weiteren Schritt vor und packte Snowcat am Arm, zwei seiner Kumpel kamen ebenfalls dicht heran und versuchten Snowcat in die Zange zu nehmen, „So nicht, Schlampe!“

Snowcat grinste breit, dann entzog sich sich mit einer geschickten Bewegung seiner Hand, drehte sich und trat Chris mitten ins Gesicht. 

Er taumelte. Seine zwei Freunde wollten Snowcat nun festhalten, doch dazu kamen sie nicht, denn Craven versetzte beiden einen Schlag, im selben Augenblick standen beide ohne Hose da.

Die Menge tobte vor Lachen.

Snowcat landete mehrere Treffer und wich den Schlägen von Chris behände aus. Sie verfügte zwar nur über eine geringe Körperkraft, glich dieses Manko aber durch besonders gezielte Hiebe aus. Chris würde nicht lange durchhalten.

Einer seiner restlichen drei Freunde fühlte sich dadurch nun genug gedemütigt und wollte eine Waffe ziehen.

Da rief ihm OC zu: „Denk nicht mal daran, bevor du zuckst, bist du tot!“ Er verharrte in seiner Bewegung. 

Der neben ihm jedoch nicht, er griff in seine Jacke und zog eine Pistole, die er auf Craven richten wollte. 

OC war viel schneller, sogar schneller, als das Auge sehen konnte. Wie aus dem nichts erschienen gleichzeitig zwei identisch aussehende verchromte Ares Predator in ihren Händen. Mit einem gezielten Schuss riss sie ihm die Waffe aus der Pfote. Schmerzerfüllt brüllte der Typ auf. Laut und ruhig verkündete OC: „ Fair bleiben!“

Chris ging derweil zu Boden. Craven trat zu ihm hin und berührte dessen Hemd, es zerfiel zu Staub. Nun fügte er seine beiden Unterarme zusammen und hielt Chris die Ellen dicht vors Gesicht. Ein flammendes Ancient-Symbol leuchtete auf. Craven bleckte die Zähne und sagte bedrohlich: „Unser Gebiet ist überall!“

Nachdem sich die Menge teilweise applaudierend verzogen hatte, gingen Snowcat, Craven und OC zurück ins Darklight. Dort verbrachten sie zufrieden den Rest der Nacht. Chris und seine Kumpane ließen sich nicht mehr sehen. 

Gegen Morgengrauen fuhren Snowcat und Craven nach Hause. Mit OC hatten sie Commlink-Verbindungen ausgetauscht, nicht nur, weil sie sich gut verstanden hatten oder weil OC sie freiwillig gewarnt hatte, sondern auch, weil sie in OC einen potentiellen Arbeitskollegen kennen gelernt hatten. Kontakte waren immer wichtig.


„Ehrlich, du bist aus Deutschland, in Europa?“ Snowcat telefonierte seit einen halben Stunde mit Duke. Es war Donnerstag Nachmittag, um genau zu sein, es war der Nachmittag des 24. April. Starbuck hatte ihnen versprochen, dass die Leitungen innerhalb des Teams sicher seinen, unter der Bedingung, dass sie ihn immer kurz vor einem Gespräch anpiepten.

„Ja, sag ich doch. Offiziell heißt das ADL, aber wenn du Deutschland sagst, weiß jeder was du damit meinst.“

„Dann kommst du ja aus dem Land von Big L.“, Snowcat hatte mal gehört, dass ein großer Drache auf irgendeine Weise immer mitbekam, wenn man seinen Namen aussprach. Wahrscheinlich war das nur Aberglaube, dennoch wollte sie nicht riskieren den Namen Lowfyr, der nun mal ein unglaublich mächtiger großer Drache war, am Telefon auszusprechen. Egal wie sicher Starbuck die Leitung gemacht hatte. „Das ist ja ziemlich cool. Hat es dir da nicht mehr gefallen, oder warum bist du von da weg.“

Duke machte eine winzige Pause, bevor er antwortete: „Naja, ich hatte Stress mit meiner Familie. Deshalb bin ich abgehauen.“

„Oh, wow, Familienangelegenheiten. Hey, da fällt mir was ein, ist F.I.v.E. dann eine deutsche Abkürzung?“

„So ungefähr!“

Snowcat legte nun noch mehr Charme in ihre Stimme als bisher, legte den Kopf leicht schief und kam ganz nah an die Kamera ran: „Sagst du mir denn jetzt, wofür das steht?“

„Na gut, aber nicht weitersagen! Das heißt : Freiherr Frederick Ivo von Ehrenstein.“

Snowcat versuchte das Wort genau nachzusprechen: „Fraiherrr Frederich‘k Iivo vohn Ährenschtein? Hey, das sind ja eigentlich zwei F und was bedeutet Fraiherrr?“

„Freiherr ist ein Titel, so was wie Lord oder Prince oder so. Genau deshalb nur ein F. der Titel kann sich ja ändern, man kann ihn ablegen, verlieren und und und. Deshalb nur Frederick Ivo von Ehrenstein.“

„Du hast eigentlich nen Titel? - Ah, verstehe, deshalb auch Duke. - Hm, dann sprichst du selbstverständlich auch Deutsch. Kannst du mir das vielleicht beibringen?“

„Klar, gerne doch.“

Duke brachte Snowcat gleich die ersten paar Worte am Telefon bei. Sorgfältig korrigierte er ihre Aussprache. Snowcat lernte schnell und sagte nach wenigen Minuten ihren ersten Satz auf Deutsch: „Keine Bewegung! Leg dich hin und wirf die Waffe weg.“

„Ziemlich gut.“, bemerkte Duke, „Ich glaube, dass reicht aber fürs erste am Telefon. Wir können uns ja mal ohne Job von Angesicht zu Angesicht treffen und die Lektionen fortsetzen.“

„Gute Idee, obwohl, sehen tun wir uns so ja auch, aber dann werde ich wohl zu dir kommen müssen, denn du hast ja keinen fahrbaren Untersatz.“

„Das nicht, aber ich hab nen Chauffeur, wenn ich will.“ 

Snowcat konnte es nicht fassen: „Du hast nen Titel und einen Chauffeur? Warum arbeitest du dann überhaupt, das kling ja nach jeder menge Kohle.“

„Ersten macht es Spaß und zweitens hat meine Familie das Geld und gerade von der möchte ich ja unabhängig sein. Aber besuchen kannst du mich auch gern.“

„Ja, und dann bringst du mir...“

Weiter kam sie nicht. Craven klinkte sich in das Gespräch ein: „Nun hör mal auf mit Snowcat zu flirten, Fivestein und sag mir lieber, ob du dich schon um nen neuen Job gekümmert hast.“

Duke grinste kurz: „Dir auch einen guten Tag Craven. - Ich wollte mich eigentlich nur so mal melden. Clicks war der, der ständig dringend Geld braucht und der, der sich um den nächsten Job kümmern wollte.“

„Na dann halt der. Schalt mal auf Konferenz, hol Starbuck dazu und ruf Clicks an, damit wir ihm fragen können. Oder kannst du das etwa auch nicht, Fivestein?“

Duke blieb eine Antwort schuldig, denn Starbucks Icon erschien plötzlich auf den Bildschirmen. Ein großes detailliertes Piratenschiff kam auf einer gigantischen Wasserwelle angerauscht. Der Steuermann, ein gut aussehender Comic-Pirat gekleidet in ein schwarzes Hemd und eine schwarze Seemannshose mit schwarzen Wettermantel und Kapitänshut, dessen Gesichtszüge an Starbucks reale erinnerten, sprang an einem Seil von Bord. Das Schiff löste sich umgehend auf. Der Pirat nahm seinen Hut ab und machte eine Verbeugung. Seine langen Ohrringe aus geschwärzten Knochen klapperten leise, als er fragte: „Sie haben geläutet? Ich hab da doch eben meinen Namen gehört?“

Craven lachte auf: „Wenn man von Einstein spricht... Na dann mach du doch!“

Starbuck stellte eine Verbindung her. Clicks, wie immer im Taucheranzug, hob ab und sagte sofort: „Gut dass ihr euch meldet, ich wollte gerade anrufen. Ich hab da was! Können wir uns in ner Stunde in nem Starbucks in Tacoma treffen?“

Craven antwortete: „Kommt drauf an was du hast. Wenns nur um nen eitrigen Pickel an deinem Hintern geht, wollen wir dir nicht helfen.“

Clicks schüttelte den Kopf: „Und da sagst du immer, ich bin eklig?“


Sie trafen sich tatsächlich eine Stunde später in Tacoma. Clicks hatte einen Job an Land gezogen. Einer seiner Kontakte, ein Hafenmeister namens Jansen, benötigte noch in der selben Nacht jemanden, der bereit war drei Container für einen Lohn von jeweils 10.000 New Yen pro Person auf LKWs durch die Stadt zu bewegen.

Natürlich fragten sie Clicks aus, wie er dann an den Job gekommen war, und warum denn ausgerechnet ein Hafenmeister Container verschieben wollte. Und nein, hätte jemand von den anderen vier den Job besorgt, hätten sie solche Fragen nicht gestellt.  

Starbuck führte den üblichen Backround-Check über Jansen durch und schnell kam raus, dass Jansen zur Finnegan-Mafia-Familie gehörte, seit über 25 Jahren im Geschäft war und von jedem abkassierte. Es ging also wahrscheinlich um simplen Schmuggel. Ein wenig Brisanz erhielt die Geschichte allerdings durch die Tatsache, dass der Chef der Finnegan-Familie, Rowena O‘Malley, gerade versuchte Capo der Stadt zu werden. In solchen Situationen waren eventuelle Misserfolge immer gefährlich. Da das Team jedoch nicht die Absicht hatte zu versagen und sie sich weder für den Inhalt der Container noch dafür interessierten, ob Jansen vielleicht in die eigene Tasche wirtschaftete, machen sie sich keine Sorgen. Der Backround-Check war eh nur von Belang, um die auftretende Gegenwehr besser abschätzen zu können. 

Interessanter fand Snowcat die Tatsache, dass Jansens dritte Frau kürzlich verstorben war und Clicks mit Zufriedenheit zugab, sie eigenhändig beseitigt zu haben.

Das Team stimmte dem Angebot zu und so trafen sie sich um 21.00 Uhr im Scuttlebucks, einer drittklassigen Bar, in der die Frauen Oben-Ohne servierten mit Jansen.

Sie einigten sich schnell. Die drei Container wurden auf eine große Zugmaschine geladen und das Team um Snowcat, Craven, Duke, Starbuck und Clicks sollte sie um 1.00 Uhr in der Nacht in Tacoma am Pier 18 abholen, dann irgendwie nach Snohomish bringen und dort würde sie dann bei Übergabe das Geld erhalten.

Die Routenplanung blieb, bis auf eine Einschränkung, den Shadowrunnern überlassen: Sie durften unter keinen Umständen an der Aztechnologie-Pyramide vorbeifahren.


„Oh Mann Clicks,“ bemerkte Craven bevor er das Fahrerhäuschen des Trucks mit Snowcat und Starbuck pünktlich bestieg, „Dein Johansen ist ganz schön aufgeregt gewesen.“

Duke viel ihm ins Wort. „Jansen, der Typ heißt Jansen.“

Craven nickt: „Sag ich doch, Johansen, aber was ich eigentlich wissen wollte, bevor Fivestein mich unterbrochen hat: warum hat Johansen immer von deinem Team gesprochen, für das dieser Job eine Visitenkarte sein könnte?“

Clicks erwiderte: „Na weil er mich schon so lange kennt!“, und folgte dann schnell Duke mit dem er hinter dem letzten Container in dem Wartungshäuschen der Zugmaschine Position bezog.

Starbuck fuhr den Truck, so wie es für ihn üblich war, ohne das Lenkrad anzufassen. Sein kleiner chromfarbener Cyberhund PIP, saß auf seinem Schoß.  

Zwei mal versuchte man ihnen die Container abzunehmen. 

Beim ersten Mal wurden sie auf der I5 von zwei Wagen einer Gang verfolgt, die Snowcat als die Trasher identifizierte. Bei dem Angriff wurden sowohl Duke, als auch Clicks verletzt, doch ansonsten war der Spuck ziemlich schnell vorbei.

Auch beim zweiten Angriff waren sie noch auf der I5. Diesmal näherten sich drei kleine, unmarkierte Helikopter, die das Team aber mit gemeinsamen Kräften vom Himmel holte.

Im Anschluss erreichten sie ungestört den Treffpunkt in Snohomish. Dort warteten ein paar ungeduldige Ameri-Indianische Orks auf sie, um die Fracht samt Zugmaschine zu übernehmen. Sie konnten noch sehen, dass am Himmel ein Zeppelin bereit stand die Ladung aufzunehmen.

Schnell bekam das Team sein Geld und machte sich zu Fuß von dannen. Danilo, der Chauffeur von Duke, stand in der Nähe samt Limousine bereit und wartete auf einen Anruf, um die Runner dann abzuholen.

Inzwischen hatte sich herausgestellt, dass Danilo nicht der Chauffeur von Duke war, jedenfalls nicht im eigentlichen Sinne. Danilo war Besitzer einer hoch-modernen Limousine und gegen entsprechendes Geld konnte man ihn mit seinem Gefährt mieten.

 Starbuck meldete sich plötzlich über das Commlink: „Lasst uns mal sehen, dass wir hier schnell wegkommen. Irgendwas ist komisch hier.“

„Copy,“ bestätigte Craven, „hasst du Tassilo bescheid gegeben Five?“

Duke grinste: „Jep. Hab ich.“

„Na dann mal los!“, drängelte auch Clicks. „Ich hab Feinde im Hinterhalt entdeckt!“

Sie liefen etwas schneller, kamen jedoch nicht weit, als plötzlich die Hölle los brach.

Gepanzerte Gestalten brachen aus dem Unterholz hervor und feuerten auf die Orks. Gleichzeitig holte eine Rakete den Zeppelin von Himmel.

„Müssen wir da nicht eingreifen?“, fragte Snowcat.

Craven antwortet als Erster: „Nee, gibt keinen Grund, oder Clicks?“

„Meiner Meinung nach nicht. Wir haben pünktlich und zuverlässig abgeliefert.“, Clicks warf einen Blick nach hinten, „Da ist eh alles gleich erledigt.“

„Gut, gehen wir weiter.“ Duke sah auf seine Uhr, „Die interessieren sich nicht für uns, und Danilo ist sicher gleich am Treffpunkt.“

Snowcat schnurrte leise beim Sprechen: „Hoffentlich gibt‘s bei Tassilo im Wagen was zu trinken.“

„Klar, für dich finden wir bestimmt was Leckeres Snowcat. In Danilos Wagen befindet sich eine gut ausgestattete Bar.“, erklärte Duke.

Plötzlich fiel Snowcat jeder Schritt schwer. Sie hatte das Gefühl durch Morast zu laufen und jedes mal mit den Beinen tief einzusinken. Doch wenn sie auf den Boden sah, war da nur Gras. Sie richtete ihren Blick nach oben und entdeckte am Himmel einen riesigen schwarzen Raubvogel, der über ihnen kreiste.

Auch die Anderen waren langsam geworden. Snowcat fragte: „Clicks, ist das da oben ein Geist?“

„Keine Ahnung!“

„Würdest du dann bitte nachsehen, Locke!“, fauchte Craven.

Duke meldete sich: „Ich hör Danilo. Egal was das ist, gleich sind wir weg.“

„Snowcat hat mit ihrer Vermutung Recht, da ist ein Geist und ein verdammt mächtiger dazu.“, bestätigte Clicks.

Snowcat konnte in einiger Entfernung die Umrisse der Limousine ausmachen, aber je näher sie ihr kam, desto beschwerlicher wurde ihr Weg. Dann kam sie einfach nicht mehr vom Fleck. 

Die Limousine erschien. Im selben Augenblick tauchten mehrere Gestalten wie aus dem Nichts auf. 

Acht von ihnen waren in identische dunkle Vollpanzer gekleidet und richteten ihre Sturmkanonen auf die Runner. 

Einer trug über seiner Tarnkleidung nur eine Panzerweste.

 Der letzte von der Gruppe schälte sich mit freiem Oberkörper aus der Umgebung, seine Haut hatte den Ton von Bronze. Auf seinem Kopf trug er einen imposanten Federschmuck, dabei handelte es sich aber nicht um einen, wie er bei den Ureinwohner Nordamerikas üblich war, sondern viel mehr um einen, wie man ihn weiter im Süden fand.

Aztechnologie schoss es Snowcat durch den Kopf. Und sofort kam ein weiterer Gedanke hinzu: Fahrt nicht an der Azzie-Pyramide vorbei. ,Na bravo, wir sind sowas von im Arsch!‘, fluchte sie lautlos vor sich hin. Ausgerechnet Aztechnologie, der südamerikanische AAA-Konzern, über den so unglaublich viele grausame und wiederwertige Gerüchte auf der Strasse kursierten.

Panzerweste richtete das Wort an ihre Gruppe und da er nicht zu wissen schien, wer von den Runnern hier das Sagen hatte, sprach er in Runde: „Wenn sie jetzt keinen Fehler machen, kann die ganze Sache durchaus noch gut für sie alle ausgehen. Sie befinden sich in einer unterlegenen Position. Beantworten sie einfach unsere Fragen und dann können sie unbehelligt gehen. - Wahrscheinlich jedenfalls!“

Snowcat dachte kurz nach. Auch Panzerjacke hatte eindeutig südamerikanisches Blut in seinen Adern. Mit ausdruckslosen Augen blickte er sie der Reihe nach an. Aber was soll‘s? Immerhin war er ein Mann, oder? Snowcat nahm eine lockere Haltung an. Obwohl man es ihnen nicht befohlen hatte, senkte sie ihre Maschinenpistole und ließ diese über ihrer Hüfte baumeln. Dann sagte sie zuckersüß: „Oh, wie nett, so ein Plausch in der nächtlichen Wildnis. Womit können wir ihnen denn helfen? haben sie sich vielleicht verlaufen?“

Panzerweste lächelte freudlos: „Verraten sie uns einfach alles über ihren Auftraggeber! Für wen arbeiten sie?“

Federschmuck trat etwas dichter an Snowcat heran. Sie konnte spüren, wie sich Cravens Muskeln anspannten. Panzerweste fügte hinzu: „Und lügen sie nicht, denn das wäre nicht nur unnötig, sondern wir würden es augenblicklich bemerken!“

Snowcat warf kurz einen Blick zu Federschmuck dessen Gesicht eine riesige Hakennase zierte, was Snowcat ausgesprochen passend fand. Mit ziemlicher Sicherheit war er der Mage und Zauber, die erkennen konnten, ob jemand die Wahrheit sagte gab es durchaus.

Niemand von den anderen im Team ergriff das Wort. Glücklicherweise hatten sie sich soeben stumm darauf geeinigt, dass Snowcat jetzt und hier ihr Sprecher war. Durcheinander zu reden hätte überaus unprofessionelle gewirkt.

Selbstsicher antwortete Snowcat auf die Frage: „Oh, wenns weiter nichts ist, wir arbeiten für einen Mr.Johnson.“

Panzerweste verzog keine Miene, sein Blick blieb völlig kalt: „Lassen sie bitte diese Spielchen, sonst müsste ich mich leider gezwungen sehen, sie alle mitzunehmen und ihnen auf andere Art die Information entziehen!“

Snowcat versuchte unbeeindruckt zu bleiben und lächelte weiter: „Mister, wir haben hier nur einen Job erledigt. Wir stellen keine Fragen und wissen auch nichts über unseren Auftraggeber.“

Die dunklen Federn am Kopfschmuck des seltsamen Typen bewegten sich im Wind.  Er bewegte sich langsam um die Gruppe herum. Der große Vogel kreiste weiter über ihnen.

Panzerweste blickte Snowcat tief in die Augen. „Dann erzählen sie mir alles, was sie wissen. So detailgetreu wie möglich!“

Snowcat holte tief Luft und versuchte das Tanzen der Sterne in ihren Augen zu unterdrücken. Auch wenn Panzerjacke sie wahrscheinlich trotzdem jederzeit wieder erkennen würde. Noch immer waren Sturmgewehre auf sie gerichtet. Sollte ein Kampf ausbrechen, wäre ihre Lage äußerst gefährlich. Sie nickte: „Ich kann ihnen alles sagen, was wir wissen. Aber viel ist es nicht.“ Sie erklärte im Anschluss, dass sie über ihre üblichen Kontakte von einem Auftrag erfahren hatten und zu einer Bar namens Scuttelbucks gefahren waren. Dann beschrieb Snowcat Jansen wage, ohne die Beziehung von ihm zu Clicks zu erwähnen oder etwas über die Verbindungen zur Mafia. Sie wiederholte genau, wie ihr Auftrag gelautet hatte und dass man zweimal versucht hatte, ihnen die Container abzunehmen.“

Panzerweste zögerte einen Moment und sagte dann: „Gut, ich glaube ihnen soweit. Zumal die Hubschrauber zu uns gehörten.“

Snowcat zog die Stirn kraus. Die Azzies hatte der Verlust von Ressourcen sicher nicht fröhlicher gestimmt. In den Container musste ja was unglaublich Wichtiges gewesen sein.

Inzwischen hatte Federhut seine Runde dicht um alle herum beendet, war vor Starbuck stehengeblieben und starte ihn an.

Panzerweste fuhr fort: „Wir werden sie nun mitnehmen, bis wir ihre Angaben überprüft haben und sollten sie die Wahrheit gesagt haben, können sie gehen.“

Snowcat schüttelte den Kopf: „Kommt überhaupt nicht in Frage!“

Panzerweste lächelte breit: „Nun, wir wären sogar bereit nur einen von ihnen mitzunehmen,“ er deutete auf Starbuck, „und alle anderen sofort gehen zu lassen.“

Snowcat starrte Panzerweste finster an: „Nein, sie werden niemanden von uns mitnehmen! Und niemand wird mitkommen. Wir haben ihnen so viel gesagt wie wir konnten und damit wars das!“

Ihre Comm-Verbindung klickte, sie wusste, die anderen aus ihrem Team machten sich kampfbereit.

Panzerweste lächelte weiter: „Aber sie haben keine Wahl.“

„Doch, haben wir!“, erklärte Snowcat bestimmt. „Wir können kämpfen!“

„Aber sie sind in einer unterlegenen Position. Wir würden sie alle töten!“

Diesmal blieb Snowcat wirklich völlig unbeeindruckt. „Das mag sein, aber vielleicht reißen wir einige von ihnen mit in den Tod. Und ich bin sicher, sie und ihr Kollege mit dem Federhütchen sind die ersten, auf die wir das Feuer eröffnen. - Wie dem auch sei, wir werden niemanden von uns mit ihnen gehen lassen! Wir sind bereit dafür zu sterben! Sind sie es auch?“

Die Panzerweste lächelte weiter. „Was für große Worte!“ Dann nahm er stummen Blickkontakt mit dem Federhut auf und sagte schließlich: „Das muss dann wohl einer dieser berüchtigten Shadowrunner Kodexe sein. - Nun, warten wir hier kurz, vielleicht ergibt sich ja was!“

Ungefähr drei Minuten vergingen im angespannten Schweigen, welches dann von Panzerweste unterbrochen wurde: „Nun gut, sie können gehen. Gibt es vielleicht eine Möglichkeit, wie wir sie erreichen können, falls wir Fragen haben oder sie selbst anheuern möchten?“ 

Snowcat blickte Starbuck an. Dicht vor ihm stand immer noch der Mann mit dem Federschmuck, doch Starbuck ertrug die Situation gefasst. „Klar doch, ich kann ihnen ne Nummer geben! Darf ich?“, dabei deutete er auf ein Handgelenk, an dem er sein Commlink trug.

Panzerweste nickte. Snowcat wusste, das Starbuck sich für solche Sachen eigentlich nicht bewegen musste.

Starbuck verschickte über AR eine Nummer.

Panzerweste ergriff erneut das Wort: „Gut, wir werden uns jetzt zurückziehen. Bitte bleiben sie noch weitere fünf Minuten hier, bevor sie sich entfernen.“

Snowcat nickte.

„Gut.“ Er gab ein Zeichen und langsam setzten sich die Vollpanzer in Bewegung. Bevor sich jedoch Federhut ebenfalls zurückzog, tippte er Starbuck einmal mit dem Finger gegen die Stirn. 

Alle aus dem Team spannten die Muskeln an. Doch dann machte Federhut kehrt und stapfte davon. 

Nach ein paar Schritten verschwand die Gruppe von Aztechnologie-Männern in aufziehenden Nebelschwaden.

Zunächst atmeten alle auf, dann rief Starbuck: „Oh man Clicks, sie bloß schnell nach, ob der mir was angehext hat.“

Clicks beruhigte ihn. „Hab ich schon. Auf dir liegt kein Zauber oder so. Aber finden könnte er dich vielleicht, doch auch davor könnte ich dich schützen, jedenfalls dein zu Hause.“

Starbuck atmete durch.

„Kommt,“ forderte Craven sie auf, „den Rest der Zeit können wir auch in der Limo warten!“

Alle stiegen ein.

Als die Zeit abgelaufen war, sagte Clicks: „Ich werde versuchen Jansen zu warnen!“

Duke antwortete: „Mach das, aber lass dich nicht bei ihm sehen. Am besten, du lässt dich zu Hause für ne Weile nicht blicken.“

„Naja, wenigstens hatten wir das Geld schon.“, schnurrte Snowcat und kuschelte sich gemütlich in den luxuriösen Sitz. 

Die Limousine setzte sich in Bewegung. Bereits auf der Fahrt beschlossen sie, dass Clicks die nächste Zeit bei Starbuck wohnen, und dort sogleich einen Schutz gegen magisches Finden, einen so genannten Hüter, aufstellen sollte. Unterdessen würde Starbuck zu Duke ziehen.

Man konnte nie vorsichtig genug sein, wenn es um einen AAA Konzern ging.   

Das folgende Frühstück im Blue Planet schmeckte ihnen ausgezeichnet, obwohl Clicks berichtete, dass Jansen nicht ans Commlink ging.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*