Teil 6

6

Punkt 23.15 Uhr stand Snowcat geschniegelt und gestriegelt und vollkommen ausgerüstet auf dem Parkplatz. Ihren Lederduster hatte sie geschlossen und die Seitenschürzen waren an ihren Beinen befestigt. Darüber trug sie eine gepanzerte Multitoolweste. Auf die Stahlkappen ihrer Stiefel hatte sie einen Dorn geschraubt. Über der Weste trug sie ein Gurtsystem, an dem sie das meiste Equipment angebracht hatte. Am linken Handgelenk wartete die Monopeitsche auf ihren Einsatz, am Rechten trug sie das Lederarmband. 

Blackhearts Harley war zum Kampf gerüstet. Es hatte die Schutzbleche ausgewechselt. Die Neuen trugen scharfe Dornen. Snowcat verstaute die Maschinenpistole in einer Halterung am hinteren Sitz. Das Sturmgewehr trug sie auf dem Rücken.

Alle anderen Ancients waren ebenfalls gerüstet. Dornen blitzten überall hervor. Sie waren insgesamt 21. Blackheart mit seinen neun Leuten und Craven mit seinen zehn. Auf fünfzehn Motorräder würden sie gleich in die Schlacht fahren. Bisher hatten sie noch nichts von einem Zusammentreffen der anderen Gruppen mit Spikes gehört. Aber schließlich begann auch erst jetzt die heiße Phase. 

Craven meldete sich zu Wort: „Hört zu Leute, Blackheart und ich haben ausgemacht, dass ich heute Nacht auf unserem Feldzug das Gesamtkommando habe. Wenn ihr Alpha punkt zwölf in euer Comlink eingebt, sind wir vernetzt. Ihr seht, hier hinter uns auf der Anzeige gibt es noch keinerlei Punkte auf dem Killcount“, alle blickten kurz über das Hauptgebäude, dort fanden sie seine Aussage bestätigt, „Ich denke, dass sollten wir ändern!“ Jubel, Pfeifen und Johlen ertönte aus allen Kehlen. „Alle taktischen Anweisungen erfolgen wie immer auf Sperethiel. Wie ich Ghostfinger kenne, gleicht er den Killcount umgehend ab. Also, Ancients, lasst uns einer Horde stinkender Spikes den gar ausmachen! Auf dass die ersten Nullen fallen. Meriârmar! Li’li’llah!“

„Li’li’llah!“, brüllte es zurück. Alle bestiegen die Bikes. In eleganter Pfeilformation fuhren sie durchs Tor, Craven an der Spitze.

Snowcat dachte darüber nach, ob Cravens schmalen und ausdrucksstarken Lippen eher weich oder kräftig küssten. Vielleicht sogar beides gleichzeitig. Ein kleiner Schauer lief ihr über den Rücken. Seine stechenden, grauen Augen war dunkel, wie die stürmische See in der Nacht…

Katze unterbrach sie rüde: „Elfenmädchen, du bist rollig! Konzentriere dich lieber auf die Jagd und das schöne Spiel mit der Beute. Alles andere ist danach noch schöner.“

Snowcat lächelte: „Du Katze, es regnet nur noch ganz leicht. Und auf AR ist der Regen sogar grün!“

„Das ist schön für dich, Elfenmädchen und nun viel Erfolg und Sparrrß!“ Mit einem Satz war Katze hinter einer Häuserecke verschwunden.


Punkt Mitternacht lösten sie die anderen zwei Teams ab. Per High Five klatschen sie sich auf der Auffahrt gegenseitig ab. Die anderen hatten, wie erwartet, keine Spikes getroffen. Es hatte inzwischen vollkommen aufgehört zu regnen. Die Straßen waren  noch feucht, der Asphalt glitzerte.

Nun fuhren sie die I5 mal in Richtung City und mal in die andere Richtung auf und ab. Die vorgegebene Fahrtrichtung laut Verkehrsregeln scherte sie nicht.

Snowcat war aufgeregt und stand immer wieder auf, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen.

Dann, um 00.37 Uhr, war es endlich soweit: Farsnap, ein recht klein gewachsener, Elf, der seine Größe durch einen 40 cm hohen schwarz-grünen Mowhawk kompensierte, sah einige schwere Motorräder auf die andere Straßenseite einbiegen. Er machte alle über Comlink darauf aufmerksam. Craven nickte ihm zu. Darauf hin rief Farsnap laut aus: „Winégs!“

Craven gab unter Jubel den Befehl, im vollen Tempo auf sie zuzufahren, eine IR-Rauchgranate rüber zu feuern und dann der Gruppe von Spikes zu folgen. Gesagt, getan.

Die Provokation wäre wahrscheinlich gar nicht nötig gewesen. Sechs Spikes auf fünf verstärkten Harleys wendeten, um auf derselben Auffahrt, auf der sie gekommen waren, die Straßenseite zu wechseln. Wahrscheinlich wäre es allen sogar lieber gewesen, man hätte die Kluft zwischen den Strassen einfach überspringen können, das war aber an dieser Stelle nicht möglich.

Die Ancients mussten einfach nur warten. Craven setzte zwei Pfeilformationen an. Eine Spitze bildete er, die andere sollte Blackheart bilden und somit auch Snowcat. Jeder Pfeil sollte wie beim Lanzenstechen, im höchsten Tempo auf die Spikes zurasen und dabei das Feuer auf sie eröffnen. Nachdem die beiden Pfeile, bestehend aus je drei Motorrädern ungefähr 300 Meter vorbeigebraust waren, sollte gewendet werden. Danach würden sie in Fächerformation langsam zurückfahren. Die anderen Ancient blieben unterdessen am Ausgangspunkt zurück und fächerten sich von Beginn an weit auf. Je nachdem, für welche Fahrtrichtung die Spikes sich nun entschlossen, wurde früher oder später Flächendeckendes Feuer eröffnet werden. Alles Weitere ergab sich im Kampf.

Dieser sehr offensive Angriffsplan nannte sich Tekah è Sîmah. Pfeil und Zange.

Snowcats Aufregung stieg gewaltig. Sie konnte es kaum erwarten, dass es losging. „Denk daran, dich hinter mir klein zu machen, sollten die zurückschießen, was sie mit Sicherheit tun. Und bleib vor allem noch kurz geduckt, wenn wir an denen vorbei sind.“, erinnerte sie Blackheart, „du weißt, ich möchte dich nicht mit Narben sehen, Sweetheart.“

„Ja, ich pass schon auf. Bring du mich lieber gut in Position, damit ich endlich ein paar Scheiben abschnippeln kann. Und wenn mir was passiert, dann mach ich einfach ne Sammlung zur Wiederherstellung meiner Haut auf.“ Die Vorfreude ließ Snowcats Wangen rot glühen.

„Achtung, los!“. Craven hatte endlich das erlösende Signal gegeben. Elfischer Angstmetal dröhnte nun über AR- Lautsprecher. Die Spikes waren auf Empfang, sie zögerten kurz.

Blackheart beschleunigte und folgte dem vor ihm fahrenden „Pfeil“. Die Spikes teilten sich etwas auf. Craven gab ein Zeichen und Blackheart wandte sich der linken Gruppe zu. Snowcat freute sich, sie würden links an den Spikes vorbeifahren. Sie konnte also ihre Monopeitsche einsetzten, ohne über Blackheart hinweg schlagen zu müssen. Ob Craven wohl mit eingeplant hatte, dass sie Linkshänder war, fragte sie sich.

Hinter ihr eröffneten Bloody Mary und Nightmare das Feuer. Auch vor ihr wurde geschossen. Ein schneller werdendes Stakkato aus automatischen Waffen mischte sich über die Musik. 

Snowcat machte sich bereit. Sie spannte die Muskeln an. Adrenalin durchflutete ihren Körper. 

Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, dass Craven auch nicht feuerte. Er fuhr extrem dicht an einem der Spikes vorbei und streckte dann einfach in einer kaum merkbaren Bewegung den Arm aus. Snowcat glaubte noch zu sehen, dass der Troll darauf hin einfach die Beherrschung über seine Maschine verlor, aufs Pflaster knallte und liegen blieb.

Doch sie hatte keine Zeit, genauer hin zu sehen. Auch sie fuhren jetzt dich an den Spikes vorbei. Snowcat achtete nicht darauf, ob sie direkt beschossen wurden. Sie stand auf und fuhr die Peitsche aus. Gleich war der Spike mit ihr auf gleicher Höhe. Nur einen Meter entfernt. 

Snowcat holte aus und schlug zu. Der dünne Draht der Monopeitsche vollführte seinen tödlichen Tanz. Snowcat trennte dem Spike fast vollständig den linken Arm ab und beschädigte dessen Motorrad am Tank. Vor lauter Freude hätte sie fast vergessen, sich wieder klein zu machen. Sie duckte sich und zog die Monopeitsche ein. 

„Achtung, Wendung!“, rief Blackheart. Snowcat hielt sich fest. Sie fächerten sich auf und fuhren in einer Reihe zurück. Snowcat jauchzte auf. 

Hinten hatten die anderen Ancient das Feuer auf die Spikes eröffnet.

Sofort würden sie beginnen gezielter zu schießen, damit sie nicht aus Versehen einen aus ihren eigenen Reihen trafen.

Die Spikes waren auf einen solchen massiven Angriff nicht vorbereitet gewesen, sie waren nicht so gut bewaffnet wie die Ancients und sie zogen nun vereinzelt Schotflinten aus Halterungen. 

Von den Ancients schien bisher niemand schwerer verletzt. Blackheart wies Snowcat an, nun auf die Maschinenpistole umzusteigen. Snowcat tat, wie ihr geheißen. 

Ich muss ja nicht auf die Köpfe zielen, dachte sie. Einfach nur auf die Bikes. Schließlich wollte sie mit der Beute noch spielen und sie nicht gleich töten.

Die Schlinge um die Spikes zog sich langsam zu. Das Dauerfeuer zwang sie, sich in Deckung zu begeben. Ein paar sprangen ab und krochen in Richtung Fahrbahnmarkierung davon. Zwei versteckten sich hinter ihren Bikes und feuerten zurück.

Snowcat wollte Blackheart gerade bitten, sich etwas zu drehen, damit sie auf einen Tank mit Ex-Ex-Muni schießen konnte, als sie bemerkte, dass sich einer der Trolle gar nicht in Deckung begab. Er fuhr in ihre Richtung direkt auf sie zu. Um genau zu sein, fuhr er mit Vollgas auf Bloody Mary zu. 

Bloody Mary bearbeitete gerade einen Troll, der sich hinter einem Betonteil zurückgezogen hatte.

Snowcat rief ihr eine Warnung zu. Bloody Mary wandte Kopf und Waffe gleichzeitig. Der Spike zog ein riesiges Schwert und fuhr freihändig weiter. Bloody Mary hielt die Waffe direkt auf seinen Bauch gerichtet und drückte ab…

Und nur ein „Klick, Klick, Klick“ erklang. Ihr Magazin war leer.

Snowcat sah, wie der Troll grinsend mit vollem Schwung sein Schwert Bloody Mary in den Unterleib rammte. Er teilte sie buchstäblich in der Mitte durch.

Snowcat schrie auf. Sie wollte abspringen und zu Bloody Mary eilen. Blackheart hielt sie fest und sagte ernst: „Zu spät, bleib hier! Hast du gehört, du kannst da nichts mehr machen!“

 Nun brach die Hölle los. 

Die Ancients feuerten ab jetzt sehr gezielt aus allen Rohren. Gezielt, um zu töten. Snowcat holte das Sturmgewehr von ihrem Rücken und feuerte mit. Der Rückstoß hämmerte schmerzhaft gegen ihre Schulter. Irgendwann spürte sie plötzlich einen feurigen Schmerz in ihrer rechten Seite, doch sie ignorierte ihn. Tränen verschleierten ihr Gesicht. Sie wischte sie weg.

Dann kam das Signal: „Feuer einstellen!“, von Craven. Irgendwie drang seine Stimme zu Snowcat durch. Der Pulverdampf legte sich. Der Geruch von Blut und Blei klebte in der Luft.

Craven gab weiter Kommandos: „Blackheart, sieh zu, dass Snowcat auf ihrem Platz bleibt! Neon, schau nach Bloody Mary! Heavy, Nightmare, guckt, ob noch einer von den Trogs atmet! Wenn ja, lasst einen am Leben und tötet den Rest! Die anderen sichern die Umgebung!“

Die Befehle wurden ausgeführt. Einen Spike ließ man am Leben, um eine Botschaft von Sting zu übermitteln. Er rannte zu Fuß in Panik davon, nachdem Craven ihm etwas zugeflüstert hatte. Allen anderen Spikes schnitten sie zusätzlich die Kehle durch, unberücksichtig, ob sie schon tot waren oder nicht. 

Nightmare legte sich den leblosen Körper von Bloody Mary über sein Motorrad. Er hatte sie in seinen Mantel gewickelt.

 Craven vervollständigte seinen Bericht für das Hauptquartier und dann warteten sie geduldig und wachsam auf die Ablösung.

Snowcat nahm alles wie im Nebel war auch von der Rückfahrt bekam sie nicht viel mit. Sie wollte nur in ihr Bett. Nein, sie wollte noch mehr Trolle töten. Nein…sie wollte, dass Bloody Mary noch lebte. 

Sie war traurig.

Ihre Teams kehrten heim. Eine große fünf schwebte über dem Dach. Insgesamt fünf tote Spikes. Der Killcount zeigte Punkte für sie alle an. Für Snowcat zählte im Moment nur das Kreuz auf der anderen Seite. 

Neon brachte sie zu Bett. Er streichelte sie, bis sie eingeschlafen war. Katze sprang alsbald aufs Bett hinzu und schmiegte sich an sie. 

„Der Schmerz vergeht. Du bist nicht allein Elfenmädchen. Ich bin bei dir. Immer!“, schnurrte sie.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*