Teil 7

7

Sie erwachte spät am nächsten Tag. Ihr Gesicht fühlte sich trocken an und juckte. Neon saß schlafend an die Wand gelehnt. Er hielt Snowcat immer noch im Arm. Ihr Kopf war auf ein Kissen auf seinen Schoß gebettet.

Als sie sich regte, erwachte auch er: „Hallo“, sagte er einfach nur leise. Snowcat schniefte und Neon fragte: „Hast du Hunger?“ Snowcat setzte sich auf und schüttelte den Kopf.

„Ich hol dir trotzdem was. Schokolade oder so, hilft immer.“ Neon lächelte etwas und verließ leise das Zimmer.

Snowcat stand nach einigen Sekunden ebenfalls auf. Sie trug immer noch die Klamotten der gestrigen Nacht. Nur Schuhe und Mantel waren ordentlich weggestellt. Das gesamte andere Equipment lag quer über ihren Tisch verteilt.

Ihre linke Schulter schmerzte. Snowcat schob den Ärmel des einfachen, schwarzen T-Shirts beiseite. Der gesamte Schulterbereich war ein einziger Bluterguss.

Sie atmete tief ein und benutze dabei eine Technik, die sie von Whisper gelernt hatte. Der Schmerz ließ etwas nach. Snowcat zog sich einen Stuhl heran und begann damit die Waffen zu reinigen. Sie hatte gestern Nacht die komplette Munition für das Sturmgewehr verbraucht, nur der Granatwerfer war noch gefüllt. Alle Reservemagazine waren leer. Aber sie hatte die leeren Clips immerhin eingesteckt. Auch von der Munition für die MP war nicht mehr viel übrig.

Gewissenhaft erledigte sie ihre Arbeit. Irgendwann sprang Katze auf Snowcats Schoß, ihre Nähe war tröstlich. 

Nachdem sie die Waffen gereinigt hatte, stellte sie fest, dass das Medkit benutzt und offen war. Sie legte alles wieder zusammen und dann ordentlich zur Seite. Nun war es Zeit für ein wenig Körperpflege. Sie betrat ihr winziges Bad und begab sich somit in den schönsten Teil ihres Refugiums. 

Ein weißer, flauschiger Teppich lag auf dem Boden des 2x3 Meter großen Raums. Rechts neben der Tür standen eng nebeneinander WC und Waschbecken an der Wand. Über dem Becken hing ein einfacher Spiegel mit einer kleinen Ablage, auf der eine Bürste und ein Kamm lagen, sowie zwei Kajalstifte in schwarz und neonblau und Wimperntusche. Unter dem Waschbecken befand sich ein kleines Schränkchen. 

Hinten im Raum stand eine weiße, bohnenförmige Badewanne. Ein chromfarbener Vorhang konnte daraus eine Dusche „zaubern“. 

Schmale, fast zierliche, silberfarbene Regale waren überall in unterschiedlichen Höhen angebracht worden. Auf ihnen fanden die unzähligen Badezusätze und Shampoos in Flaschen und Flakons neben breiten, tiefroten, braunen oder orangen Kerzen auf silbernen Schalen ihren Platz.

Ein Stapel großer, weicher, weißer Handtücher lag auf einem kleinen Hocker neben der Badewanne bereit.

Alle Wände waren mit Ranken aus grünen Blättern und kleinen rosa-weißen Blüten von Snowcat bemalt worden, die zunächst zart und vereinzelt im oberen, vorderen Bereich begannen, sich verzweigten und schließlich die komplette hintere Wand und die Decke über der Wanne vollkommen bedeckten.

Snowcat ließ warmes Wasser in die Wanne laufen und wählte sorgfältig einen Badezusatz und ein dazu passendes Haarshampoo aus. Zufrieden atmete sie den aufsteigenden Duft ein und begann sich zu entkleiden.

Als sie ihr T-Shirt auszog, was ihr schwer fiel, da sie die linke Schulter kaum bewegen konnte, bemerkte sie, dass an der rechten Seite, knapp oberhalb der Hüfte ein Verband angebracht worden war. Snowcat entfernte den Verband. Darunter verbarg sich eine Fleischwunde, die sorgfältig gereinigt worden war. Die Wunde war knapp einen halben Zentimeter tief und etwa acht Zentimeter lang. Ein Streifschuss.

Snowcat erinnerte sich dumpf an den brennenden Schmerz in der vergangen Nacht. Nicht aber daran behandelt worden zu sein. Sie pappte den Verband achselzuckend einfach wieder auf dieselbe Stelle und stieg ungeachtet dessen in die Wanne.

Eine erneute Welle aus Schmerz flutete über sie hinweg und raubte ihr kurz den Atem, ebbte aber sogleich wieder ab. Snowcat entspannte sich für ein paar Minuten und wusch dann drei Mal ihr Haar. Danach schrubbte sie ihren gesamten Körper gründlich mehrmals mit dem Schwamm.

Irgendwann begann das Puckern über ihrer Hüfte sie zu nerven und sie verließ die Wanne. Sie schlug ein Handtuch über ihrem Haar zusammen und hüllte sich in ein größeres ein. So verließ sie das Bad.

Katze thronte auf einem Kissenstapel und putzte sich ausgiebig: „Na, besser jetzt, Elfenmädchen?“, fragte sie.

Snowcat ließ sich neben sie auf die Matratze fallen: „Ja Katze, besser.“ Dann schloss sie die Augen.

Nur wenige Sekunden später, klopfte es und Neon betrat vorsichtig den Raum. Er schob die Tür mit dem Fuß auf. In der einen Hand trug er einen riesigen Becher von Starbucks und in der anderen hatte er einen Muffin: „Ich hab dir einen entkoffenierten Latte Macciatto mit entrahmter Milch mitgebracht. In den Kaffee hab ich ne extra Dosis synthetisches Koffein  getan. Dazu gibt’s ein Trippel- Schoko- Muffin, dass sollte dich munter machen und vielleicht auch…“

Erst jetzt bemerkte Neon ihr „Outfit“ verstummte zunächst und sagte dann entsetzt: „Du hast doch nicht etwa mit der Wunde gebadet? Elf, ich dachte du döst einfach noch ein bisschen. Bist du denn verrückt? Der Verband ist nicht wasserdicht. Die Wunde könnte sich entzünden!“

Zornig stellte er den Becher und den Muffin ab und griff nach dem Medkit. „Zeig mal her.“

„Meine Schulter tut viel mehr weh.“, verteidigte sich Snowcat.

„Ach Scheiße, Snowcat, dass ist ne Riesenprellung, klar tut die weh. Aber du kannst doch nicht mit einer offenen Wunde in irgendein Duftzeug steigen. Ich dachte echt, du wärst klüger! Nun zeig schon her.“ Unsanft drehte er sie zur Seite und öffnete das Handtuch. Ihrem nackten Körper schenkte er dabei kaum Beachtung. Als er den Verband entfernte, schmerzte das höllisch.

„Okey“, presste Snowcat durch die Zähne, „du hast es geschafft, jetzt tuts da doller weh.“

Auf dem weißen Gesicht von Neon zeigten sich rote Flecken: „Oh tech. Da macht sich tatsächlich ne’ Entzündung breit. Ich muss jetzt was anderes als das Standartzeugs drauf tun, damit das noch gut heilt!“ Neon zog eine kleine Taschenlampe aus seiner Hosentasche und leuchtete die Wunde genau ab.

„Bekomm ich jetzt gleich hier ne Laserbehandlung, Doc?“, fragte Snowcat, es sollte eigentlich fröhlich klingen, was ihr aber nicht so gut gelang.

Neon fuhr fort „Ach Quatsch, aber dein superhygienischer Schaum hat ganze Arbeit geleistet. Das könnt sogar trotz Salbe noch ne Narbe auf deiner schönen Haut hinterlassen. Das wär aber schade. - Ich glaub, dass muss sich mal jemand anderer ansehen. Ich bin gleich wieder da und mach keinen Blödsinn!“ Umgehend war er wieder hinter der Tür verschwunden.

Snowcat sah selbst nach der Wunde. Ganz vorsichtig berührte sie den Rand. Auch das tat scheiße weh. Umständlich stand sie auf und taperte zu ihrem Schrank. Von dort holte sie sich frische Socken, Unterwäsche, ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze Jogginghose.

Unter Schmerzen zog sie sich an. Wer jetzt auch immer kam, um sich die Verletzung an zu sehen, irgendwie wollte sie nicht nackt auf denjenigen treffen. Dann ließ sie sich erschöpft in die Kissen fallen. Die Wunde hatte wieder angefangen zu bluten.

Bald darauf klopfte es abermals. Diesmal kam aber niemand gleich hinein. „Komm rein, ist offen!“, sagte sie.

Neon kam herein mit… Craven im Schlepptau. Snowcat war unendlich froh darüber, angezogen zu sein. „Hoi, Lieutenant!“; sagte sie einfach nur.

Craven kam zu ihr herüber. Snowcat fand seinen Gang unglaublich männlich. Er lächelte: „Neon sagt, ich soll mal nach deiner Verletzung sehen!“

„Ich wusste gar nicht, dass du Ahnung von Medizin hast.“ Snowcat schob ihr T-Shirt hoch. Sie gab sich Mühe, nicht mehr Haut als nötig zu zeigen.

„Hab ich auch nicht“, Craven bewegte seine Finger, „aber ich hab magische Hände!“ Sein breites Grinsen ging in ein sanftes Lächeln über: „Auch wenns dir schwer fällt, entspann dich!“ Dann berührte er die Wunde ganz sanft. Snowcat spürte ein leichtes Kribbeln und wohlige Wärme breitete sich aus.

„Wow“, seufzte sie, als bald darauf der Schmerz nachließ und dann vollkommen aufhörte, „tatsächlich magische Hände!“

„Hab ich doch gesagt. Ich halt immer, was ich verspreche.“ Craven grinste wölfisch und gönnte sich einen langsamen Blick über ihren Körper. Dann stand er auf: „Ruh dich noch etwas aus. Manchmal wird einem schwindelig, wenn man es nicht gewohnt ist. Aber baden kannst du jetzt so lange du willst!“ 

Bevor er die Tür erreicht hatte, rief Snowcat noch: „Craven… danke!“

„Gern geschehen!“, sagte er und schloss hinter sich die Tür.

Seine noch im Raum schwebende Präsenz zerplatze, als Neon sagte: „Dann werd ich jetzt noch mal deine Schulter vereisen. Zieh mal dein T-Shirt aus.“

„Oh, wie romantisch!“, fand Snowcat.

„Nun hab dich mal nicht so. Da ist nichts, was ich nicht schon gesehen hätte.“

Snowcat sah in dieser Bemerkung eine Herausforderung  und zog langsam ihr Shirt aus. Neon wurde rot: „Was aber nicht heißen soll, dass der Anblick nicht immer noch aufregend ist“, er schluckte hörbar, „Wahnsinnig aufregend sogar.“, fügte er leise hinzu. Schweigend sprühte er das Spray großflächig auf. Dann räusperte er sich: „Du solltest dich jetzt echt noch etwas ausruhen. Ich nehm das Sturmgewehr und das Medkit einfach gleich mit. - Heute Nacht werden wir  nicht auf der I5 fahren. Aber es sieht so aus, als hätte Lord Togo auf Stings Nachricht reagiert. Die üblichen Beobachtungsposten in der Nähe unseres Kerngebiets wurden vorsichtshalber verstärkt und ein paar Barkeepern wurde geraten, die Schrotflinte unter der Ladentheke bereit zu halten. Du hast heute erstmal Ruhepause, ist aber nicht schlimm, für heute wird eh nichts Neues mehr geplant. Aber morgen geht bestimmt was ab. Wär’ doch cool, wenn du da wieder richtig fit bist. - Wenn was ist, oder du einfach reden willst, dann piep mich an.“

Snowcat nickte: „Danke für alles Neon. Ich glaub, ich komm jetzt schon allein klar. Kannst du mir noch den Kaffee rüberreichen, bevor du gehst?“

„Klar doch!“ Neon brachte ihr Kaffee und Muffin. „Ach so, noch was, es ist ne Art Trauerfeier für Bloody Mary angesetzt. Aber sie findet erst nach Beendigung der Kriegshandlungen statt. Bei soner Feier gibt’s immer viel zu trinken und jetzt können wir zugedröhnte Köpfe nicht gut gebrauchen.“

 Nachdem er das Zimmer verlassen hatte, machte sich Snowcat über seine Gaben her. Es schmeckte köstlich. Sie hätte von Beidem noch gut eine weitere Portion vertragen können. In Ermangelung dessen nahm sie sich einen Becher selbst erhitzenden Kaffee nebst Schokoriegel aus ihrem kleinen Vorratsschrank.

Danach fühlte sie sich einigermaßen satt und putzte sich die Zähne. Dann legte sie sich auf die Matratze, schaltete Musik ein und kuschelte sich in die Kissen.

Katze setzte sich auf ihren Bauch.

„Weißt du Katze, dass mit Bloody Mary ist schon scheiße. Ich mochte sie echt gern. Sie war meine erste Freundin hier. Aber wenn ich über die Sache so nachdenke, dann ist sie an ihrem Tod ein bisschen selber Schuld. Sie hätte wissen müssen, dass der Clip leer ist und deshalb hätte sie einfach in Deckung springen sollen. Mit ner leeren Waffe auf den Trog zu zielen, das war echt blöd!“

„Und Elfenmädchen, hast du was daraus gelernt?“

   „Mit Sicherheit, aber was sollte ich denn deiner Meinung nach daraus gelernt haben Katze?“

„Nun Elfenmädchen, zu allererst, dass es immer gut ist, nicht in der ersten Reihe zu stehen, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Und dann noch, dass man es sich niemals leisten kann, ein Stück Beute beim Spielen aus den Augen zu lassen.“

„Ja! Nun, Katze, vielleicht kann ich ja morgen schon etwas von dem Erlernten anwenden. Oder besser nicht?“

„Ach weißt du, Elfenmädchen, ich würde es ja besser finden, du könntest morgen zu Hause bleiben und dich dem Männchen widmen, auf das du so stehst. Diese ganze im- Rudel- Jagerei und das dazu gehörige Kläffen  geht mit tüchtig auf die Nerven.“

„Na ja aber ich…Hey, Moment mal Katze, welches Männchen meinst du?“

„Na diesen Craven, wegen dem du dich die ganze Zeit schon so rollig aufführst.- Und nun schlaf noch ein bisschen. Ach und Elfenmädchen, bis du eingeschlafen bist, kraul mich!“

„Schlafen? Nee, das Koffein wirkt und ich hab ne ganze Nacht voll Schlaf hinter mir. Ich seh lieber noch was im Trid an. Kraulen tue ich dich aber trotzdem. Und Katze, ich bin nicht rollig!“

„Doch bist du. Außerdem kann man nie genug Schlaf haben, aber wenn du mich kraulst, bin ich zufrieden, Elfenmädchen!“

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*