Episode 11/16: Blood is thicker than water, part 2 (Run 69)

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‹Guten Morgen, Drachenkätzchen. Ich rate dir, dich auf die andere Seite zu drehen, sonst guckst du direkt in die Sonne, wenn du die Augen aufmachst›, meinte Katze.

‹Ehimmm.›, lautete meine Antwort.

Aber ich hörte auf Katze und drehte mich mit geschlossenen Augen um.

Ich lag auf dem Boden. Feuer konnte ich keines riechen, auch kein Lagerfeuer, das erst vor kurzen erloschen war. Dafür kam aus der Ferne der Gestank von Abgasen rüber geweht. 

Ich atmete tief ein. Harlequin? Doch er war nicht hier. Ich vermisste ihn für einen Augenblick. Dann lächelte ich. Ich konnte Finn ganz in meiner Nähe riechen.

Da war ein kleiner Impuls aufzuspringen, um zu rennen und zu jagen. Doch ich unterdrückte ihn erfolgreich.

Eines war klar, noch bevor ich die Augen öffnete, ich war nicht mehr im Trailerpark von Laughs To Much. Und - ich atmete erleichtert auf, nachdem ich das erspürt hatte …

‹Nein Drachenkätzchen, du bist nicht nackt. Aber nun trödle nicht. Hob. Hob.›, meinte Katze.

Ich öffnete die Augen und erhob mich.

Ein Zettel fiel von meinem Bauch.

Ich trug Cowboystiefel, Blue Jeans und Tank Top und sonst war da … nichts.

Kein Commlink, keine Waffen, oh Schreck und kein Black Tooth Dagger. 

Ich sah mich um.

Da links, nicht einmal 10 Meter von mir entfernt, erhob sich Shark Finn und kam sofort zu mir rüber gelaufen. Auch er hatte nur das an, was er gestern Abend getragen hatte. 

Etwa weiter rechts regte sich Mr.Jack.

Mein Blick war kurz auf den Boden gerichtet und mein Herz machte einen Freudenhüpfer, da vorne war mein Dolch. Im Vorbeigehen hob ich den Zettel auf.

Wir sammelten uns an der Stelle, an der ich den Black-Tooth-Dagger gefunden hatte, einfach, weil ich dort stehen geblieben war. 

Columbo, TriXhot, BCG, Bubbles, sie alle waren ebenfalls da und unversehrt, soweit man das sofort feststellen konnte. 

Auf den Gesichter meiner Kollegen zeichnete sich eine Flut von Gefühlen ab. Das ließ mich vermuten, dass sie in den letzten Jahren oder Stunden ähnliches erlebt hatten wie ich.

Ich fühlte mich ein wenig desorientiert und versuchte das abzuschütteln. 

Ob wir inzwischen wohl über die Grenze und in den Sioux waren, fragte ich mich. 

Wahrscheinlich. Aber wo waren unserer Sachen und unser Wagen? 

Shark Finn sah mich ernst an.

Ich lächelte, „Mach dir keine Vorwürfe. Das zu Rauchen war die geheime Prüfung. Wäre das eine Bedrohung gewesen, hätte deine Intuition dich gewarnt.“

Der Fomori zögerte, nickte dann aber zustimmend.

Genau, da war ja noch der Zettel:

>Willkommen in der Sioux Nation. Geht nach Osten und haltet nach einem Truck Ausschau. Man wird Road Runner rufen und ihr müsst Super Genius antworten. Hug an kisses LTM<

Ich sah in den Himmel „Hier steht, wir sind in den Sioux und sollen nach Osten gehen. Das heißt,“ ich zeigte nach Osten, „Wir gehen in diese Richtung. Laut der Nachricht auf Papier wartet da dann irgendwo ein Truck auf uns.“

„Und unsere Sachen?“, frage Bubbles. „Steht da was über unsere Sachen?“ Sie hatte die Frage in einem neutralen Tonfall gestellt, ohne Wut, Sorge oder Argwohn. 

Ich schüttelte den Kopf, „Nein, steht da nicht. Da steht nur noch der Codesatz zur Identifizierung mit dem Truck-Fahrer.“ Ich schmunzelte, „Aber ich habe meinen Dolch direkt hier gefunden. Also wer weiß.“ Ich zuckte mit den schmalen Schultern.

Mr.Jack sah sich um und meinte, „Ungefähr fünf Meter voraus liegt auch etwas.“

Trixhot stellte sich auf die Zehenspitzen, „Oh ja, ich sehe da eine Menge Dinge im Osten liegen. Da hinten sind auch meine Babies. Los lasst uns gehen!“, sie wartete kurz und als ich nickte, begann sie zu laufen.

„Weiß jemand welcher Tag heute ist?“, fragte Columbo.

Was in dem Moment noch niemand wusste, denn wir hatten ja keine Commlinks.

Also folgten wir TriXhot.

Nach wenigen Schritten bemerkte ich, dass es mir leicht fiel, all mein Zeug wieder zu finden. Ich konnte riechen, wo meine Dinge lagen. An ihnen haftete mein Geruch. Und verdammt, ich sah nicht nur gut aus, ich duftete auch gut. Nur wenig Schweiß, ein sanft pudriger Eigengeruch, eine Menge weibliche Hormone, Limonenduschgel vom Vortag und ein Hauch ‚Kiss Of Summer‘. 

Wenn ich mich auf die Existenz als Puma konzentrierte, konnte ich die anderen eindeutig identifizieren und ihnen sogar Gegenstände zuordnen.

Das war alles unglaublich faszinierend.

Den anderen schien es ähnlich zu gehen. Auch sie hatten etwas geschenkt bekommen. Es war nicht bei allen der Geruchssinn, TriXhot zum Beispiel, konnte nun kleinste Dinge in der Ferne besser mit den Augen fokussieren. 

Die vergangene Nacht hatte bleibende Spuren bei uns hinterlassen.

Ja, nur eine Nacht, wie sich bald herausstellte, als wir das erste von unseren Commlinks wieder fanden.

Dank unsere verbesserten Sinne fanden wir alles, was wir gestern Abend am Lagerfeuer bei uns gehabt hatten. Nichts fehlte, sogar die Insektenlampen von Bubbles waren dabei.

Obwohl, eines fehlte doch. Unser Bison und mit ihm all das Zeug, was wir nicht mit ans Lagerfeuer genommen hatten.

Laughs To Much hatte uns auf eine eigentümliche Art über die Grenze gebracht. Hätte man vorher davon gehört, man hätte ihn wohl als Coyote abgelehnt.

Oder vielleicht auch nicht. 

Das war eine abenteuerliche, ganz besondere Erfahrung gewesen.

[Song 7: N’we Jian Artists - Home To Me4] Nach einigen Minuten Fussmarsch näherten wir uns einer Landstrasse. Der Geruch von Motoren, Asphalt und Staub war deutlich stärker geworden.

Wir sahen den Truck anhand der Staubwolke, bevor wir den ihn hörten. Ein gewaltiger Abschlepper hatte die Strasse verlassen und fuhr nun in unsere Richtung.

Hinten drauf hatte der Truck unseren Ford Canada Bison geladen.

Alles war gut.

Als der Wagen näher kam, drosselte er deutlich das Tempo.

HONK, HONK, dröhnte es ziemlich laut.

Eine junge, zierliche, menschliche Native American saß hinter dem Steuer des Ungetüms, streckte den Kopf aus dem Fenster und rief laut, „Road Runner!“

Ich erwiderte, wie mir aufgeschrieben worden war, „Super Genius!“

Sie stoppte das Fahrzeug.

«Können wir der trauen?», fragte Columbo via Teamkanal.

«Müssen wir ja.», erwiderte BCG.

Ich schmunzelte leicht, «Wir können ihr genauso weit trauen, wie Laughs To Much. Sie hat unseren Wagen und sie ist unser nächster Kontakt. Ohne sie haben wir nichts.»

Sowohl Columbo, als auch BCG nahmen es zwiegespalten hin und im Moment schien bei ihnen der Ärger über die Art des Grenzüberganges zu überwiegen.

Ich trat an die Fahrerseite, „Hallo ich bin Snowcat und du bist unser Weitertransport?“

Die junge Frau hatte ein freundliches Gesicht, „So sieht es aus. Ich bin Light Foot. Ihr könnt einfach in euren Bison klettern. Schöner Wagen übrigens, sieht man heute nicht mehr so oft. Wer mag, kann auch vorne bei mir mitfahren. Für ein Paar von euch ist hier noch Platz.“

Aus dem Augenwinkeln konnte ich sehen, wie BCG die Arme verschränkte, «Ich muss den Bison erstmal durchchecken.», sagte er an.

„Ich nehme das Angebot sehr gerne an und fahre bei dir mit.“, meinte ich im fröhlichen Ton zu Light Foot. Dann lief ich vorne um den Wagen herum, während alle anderen aus dem Team auf den Anhänger stiegen und im Bison verschwanden.

Alle, bis auf Shark Finn natürlich. Er öffnete mir die Beifahrertür und ich stieg in den Truck.

Das Cockpit war breit genug, damit man zu dritt in der ersten Reihe sitzen konnte. Sogar, wenn einer der Drei ein Troll war. Außerdem war Light Foot wirklich sehr zierlich und ich nahm auch nicht gerade massenhaft Platz weg, wenn man von meinen langen Beinen einmal absah.

Light Foot grinste mich freundlich an, bevor sie den Truck geübt in Bewegung setzte, halblaut meinte sie, „Du bist irgendwie anders, als die anderen, aber keine Sorge, dein Geheimnis ist bei mir sicher.“

„Das freut mich zu hören.“, meinte ich weiterhin im fröhlichen Ton.

Als sie auf den Highway fuhr und abgelenkt war, nahm ich augenblicklich astral wahr. 

Wow! Deshalb hatte sie gemerkt, dass ich anders war. Light Foot war ein Luftgeist. Und zwar ein Freier Luftgeist. Eine Information, die ich mal wieder nicht an die anderen weiter gab. „Ich sage es auch keinem.“, versprach ich verschwörerisch. „Wie bist du auf das Passwort gekommen?“, wollte ich noch wissen.

Sie lachte, „Das war ich nicht. Laughs To Much denkt sich immer solche komische Passwörter aus.“

Ich lachte ebenfalls, „Na, zu ihm passen ungewöhnliche Passwörter ja auch.“

«Soweit ich sagen kann, ist alles da und nichts verändert oder dazu gekommen.», meldete BCG.

«An meinem Zeug war auch keiner dran.», fügte Bubbles hinzu.

Inzwischen erzählte Light Foot, „Ich bring euch jetzt nach Butte8 …“

„Warte bitte kurz.“, unterbrach ich sie, „Ich stelle mein Comm so ein, dass die anderen dich auch hören können.“

„Okay…“, begann die zarte Light Foot ihren Satz von vorn, „Ich bring euch jetzt nach Butte, besser gesagt nach Butte Below. Butte selbst liegt 1700 Meter über Null, also ziemlich hoch. Butte ging aus einer Bergbausiedlung hervor. Erst hat man da Gold und Silber gefördert, aber mit der Erfindung von Elektrizität ging es hauptsächlich um Kupfer und davon gab es reichlich - und darum gibt es in die Erde auch reichlich breite Stollen und ein großes Netz an unterirdischen Wegen und da aus dem Tiefbau irgendwann Tagebau wurde, dehnte sich das alles aus. Warum ich das erzähle? Na weil aus diesem System aus Tunneln und Wegen inzwischen Butte Below geworden ist. In Butte samt Butte Below leben so 60.000 Einwohner. Es gibt relativ viele Anglos in Butte und die meisten davon leben in Butte Below. Aber keine Sorge, BB ist weit davon entfernt so etwas wie die Slums zu sein. Das ist eine ausgebaute Anlage, die zu einem schönen Stadtbezirk wurde und die Luft ist dort zum Beispiel deutlich besser, als oben. Ich mag Butte Below sogar lieber, als The Butte. Passende Klamotten habt ihr ja schon und darauf solltet ihr auch achten, denn die Anglos, die hier leben, sind so angepasst, dass sie die gleiche Kleidung wie die Sioux tragen. Tragt ihr moderne High Tech-Anzüge, Konzernanzüge oder so einen Kram, identifiziert man euch nicht nur als Anglos, sondern auch als Außenseiter. Auf Umweltschutz wird geachtet, also schmeißt keinen Müll irgendwo hin - und ganz wichtig, hier in den Sioux hat man es so gar nicht mit Drogen. Das ist auch in Butte so und es gilt für alle Drogen, von der Kampfdroge über Alkohol bis hin zum Tabak! Auch das Rauchen einer Pfeife ist verboten. In Zeremonien ist es erlaubt und gebräuchlich, allerdings muss man dann dafür vorher eine Genehmigung beantragen.“

„Es ist also keine gute Idee, mal vor die Tür eine rauchen zu gehen!“, hielt ich fest.

Light Foot griente, „Du sagst es.“ Das zierliche Mädchen überlegte kurz, „Ach ja, macht keine Scherze auf Russisch, nicht mal mit russischem Akzent. Wer von Hause aus einen russischen Akzent hat, sollte am besten völlig die Klappe halten, wenn andere ihn hören können. Hier gab’s vor ein paar Jahren mal Probleme mit Vory. Seitdem kommt Russisch gar nicht gut an. Und den Eindruck ein Azzie zu sein, sollte ihr auch nicht erwecken, die kann hier nämlich keiner leiden. So wenig, das auch ein Akzent von da Ärger bedeuten kann.“ 

Wie gut, dass Metge nicht dabei war. Ja er war kein Azzie, sondern Katalane. Aber wer konnte schon den einen spanischen Akzent von einem anderen unterscheiden?  

Light Foot rieb sich an die Nase, „Ja, ich glaub jetzt hab ich alles, was ihr wissen müsst.“

„Vielen Dank, das war sehr aufschlussreich.“, meinte ich ehrlich, „Wir werden das alles beherzigen, versprochen.“ Dann lehnte ich mich zurück und genoss die Fahrt durch den Silver Bow County.

Als Light Foot von Butte Below gesprochen hatte, hatte ich mir möglichst wenig vorgestellt. Ein Stadtbezirk in alten Mienenstollen, klingt einfach nicht nach einem schönen Ort, selbst wenn die Luft dort gut ist.

Butte Below überzeugte mich vom Gegenteil, als wir die Abfahrt hinunter fuhren. 

Breite Strassen, sanft bearbeitete Steinwände, Mosaike hier und da, ästhetisches AR-Design, das alles zeugte davon, dass man sich eine Menge Mühe gemacht hatte und weiterhin Mühe gab, alles instand zu halten.  

Am meisten beeindruckte mich jedoch das Licht. Die Intensität war dem Tagesniveau draußen angepasst. Lampen waren überall verteilt und die braunen Steinwände verpassten all dem einen mediterranen Terrakotta-Touch. 

Außerdem gab es diverse Schächte, die den Blick nach oben ans Tageslicht freigaben. Wenn sie breit genug waren, befand sich darunter ein Platz und als Highlight waren viele der Schächte mit einem lichtdurchlässigen Mosaik verschlossen. Ich nahm nicht an, dass dort Glas verwendet worden war, aber es sah aus, als wären es Fenster zum Himmel aus buntem Glas.

Ich habe Mosaik-Fenster schon so lange ich denken kann, als wunderschön empfunden.

Die Wohnhäuser und Geschäfte waren zu einem Teil in das Gestein eingelassen. Blickte man die Häuserflucht entlang, was es schwer zu sagen, wo ein Haus begann und ein anderes endete. Das und die markierten Bürgersteige, erinnerten mich an den Ork Underground. Ein Ideenaustausch der Bauherren und Ingenieure zwischen Butte Below und dem Ork Underground wäre bestimmt eine gute Sache.

Light Foot hielt vor einem zweistöckigen Haus mit Garage und gab mir eine Keycard. „Macht es euch drinnen schon mal gemütlich, ich lass in der Zwischenzeit den Bison runter. Man kann direkt von der Garage ins Haus. Ihr könnt also auch später ausladen.“

«Ich bleib gleich im Wagen, dann kann ich ihn rein fahren, wenn der Bison denn darinnen Platz hat.», meldete BCG.

Ich leitete die Frage weiter und ja, der Bison konnte Platz in der Garage finden und darum waren Shark Finn, Mr.Jack und ich die einzigen, die das Haus durch die Eingangstür betraten. 

Wobei mir gerade einfällt, dass ich noch nicht erwähnt habe, dass Shark Finn sein sonst rotblondes Haar vor der Abreise dunkel gefärbt hatte. Das hole ich hiermit nach. Auch Bubbles trug ihr Haar die gesamte Zeit über schwarz und gönnte sich nur hin und wieder ein paar blaue Strähnen.

Dennoch gab es diverse Gründe, warum sich einige von uns erstmal nicht auf der Strasse von Butte Below sehen lassen wollten.

Noch etwas, an dieser Stelle muss ich den Gründern und Technikern von Butte Below mein Lob aussprechen. 

Die Qualität der Luft ließ nichts zu wünschen übrig und das, obwohl es hier Fahrzeuge gab, die tatsächlich auch fahren durften. Davon konnte sich der Ork Underground mehr als eine Schreibe abschneiden. Selbstverständlich waren die Vorraussetzungen an beiden Orten völlig andere, aber so gute Luft war selbst in normalen Kleinstädten schwer zu finden.

Das Safehouse war mit vier Schlafzimmern und zwei Bädern geräumig. Insgesamt war es angenehm und funktional eingerichtet, wobei der Touch ‚Native American‘ all gegenwertig war. Hier gab es wenig Chrom und soweit möglich, war alles aus natürlichen Materialien. Für den Tisch aus Holz würde man in den UCAS ein kleines Vermögen zahlen müssen. 

Nachdem BCG den Bison geparkt hatte und das Garagentor geschlossen worden war, holten wir einen Teil unseres Gepäcks aus dem Bison rüber und machten es uns in der Mischung aus Wohnzimmer und Küche gemütlich.

Light Foot setze sich nicht, „Ich werden dann gleich mal wieder los, um die Information zu besorgen, die ihr noch braucht. Ich schätze mal, ich bin heute Abend wieder zurück. Ihr habt also ein paar Stunden Zeit. Seht euch ruhig in Butte um, aber legt euch nicht mit den Einheimischen an und macht nicht irgendwelchen Ärger, der Sicherheitskräfte auf den Plan ruft.“ Light Foot zwinkerte mir zu, „Aber was sag ich, ihr macht das schon.“

Ich lächelte, „Ja klar. Dann bis später.“

„Bis später.“, sprach Light Foot und verließ das Haus ordentlich zu Fuss durch die Tür, so als wäre sie kein Geist.

Während Columbo die Küchenschränke nebst Kühlschrank auf Vorräte checkte, begann Bubbles damit, sich auf einem Klapptisch aus dem Bison eine Bastelecke nahe des Esstisches im Safehouse einzurichten. 

Immer wenn sie zwischen Garage und Wohnung hin und her lief, um etwas zu holen, wurde sie von dem Arachne-Pack begleitet, welches einst FTW gehört hatte. Der Söldner hatte die sechs kleinen, achtbeinigen Walkerdrohnen der Marke Lock Heed Arachne vom Händler auf den Markt in Konstantinopel nur unter der Prämisse erwerben dürfen, dass er alle sechs nahm und versprach, sie zusammen zu lassen. Was er auch getan hatte. Nach dem Tod von FTW hatten sich die Drohnen im Garten des Bootshauses so lange rumgetrieben, bis sie irgendwann von Bubbles adoptiert worden waren. Vielleicht war es auch umgekehrt, vielleicht hatten die Drohnen auch Bubbles adoptiert. Die kleinen Teile verhielten sich unheimlicher Weise oft so, als hätten sie einen eigenen Willen. Bubbles hatte sie geputzt, auf Vordermann gebracht, sie real und via AR mit Gesichtern versehen, damit man sie unterscheiden konnten und ihnen obendrein noch Namen gegeben. Ducky, Spike, Luke, Lucky, Struppi und Tim begleiteten das Mädchen jetzt also immer, wenn sie nichts anderes zu tun hatten und Bubbles sich an keinem öffentlichen Ort befand.

Nachdem Bubbles nun Werkzeug und Sprengstoff ordentlich auf den Tisch sortiert hatte und zu basteln begann, verteilten sich die sechs Drohnen um den Tisch herum. Da jede von ihnen mit einer Maschinen-Pistole bewaffnet war, bezogen sie regelrecht Stellung. Die leisen Servomotoren surrten immer wieder, wenn Bewegung durch die Drohnen ging, so als müssten sie ihre Beine ausschütteln oder konnten aus irgendeinem anderem Grund nicht still sitzen bleiben.

Zugegeben, die Servos surrten so leise, dass ich sie nur mit meinen gespitzten Ohren wahrnehmen konnte und auch nur, wenn die Umgebungsgeräusche nicht all zu laut waren. Ich achtete mehr unterbewusst immer auf sie, seit sie mich einmal im Garten lauernd, gehörig erschreckt hatten. Ich hatte daraufhin übrigens zu ihnen gesprochen und dabei das Gefühl gehabt, sie hätten mich verstanden. Sie machten mir auch keine Angst, ich wollte einfach nur wissen, wo sie gerade waren.

[Song 8: A Tribe Called Red - Bread and Cheese4]„Und, was interessantes in den Schränken entdeckt?“, fragte TriXhot Columbo, der gerade mit skeptischem Blick die Rückseite einer Fertiggericht-Verpackung studierte.

Der Mann schüttelte den Kopf, „Nicht wirklich. Laut Zutaten gibts viel Fleisch und Sachen aus Mais. Aber ich trau den Produkten nicht, ich kenn’ die Hersteller-Firmen nicht.“

TriXhot verdrehte die Augen, „Oh man, du immer mit deinem Markenwahn.“

„Was denn? Du bist doch, was du isst. Da kann man doch schon mal drauf achten.“, rechtfertigte Columbo sich. „Aber ich habe von den Herstellern ehrlich noch nie gehört.“

BCG griente, „Ist doch nicht weiter verwunderlich. Ares ist nicht gerade für Lebensmittel berühmt. Asiatische Soynudeln sind nicht nach dem Geschmack der NAN und Aztechnology können die Sioux nicht leiden, da bleiben ja nur eigene Produkte übrig.“

Columbo zuckte mit den Schultern und nahm sich die nächste Rückseite vor. „Mag sein, aber dann habe ich wenigstens mit Büffelhoden gerechnet.“

Trixhot lachte, „Nicht dein Ernst?“

Ich begann zu schmunzeln, „Aber Büffelhoden ist doch eine Spezialität und nichts für ein Fertiggericht.“, erklärte ich.

Die Augen von TriXhot weiteten sich vor Überraschung, „Echt jetzt?“

Ich nickte, „Ja, soll so sein. Ich hab schon mal getrocknete Büffelhoden-Streifen in einem Truckstopp in den NAN gesehen. Ich weiß aber nicht, ob das verbreitet ist.“

Plötzlich und ohne, dass es ein sichtbares Signal gegeben hatte, kam Bewegung ins Sixpack. Ich beobachtete sie aus den Augenwinkeln und stellte fest, dass drei der Drohnen Columbo in die Sensoren nahmen, während sich die anderen drei BCG widmeten.

Ich fuhr fort, „Sugmani hat auch viel über Büffelhoden erzählt. Der Verzehr soll Potenz-steigernd sein. Besonders, wenn man sie isst, wenn sie noch roh und blutig sind.“

„Igitt!“, kommentierte TriXhot nicht ganz unberechtigt.

Ich lachte, „Naja jedenfalls sind Büffelhoden teuer und ich weiß auch nicht, ob das nicht nur ein Scherz ist, den sich die Ameri-Indianer gerne mit den Anglos machen.“

„Wer ist Sugmani?“, wollte BCG wissen.

„Sugmani gehört auch zu den gefallenen Ehemaligen von UC. Sie war eine tolle Person, Bärenschamane, Ork und Shadowrunner mit viel Erfahrung. Die Tomahawks an der Gedenkwand im Bootshaus haben ihr gehört.“, erklärte ich mit etwas Wehmut in der Stimme.

Shark Finn fügte hinzu, „Und sie war eine alte Freundin meiner Familie. Sparky, Arcade und Bubbles haben Omi zu ihr gesagt.“

„Columbo, hast du bei deiner Suche zufällig auch Tee entdeckt?“, fragte Mr.Jack und überbrückte die Stille, die kurz eingetreten war.

„Ja, oben rechts gibts Kräutertee. Gleich neben dem Instant Kaffee.“, antwortete Columbo.

„Zumindest steht Kaffee also nicht auf der Drogenliste.“, freute ich mich.

Mr.Jack war aufgestanden, um sich den Tee anzusehen. Er roch daran und schien nicht überzeugt.  „Weder schwarzer noch grüner Tee.“, erklärte er eine Spur enttäuscht.

Katze war auf den Küchentresen gesprungen, um ebenfalls an dem Tee zu schnuppern. Im Gegensatz zu Mr. Jack, schien ihr der Geruch zu gefallen.

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‹Immerhin handelte es sich bei dem Kräutertee um echte getrocknete Kräuter, die man in Seattle wohl nur im Spezialgeschäft oder beim Taliskrämer bekommen würde Drachenkätzchen.›

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„Du Columbo,“ fragte Bubbles, „warst du eigentlich mal bei Ares?“

Columbo sah Bubbles an und erwiderte im neutralen Ton, „Ja, war ich.“

Das Gesicht des Mädchens verzog sich argwöhnisch und sie legte in einer ruhigen, irgendwie drohenden Bewegung das Werkzeug hin, welches sie eben noch in der Hand gehalten hatte.

Die Servomotoren des Arachnepacks surrten und diverse Drohnenbeine bewegten sich.

Doch bevor Bubbles noch etwas sagen konnte, trat Shark Finn in ihr Sichtfeld und fragte, „Hast du heute eigentlich schon was gegessen Bubbles?“

Bubbles überlegte kurz, „Ja.“

„Und was?“, harkte Shark Finn nach.

Sie begann aufzuzählen, was sie gegessen hatte. Shark Finn hatte sie erfolgreich vom Thema Ares abgebracht.

„Ich bräuchte noch normale Holster für meine Babies.“, erklärte TriXhot, „Ob wir die hier wohl irgendwo kaufen können? Ich hab nur Tarnholster dabei.“

Ich nickte, zog den AR-Plan der Stadt hervor, den Light Foot uns gegeben hatte und öffnete ihn.

Entsprechende Geschäfte gab es auch gleich hier in Butte Below. Ich markierte die Läden, zoomte den Kartenausschnitt, schnippte ihn in die Mitte des Raumes und erklärte, „Da können wir locker zu Fuss hingehen.“

TriXhot sah zu Mr.Jack, „Magst du mitkommen? Dann kannst du nach Tee Ausschau halten.“

Mr. Jack erwiderte, „Nein danke. Ich möchte lieber ungesehen bleiben, wenn möglich. Mein Haar ist ziemlich kurz und ich bin kein Angehöriger des Sioux Militär.“, er zwinkerte TriXhot kurz zu, „Ich möchte in keinem Fall für jemanden gehalten werden, der nichts von sich selbst hält. Das stünde mir nicht gut zu Gesicht.“ Er lächelte wissend, „Aber vielleicht könntest du für mich nach Tee Ausschau halten? Das wäre sehr freundlich.“

„Klar mach ich oder machen wir.“, kam von TriXhot als Antwort. „Ich bin doch nicht die einzige die noch raus will?“

Columbo drehte sich um. 

Die Servomotoren von drei Arachne surrten. 

„Ich möchte mit.“, erklärte Columbo, „Lederjacken und Baumwoll-Jeans sind hier deutlich preiswerter und ich will wissen, ob die hier irgendwo Büffelhoden verkaufen.“

Das Grinsen in TriXhots Gesicht wurde noch breiter, „Na denn.“

Columbo sah zu mir, „Ich würde es begrüßen, wenn du auch mitkommst Snowcat, schon allein wegen möglicher Sprachbarrieren. Aber auch sonst, wäre es besser.“

‹Sie mal einer an Drachenkätzchen,› kommentierte Katze überrascht, ‹Columbo fragt von sich aus. Das ist zwar noch weit entfernt, von der Anerkennung, die du verdienst, aber es ist ein Anfang.›

Ich lächelte, „Ja gerne. Shoppen zu gehen ist doch immer ein guter Zeitvertreib.“

Shark Finn stand auf und kontrollierte die Ärmel seines Hemdes. Selbstverständlich würde er nun auch mitkommen.

Die anderen Drei blieben im Safehouse.

Wir steuerten eine mittelgroße Ladenzeile an und besuchten so gut wie jedes Geschäft, das in irgendeiner Form unser Interesse erweckte. 

Trixhot erwarb zu allererst zwei Holster, in denen sie ihre Babies offen tragen konnte. 

In einem größeren Geschäft für Kleidung verliebte ich mich augenblicklich in eine bestickte Lederjacke [Bild], die ich einfach kaufen musste. Ich konnte gar nicht anders. Aber auch TriXhot und Columbo hatten Jacken gefunden, die ortsüblich und richtig hübsch waren.

Selbstverständlich fielen wir auf. Ich falle immer auf, besonders, wenn ich keine Sonnenbrille trage.

Es kostete mich nur wenig Charme, die Mitarbeiter in den Geschäften für mich einzunehmen und von den Anglos in meiner Nähe abzulenken. Meine Coverstory saß und dank rotbrauner Hautfarbe und schwarzem Haar, nahm man mir das Halbblut fast schon all zu leicht ab.

Mit etwas Empathie, von der ich zum Glück eine Menge besitze, gelang es mir locker, mich in die Kultur einzugliedern und so während jeden Gesprächs Neues über die Gegebenheiten zu lernen.

Wenn ich gewollt hätte, hätte ich sicher auch mehr von den Männern und Frauen in Butte bekommen können, als weitere Einkauf- und Kulturtips. 

Doch ich hatte es ja gemäßigt angehen lassen wollen und darum verzichtete ich darauf. 

Ob ich mit meiner Aussage über meine Wirkung übertreibe? Warum sollte ich? Ich habe nun mal in der genetischen Lotterie den Hauptpreis gewonnen und wenn man das mit freundlichem, offenem Auftreten mischt, kommt man sehr weit. Abgesehen davon habe ich wirklich Interesse daran, mein Gegenüber kennen zu lernen. Mit jedem einzelnen Wesen, welches ich treffe, lerne ich etwas über den Lauf der Welt und den Verbindungen, die alles durchdringen. 

Kennen lernen, heißt verstehen lernen. 

Es wäre doch pure Verschwendung hierbei nicht all das zu nutzen, was mir gegeben wurde!

Ob ich mich für ein Geschenk an die Metamenschheit halte? Selbstverständlich nicht, ein Geschenk zu sein, würde bedeuten, dass mich jemand besitzen darf.

Richtig guten Tee aus schwarzem oder grünem Tee für Mr. Jack fanden wir keinen. Er würde sich wohl mit dem begnügen müssen, was er an Tee mit in den Bison genommen hatte. Dafür kaufte ich gleich eine Reihe an Blütenmischungen zum Aufgießen ein, die sich bei warmen Wetter bestimmt gut als Durstlöscher machten und zudem in Duftkissen Verwendung finden könnten. 

Die Auswahl an verhältnismäßig preiswerten Naturprodukten war hier wirklich groß. 

So groß, dass Columbo tatsächlich seine getrockneten Büffelhoden fand und zusätzlich noch ein Sechserpack Büffel-Burger erwerben konnte.

Ich für meinen Teil hielt mich da lieber an einen 36iger Packen ‚in den Sioux meistverkaufte Energie-Riegel‘ aus Nüssen und Früchten. Immerhin wusste man ja nie, wann einem die Nahrung ausging. Außerdem machten sich einheimische Verpackungen einfach besser, falls man sie zum Beispiel bei einer Überwachung zurück lassen musste. Oder auch wollte, je nachdem.

Zum Schluss unserer erfolgreichen Shoppingtour - da soll noch mal jemand sagen, Runner bringen weniger Geld als normale Touristen ins Land - hielten wir nach einem Sioux-Äquivalent eines legalen Bodyshop Ausschau, da TriXhot bei der Gelegenheit gleich eine Haarverlängerung ausprobieren wollte.

Der Stadtplan wusste auch hier Rat.

„Was hat Bubbles nur immer mit Ares?“, fragte TriXhot Columbo plaudernd auf dem Weg zum Beautyshop. 

Columbo zuckte mit den Schultern, „Weiß nicht. Vielleicht will sie was von BCG?“

TriXhot verzog das Gesicht. „Das glaub ich nicht.“ Dann grinste sie und stupste Columbo leicht an, „Vielleicht will sie was von dir?“ 

Jetzt war es Columbo, der das Gesicht verzog, „Nee. So wirkt sie nicht. Kann zwar sein, aber nee.“

„Niedlich ist sie doch. Manche zeigen so etwas ja auf eine eigentümliche Art.“, erklärte Trixhot immer noch leicht grinsend.

Columbo schüttelte den Kopf, „Nein, nicht auf die Art, glaube ich zumindest. Aber selbst wenn. Niedlich vielleicht, sie kommt mir aber ein bisschen durchgedreht vor.“

TriXhot lachte fröhlich, „Ja, aber das ist doch eher ein Vorteil, als ein Nachteil finde ich.“

Columbo war nicht überzeugt, „Sie ist nicht meine Altersklasse und sie sieht auch nicht aus, wie eine anständige, amerikanische Frau aussehen sollte.“

Upps.

Shark Finn und ich waren vor den Beiden gelaufen, jetzt drehte sich der Fomori um und baute sich vor Columbo auf. Er trat so dicht an den Mann heran, dass dieser den Kopf in den Nacken legen und zu ihm aufsehen musste. Mit seiner drohenden Stimme - und ihr glaubt mir sicher, wenn ich euch sage, dass er dann sehr einschüchternd klingt - sagte Shark Finn, „Das ist meine letzte Warnung! Keine Sprüche mehr über meine Familie!“

Columbo wollte irgend etwas erwidern, Trixhot berührte ihn am Arm und raunte ihm zu, „Keine Dummheiten jetzt. Er meint es ernst - und er ist groß!“

Columbo zögerte kurz, räusperte sich und meinte, „Okay, hab ich verstanden.“

Shark Finn verharrte noch einen Moment in der Position. Er benötigte die Zeit, um runter zu kommen. Finn kniff die Augen kurz zusammen und drehte sich dann um.

Ich atmete geräuschlos auf. Auch meine Anspannung wich. 

Das war noch mal gut gegangen, denn wenn ein O’Niall wütend wurde, konnte selbst ich ihn schwer aufhalten.

„Wusste nicht mal, dass die wirklich verwandt sind.“, entschuldigte sich Columbo leise bei TriXhot.

TriXhot flüsterte, „Keine Ahnung, ob sie blutsverwandt sind oder nicht. Aber ich sag es noch mal, Shark Finn ist groß und schwer zu bezaubern, der stößt dich aus der Hose, wichtig ist nur, dass er sagt, sie ist seine Familie und er hat dich gewarnt.“

Gut anderthalb Stunden später kehrten wir ins Safehouse zurück. TriXhots Haar war nun ein deutliches Stück länger und reichte ihr bis zum Ansatz ihres Busens, was ihr ausgesprochen gut stand. 

Allerdings war ich bei meiner Aussage voreingenommen, denn ich fahre total auf langes Haar ab, bei Männern und Frauen. Etwas dass ich mit den Sioux gemeinsam habe. Ich hätte mir mein Haar ja wohl kaum bis über den Po hinaus wachsen lassen, wenn ich lange Haare nicht toll finden würde. 

„Na, alles in Ordnung?“, fragte Shark Finn Bubbles, sofort nachdem wir eingetroffen waren.

Bubbles sah von ihrem Basteltisch auf, „Ja, na klar, ich hab mit BCG gesprochen. Er ist ganz cool und hat Ares abgeschworen, aber ich hab ihm geraten, dass er seinen Kopf bei Oheim testen lassen soll, falls Ares ne Gehirnwäsche bei ihm gemacht hat.“

BCG nickte zustimmend und erklärte, „Genau, wenn, dann beim Oheim.“

TriXhot sah zu Mr. Jack, „Eine Gehirnwäsche? War irgendwas los?“

Mr.Jack schüttelte den Kopf, „Nein, die beiden haben sich friedlich unterhalten. Jedenfalls sahen sie friedlich aus, ich habe nicht wirklich zugehört.“

Was ich dann insgeheim mit, ‚er hatte zugehört, würde darüber aber nicht sprechen‘ übersetzte.

„Und warum beim Oheim und nicht bei Metge?“, erkundigte TriXhot sich.

BCG lächelte verschmitzt, ,,Das habe ich auch gefragt.“

„Und?“, meinte TriXhot erwartungsvoll.

Doch BCG antwortete nicht.

Shark Finn sprang ein, „Wir trauen dem Oheim.“

TriXhot war verwundert, „Und Metge traut ihr nicht?“

„Nö!“, kam da von Bubbles wie aus der Pistole geschossen, direkt und undiplomatisch, wie sie nun mal war. 

TriXhot sah BCG neugierig an, „Und willst du dich testen lassen?“

„Ich war zwei Stunden mit Bubbles hier zusammen. Wir haben uns unterhalten. Alles ist cool.“, äußerte sich BCG dazu ausweichend.

[Song 9: Digital Daggers - The Devil Within4]„Was ist denn nun mit dir und Ares, Columbo?“, wollte Bubbles jetzt wirklich wissen, denn der Mann erhielt ihre volle Aufmerksamkeit.

Fünf der Arachne-Drohnen hatten ihn dabei im Visier und nur noch eine behielt BCG in den Sensoren. Das sagte so einiges aus. 

Ich setzte mich und tat entspannt, blieb aber auf dem Sprung, sicher war sicher, denn diesmal wechselte Shark Finn nicht das Thema.

Colombo antwortete erstmal nicht und setzte sich stattdessen. 

Trixhot sah kurz zu Bubbles, dann zu Columbo und zurück und entschied im Anschluss, dass Columbo eventuell ihren Rat brauchen konnte. Ich fand die Idee gut, denn Columbo war manchmal etwas unglücklich in seiner Wortwahl gegenüber Frauen. Da konnte weiblicher Beistand nicht schaden. TriXhot setzte sich neben ihn.

Bubbles präzisierte im neutralen Ton, „Ob du mal Mitarbeiter bei Ares gewesen bist? Irgendwann mal, früher?“

Columbo sah sie an, „Ja, wie ich bereits sagte, war ich.“

„Bist Du da auch aufgewachsen?“, fragte sie nun.

Wieder nickte Columbo, „Auch das.“

„Und warum bist du da weg?“ harkte Bubbles nach.

„Hat sich so ergeben.“, lautete die nichts sagende, aber aus meiner Sicht verständliche Antwort. Wer wollte schon freiwillig etwas über seine Vergangenheit preisgeben?

Bubbles zog die Stirn kraus, „Aber es wird doch einen Grund gegeben haben, warum du von diesem Drecksverein weg bist?! Was hat dich an Ares gestört?“

„An Ares hat mich nichts gestört. Es war einfach nicht mehr passend für mich.“, erwiderte Columbo.

Bubbles kratze sich am Kopf, „Das versteh ich nicht, wenn da alles gut war, hättest du doch da bleiben können. Und wenn da nicht alles gut war, warum lobst du Ares immer noch so? Hat bei dir die Gehirnwäsche stärker gezogen oder was?“

„Ich lobe Ares, weil sie die besten Produkte haben. Was hast du gegen Ares?“, fragte Columbo nun.

Bubbles holte tief Luft und ich konnte sehen, dass ihr schon der Gedanke an Ares nahe ging, „Ares ist ein faschistischer, waffenbesessener, chauvinistischer Konzern, der sich einen Scheiß um Metamenschen schert und von einem faschistischen, überheblichen, waffenbesessenen, selbstverliebten, chauvinistischen Egomanen geleitet wird, für den Waffengewalt IMMER eine Lösung ist!“ Die zierliche Frau war erfüllt von kalter Wut, die jegliche andere Gefühle überschattet zu haben schien. Kalte Wut ist um ein vielfaches gefährlicher als heißer Zorn.

Columbo blieb ruhig, „Das mag sein, aber damit ist er doch auch nicht schlimmer, als andere Mega-Konzerne.“

Augenblicklich entbrannte ein Streit. 

„Gräueltaten werden doch nicht besser, weil andere sie auch begehen.“

„Sie werden aber auch nicht schlimmer.“

„Ares ist schlimmer. Sie spielen sich als Weltpolizei auf und verstehen nichts von Gerechtigkeit.“

„Na und das machen andere auch.“

„Aber andere werfen keine Atombomben im Stadtzentrum ab und verkaufen es als Lösung.“

Die Atombombe. Damit war Bubbles dann beim Kern der Sache angekommen. 

Das Mädchen war in Chicago aufgewachsen und die Stadt war von 2055 an von Insektengeisten überrannt worden. In einem besonders großen Hive hatte Ares dann eine Atombombe gezündet und später ein magisches Bakterium entwickelt, welches man über dem schon längst durch Militär und Ares-Streitkräften abgeriegelten Stadtzentrum verteilt hatte.

Ja, Ares hatte gehandelt, als Chicago von Insektengeistern überrannt worden war. Doch was immer Ares auch getan hatte, es hatte es nicht besser gemacht. Eher im Gegenteil. Die Bewohner von Chicago hatte man von Anfang an ihrem Schicksal überlassen. Man hatte sie eingesperrt und sie hatten um ihr Überleben kämpfen müssen. Anarchie war ausgebrochen.  

Aber was erzähle ich, ihr kennt die Geschichte ja alle und wenn nicht, dann wird eine simple Matrixsuche Aufkunft darüber erteilen.

Einer dieser Bewohner von Chicago war Bubbles gewesen.

Die Situation in Chicago hatte Bubbles einen Großteil ihrer engen Familie und die meisten ihrer Freunde gekostet. Dieses Chicago hatte sie verseucht, ihre Haare ausfallen lassen, ihr einen Arm verkrüppelt, ihre Lunge ruiniert, ihr Immunsystem zerstört, ihr das Gesicht verätzt und all das hatte ihr beinah völlig den Verstand geraubt. Der tägliche Kampf ums Überleben und gegen Insekten hatte ihr arg zugesetzt. Mein Leben auf der Strasse war ein Kindergarten gegen das gewesen. Die körperlichen Verletzungen hatte Liam alle heilen können, nachdem er Bubbles aus Chicago gerettet hatte. Für den Verstand hatte es Zeit und die Liebe einer Familie gebraucht. Irgendwann war aus dem verwilderten Etwas wieder eine junge Frau geworden, die nun Ares - und zwar noch vor den Insektengeistern - zum Hauptverantwortlichen des Chicago-Dilemmas machte. Dass Oheim Liam nichts vom Oberboss von Ares, Damien Knight, hielt, machte es nicht besser - und dass ein Großteil des O’Niall Clan nachtragend war, auch nicht.

Feinde behaupten sogar, die O’Nialls seien rachsüchtig.

❅❅❅

‹Nur die Feinde, Drachenkätzchen?›

❅❅❅

Der angehende Streit im Safehouse drohte zu eskalieren, als Shark Finn sich einmischte, Bubbles Herkunft erklärte und ebenfalls die Bombe zur Sprache brachte.

Als Columbo schließlich einlenkte und zugab, dass Chicago keine Sternstunde von Ares gewesen war, schien jedoch das Schlimmste überstanden. Bis Columbo irgendwas von einem guten amerikanischen Konzern murmelte, den er darum allein ausländischen Konzernen vorzog.

Wie gut, das TriXhot bereits neben Columbo saß. Sie hatte sich während der gesamten Reise hierher viel mit ihm unterhalten, dies nutzte sie jetzt, um Columbo zu beschwichtigten. Abschließend meinte sie, „Was hältst du denn davon, wenn du jetzt mal die Klappe hältst und dich jetzt den Büffelhoden widmest und kuckst, wie man die so zubereitet.“

Columbo zögerte, stand dann aber auf und ging zum Küchenbereich.

Shark Finn setzte sich und Bubbles und gab ihr den Plüschbüffel, den er bei unserer Shopping-Tour für sie gekauft hatte. Er war aus Leder, Stoff, Fell und anderen Naturmaterialien gefertigt. Die Augen des Mädchens begannen zu leuchten, sie umarmte Shark Finn zum Dank und spielte dann friedlich und leise summend damit. 

Alles war gut. 

So schien es zumindest. 

Denn kurz zuvor war ihr Blick in Richtung Columbo eiskalt gewesen. 

Das Arachne-Pack behielt Columbo in den Sensoren.

Wie gesagt, die O’Nialls vergaßen nicht und zu vergeben, war keine ihrer herausragenden Eigenschaften.

Da nun erstmal Friede eingekehrt war, zog ich mir einen zweiten AR-Handschuh über und rief die Klavier-App auf, die ich vorsorglich auf meinem Commlink geladen hatte.

Das Zeichnen hatte ich irgendwie schon von kleinauf drauf gehabt. Ich hatte gemalt und skizziert oder gekritzelt, worauf und womit es gegangen war - da war es bis zum Malen von Gemälden nur ein kleiner Schritt gewesen. 

Was das Musizieren angeht, sah das schon ganz anders aus. Ein wenig Gitarre spielte ich seit ich zu den Ancients gegangen war und zudem besitze ich offenbar so etwas, wie eine künstlerische Ader, die mich befähigt, aus allem etwas zu gestalten und Instrumenten kleinere Melodien abzuringen.

Um ein Instrument ansatzweise zu beherrschen muss allerdings auch ich andere Register ziehen.

Ich muss üben. Während meines Studiums hatte ich einen Grundkurs in Musik belegt und gelernt Noten zu lesen. Ich hatte das eine oder andere Musikinstrument ausprobiert und Gefallen daran gefunden. 

Virtuelle Musikprogramme sind extrem hilfreich, wenn man kein reales Instrument zur Verfügung hat, denn das Musizieren sollte man täglich üben, schon allein um sich die Fingerfertigkeit zu erhalten.

Ich schaltete das Program auf Kopfhörer, legte die virtuelle Klaviatur auf den Tisch und begann zu spielen.

[Song 10: The Piano Guys - Can’t Help Falling In Love4] Während Bubbles bastelte, TriXhot und Columbo sich unterhielten und Shark Finn und Mr. Jack ein LaCross-Spiel im Trideo ansahen, ließ ich meine Gedanken von der Musik beschwingt zu den Ereignissen der vergangenen Nacht gleiten. 

Katze sprang auf den Tisch und sah aufmerksam dem Spiel meiner Finger zu.

Es war schien unglaublich, dass mein komplettes Leben als Puma nur eine Nacht gedauert haben sollte. Selbst die Erinnerung daran war anders, als bei einem Traum - ich kann mich ja nur selten an meine Träume erinnern, aber wenn, dann gibt es da nur ein paar Bruchstücke, unzusammenhängende Fetzen und einzelne Szenen. Bei meinem Leben als Puma schien es mir, als könnte ich rückblickend hunderte von einzelnen Tagen direkt abrufen. Da war zum Beispiel das Jahr mit dem vielen Regen gewesen, in dem ein Bär mein Revier bedroht hatte. Selbst wenn ich an die gefährlichen Momente in diesem Leben dachte, war dieses Leben perfekt und harmonisch gewesen. So sollte ein Leben sein und dennoch, etwas hatte gefehlt. Als Puma hatte ich es nicht richtig fassen können, aber jetzt war es mir klar geworden.

Ich schmunzelte, als es mir etwas anderes auffiel. Der Pumageist, der mich mit auf diese Lebensreise genommen hatte, hatte mich alles gelehrt, aber ich wusste nicht, ob sie so etwas wie meine Mutter gewesen war. Auch in jenem Leben hatte ich meine Eltern nicht gekannt, doch für eine Raubkatze spielt das wohl generell eine untergeordnete Rolle.

Meine Gedanken drifteten weiter. Vor einigen Tagen war ich noch mit Harlequin auf dem Isle Of Arran gewesen und wir hatten meine Geburtstag gefeiert. Als Geschenk hatte er das kunstvolle, magische Tattoo auf meinem Rücken um weitere Ranken mit Kirschblüten erweitert. Um uns dabei die Zeit - und mir auch ein wenig den Schmerz - zu vertreiben, hatte er mir eine Geschichte erzählt.

Erwähnte ich schon einmal, wie wundervoll mein Liebster Geschichten erzählen kann?

❅❅❅

‹Wenn überhaupt, dann nur einige Duzend Mal, Drachenkätzchen.›

❅❅❅

Diese Geschichte fügte sich an die über Alamais und seiner elfischen Tochter Caynreth an. 

Alamais hatte versucht mit Elfen eine eigene, den normalen Elfen überlegene, Dienerrasse zu zeugen, doch die Sache war nach hinten losgegangen und seine Kinder hatten sich gegen ihn gewandt. All das erzählte die vorherige Geschichte. Die neue setzte an, nachdem der Fehlschlag nun also geschehen war, was selbstverständlich nichts an dem Bedürfnis der Großen Drachen nach loyalen, metamenschlichen Dienern geändert hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Drachen zuallererst die Paarung eines der ihren mit Metamenschen verboten oder besser gesagt, sie hatten sich untersagt, jemals wieder mit Metamenschen Nachkommen zu zeugen. Alamais Gene hatte in den Elfen eine Macht hinterlassen, die ihnen in den Augen der Drachen nie hätte zukommen dürfen. Diese Kinder waren in den Brunnen gefallen, aber ein weiteres Mal sollte das nicht geschehen. Im Anschluss an diese Entscheidung, hatten die Drachen nach einem anderen Weg gesucht, sich loyale Diener zu schaffen und sie hatten einen magischen Weg gefunden. Sie gaben etwas von sich selbst in einzelne Metamenschen und veränderten diese so, dass sie zu einem neuen Wesen wurden. Sie erschufen die ersten Drakes. Jeder Drake war ein Unikat, an den Drachen gebunden, dessen Magie er in sich trug -und selbst nicht zur Fortpflanzung fähig. Das ging jahrelang so, doch dann fand das Leben einen Weg und was nicht hätte sein sollen, geschah. Ein Drake war aus dem Schoß einer metamenschlichen Mutter geboren worden. Dieser Drake war vielleicht nicht ganz so mächtig, wie sein direkt erschaffener Ahne, doch er konnte sich fortpflanzen, konnte eine Dracoform annehmen, trug die Magie des Drachen in sich, der seinen Elternteil erschaffen hatte und war darüber an ihn gebunden. Der Zufall erwies sich als praktisch für die Großen Drachen. Loyale Diener konnten geboren werden und die Drachen mussten nicht mehr in jeden einzelnen ihrer Drakes etwas von sich selbst geben. Drakes blieben rar, extrem rar sogar, doch über die Jahrtausende verteilten sich diese Gene so weitläufig in der Welt, dass sie nicht mehr so leicht zu finden waren. 

Und als nach langer Abwesenheit die Magie in die Welt zurückkehrte, kehrten irgendwann auch die geborenen Drakes darin zurück. 

Wie immer, wenn Harlequin mir eine seiner fantastischen Geschichten erzählte, konnte ich auch aus dieser Geschichte Wissen ziehen. Alle Drakes sind in ihrer Magie-Linie - denn eine Blutlinie ist es ja nicht - einem Drachen zugeordnet. Die Drachen erkennen, wer zu wem oder zumindest, wer zu ihnen selbst gehört, spätestens wenn das Drake-Gen im Metamenschen erstmal ausgebrochen ist. Leider verraten die Drachen nicht, wie sie feststellen, zu wem ein Drake gehört.

Auch als ich später am See gegenüber Rainwalker etwas andeutete, verlor sie kein Wort darüber, zu welcher Magielinie, welches Großen Drachen ich gehöre. Denn soweit man weiß, haben nur Große Drachen Drakes. 

Ich hätte schon gerne gewusst welchem Drachen ich zugeordnet bin, aber eigentlich spielt es ja auch keine Rolle. Gerüchten zu Folge gibt es einige wenige freie Drakes. Warum sie frei sind, weiß ich nicht. Ich für meinen Teil habe sowieso Asyl bei der Draco Foundation gefunden. Etwas, was von allen Drachen akzeptiert wird. 

Und wen interessiert schon, welches Leben in mir seinen Weg gefunden hat, wenn es doch so schön geworden ist.

‚Das Leben findet seinen Weg‘ war übrigens ein Zitat, das Harlequin aus einem zweidimensionalen Film mit dem Namen Jurassic Park entliehen hatte. Den Film, sahen wir uns am nächsten Tag genau so an, wie die drei nachfolgenden Teile der Reihe. 

Die Erinnerung und die Musik hatten mich inspiriert und so griff ich zu virtuellem Papier, um meinem Liebsten einen Brief zu schreiben.

Liebster, Geliebter, MyKnight!

Ich befinde mich mit meinem Team im Land der Wildkatzen, um einen gestrauchelten Krieger vor seiner Hinrichtung zu bewahren.

Die Reise hierher dauerte übrigens ein ganzes Leben lang, auch wenn es nur das aufregende Leben eines Pumas gewesen ist, auf das mich ein Tiergeist führte. Ich muss Dir unbedingt davon erzählen, wenn wir uns das nächste Mal sehen.

Mein Herz trommelte den Rhythmus der Natur und ich bin davon noch ganz beseelt. Doch so sehr mein Herz auch im Einklang war, wurde mir eines bewusst, dieses Leben als Puma war nicht perfekt, auch wenn es mir vielleicht so schien, denn es war ein Leben ohne Dich und ohne unsere Liebe zueinander. 

Jeder Augenblick in dem du mir fehlst, beweist mir, dass es Dich gibt.

In den nächsten Tagen werde ich bestimmt so einige Wildkatzen sehen und vielleicht wird die eine oder andere von ihnen mein Herz in Wallung bringen. 

Wenn dem so ist, gebe ich dem nicht nach, sondern bewahre mir etwas davon bis zu unserem nächsten Wiedersehen.

In tiefer Liebe

S.

Like a river flows surely to the sea, 

darling so it goes, 

somethings are meant to be.

Take my hand, 

take my whole life too, 

for I can't help falling in love with you.

For I can't help falling in love with you.

Als ich den Brief absandte, fragte Mr.Jack Columbo gerade, „Und wirkt es irgendwie?“

Columbo zuckte mit den Schultern, „Ich weiß nicht. Erstmal bekomme ich nur Durst, es ist ziemlich salzig.“ Dann griff er in die Schale auf seinem Schoß und nahm eine Art Chip heraus und steckte ihn sich in den Mund.

Ich atmete durch Mund und Nase ein. Da war der intensive Geruch von getrocknetem Fleisch, überdeckt von Gewürzen und jeder Menge Salz.

TriXhot verdrehte die Augen und nahm Columbo die Schale weg. „Nun hör mal auf die Büffelhoden zu essen. Das ist als Snack gedacht.“

„Ja, …“, Columbo kaute noch, „Oder für den Salat, stand auf der Packung.“

TriXhot grinste, „Wenn du nur Büffelhoden-Streifen isst, ist das doch kein Salat!“

„Doch, Büffelhodensalat.“, rechtfertigte Columbo sich.

Mr.Jack lachte.

Ich sah lächelnd zu Columbo, „Ich weiß auch nicht so recht, ob es eine so gute Idee ist, etwas möglicherweise Potenz steigerndes zu essen, wenn man auf einem Run und in ein Safehouse eingesperrt ist.“, sagte ich schnurrend. Dann stand ich auf, warf mein Haar nach hinten und verschwand hüftschwingend ins Bad.

[Song 11: A Tribe Called Red - Sisters4]Am frühen Abend klopfte es erst und kurz darauf öffnete sich die Haustür. Light Foot kehrte wie versprochen zurück. „Roadrunner!“, meinte sich niedlich grinsend, nachdem sie die Tür geschlossen hatte.

Sie warf sich auf einen der Sessel und sah in die Runde.

„Konntest du bekommen, was wir gesucht haben?“, fragte ich lächelnd.

„Ja klar.“, meinte sie und setzte sich etwas auf. „Also Iron Horse soll so 24 Stunden vor seiner Exekution transportiert werden. …“

Ich überschlug im Stillen die Zeit. Die Hinrichtung sollte am 17.06. stattfinden. Dann würde Iron Horse demnach am 16.06 transportiert werden. Es war der Abend des 11. Das bedeutete, wir hatten volle vier Tage für die Planung und die Vorbereitung der Befreiung. Das klang gut.

Unterdes fuhr Light Foot fort, „Die Hinrichtung findet in den White Buffalo Proving Grounds statt. Das ist eine Militärbasis gleich hier um die Ecke von Butte. Das ist zwar nicht gerade Area 51 für die Sioux, aber die tun hier manchmal so. Auf der Basis sind natürlich auch Wildcats stationiert und trainieren da auch.“

Ich grinste leicht, „Trainierende Wildcats sind bestimmt ein toller Anblick.“

Light Foot sah zu mir und zwinkerte, „Ja kann sein. Der Transport von Iron Horse nennt sich ‚Operation Quickstep' und die Daten dazu gibt es im Haus von General Richard Red Crow. Er hat einen …“

Ich schlug mir geistig gegen die Stirn und hob real die Hand, „Moment mal bitte Light Foot. Habe ich das eben richtig verstanden? Die Daten über den Transport sind in dem Haus?“

Light Foot nickte, „Ja genau. Wieso? Ist das ein Problem?“

❅❅❅

Genau das war einer der Punkte gewesen, den ich gemeint hatte. 

Ich war, warum auch immer, bis zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass unser Kontakt in den Sioux die Daten über den Transport haben würde und nicht, dass wir die Daten erst selbst stehlen würden müssen. Hätte ich das in Betracht gezogen, hätten ich einen Decker mitgenommen. 

‹Es gibt doch keinen Grund, sich darüber zu ärgern Drachenkätzchen, es gab doch eine Lösung für dieses Problem.›

‹Ich ärgere mich ja auch nicht darüber, dass ich keinen Decker dabei hatte, sondern darüber, dass ich einfach von etwas ausgegangen bin, ohne nachzufragen, was damit gemeint ist, Katze.›

‹Verstehe Drachenkätzchen. Dann hast du doch Grund, dich zu ärgern.›

❅❅❅

Ich blickte in die Reihe meiner Kollegen und strich mir über’s Haar. Die meisten waren von der Tatsache, dass die Daten besorgt werden mussten, überrascht. 

Und wenn nicht, dann hatten sie laut ihrem Gesichtsausdruck gar keine Meinung dazu. Dennoch ICH hätte damit rechnen müssen.

❅❅❅

‹Paperlapapp, Drachenkätzchen. Das ist der falsche Ansatz. Einer von den anderen hätte auch daran denken können. Dass es keiner von ihnen getan hatte, bedeutet vielleicht, dass sie das alles leichtfertig hin nehmen und das Denken dir überlassen.›

‹Sie gehen eben davon aus, dass ich am Besten informiert bin Katze.›

‹Was du zweifelsohne auch sehr oft bist Drachenkätzchen. Was ich begrüße. Doch ich bemängele, wie schnell du immer bereit bist, deinen enormen Wissensschatz willig zu teilen. Tätest du das nicht, würde das Rudel eventuell auch wieder anfangen selbst zu denken.›

❅❅❅

Ich fing mich innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde und erwiderte, „Nein, ein Problem ist es nicht, es überrascht mich nur. Außerdem mache ich mir Gedanken, dass uns die Zeit knapp werden könnte. Aber wir schaffen das schon. Sprich bitte weiter, Genreal Richard Red Crow hat was?“

Light Foot nickte und erzählte, „General Richard Red Crow hat einen eigenen Emergency Access Cyberterminal in seinem Haus. Seine Frau liegt im Sterben, sie hat eine unheilbare Blutkrankheit und damit der General auch von zu Hause arbeiten kann, hat man das für ihn eingerichtet. Auf dem Terminal ist die Information definitiv verfügbar, weil Red Crow derjenige ist, der die Befehle unterzeichnet hat. Die beiden haben zwei Kinder, die zur Zeit aber auf dem College oder auch in der Universität sein sollten. Das Haus liegt auf einem großen, relativ flachen Gelände. Von dort fährt man 30 bis 45 Minuten zu den Buffalo Proving Grounds. Beim Gebäude selbst handelt es sich um ein vierstöckiges Ranchhaus, mit großem Oberlicht und biometrischen Mag-Schlössern. Sechs Wachen, allesamt Soldaten, sind die ganze Zeit ‚on duty‘!“ Light Foot grinste verschmitzt, „Also sechs tun Dienst, während weitere sechs off duty sind und sich im Poolhaus aufhalten. Die Wachen haben die Anweisung erhalten, im Falle eines jeden Vorfalls, weniger als tödliche Munition einzusetzen “

Ich lachte leise, „Das klingt gut. Wenn wir erwischt werden, tötet man uns zumindest nicht gleich. Das sind gute Voraussetzungen. Danke für die detailreichen Informationen, damit können wir was anfangen.“

Light Foot freute sich, „Ich hab sogar noch mehr, nämlich einen Plan des Hauses.“ Sie überreichte mir einen Chip, den ich augenblicklich in ein entsprechendes Lesegerät gab und ins Teamnetzwerk lud.

„Kann jemand von uns hacken?“, fragte BCG nun die Frage der Fragen.

Ich grinste wölfisch, „Ja klar, Bloody Guts zum Beispiel. Aber keiner der UC-Decker ist in den Sioux. Wir müssen also entweder ohne zu hacken an die Daten kommen oder wir legen Bloody Guts einen Zugang und er hackt via Satellit. Ein tragbares Uplink hab ich bei.“

„Eines von beiden ist uns sicher möglich.“, meinte TriXhot zuversichtlich. 

Womit das Problem ‚fehlender Decker‘ zu ‚nicht existent‘ erklärt worden war.

‹Und das ganz ohne den Einsatz von Eisatem.›, kommentierte Katze.

Bevor wir uns voller Enthusiasmus an die Planung machten, wollten wir uns vor Ort einen Überblick verschaffen. Obwohl, wollten war untertrieben, wie mussten das tun, wenn wir nicht unnötig Zeit verschwenden wollten. Über magische Sicherheitsvorkehrungen wussten wir zum Beispiel nichts.

„Hast du einen Wagen für uns?“, fragte ich Light Foot. „Also einen der unauffälliger ist, als unser Bison?“

„Klar, den Abschlepper.“, erwiderte sie.

Ich begann zu schmunzeln. Der Truck war nicht gerade das, was man herkömmlich als unauffällig bezeichnen würde.

Light Foot ahnte, was ich dachte, „Was denn? Der kommt hier aus Butte und passt auch ins Bild der Highways und Landstrassen.“

Womit sie natürlich recht hatte.

Damit alle hätten mitfahren können, hätte Light Foot ein Auto hinten drauf laden müssen, in das jemand gestiegen wäre. In ihren Truck passten maximal sechs Personen. Dann war demnach noch Platz für fünf UCler, denn Light Foot selbst musste den Truck ja fahren und obwohl sie als Luftgeist eine zart gebaute Gestalt besaß, brauchte sie materialisiert nun mal Platz. Doch für eine erste Informationsbeschaffung war es gar nicht nötig, dass alle mitkamen.

BCG und eine Drohne für den Überblick, Columbo und ich für die magische Bestandsaufnahme und … Mr.Jack, falls irgendetwas unvorhergesehenes passieren würde. Das reichte völlig.

Shark Finn gab meinen Schutz nach nur kurzem Zögern in die kampferprobten Hände von Mr.Jack.

Mit denen, die zurück bleiben würden, waren wir ja auch immer noch via Commlink verbunden.

Wir verließen Butte Below und bogen bald auf einen stark befahrenen Highway ab. Stark befahren für Sioux Verhältnisse, was dann hieß, uns kam gelegentlich ein Fahrzeug entgegen oder wir wurden auch mal überholt. Es bedeutete nicht, dass hier Fahrzeug hinter Fahrzeug fuhr und gar ein Stau entstand.

Schnell war klar, der Abschlepp-Truck von Light Foot fiel hier deutlich weniger auf, als jedes SUV mit verdunkelten Schreiben es getan hätte. Der Truck passte hier wirklich einfach hin.

Und noch eines wussten wir nach wenigen Minuten Fahrt, da wir schon mal die Fakten durchgingen: Wenn wir wollten, dass Operation Quickstep planmäßig ablief, durfte man nicht merken, dass die Informationen dazu gestohlen worden waren. Was den Weg favorisierte, für Bloody Guts eine Zugang zum System zu legen und die Idee, den ganzen Terminal zu stehlen, ins Abseits schob. Aus dem Abseits würden wir diesen Plan erst dann ziehen können, wenn wir eine wirklich geniale, falsche Fährte in petto hätten.

Light Foot parkte den Truck ein gutes Stück weit entfernt von der Ranch. Das gesamte Gebiet war bis auf ein paar Bodenwellen ziemlich flach. Noch etwas, was wir berücksichtigen mussten, wenn wir an die Ranch heranwollten.

Für einen ersten Drohnenüberflug und eine magische Erkundung, die Columbo in seiner astralen Gestalt durchführte, war das allerdings uninteressant. 

BCG filmte das Gelände und überflog Haus und Poolhaus mehrmals, damit wir eine Karte erstellen und den Plan des Hauses mit der Realität abgleichen konnte. Das Plan war korrekt, so weit man das nach den Aufnahmen beurteilen konnte. Das war schon mal gut zu wissen.

Columbos Rundflug brachte folgendes zum Vorschein: Es gab keine Wachgeister. Der General schlief im Schlafzimmer, seine leider wirklich kranke Frau hatte ihr eigenes Krankenzimmer und zu dem Paar und sechs Wachsoldaten, hielt sich noch ein Krankenschwester im Haus auf. Damit bestätigte sich, dass die Kinder nicht zu Hause waren. Es gab einen Bereich im vierten Stock, den Columbo wegen eines magischen Hüters nicht hatte betreten können. Laut Plan lagen dort die Medizinhütte - also so etwas wie ein Raum für Mediation und Zeremonien, die einen magischen Aspekt haben können, aber nicht müssen -  und das Arbeitszimmer des Generals. Im letzteren stand mit ziemlicher Sicherheit der Terminal. Und wenn ich hier ‚ziemlich‘ sage, meine ich, dass er da auch wirklich stand.

Wir fuhren erstmal zurück ins Safehouse. Nachts war bei General Red Crow nichts los, was hieß, wir konnten schon mal gemeinsam in Butte grob an einer Lösung planen und würden am nächsten Morgen wieder vor Ort sein, um die Überwachung fortzusetzen und die Abläufe im Haus kennen zu lernen. 

❅❅

Sonderlich weit waren wir bis zum Morgengrauen mit der Planung nicht gekommen, obwohl wir schon stundenlang geredet hatten. Noch war da keine zündende Idee gewesen. Zumindest hatten wir Bloody Guts informiert und erfahren, dass Rodney, Rubber Duck und er sich schon mitsamt Equipment in einem Schmuggler Hafen in den Salish befanden.

Eigentlich war die Aufgabe nicht all zu schwer, wir mussten nur eine Stelle finden, an der wir einen Dataline Tap anlegen konnten. Da der Terminal erst nachträglich installiert worden war, würde man von den Buffalo Proving Grounds ein Kabel verlegt haben müssen. Da wir auf den Bildern von gestern keine oberirdischen Kabel die zum Haus führten, entdeckt hatten, musste das Kabel unterirdisch verlegt worden sein - wozu man laut Bubbles, wenn möglich bestehende Kanäle entlang von Strassen benutzt hätte - und irgendwo ins Haus gehen.

Was uns drei Möglichkeiten für den Dataline Tab eröffnete. Irgendwo entlang der Strecke, an der Stelle, an der die Verbindung ins Haus führte oder direkt am Terminal im Büro des Generals.

Es galt nun den Punkt in der Linie zu finden, der in der Verbindung die größten Schwachstelle darstellte und uns den einfachsten Zugang bot.

[Song 12: Three Days Grace - Overrated4] Die Sonne tauchte die eher karge Landschaft in ein warm-orangenes Licht. 

Der 12. Juni 2075 versprach ein schöner Tag zu werden, zumindest was das Wetter anging.

Wir nahmen einen kleinen Umweg zu unserem Aussichtspunkt in Kauf, um an den Buffalo Proving Grounds vorbei zu fahren und uns einen Eindruck von der Umgebung zu verschaffen.

Schon beim Vorbeifahren - wir waren in der gleich Besetzung wie am Vorabend unterwegs - fiel mir die Gruppe Sioux Soldaten auf, die ziemlich lässig an einem Trainingsplatz rumhing. Jeden von ihnen umgab die Aura eines Raubtiers. Das war mir sofort klar, denn Raubtiere erkennen einander. Sie hatten ihr Haar lang und trugen Federn darin.

BCG tat mir den Gefallen und ließ eine Drohne aufsteigen, damit ich einen näheren Blick auf sie werfen konnte.

„Federn im Haar, sagst Du? Dann sind das Wildcats!“, verkündete Light Foot, „Nur sie dürfen die Haare lang wachsen lassen und Federn darin tragen.“

Ich genoß den Anblick. Trainierte Körper, langes, dunkles Haar, glänzende Federn stilvoll platziert, geschmeidige Bewegungen und Coolness pur. Mir wurde wohlig kalt ums Herz. 

Ja, kalt. Warm ums Herz wird einem, wenn man Hundebabies sieht oder Hilfe von einem Freund bekommt. Aber wenn es im Unterleib kribbelt, einem ein leichter Schauer den Rücken hinunter läuft und man das Gefühl hat, sich ein bisschen bewegen zu müssen, dann ist einem wohlig kalt ums Herz geworden.

❅❅❅

‹Eine sehr poetische Umschreibung, dafür wenn man rollig wird, Drachenkätzchen. Ich denke, andere würden dazu einfach nur ‚geil werden‘ sagen.›

‹’Geil’ ist ein viel zu profanes und abgegriffenes Wort für das aufregende Gefühl beginnender Lust, Katze.›

‹Ach Drachenkätzchen, du bist und bleibst doch eine hoffnungslose, schönheitsverliebte Schmusekatze.›

❅❅❅

Ich verinnerlichte den Moment und schloss etwas von dem Gefühl in mein Gedächtnis ein, für den späteren Gebrauch. Nicht das ich das in Harlequins … verdammt, an meinen Liebsten zu denken, verstärkte das Gefühl. Ich drückte es besser beiseite.

Wir folgten der Strasse noch eine Weile, bevor wir den Bogen Richtung Ranch einschlugen und kamen dabei an einer Nussfarm vorbei. Ein älterer Native American saß auf einem Schaukelstuhl bei einem Verkaufstand am Strassenrand und ‚beaufsichtigte‘ von dort mehrere Flugdrohnen, die Nüsse ernteten und zum Trocknen auslegten oder getrocknete Nüsse aufnahmen und in Transportsäcke füllten. 

Was für ein friedliches, idyllisches Bild.

„Lauter Drohnen.“, stellte BCG überrascht fest.

Light Foot erklärte, „Ja, im Gegensatz zu Cyberware sind Drohnen nicht Anglo und in den Sioux extrem beliebt. Zumindest bei allem was Haushalt und Gartenarbeit oder eben solche Farmarbeit angeht.“

„Vielleicht können wir so eine Farmdrohne übernehmen und die irgendwie einsetzen?“, überlegte der Rigger laut.

„Soweit ich weiß, muss man eine Drohne hacken, um sie zu übernehmen.“, stellte ich mit einem leicht schiefen Grinsen fest.

Mr.Jack meinte darauf, „Das wäre in diesem Fall auch nicht unser einziges Hindernis. Soweit ich sehe, verfügen die Erntedrohnen nicht über das Werkzeug, mit dem man einen Dataline Tap setzen kann.“

Damit hatte Mr.Jack zweifelsohne recht, dennoch war die Idee eine Drohne zu nutzen der Gewinner, wie ihr bald noch hören werdet.

❅❅

„Also ehrlich, einen Notfall bei der armen Frau auszulösen, finde ich jetzt keine gute Idee.“, beschwerte TriXhot sich.

„Da gebe ich dir völlig Recht.“, stimmte ich ihr zu und musste aufpassen, meine innerliche Gereiztheit nicht in meiner Stimme mitklingen zu lassen. „Der Ehefrau etwas zu tun, kommt absolut nicht in Frage!“

Wir standen hier hinter einer Bodenwelle um den Truck herum und diskutierten seit zwei Stunden, wie wir diesen Dataline Tap anbringen konnten - und langsam wurden die Ideen immer abstruser.

Wir hatten erwogen Soldaten auszutauschen, die Krankenschwester zu übernehmen, die frische, unterirdische Leitung mit Radar zu finden und Tiefbauarbeiten zu betreiben, die Kinder auf dem College irgendwie zu nutzen - und so weiter und sofort. Jetzt war es gerade die Idee gewesen, bei der Frau des Generals einen Notfall auszulösen oder zumindest vorzutäuschen und als Rettungsteam ins Haus zu gelangen.

In einer leicht hilflosen Geste strich ich mir über die Stirn, „Abgesehen davon, würden wir auch bei diesem Vorgehen wieder an der Tür zum Büro scheitern, sollte die DNA des Generals die einzige sein, die das biometrische Schloss öffnen kann. Aber selbst wenn wir es öffnen können und alle nötige Magie durch den Hüter bekommen, scheitern wir, wenn es im vierten Stock im Flur Kameras gibt und sich dann jemand fragt, was zur Hölle dort jemand zu suchen hat.“

Ich ärgerte mich deutlich darüber, dass ich gerade das getan hatte, was ich eigentlich nicht ausstehen konnte. Statt zu sagen, was geht, hatte ich gesagt, warum etwas nicht geht.

Ich war kurz davor den Plan umzusetzen, den ich nebenbei erarbeitet hat und den ich völlig allein durchführen würde: Den General askennen, meine Aura als seine einschwingen, mich wandeln, durch einen Geist verschleiert auf das Dach fliegen, mich durchs Glas schneiden, hinter dem Hüter meinen Geist zu mir rufen, mich erneut verschleiern lassen, das Dataline Tap anbringen, warten, wieder durchs Dach abhauen, das Glas wieder einkleben und wegfliegen.

❅❅❅

‹Warum hast du den Plan eigentlich nicht wirklich vorgeschlagen, Drachenkätzchen?›

‹Erstens weil ich nicht alles alleine machen wollte und zweitens, weil ich zu diesem Zeitpunkt nicht erklären wollte oder konnte, auf welche Art ich fliegen kann. Deine Frage überrascht mich Katze, bist du nicht diejenige, die sonst immer sagt, ich soll die anderen arbeiten lassen?›

‹Nicht, wenn du hinterher auch den ganzen Ruhm bekommst. Selbst wenn dein Vorgehen auch nicht wahnsinnig trickreich gewesen wäre, zumindest heimlich still und leise wäre es gewesen und mit solchen Ideen kann ich mich durchaus anfreunden, Drachenkätzchen.›

❅❅❅

Als ich also gerade davor war, den ‚ich mache alles alleine’-Plan ins Feld zu werfen, meinte Shark Finn via Commlink, «Wir wissen doch noch gar nicht, ob da Kameras sind. Kann BCG nicht `ne Drohne reinschicken, damit wir uns drinnen umsehen können?»

«Versuche ich.», antwortete der Rigger sofort.

Er drehte mit seiner kleinen Sparrow Hawk sogleich zwei Runden ums Haus. Doch er fand keinen Eingang.

„Gerade stehen zwei der Wachen vor der Tür und schnappen frische Luft, wenn die wieder reingehen, kannst du da nicht durch die Lücke schlüpfen?“, fragte Columbo.

«Nur wenn die Typen taub und halb blind sind. Die Drohne ist zwar klein, aber ich muss dicht über dem Kopf fliegen, damit ich durch die Lücke komme.», erklärte BCG.

Ich überlegte kurz, „Und wenn sie die Tür weit aufmachen und die Drohne noch einen Moment verschleiert ist?“, wollte ich wissen.

«Dann ja.», meinte BCG sofort. Seine Stimme kam nur über den Teamkanal rein, er saß bei Light Foot im Truck. Ich konnte sehen, dass er sich interessiert aufgesetzt hatte.

Ich reagierte schnell und sagte, „Ich rufe einen Geist und bitte ihn die Drohne zu verschleiern, von  der Reichweite her sollte es klappen, zumindest, bis die Drohne ins Haus fliegt und die Tür zu geht. Columbo, kannst du bitte den Wachsoldaten per Zauber dazu bekommen, dass er die Tür weit aufmacht, zum Beispiel, um den anderen durchzulassen?“

„Ja, das kann ich.“, meinte er dazu.

„Machen wir es so!“, wies ich an, „BCG, halt dich bereit!“

Gesagt, getan!

Ich griff in meine Tasche, um eine Freundschaftsgabe für Arielle, eine meiner Sylphen herauszuholen, rief nach ihr, bat sie um ihre Dienste, verhandelte erfolgreich, - und gleich darauf verbarg sie die Sparrow Hawk vor Blicken, Sensoren und anderen Sinnen. Das Ganze dauerte kaum mehr als zwei Sekunden.

BCG brachte die Drohne in Position.

Columbo schlich vor, damit er Sichtkontakt auf die Frontseite der Ranch bekam - die Entfernung machte das Zaubern nicht gerade leichter - er gestikulierte - und einer der Soldaten meinte, „Komm lass uns wieder reingehen.“, und öffnete für seinen Kameraden die Tür und zwar so weit, dass die Drohne hindurch schlüpfen konnte.

Yeah, jubelte ich lautlos - It’s a kind of magic!

BCG steuerte die Drohne immer dicht an der Decke entlang. Kameras gab es offenbar nur im Außenbereich und im Krankenzimmer. Ein Fakt, der mich jetzt nicht mehr weiter verwunderte, kaum jemand stand auf Überwachungskameras in seinem primären Lebensraum. 

Die Tür zum Arbeitszimmer des Generals im vierten Stock war verschlossen und gehörte zu denen, die ein MAG-Schloss besaßen, welches mehrere biometrischen Daten abfragte und von einer Qualität war, die es schwer zu knacken machte.

Wir blieben auf Beobachtungsposten und warteten.

Während der gesamten Zeit bewegte sich niemand in den 4. Stock. 

Nach einer Weile nutzte BCG die Gelegenheit, um sich im Haus des Generals umzusehen. Natürlich flog er immer heimlich und weiter dicht an der Decke entlang. 

Gegen 16.00 Uhr kam ein Wagen die Strasse zu Ranch gefahren und hielt vor dem Haus.

Der Adjutant öffnete dem General die Wagentür und begleitete ihn noch bis zur Haustür, vor der nun zwei Wachen artig warteten und anständig grüßten.

Dann verabschiedete sich der Adjutant auch wieder.

BCG steuerte die Drohne erneut an der Decke entlang, um den General beobachten zu können. Red Crow sah nach seiner Frau, wechselte ein paar Worte mit der Krankenschwester und ging dann ins Büro.

Endlich!

Um das Türschloss zu öffnen brauchte es Daumenabdruck und einen Scan der Iris, wie wir nun feststellen konnten.

BCG steuerte eine weitere Drohne, die bereits auf dem Dach gesessen hat so, dass wir den General durch das Oberlicht beobachten konnten. Der Winkel war nicht perfekt, aber es war besser als nichts.

Red Crow setzte sich an den Schreibtisch und begann zu arbeiten.

Irgendwann meldete die Sparrow Hawk Bewegung auf der Treppe. Eine Haushaltsdrohne kam mit einem Tablett in der Hand die Stufen hinauf. Sie brachte dem General eine Karaffe mit Wasser und ein Glas mit Eiswürfeln. Ich grinste in mich hinein. Zu hoffen, dass der General Alkohol trank, war wohl vermessen gewesen. Die Manservant-Drohne klopfte. Der General drückte einen Schalter auf dem Schreibtisch, die Tür wurde entriegelt, die Drohne schob die Tür auf und trat ein.

«Schnell BCG rein da!», wies ich an.

Ich hätte das nicht zu sagen brauchen, BCG war bereits unterwegs. Er huschte in einem waghalsigen Manöver mit der Sparrow Hawk durch den sich schließenden Spalt, sauste an die Decke und fand in einem Regal Platz. 

Ich atmete langsam aus. Im Gegensatz zu den Soldaten, waren die Sensoren einer Man-Servant Drohne fast so etwas, wie taub und blind. Aber hätte die Tür die kleine Flugdrohne zerquetscht, wären wir aufgeflogen.

„Jetzt wissen wir schon mal, wie man ins Büro kommt, wenn man nicht der General ist.“, stellte Mr. Jack fest.

„Könntest du denn mit der kleinen Drohne den Drücker betätigen BCG?“, fragte Columbo.

«Yep, das geht.», erwiderte dieser.

Trixhot seufzte, „Womit wir wieder beim Ursprungsproblem mit dem fehlenden Decker wären. Denn wenn BCG per hacking die Drohne highjacken könnte, wäre eh alles ganz leicht und unauffällig.“

An dieser Stelle hätte ich mir beinah tatsächlich gegen die Stirn geschlagen, doch ich schaffte es gerade noch, die Geste nur zu denken und meinte, „BCG muss die Drohne auch gar nicht hacken!“

Wir hatten alles beieinander. 

Hätte ich die Fakten vorher richtig im Fokus gehabt, wäre es mit vielleicht früher aufgefallen.

Light Foot hatte uns gesagt, wie sehr die Sioux darauf stehen, Hilfsarbeiten von Drohnen übernehmen zu lassen. Und sah nicht eine Service Drohne aus, wie eine andere? Zumindest ist das so, wenn man nicht gerade Bubbles heißt und seine Drohnen bemalt.

Selbst meine Drohnen sehen noch immer ziemlich genau so aus, wie der Hersteller sie designt hatte.

Also lag das Geheimnis diesmal gar nicht darin, eine Drohne zu hacken. Wir mussten sie einfach nur austauschen. 

[Song 13Steve Jablonsky/Transformers/ Age of Extinction - Hacking The Drone4] Es war am Ende fast genau so einfach, wie es sich gleich anhört. Jedenfalls wenn man über die entsprechenden Spezialisten verfügt.

Wir ließen nur Überwachungsdrohnen bei der Ranch und fuhren zurück ins Safehouse. 

Ich erwarb in einem Geschäft in Butte eine Man-Servant-Drohne, die Baugleich mit der im Hause des Generals war. Außerdem besorgte ich noch ein Satellite Uplink.

Bubbles baute das Uplink in die Manservant Drohne, ätzte gleich noch die Seriennummer weg und entfernte andere Identifizierungsmerkmale. Das Dataline Tap wurde mit Gecko Tape an der Drohne angebracht, danach ging es zurück zu unserem Überwachungsposten und dann hieß es nur noch auf die richtige Gelegenheit zu warten. Der Moment, nachdem der General zu Arbeit gefahren war, schien uns der passende Zeitpunkt. 

Wir schlichen kurz nach Morgengrauen näher an die Ranch und mit wir meine ich Mr.Jack, Columbo und mich, um einen besseren Blick auf die Frontseite des Hauses zu haben. Selbstverständlich verschleierte uns eine meiner Sylphen vor den Sinnen zufälliger Beobachter.

Die Manservant wartet bereits an der Hauswand und war ebenfalls verschleiert. 

Columbo hatte die nicht ganz so einfach Aufgabe, einen Wachsoldaten dazu zu bekommen, die Tür zu öffnen und soweit offen stehen zu lassen, dass die verschleierte Drohne, hinein und ein Stück weit bis zur Küche gelangen konnte. Das war der eigentliche Knackpunkt der gesamte Aktion. Doch es funktionierte ganz hervorragend und nachdem sich die Tür wieder geschlossen hatte und der Sichtkontakt abgebrochen war, bewegte sich unser Drohnen-Diener direkt in die Kammer in der Küche, denn hier stand die Haushaltsdrohne, wenn sie nichts zu tun hatte oder geladen wurde. Dort trat unser Servant an den anderen heran und schaltete ihn mit einem Schlag auf die Brust aus. 

Schnell ging es die Treppe hoch in den vierten Stock, bis hin zur Tür des Arbeitszimmers. Wir hielten alle kurz die Luft an und atmeten auf, als klar war, dass die Stromversorgung der Sparrow Hawk gereicht hatte und sie sich mit Schwung auf den Schalter auf dem Schreibtisch steuern ließ. Das brauchte einen zweiten Versuch, aber dann öffnete sich das Schloss. Der Diener trat ein, legte, erneut gesteuert von BCG, den Dataline Tap an, wir schalteten Bloody Guts dazu und dieser zog die Daten runter. Was uns wir eine Ewigkeit vorkam, aber eigentlich nur Sekunden dauerte.

Die Servant Drohne, verfolgt durch unsere Sparrow Hawk, entfernte den Tap, verließ das Arbeitszimmer wieder, lief dann runter in die Küche, schaltete das Original wieder ein, ging in eines der unbenutzten Gästezimmer, öffnete ein Fenster, ließ die Sparrow Hawk hinaus, schloss das Fenster und stellte sich dann in einen leeren Schrank. Dort würde sie bleiben, bis man sie eines schönes Tages entdecken und sich über ihre Herkunft wundern würde - oder auch nicht.

❅❅❅

‹Habe ich etwas falsch erzählt Katze? Dein Blick wirkt ein wenig argwöhnisch?›

‹Wenn mein Blick argwöhnisch wirkt, solltest du vielleicht nicht mehr auf dem Bauch liegend zu mir aufsehen Drachenkätzchen. Das trügt deine Sicht. Ich habe nicht argwöhnisch geguckt, sondern mich nur daran erinnert, wie viele Wenn und Aber es auch beim Erörtern des Plans für diese Aktion gegeben hat.›

‹Nicht mehr als sonst, Katze.›

‹Aber auch nicht weniger, Drachenkätzchen. Jetzt, wo du deine Erzählung unterbrochen hast, könntest du doch runter an den Kühlschrank gehen und nachsehen, ob du zufällig noch ein Hummer-Sandwich findest.›

‹Wie kommst du denn jetzt ausgerechnet auf Hummersandwich, Katze?›

‹Ich hörte, wie Heather vorhin der Köchin vorschlug, aus dem restlichen Hummer Sandwiches zu machen, Drachenkätzchen.›

‹Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass Ehran jemals Sandwiches isst.›

‹Ich habe ja auch nicht gesagt, dass dein Mentor nach einem Sandwich sehen soll, sondern du!›

❅❅❅

[Song 14: A Tribe Called Red - Electric Pow Wow Drum4] Zurück im Safehouse hatte ich mich kaum hingesetzt, da überflog ich die Daten bereits. 

Ich war schon ein wenig aufgeregt und dankbar für mein hohes Lesetempo.

Iron Horse sollte für ein letztes Debriefing aus einem Militärgefängnis in Cheyenne nach Butte in die Buffalo Proving Grounds Militärbasis gebracht werden. Das bedeutete eine Mindestfahrzeit von neun Stunden. 

Sie würden für mehr Sicherheit drei Konvois im Abstand von 15 Minuten losfahren lassen. Alle am Sonntag, den 16.06.2075. Genauer gesagt, der erste Konvoi verließ das Gefängnis um 00.15. Uhr, der zweite um 00.30 Uhr und der dritte Konvoi würde schließlich um 00.45 Uhr abfahren. Es gab drei Konvois und auch drei Routen.

Jeder Konvoi sollte aus 4 Fahrzeugen bestehen. Zuerst kam ein GMC-MPUV, dann zwei für das Militär modifizierte Ares Roadmaster und den Schluß bildete wieder ein MPUV. Die MPUV würden von einem Rigger gesteuert werden und je 2 Schützen und einen Gunner im Türmchen an Bord haben. Die Roadmaster würden ebenfalls von einem Rigger gefahren werden und hatten zudem je 5 Militärpolizisten dabei. Zusätzlich würde in einem Roadmaster ein Schamane mitfahren und im anderen dann eine Zielperson. Zwei der Zielpersonen wären demnach Fakes und nur bei einer würde es sich um Charles Iron Horse handeln.

Ich hielt erschrocken inne. Hatte ich überlesen in welchem der Konvois der echte Iron Horse sein sollte? Ich scrollte zurück und presste die Lippen zusammen. 

Nein, ich hatte es nicht überlesen.

Ich wollte gerade richtig nervös werden, als ich sah, dass ganz am Schluss der Datei die Information stand, die klein, aber doch so wichtig für uns war. Charles würde sich im dritten der Konvois befinden.

Bis der Captain der Wildcats in den Buffalo Proving Grounds eintreffen würde, hatten wir noch mehr als 72 Stunden Zeit.

Das sollte machbar sein, denn wir konnten auf der Stelle mit der Planung beginnen.

Ich will euch jetzt nicht mit unnötigen Details langweilen, aber zu meiner Überraschung waren wir mit der Planung ziemlich schnell durch. Light Foot nannte uns 4 Orte entlang der Route, die ihrer Meinung nach für einen Überfall günstig wären und wir wählten den 4. davon aus. Er lag in einem Canyon gleich hinter der Kleinstadt Casper. Er lag zwar am dichtesten an Butte und damit an der Militär-Basis dran, aber er eröffnete uns eine gute Fluchtrouten und den kürzesten Anfahrtsweg. Was dann auch bedeutete, es konnte auf dem Weg zum Zielort weniger schiefgehen.

Ja, wir diskutierten einige softtere Wege und auch eine Idee, bei der wir mit spektakulären Stunts aufwarten würden - übrigens ein Weg, den Shark Finn zu Beginn favorisiert hatte - aber dann landeten wir schnell bei der brachialen ‚Konvoi stoppen und dann das Zielfahrzeug öffnen‘-Methode.

Nachdem wir uns auf das ‚wie‘ festgelegt hatten, ging das mit dem ‚wie genau‘ eigentlich ganz einfach voran und dann konnten wir auch schon mit den Vorbereitungen beginnen.

Vor das größte Problem hatte uns übrigens die Frage gestellt, wie wir den Roadmaster identifizierten, in dem Iron Horse gefangen war, doch auch dafür fanden wir eine Lösung.

Es war also an der Zeit für die handwerklichen Vorbereitungen.

Zuallererst einmal würden Columbo und ich noch ein paar Geister beschwören und an uns binden. Material hatten wir dabei, doch da diese Form der Beschwörung, wie ihr alle wisst, Stunden dauert, begannen wir sogleich damit.

TriXhot fand den Gedanken übrigens ein wenig beunruhigend und bat Columbo mehrmals darum, keinen zu ‚dicken Hammer‘ zu rufen.

Ich für meinen Teil war offenbar sehr gut drauf oder aber die Geister wussten deutlich mehr als ich und waren deshalb willig mir bei den bevorstehenden Aufgaben zu helfen. Wie auch immer, ich erhandelte eine Vielzahl von Diensten, die mich beruhigter schlafen ließen. 

Auch Bubbles hatte zu tun. Jetzt wo sie wusste, was genau gesprengt werden sollte, konnte sie gezielt Pakete bauen. Außerdem tüftelte sie noch an einem abschirmenden Anzug für Iron Horse. Wir mussten damit rechnen, dass man ihn verwanzt hatte und Security Tags unter der Haut lassen sich nicht sonderlich leicht finden und noch schwieriger entfernen.

BCG, Mr.Jack und TriXhot sahen sich in der Zeit schon mal das Zielgebiet an, machten Aufnahmen und checkten Anfahrtszeit und Fluchtrouten.

Die Zeit verging wie im Flug, aber sie zerrann uns nicht zwischen den Fingern.

Am Ende dachte ich sogar noch daran, normale Kleidung für Iron Horse zu kaufen.

❅❅

Kurz nach Beginn des 16.06.2075 machten wir uns auf den Weg. 

BCG brachte uns mit dem Bison oben an den Rand des Canyons und ließ Bubbles, Mr.Jack, Columbo, TriXhot, Shark Finn und mich aussteigen. Nur er selbst fuhr wieder los, um sich an seinen Rastplatz weiter östlich und unten auf der Strasse zu begeben. 

Wir machten uns an den Abstieg im Canyon, um die Stelle aufzusuchen, die Bubbles für am Besten geeignet erklärt hatte.

Wenn man schon mal einen Knallfrosch dabei hatte, musste man das schließlich auch ausnutzen. Wir ließen uns und Bubbles Equipment samt Koffer mit ihren Cyberarmen zum Wechseln und der Transportkiste für das Arachne-Pack, auf ein miniwinzig Plateau hinab. 

Columbo zog es wie immer vor zu levitieren. Hier schwingt kein Vorwurf mit, Columbo war kein guter Kletterer, aber er war ein sehr guter Magier, also lag es nahe, zu levitieren. 

Ich wäre auch am liebsten zur Plateau geflogen und hätte vorher gerne noch …

❅❅❅

‹Deinen Eisatem eingesetzt, Drachenkätzchen?›

‹Nein Katze, eine Runde durch den Canyon gedreht.›

‹Ach so.›

❅❅❅

… doch ich tat es nicht, denn die Sache mit dem Drakesein war immer noch ein gefährliches Geheimnis.

Bubbles blieb, gesichert durch Shark Finn in den Seilen hängen und begann mit einem kleinem, Generator betriebenem Bohrer, Löcher in den Fels zu fräsen, in die sie dann fröhlich pfeifend Sprengladungen steckte.

Das Bohren war keine leise Sache. Genau genommen hörte es sich von hier in der Nähe sogar ziemlich laut an. Für einen Moment wünschte ich, Thunderstrike wäre hier oder zumindest, dass ich den Stille-Zauber bereits von ihm gelernt hätte.

Feiner Staub stob in den sternklaren Himmel auf und verflüchtigte sich. 

Ich mag dieses Land. Es ist so irgendwie so stark, ungebunden und frei.

Und zum Glück dünn besiedelt. Wir waren die einzigen metamenschlichen Eindringlinge weit und breit und so konnte uns auch niemand hören. Auch nicht, die Metamenschen in den Autos, die gelegentlich unten vorbei fuhren und die ich im Laufe der Nacht an einer Hand abzählen konnte. Sie waren zu weit weg und machten selber Lärm.

Kurz nach Sonnenaufgang hatte das Mädchen alles platziert. 

Wir kletterten tiefer, wobei Shark Finn und ich auf einem ausreichend großen Felsvorsprung Platz nahmen und die anderen bis auf die Strassenebene kamen.

Wir trugen unsere Panzerungen, die im meinem Fall als Camouflage Suit genug Tarnung bot. Ich verschmolz förmlich mit dem Gestein, als ich es mir so bequem machte, wie man es sich auf einem Fels nur machen konnte.

Diejenigen von uns, deren Panzerung keine für die Gegend passende Tarnkleidung war, hatten Tarnfarbe im Gesicht und eine passende Tarndecke dabei, die sie sich nun über legten.

Bubbles setzte noch das Arachne Pack aus, bevor sie sich selbst ein Tarnnetz über warf, welches sie noch mit Buschwerk von der Strasse verziert hatte. Die sechs Drohnen verteilten sich um sie herum und sie verschmolzen schon nach dem ersten Schritten so mit der Umgebung, dass selbst ich sie aus den Augen verlor. Gespenstisch.

Im Gegensatz zu Columbo, den ich irgendwie noch total gut sehen konnte. «Columbo, soll das deine endgültige Position sein?», fragte ich.

«Ähm, ja.“, erwiderte er leicht zögernd und offenbar bereits ahnend, was jetzt kam.

Ich grinste breit, «Ich sehe dich oder zumindest Teile von dir noch ziemlich gut.»

Wir korrigierten das gemeinsam.

Dann begann das Warten.

Immerhin konnten wir unseren Gedanken nachgehen oder uns miteinander unterhalten, je nach Vorliebe.

Das Verkehrsaufkommen wuchs ein wenig, aber heute war Sonntag und da schlief man auch in der Sioux Nation gerne aus oder frühstückte gerne lange oder irgendetwas in der Art. Jedenfalls blieb die Menge an Fahrzeugen extrem übersichtlich. 

Etwas, das wir nur begrüßen konnten.

«Hey, Chummers, aufwachen. Konvoi passiert Checkpoint Eins. Wiederhole: Konvoi passiert Checkpoint Eins.», meldete BCG.

Ich warf einen Blick auf die AR-Anzeige. 8.51 Uhr. Sie waren pünktlich. «Copy.», bestätigte ich.

«Konvoi passiert Checkpoint zwei.», sagte BCG an.

Bubbles war die Vorfreude anzuhören, «Super, - Kabumm in 3, 2, 1.»

Kahhwummm.

 Es klang mehr wie ein geflüstertes, langgezogenes Kawumm, als ein lautes Kabumm.

Gestein löste sich und eine Gerölllawine ergoss sich über die Strasse.

Ich stand auf, um besser sehen zu können und drückte mich dabei gleichzeitig an die Wand. Ich konzentrierte mich, zog die Magie zusammen, ordnete die Fäden und legte über Felsbrocken, Staub und Geröll das Bild einer freie Strasse. «Illusion steht.», verkündete ich.

Das Ergebnis war gut gelungen.

Ich schluckte schwer, meine Kehle war trocken.

Gleich würden hier einige Sioux ihren letzten Atemzug tun.

«Konvoi passiert dritten und letzten Checkpoint.», meldete BCG. Er teilte den Feed der Armadillo in der Luft mit unserem Netzwerk. Gleich darauf markierte er die vier Fahrzeuge als Ziele und nummerierte sie durch. «Keine weiteren Wagen in der Nähe.», fügte er noch hinzu.

Wir machten uns bereit.

[Song 15: Trevor Jones/The Last Of The Mohicans - The Kiss4]Der GMC-MPUV raste ungebremst auf die Barrikade. Das gepanzerte Fahrzeug wurde zusammen gefaltet, bäumte sich dagegen auf und überschlug sich. «Wagen 1 ist raus.», gab ich ein wenig tonlos bekannt. Doch das Adrenalin rauschte bereits in meinen Venen und die Wehmut wich der Kampfeslust.

«Armadillo jammt jetzt.», kam von BCG.

Die anderen Rigger steuerten und bremsten, was das Zeug hielt. 

Wagen 2 drehte sich, kam ins Schleudern und drifte mit dem Heck gegen den umgeworfenen GMC vor ihm, prallte ab und bewegte sich ein ganzes Stück in die andere Richtung, um dann am erhöhten Mittelstreifen der Fahrbahn zum Stehen zu kommen. 

Der Rigger in Wagen 3, dem zweiten Roadmaster, trat auf die Bremse. Der Wagen schlingerte, bekam Probleme mit einige größeren Steinen, die durch den Unfall auf die Strasse geschleudert worden waren und begann bedenklich zu holpern. Doch Rigger ist Rigger und auch dieses Fahrzeug stand im Bruchteil einer Sekunde still.

Der Rigger von Wagen 4 hatte wie erwartet kaum noch Probleme mit der Situation. Er drosselte das Tempo. Der Turm des Gunners begann zu rotieren. Man suchte nach Zielen.

Zisch.

Kawumm.

Die von Shark Finn abgefeuerte Rakete schlug perfekt in Wagen 4 ein und hüllte ihn in eine Explosion.

Bubbles jubelte.

Ich ließ die Illusion der freien Strasse fallen. «GoGoGo!», feuerte ich mein Team an, «Weiter so! Dann sind wir hier unversehrt und im Nullkomanix raus.» 

«Gehe astral.», sagte Columbo an.

TriXhot und Mr.Jack sprinteten los. Sie hatten Sprengsätze von Bubbles dabei. Ihre Ziele waren die Frontscheiben von Wagen 2 und 3. 

Trixhot athletisch, Mr.Jack elegant, sprangen sie hoch und klebten die Pakete gegen die Scheiben.

Wump.

Wump.

Blut, Glas und Knochenmehl spritzten auf. 

Shark Finn lud den Raketenwerfer nach.

Columbo manifestierte sich über Wagen 2. Seine idealisierte astrale Gestalt, die übrigens den weißen Anzug eines gewissenhaften Tatortermittlers trug, deutete mit beiden Armen im Rhythmus eines AR-Pfeils auf den Wagen unter ihm.

Er markierte damit das nächste Ziel für Shark Finn. Der Schamane war in Wagen 2, wie Columbo mit seinem Astralkörper gerade heraus gefunden hatte.

Womit Charles Iron Horse in Wagen 3 war.

Zur Sicherheit sagte ich es noch mal an, «Der Schamane ist in Wagen zwo, Iron Horse in Wagen drei.»

Mr.Jack und Trixhot rannten zum Heck von Wagen 3 und gingen dort in Position.

Auch Bubbles setzte sich dorthin in Bewegung.

Kawumm. Die zweite Rakete schlug in Wagen 2 ein.

Ich sah mich um und nahm im Anschluss astral wahr. Wie hatten keine unerwünschten Zuschauer, was ich weiter gab, «Clear Skys, astral und mundän.»

Bubbles war an Heck des Wagens angekommen und zog ein Messgerät hervor.

TriXhot und Mr.Jack sicherten.

«Ich kann den Sprengrahmen nehmen.», sagte Bubbles an und begann gleich darauf ein Konstrukt aus ihrem Rucksack zu ziehen, welches sie an der Hecktür des Roadmasters befestigte.

«Leichte Deckung!», lautete die nächste Anweisung des Mädchens. Sie trat selbst ein Stück zur Seite und wand das Gesicht ab.

«Kabumm in 3, 2, 1.»

Es zischte, rauchte und dann folgte ein relativ sanftes Bum.

Ein Teil der Türen wurde rausgerissen, der Rest hing schief in den Angeln.

Das Arachne-Pack positionierte sich um Bubbles herum.

TriXhot und Mr.Jack sprangen in den Wagen, um sich der fünf Militärpolizisten anzunehmen.

Shark Finn schulterte den Raketenwerfer, und wir seilten uns zur Strasse ab.

Als wir am Heck von Wagen 3 ankamen, waren die fünf Militärpolizisten schon längst ausgeschaltet.

Ich stieg in den Wagen.

Shark Finn zog einen Bolzenschneider aus seiner Tasche.

Ich trat an Charles Iron Horse heran. 

Wow, was für ein Körper. Das konnte nicht mal der Gefängnis-Overall verbergen. Er saß ganz still da, doch seine Muskeln waren angespannt.

Ich nahm die Kapuze meines Chamäleon-Suits ab und entfernte im Anschluss mit geschickten Fingern die Magiermaske, die man Iron Horse aufgesetzt hatte.

Er blinzelte einmal und sah mich dann direkt an.

„Ich bin Luke Skywalker. Ich bin hier, um sie zu retten.“, sagte ich. Selbstverständlich erkannte er das Star Wars Zitat nicht, aber ich hatte es einfach anbringen wollen und es erzielte den Effekt, den ich beabsichtigt hatte.

„Was?“, fragte er und verließ damit den instinktiven Kampfmodus und schaltete den Kopf ein.

Ich lächelte charmant, „Ich bin Snowcat, Mika schickt uns, wir holen dich jetzt raus.“ Schlüsselworte waren gefallen. Mika und rausholen. Ob ich nun Snowcat oder Luke Skywalker hieß, war egal. 

Charles Iron Horse nickte mir zu und deutete mit dem Kopf zu Tür.

Shark Finn hatte inzwischen die Ketten durchtrennt.

Wir stiegen aus.

Columbo stand bei den anderen.

«Bin gleich da.», meldete BCG, «Komme Rückwärts angefahren.»

„Beep, beep, beep.“, imitierte Columbo das Geräusch eines langsam rückwärts fahrenden LKW in der Großstadt. 

Wir lachten.

Charles lachte selbstverständlich nicht.

Wir stiegen in den Bison und fuhren davon. 

Vorwärts.

Ich zauberte und verpasste dem Bison ein anderes Aussehen.

Als nächstes entfernten wir die Überbleibsel der Fesseln, dann gab ich Iron Horse den abschirmenden Anzug, den Bubbles gebaut hatte. „Hier, wechsle das gegen den Overall, falls du irgendwo verwanzt bist.“

Er nickte und zog sich auf der Stelle um. Ich hatte noch in Richtung der Duschkabine gezeigt, aber Iron Horse hatte kein Problem damit, sich vor allen zu entkleiden und umzuziehen.

Und ich hatte kein Problem damit, ihm dabei zuzusehen.

Mir wurde wohlig kalt ums Herz.

Ich riss mich zusammen und nahm in seinem Rücken astral wahr. Die Aufregung der Befreiung zerfaserte bereits. Er war abwartend, ruhig und konzentriert. Generell war er extrem fit, aber er war mitgenommen und ein Teil der Verletzungen war nicht gerade erst entstanden, als wir den Konvoi angehalten hatten. Man hatte ihm zugesetzt. Selbstverständlich war er ernst, doch solche ungewissen, gefährlichen Situationen waren ihm nicht fremd. Oh, und er war natürlich magisch aktiv, aber das hatten wir schon vorher gewusst.

Wir steckten den Overall in eine Tüte und warfen ihm aus dem Wagen.

Dann wechselte ich erneut das Aussehen des Bison.

Iron Horse sah mich abschätzend, oder nein, das klang so negativ, er sah mich einschätzend an. Es checkte die Situation und fragte vielleicht schon eine Spur barsch im Ton, „Wer seid ihr?“

Ich lächelte, was weniger Eindruck machte, als es hätte machen sollen, „Ich bin Snowcat und das sind Bubbles, TriXhot, Mr.Jack, Columbo, Shark Finn und da vorne am Steuer, das ist BCG. Wir sind Shadowrunner!“

Obwohl er nicht unser aller Namen hatte wissen wollen, hatte er aufmerksam zugehört und bedachte jeden mit einem einschätzenden Blick, der frei von jeglichem Rassismus war. 

Sein Blick endete wieder bei mir, „Wer schickt euch?“

Mein Lächeln wurde ein Spur strahlender, „Wie ich bereits sagt, Mika schickt uns. Er hat uns beauftragt, dich zu befreien.“ Der Blick von Iron Horse blieb konstant. Darum fügte ich hinzu, „Mika lässt dir ausrichten, wenn du dich anständig benimmst, gibt er dir vielleicht Koda zurück.“

Seine Augen weiteten sich und die Entspannung war ihm anzusehen, „Gut, und wie geht es jetzt weiter?“

„Wir fahren jetzt über Umwege zu einem Treffpunkt mit einem Kontakt und dann arrangieren wir alles, um dich so schnell wie möglich über die Grenze in die Salish und zu deinem Bruder zu bringen.

Charles Iron Horse sah mir in die Augen und erwiderte, „Nein, das geht nicht! Ich kann hier noch nicht weg. Ich muss noch was erledigen!“

☞Fortsetzung

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*