Intermezzo Halloween 2073

Welcome Omae!

Super, dass Du auch heute wieder dabei bist. 

Halloween 2073 steht vor der Tür und die Runner von UC werden das Fest auf einer Party im Skeleton feiern. 

Wir haben dafür keine Mühen gescheut und die Infos aus den Commlinks der Runner oder gleich direkt aus ihren Köpfen* gezogen. Darum bekommst Du zwischendurch auch mal einen anderen Blickwinkel als den von Snowcat geboten. Unser Draht zu ihr ist inzwischen so gut, dass wir natürlich auch wieder an ihren Gedanken teilhaben, aber es werden in dieser Nacht eben nicht die einzigen sein. (* Das Intermezzo entstand per Email, wo rege Fragen beantwortet wurden. Die Texte wurden zum Teil komplett von den entsprechenden Spielern geschrieben.)

Bereit für ein Erlebnis der besonderen Art Omae?

Na dann: HAPPY HALLOWEEN

[Song 1: Nightmare On Elm Street - Freddy’s Coming For You] Nebelschwaden zogen über die regennassen, verlassenen Strassen Puyallups. 

Ein zerbeulter Eiswagen holperte auf die Einfahrt des Kinderheims zu. Hin und wieder erklang die einst fröhliche Melodie, die das Nahen des Eiswagens ankündigte und die Kinder mit ihrem Ruf lockte, um dann unvermittelt in einem fürchterlichen Quietschen zu versterben. 

Dieser Eiswagen hatte schon bessere Tage gesehen und die mussten Jahrzehnte her sein. Von der Eistüte war nicht mehr als ein Schatten übrig geblieben, der einem Monster gleich seine langen Klauen nach dem Kunden vor der Klappe ausstreckte. Blutige Handabdrücke und diverse Blutspritzer waren an der Karosserie zu sehen und da! Direkt am Fenster! Hingen da nicht die Überreste einer Kinderhand?

Mit einem lauten Puff und einem ächzenden Stöhnen kam der Wagen in Mitten der Einfahrt zum stehen. 

Die Lichter in den Kürbissen, die man an den drei Treppenstufen vor der Tür zum Heim aufgestellt hatte, spendeten nur wenig Licht. Der Wagen warf Schatten an die Wände und ließ Fratzen darüber hinweg tanzen.

Hinter den Fenstern des Kinderheims war überhaupt kein Licht zu sehen und das Heim wirkte wie ausgestorben. Doch als die dichten Wolken den Blick auf den Mond frei gaben und der Mondschein die Fenster für einem Moment in sein Licht tauchte, konnte man dahinter Kinderköpfe sehen, die vorsichtig hinaus spähten. 

Plötzlich wurde die Doppeltür des Eiswagens aufgestossen. Ein Schwarm Fledermäuse stob hervor und langsam breitete sich schauriger, leicht grüner Nebel aus, der sich seinen Weg über den Boden bahnte.

„Ha, ha, ha, harr!“, hallte ein unheimliches Lachen durch die Nacht und dann sprangen zwei hagere Gestalten aus dem Wagen. 

Die kleinere der beiden Gestalten war ein rund-gesichtiges Skelett im Nadelstreifenanzug. Bei der größeren handelte es sich um eine Vogelscheuche mit Kürbiskopf. 

Kürbiskopf sah sich nach allen Seiten um und schlich dann auf die Tür des Kinderheims zu, während das Skelett immer tiefer im Nebel verschwand, der stetig dichter wurde. 

Kürbiskopf horchte an der Tür, dann winkte er dem Skelettmann, der sich, ein riesiges, blutbeflecktes Küchenmesser ziehend, aus dem Nebel schälte und geduckt zur Tür bewegte.

Der Eiswagen war inzwischen völlig durch die Nebelwand verborgen und seltsame Geräusche drangen daraus hervor. 

Schauriges Wolfsgeheul war in der Ferne zu hören.

Die hageren Monster machten sich bereit, die Kinder zu holen. Wie viele der Kinder heute Nacht wohl ihr Leben lassen müssten? Heute war die Nacht in der die Grenzen zwischen den Welten verschwammen und die Monster kamen, um sich die Metamenschen zu holen. 

Niemand sollte sich heute Nacht auf den Strassen befinden, doch auch in den Häusern war man nicht sicher.

Plötzlich riss Kürbiskopf die Tür auf, der Skelettmann sprang hinein und brülle mit kratziger Stimme: HAPPY HALLOWEEN!

[Song 2: Bobby Pickett - Monster Mash] Einige der Kinder kreischten vor Schreck, doch dann kamen sie lachend auf uns zu gerannt. „Wer von euch ist mutig?“, fragte ich mit der zur Körpermaske passenden, tiefen und kratzenden Stimme. 

Mehrere Kinder meldeten sich sofort. Ein Großteil der Anwesenden steckte in einem 5 Nu¥ Papieranzug, den sie zurechtgeschnitten, angemalt und mit diversen Verpackungsmaterialien verziert hatten

„Oh, so viele!“, meinte ich überrascht. „Na dann!“ Ich streckte meine linke Hand aus und ließ in einer dramatischen Geste meine Finger kreisen, woraufhin sich der Nebel vor dem Eiswagen lichtete und nach und nach den Blick auf ein großes Kürbis-Haus frei gab.

Ich grinste die Kinder schelmisch an, „Wenn ihr helft, geht es schneller.“, erklärte ich und augenblicklich blähten einige der Kids die Wangen und pusteten.

Ich konzentrierte mich, um den Nebel meines Illusionszaubers trudeln und sich verflüchtigen zu lassen. Die Nase des Halloween-Kürbis war eine Tür, neben der eine Totenkopf-Klingel hing und die Augenhöhlen waren die Fenster, hinter denen ein feurig rotes Licht brannte.

Einige Jugendliche kamen die Treppe runter geschlendert, um dem Spektakel zu zu sehen. Früher oder später würde auch ein Großteil von ihnen zum Kürbis-Haus kommen, dessen war ich ganz sicher.

Zwei Betreuer erschienen und winkten mir zu.

Die Kinder staunten nicht schlecht. Aus dem Kürbis-Stiel-Schornstein des Hauses stieg Rauch empor und Halloween- Songs und diverse Geräusche, wie ein Schrei oder das Quietschen eine Tür waren von drinnen zu hören. 

Der Trid-Phantasam-Zauber war mir außerordentlich gut gelungen. Er war in meinem Zauberspeicher befestigt und wurde dort aufrecht erhalten. Mein Jack-Kostüm war ebenfalls ein Illusions-Zauber. Ich hatte den Körpermaske-Spruch erst gestern von Harlequin gelernt. Die Körpermaske erhielt ich selbst aufrecht. Ich gab alles, um den Kindern eine gute Show zu bieten.

Wie beide taten das.

Die Betreuer teilten die Kinder in Gruppen von vier bis fünf Kindern ein. Hier lebten 48 Kinder, ein Großteil von ihnen waren Orks und Menschen. Hinzu kamen noch 15 Jugendliche. Teenager zu sagen, hätte nicht auf alle zugetroffen, denn Orks waren schon lange keine Kinder mehr, wenn sie 13 Jahre alt wurden, spätestens mit 14 Jahren galten sie auf Grund ihres schnelleren Heranreifen als erwachsen. 

Ich grinste wieder in die Runde, „Na dann lauft los und schaut, ob euch jemand öffnet wenn ihr klingelt.“

Die erste Gruppe setzte sich rennend in Bewegung, doch Harlequin hatte die ganze Zeit hinter der Tür gewartet. 

Die Kids kreischten, als er von hinten vorsprang, um sie zu erschrecken. Er fing einen von ihnen und kitzelte den Jungen, bis er vor Lachen kiekste, gleichzeitig ließ es mich mit einer aus den Ärmeln geschüttelten Handbewegung durch die Luft fliegen und levitierte mich in einem Affenzahn ins Kürbishaus, respektive vor das SUV, das bis eben noch als Eiswagen „verkleidet“ gewesen war. 

Ich öffnete die Hecktür, holte den Klapptisch heraus und stellte ihn zurecht, damit ich die Süßigkeiten herausgeben konnte.

Kürbiskopf verschaffte mir Zeit und lenkte die Kinder mit kleinen Zauberkunststücken und Taschenspielertricks ab.

Gestern waren in mein Appartement in Downtown Kisten voller Süßigkeiten geliefert worden. Dazu noch kleine, weiche Hexenpuppen mit Haaren aus roter Wolle, Piraten-Teddybären und Action-Figuren aktueller Comic-Helden. Unter den Süßigkeiten befanden sich Riegel, Bonbons, Brausepulver und Schmuck aus Zuckerperlen. 

Außerdem waren wir spontan zum Pike’s Market gefahren, wo wir für ein kleines Vermögen mehrere Dutzend Äpfel gekauft hatten, die mein lieber, hilfreicher Hausgeist Henry dann in wunderschöne orangene, kandierte Äpfel verwandelt hatte, die sogar ein Halloween-Gesicht besaßen. Henry hatte nämlich gewusst, wie er die herstellen konnte und er hatte die Zuckermasse in einem riesigen Topf zusammen gebraut und die aufgespießten Äpfel hineingetaucht. Hinterher war Henry von oben bis unten bekleckert gewesen. Die Küche hingegen war sauber geblieben. Mein ganzes Appartement duftete immer noch nach der Zuckermasse. 

Später am Tag war Henry mit seinen orangenen Haaren glücklich durch die Wohnung geschwebt, hatte die Süßigkeiten in Tüten portioniert und die kandierten Äpfel mit Folie ummantelt, damit man sie besser aufbewahren und transportieren konnte.

Genau diese Tüten, kandierten Äpfel, Puppen, Plüschtiere und Action-Figuren würde ich nun an die Kinder verteilen, die gleich an meiner illusionären Kürbis-Haus-Tür klingeln würden.

Harlequin konnte unglaublich gut mit den Kindern umgehen. Er hatte sie erschreckt, dafür gesorgt, dass sie sich gruselten und dann hatte er sie genau im richtigen Moment zum Lachen gebracht.

Das Klingeln an der Tür hatte die Kids ebenfalls entzückt. Mal hatte ich ihnen als warzen-nasige Hexe geöffnet, ein anders Mal als kopfloser Reiter und dann wieder als Skelett. Ich hatte meine Verkleidung variiert, illusionäres Feuer gespuckt und Blut spritzen lassen und zum Schluss hatte ich den Kindern die Beutel gefüllt und sie waren lachend zurück zum Haus gegangen.

Über eine Stunde nach unserer Ankunft saßen alle Kids glücklich und zufrieden im Aufenthaltsraum beisammen und verzehrten die kandierten Äpfel, während sie einen Sleepy Hollow Trickflim im Trideo ansahen. Für jeden war es der erste kandierte Apfel ihres Lebens und für viele war es der erste Apfel überhaupt. Wie erwartet, hatten sich die Jugendlichen hinzugesellt, für Süßigkeiten waren sie eben doch noch nicht zu alt. 

Wir hatten den Kids ein paar Minuten unbeschwerten Spaß gebracht und das verschaffte mir eine besondere Form der Befriedigung. Außerdem hatten wir ihnen genüg Süßigkeiten mitgebracht, damit sie noch ein paar Tage etwas davon hatten oder sich zumindest eine ordentliche Portion Bauschmerzen einhandeln konnten. 

Dann war es für den Kürbiskopf und das Skelett an der Zeit zu gehen, denn wir wollten noch zu einem Gemeindezentrum in Tarislar fahren, um den Kindern dort ihren Schrecken zu bringen.

[Song 3: Nick Cave and the Bad Seeds - Red Right Hand] Als sich der rostige Eiswagen holpernd in Bewegung setzte, stoben ein paar schattenartige Geister hinter dem Wagen her.

Oh, keine echten natürlich, sondern nur welche, die ich meiner Illusion hinzugefügt hatte.

❄❄

Wir verließen Tarislar erst nach halb Neun am Abend. Also war nicht mehr üppig viel Zeit, bis wir vor dem Skeleton mit den anderen verabredet waren und bis Redmond hinauf war es ein Stück zu fahren.

Das Gute an den Körpermasken war, dass wir die Zauber einfach fallen lassen konnten und so im Nu umgestylt waren. 

Unsere eigentlichen Kostüme hatten wir vor unserer Kindertour angezogen und die Körpermaske einfach darüber gezaubert. Ich musste nur noch die Schuhe wechseln, denn ich hatte sie nicht durch Dreck oder Matsch ruinieren wollen. Make Up und Kostüm waren auch der Grund dafür, dass ich mir keinen der kandierten Äpfel genehmigt hatte. Ich wollte das Kunstwerk nicht durch orangene Zuckerflecke ruinieren und heute Abend trug, beziehungsweise war ich ein Kunstwerk.

Dieses Jahr wahr meine Literaturwahl auf „Der Große Gatsby“ von F Scott Fitzgerald gefallen und als Daisy Buchanan war somit die dekadente Kleidung der 20er Jahre angesagt. Ich trug ein Flapper-Dress in Hellblau und Silber, welches mir eine handbreit übers Knie reichte. Das Kleid war armfrei und verfügte sowohl vorne, als auch hinten über einen gewagten V-Ausschnitt. Xander hatte das Kleid ebenso angefertigt, wie die passenden Schuhe, die wie in den 20ern üblich, nur wenige Zentimeter hoch waren. Beides war nach Original-Schnittmustern entworfen worden. Zum Kostüm gehörten die hellen Seidenstümpfe mit schwarzer Naht und Verzierung ebenso, wie die kleine Clutch-Handtasche und das silbergraue Schulter-Jäckchen aus gefärbtem Kanninchenpelz. Von den Strümpfen hatte ich drei Paar bestellt und die Handtasche und die Pelzjacke waren Original-Stücke aus den 20ern, die Xander in irgendeinem Vintage Store via Matrix aufgetan hatte, obwohl ich mir nicht ganz sicher war, ob Harlequin da nicht seine Finger im Spiel gehabt hatte. 

Harlequin hatte nämlich gefragt, ob ich mein Kostüm wieder bei Xander in Auftrag gegeben hatte und nach meinem Ja, hatte er sich mit Xander in Kontakt setzten wollen, um sich abzustimmen. Jedenfalls hatte ich das vermutet. Was dann dazu geführt hatte, dass sein Hemd farblich einfach wunderbar mit meinem Kleid harmonierte, denn das Silber entsprach exakt dem an der Verzierung meines Kleides - und nicht nur das. Kurz nach eben dieser Kontaktaufnahme hatte Xander sich gemeldet und mir gesagt, dass er Handtasche und Pelzjäckchen zu einem Spottpreis gefunden hatte.

Henry hatte ebenfalls seinen Teil zu dem Kunstwerk ‚Daisy Buchanan‘ beigetragen, indem er ein duftendes Haarwachs zusammen gemischt und mit dessen Hilfe er mein Haar glänzend, geglättet und in Wellen gelegt auf meinem Kopf frisiert hatte. Es war Henry gelungen die kompletten Längen noch nass und unter Verwendung eines Haarnetzes so geschickt am Nacken zusammenzustecken, dass ich von Vorn betrachtet aussah, als hätte ich eine typische Kurzhaarfrisur aus den 20ern. Damit hatte der kleine Geist ein wahres Wunder vollbracht, denn mein Haar reichte mir hinten ja ein gutes Stück über Hüfthöhe hinaus.

Schmuck! - Ich seufzte augenblicklich. 

Modeschmuck hatte ich mir diesmal gar nicht erst bestellt. Nach dem Kollier im letzten Jahr, stand für mich fest: entweder trug ich echten Schmuck zum authentischen Kostüm oder keinen.

Dank Harlequin, ich seufzte augenblicklich erneut und fasste mir an die Troddeln meiner langen Perlenkette, würde ich heute Abend nicht schmucklos herum laufen. 

Mein Gentlemen und Ritter hatte mir Schmuck zum Kostüm mitgebracht. 

Ein Stirnband-Diadem [Bild], Ohrringe, ein flaches, breites Armband [Bild: Diamond and Pearl Bracelet] und die längste Perlenkette, die ich je im meinem Leben gesehen hatte. Ich musste sie mir mehrmals um den Hals legen und dann an deren Ende befand sich diese wunderschöne Troddel[Bild]. Die Meisterstücke waren aus Zuchtperlen der besten Kategorie, Platin und Diamanten gefertigt und jedes einzelne Stück war es wert dafür zu töten. Einfach nur, weil sie atemberaubend schön waren. Ihr Materialwert von insgesamt mehr als eine halbe Million Nu¥ spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle. Als Clou ließ sich die Schmuckfeder am Diadem abnehmen und gesondert als Brosche nutzen. Ich würde Einzelstücke aus der Kollektion also auch zu anderen Gelegenheiten tragen können. Besonders diese süßen kleinen Ohrringe, die mich immer an die Kollektion erinnern würden, aber nur wenige Hundert NuYen kosteten, also täglich tragbar waren. 

Ob ich Sorge hatte, mit diesem wertvollen Schmuck in einen Nachtclub in Redmond zu gehen? - Nein, hatte ich nicht! Erstens war Harlequin bei mir und zweitens würde niemand den Schmuck für echt und so wertvoll halten.

Wenn ich nicht schon vorher in Harlequin verliebt gewesen wäre, ich hätte mich spätestens in dem Moment in ihn verliebt, als er die Schmuckschatulle öffnete und mir den Inhalt anlegte.

«Das mit dem ‚spätestens in ihn verliebt‘ hast du in den letzten drei Tagen mehrmals gesagt, Elfenmädchen.›, warf Katze ein.

Ich lachte Katze an und erwiderte, ‹Nun, es war ja auch jedes Mal richtig, Katze.›

Ich hatte drei wundervolle Tage mit Harlequin verbracht, der jetzt als Jay Gatsby neben mir saß und den Wagen fuhr. 

Harlequin sah in seinem elfenbeinfarbenen Anzug mit Weste, den silberfarbenem Hemd und der goldenen Krawatte einfach fabelhaft aus. Natürlich durfte der zum Anzug passende Hut nicht fehlen. Das Rot in seinem Haar war kaum zu erkennen. Sein Haar wirkte jetzt eher braun und selbstverständlich war sein Gesicht heute nicht weiß-rot geschminkt. Seine Oxford-Schuhe waren zweifarbig, was ebenfalls typisch für die 1920er war. Diese Schuhe waren Elfenbein und Schwarz, aus echtem Leder und wahrscheinlich sogar handgenäht. Er hatte einen Gehstock dabei, der ebenfalls elfenbeinfarben und dessen Griff aus Weißgold war. Dieser Gehstock barg zudem eine Klinge, was dann eher ein unübliches Accessoire für die 20er war, soweit ich wusste. Den letzten Schliff erhielt das Kostüm durch Manschettenknöpfe, Krawattennadel und einen Siegelring mit schwarzen Steinen, die zueinander passten und auch so einiges wert sein würden.

Ich nahm die beinah 30 Zentimeter lange Zigarettenspitze in die Hand und schon zog Harlequin eine wertvolles Zigarettenetui aus seinem Jackett und hielt es mir geöffnet hin. Eine offenbar viel geübte Geste, die er mit eine Hand ausgeführt hatte. Was die Vermutung nahe legte, dass er heute nicht zum ersten Mal Zigaretten in einem teuren Etui dabei hatte. Ich entnahm eine Zigarette, steckte sie in die Spitze und Harlequin gab mit Feuer. 

Das beste an diesem Kostüm von heute war, dass ich Harlequin so viel anturteln und verliebte Blicke zuwerfen konnte, wie ich wollte. Es passte zur Rolle, denn Daisy war nun mal in Jay Gatsby verliebt gewesen.

Ich pustete den Rauch schräg nach oben aus und sagte süß und fast schon singend, „Danke Darling.“  Daisy sollte laut Romanvorlage so gesprochen haben. 

Es machte mir richtig viel Spaß auch die Rolle zu spielen, statt nur ein Kostüm zu tragen. Zu der für mich neuen Erkenntnis, war ich vor drei Tagen gekommen.

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[Song 4: Echo And The Bunnyman - People Are Stange]„Hast Du heute Abend schon etwas vor?“ fragte Harlequin und verzehrte den letzten Bissen seines Frühstücks-Croissants.

„Nein. Heute ABEND noch nicht.“, sagte ich schnurrend, sah ihm dabei in die Augen und griff nach seiner Hand.

Er nahm meine Hand, führte sie an seinen Lippen und küsste sie, „Gut. Am Abend findet ein Poetry-Slam der Dead Poet Society statt. Ich habe mich dort angemeldet und wollte eine modernisierte Form von Cyrano de Bergerac vortragen, was allein weniger spektakulär ist. Vielleicht magst du mir auf der Bühne Gesellschaft leisten und die Darbietung unglaublich bereichern?…“ 

Meine Augen weiteten sich, denn die Idee klang in meiner Ohren mehr als nur gut. Von einer Dead Poet Society hatte ich noch nicht gehört, aber unter einem Poetry Slam konnte ich mir etwas vorstellen.

„ … Den Text hab ich da.“, erklärte Harlequin weiter, „Wir könnten dazu fechten, eher Strassenmäßig und vielleicht improvisieren wir an der einen oder anderen Stelle und gehen über zu Freestyle in Kampf und Wort, wenn du magst?“

Ich strahlte ihn an, „Das klingt aufregend. Wenn der Text Street-Slang ist, dann sind Messer oder Dolche sicher besser als klassisches Fechten.“ Ich setzte mich auf seinen Schoß und spielte an seinem Ohr.

Harlequin grinste, „Denke ich auch, du solltest aber nicht gerade deinen Black Tooth Dagger benutzen. Nicht, dass man ihn erkennt.“

Ich lachte perlend, „Nein. Der hätte auch zu viel Style. Ich denke da eher an Überlebensmesser oder so.“

„Hmm,“, er strich mir zärtlich mit den Fingern über den Hals, „Ach etwas verziert darf es schon sein. Wir können vorher noch in ein ‚Weapons World‘ fahren und was Hübsches kaufen.“

Ich grinste, „Ja, das können wir wohl. Später. Jetzt schwebt mir erstmal etwas anderes vor. Immerhin haben wir uns acht Wochen nicht gesehen.“

Da ich schnell im Auswendiglernen war, hatten wir ausreichend Zeit für das ‚Jetzt‘ gehabt und erst am Nachmittag mit dem Proben begonnen, waren dann losgezogen, hatten zwei schön anzusehen Dolche gekauft und waren gleich im Anschluss zu einem Lagerhaus in der Nähe der Docks gefahren, wo die Dead Poet Society heute ihr Treffen abhielt.

Das Lagerhaus war für den Abend hergerichtet worden. Es gab eine Bühne, diverse Sitzmöbel die man sowohl in Reihen vor der Bühne, als auch an Tischen zu Gruppen aufgestellt hatte. Es gab eine kleine Bar und einen Kaffeeautomaten. 

Viel interessanter als die Einrichtung, war allerdings das außergewöhnliche Klientel. Metamenschen aus allen gängigen Rassen waren hier vertreten. Auch gesellschaftlich vermutete ich mal mehr, mal weniger gut gestellte Personen, aber allen war etwas Künstlerisches gemein. Ein paar von ihnen trugen wirklich schräge Outfits und wenn man einige in ihren Strassenklamotten traf, würde man wohl eher die Strassenseite wechseln. Poesie lag im wahrsten Sinne der Wortes in der Luft. Hier hatte jeder etwas für die Kunst des Wortes übrig, ob er nun rappen oder ein Gedicht vortragen wollte. Viele hatten einen Strassenhintergrund, aber nicht alle. 

Jeder hier wurde von den bereits Anwesenden sofort so aufgenommen, als wenn er dazu gehörte. So einige schienen sich unter einander zu kennen und Harlequins Pseudonym, ‚The Laughing Man‘ hatte zumindest einen gewissen Ruf, wie ich schnell feststellte

Solche Poetry Slams fanden regelmäßig statt. Das gesamte Publikum gab im Anschluss aller Darbietungen eine Wertung ab und aus der Summe davon wurde eine Platzierung errechnet. Die Plätze 1-10 erhielten dann Punkte. 25 für Platz 1, 15 für Platz 2 und noch 10 für Platz 3. Platz 4 erhielt 7 Punkte und danach gab es immer einen Punkt weniger. Jede Teilname an einem Slam brachte einen weiteren Punkt. So wurde am Ende der Saison ein Gesamtsieger ermittelt. 

Ich war richtig aufgeregt, als unser Auftritt näher rückte und ich meine ballistische Maske aufsetzte.

Der Text ging mir leicht von den Lippen. Harlequin hatte es geschafft eine Szene voller moderner, scharfzüngiger Beleidigungen und Wortspiele zu verfassen, die verbale Treffer setzten. Im Kampf mit einem Messer war auch ich inzwischen bewandert genug, um eine gute Choreografie natürlich aussehen zu lassen.

Wir lieferten ein raffiniertes Duell in Wort und Tat. 

Was soll ich sagen? Wir waren richtig gut und das sah nicht nur ich so. Wir machten an diesem Abend den ersten Platz, blieben bis zum Morgengrauen und ernteten immer wieder Komplimente für unseren Auftritt. 

Auf der Heimfahrt wuchs in mir die Erkenntnis, dass es mir Spaß machte, in eine Rolle zu schlüpfen und sie auf der Bühne darzustellen. Nicht, dass ich jetzt umsatteln und Schauspielerin werden wollte, aber vielleicht würde ich öfter mal etwas auswendiglernen und vortragen und wer weiß, vielleicht würde sich dieses Können sogar irgendwann auf einem Run umsetzten lassen.

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Die roten Jacken der Crimson Crush Ganger waren schon von Weitem zu sehen, ganz besonders, da sie im Scheinwerferlicht standen. Das Skeleton hatte die Ork-Gang für die Sicherheit der Zufahrts-Strassen engagiert und ich hoffte, dass der Deal zwischen Betreiber und Gangboss gut genug war, um den Rassismus der Gang gegenüber Menschen im Zaum zu halten. Die Gang war während und nach der Night Of Rage aus Orks und Trollen entstanden. Die Struktur der Gang hatte sich mit den Jahren verändert, aber der Hass auf Menschen war geblieben. Den Crimson Crush wurde eine Nähe zur Yakuza zugeschrieben, doch im Großen und Ganzen waren sie das, was einer Polizei in Redmond am nächsten kam. Also würde schon alles gut gehen. 

Immerhin würde man in dieser Nacht oftmals nicht sehen, dass sich ein Mensch hinter dem Kostüm verbarg und selbst wenn, da die Crimson Crush einen Kontrakt eingegangen waren, würden sie bestimmt professionell genug sein, diesen zu erfüllen. Ein kleiner Zweifel blieb immer, Hass drang eben tief in die Poren ein und setzte sich dort fest.

Wir folgten den frisch auftauchenden ARO’s zur Skeleton-Halloween-Night und parkten dank meiner Monster-Master-Eintrittskarte direkt vor dem Club auf einem bewachten Parkplatz.

Natürlich blieb ich sitzen und wartete, bis Harlequin mir die Tür öffnete. Er reichte mir sogar die Hand, ich legte meine in seine und ließ mir raushelfen. Hach, ich stand total auf diesen Kavalier-Gentlemen-Kram und ich hatte überhaupt kein Problem damit die vermeidlich schwache Frau zu sein.

[Song 5: Rockwell - Somebody’s Watching Me] Ich schritt an Harlequins Arm zum Treffpunkt. Der Wind pustete das Fell des Schulterjäckchen auf. Auch wenn wir keinen weiten Weg zu gehen hatten, drehten sich viele nach uns um.

Einige aus dem Team waren bereits da, aber wir erschienen nicht als letzte. Ich brauchte einen Moment, um das zu verifizieren. Immerhin waren alle verkleidet und bei einigen brauchte ich eben einen zweiten Blick, um zu erkennen, wer unter dem Kostüm steckte.

Takashi "The Beau" Haruto, ein angesagter Manga Anime Held und Detektiv aus einer seit mehreren Jahren erfolgreichen Trideo-Serie, rammte einem rot-gesichtigen Dämonen seinen Ellenbogen in die Seite. 

Rubber Duck hatte das Vorbild eines klassischen Film Noir-Detektiv aus den 40ern, den die Serie im Manga-Style eingefärbt hatte, gut getroffen. Der Trenchcoat glänzte in einem dunklen Grau. Anzug und Fedora wirkten zunächst fast schwarz, waren aber eigentlich Dunkellila. Das Hemd war fliederfarben. Rubber Duck hatte mit Nanopaste nachgeholfen, um dem Manga-Gesicht näher zu kommen, er war aber dennoch als er selbst zu erkennen. Außerdem hatte er an diverse Accessoires gedacht. Ich sah den silbernen Revolver, die Steampunk-Taschenuhr, sowie die Wolfskopf-Gürtelschnalle. Die ‚Dämonenfratze‘ neben ihm kannte ich nicht, aber das würde sich bestimmt gleich ändern, denn der Mann blieb dicht bei Rubber Duck und beide lösten sich leicht von der Gruppe und kamen uns ein, zwei Schritte entgegen.

Rubber Duck war bei meinem Anblick kurz die Luft weggeblieben, doch dann fing er sich, warf Harlequin einen überraschten Seitenblick zu, trat an mich heran und sagte, „Wow Snowcat, Du bist einfach umwerfend schön.“

Hach, ich stehe darauf Komplimente zu bekommen.

❄❄❄

Wow, dachte er nur. Ihr Anblick hatte ihm den Atem verschlagen und alle Gedanken aus seinem Kopf eliminiert. Er starrte sie an und eigentlich hatte er sich vorgenommen, sie niemals anzustarren. Snowcat nur als schön zu beschreiben war seiner Meinung nach die Untertreibung des Jahrhunderts. Um nicht weiter zu starren und vielleicht noch mit dem Sabbern anzufangen, riss er sich von ihrem Anblick los und wandte sich stattdessen ihrem Begleiter zu. Natürlich hatte sie einen Kerl mitgebracht, dachte er enttäuscht. Aber hey, er hatte damit rechnen müssen und dann registrierte er, dass das der Elf war, den er am 29. morgens vor ihrem Appartement hatte aufschlagen sehen. Nur die Haare waren jetzt weniger Rot.

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Der Fahrstuhl auf Snowcats Etage pingte und raus kam ein Typ in Lederjacke, Jeans, Cowboystiefeln und mit einem wahrscheinlich schon für Halloween geschminktem Gesicht, der ihn an einen Serienkillers denken ließ. Weiße Grundierung und rote Karos, passend zu seinen roten Haaren. 

Das mit dem Clowns-Make Up war ihm erst gar nicht aufgefallen, denn der Elf hatte den größten Rosenstrauch dabei gehabt, den er je gesehen hatten. Das mussten über 50 Rosen gewesen sein, langstielige natürlich, was auch sonst? Ein paar der Rosen waren dunkler als die anderen und als Rubber Duck mit der Kamera seiner Drohne rangezoomt hatte, hatte er erkennen können, dass die dunkleren Rosen ein Halloween-Gesicht ergaben. 

Festen Schrittes war der Elf mit dem Blumen auf genau die Appartement-Tür zu getreten, hinter der Snowcat wohnte.

Für einen Augenblick hatte Rubber Duck überlegt Alarm auszulösen, aber der Elf hatte geklingelt und Snowcat hatte ihm die Tür geöffnet und den Typen mit einem Kuss begrüßt, den Rubber Duck selber gerne von irgendeiner Frau bekommen würde.

Die Erinnerung an den Kuss ließ ihm das Blut zurück in den Kopf schießen, wenigstens etwas. Eigentlich hätte ihm klar sein müssen, dass Snowcat einen Lover hatte und dazu noch einen mit Geld. Denn der Typ hatte nicht ausgesehen wie ein Trottel, der sein gesamtes Vermögen für ein paar Blumen ausgab. Dennoch war Rubber Ducks Herz ein kleines bisschen gebrochen worden. Nicht, dass er sich eine Beziehung mit Snowcat wünschen würde, er spielte wahrscheinlich nicht mal in ihrer Liga, aaaber… ach was, nix aber, er mochte Snowcat und sie sollte ja auch ihren Spaß haben. 

Es hatte ihm aber in den Servo-Motoren gejuckt mit der Drohne seinen Posten zu verlassen und mit ins Appartement zu gehen und drinnen bei dem ‚Spaß' der beiden zu zu sehen. Aber erstens war das Risiko erwischt zu werden einfach zu groß und zweitens würde ihm bestimmt kein Teamkollege jemals verzeihen, wenn er irgendwo mal mit reinging. Also hatte er die Tür zu fallen lassen.

Gleich darauf hatte es ihn in den Neuronen gejuckt sich mit Bloody Guts in Verbindung zu setzten und den Clown-Elfen in Lederjacke durchchecken zu lassen. Aber auch den Gedanken hatte er wieder verworfen. Bloody Guts hätte gefragt, wie er darauf kam und belügen wollte er seinen Freund nicht und eingestehen, dass er mit einer Drohne in dem Fluren hockte, auch nicht. 

Jedenfalls waren Snowcat und der Typ erst am späten Nachmittag aus der Wohnung gekommen, gemeinsam und Hand und Hand.

Den nächsten Kontakt hatte seine Drohne dann irgendwann in den frühen Morgenstunden gemeldet, als die beiden Elfen zurück gekehrt waren. Wieder Hand in Hand. Er hatte gezoomt und sie hatten glücklich ausgesehen. Beide.

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Nun stand der Elf also vor ihm. Snowcat sah einfach hammermäßig aus. Er kannte nicht mal das richtige Wort dafür. 

Dann machte er große Augen und verschluckte sich fast an seinem eigenen Speichel. Der Perlenschmuck den Snowcat trug, war kein billiges Imitat. Das wahren zwar gezüchtete Perlen, aber nur die Besten davon und zudem in einer unvorstellbaren Menge von identischen Größen und Farben, Dann kamen da noch die bläulichen Diamanten dazu, was den Wert in die Höhe katapultierte. Er konnte nur hoffen, dass heute Abend keine weiteren Schmuckexperten außer ihm selbst anwesend waren. Er schauderte kurz, aber selbst wenn... Snowcats Lover strahlte etwas aus. Irgendwas, er konnte nicht sagen was, aber mit dem sollte man sich wahrscheinlich nicht anlegen.

Rubber Duck trat an sie heran und sagte, „Wow Snowcat, du bist einfach umwerfend schön.“, dann küsste er sie auf die Wange und überreichte ihr einen kleinen Strauss winziger, orangener Zuckerrosen. 

❄❄❄

[Song 6: Marilyn Manson - This Is Halloween] Ich lächelte und meinte mit meiner Daisy-Stimme, „Danke Rubber Duck. Für das Kompliment und die Blumen. Du bist heute aber auch sehr hübsch anzusehen.“, ich zwinkerte ihm zu. Dann grinste ich, „Darf ich dir meine Begleitung, Jay Gatsby, vorstellen?“, ich zeigte auf Harlequin, der sich kurz an den Hut tippte, „Für alle die ihn noch nicht kennen, das ist Harlequin.“

„Hallo Harlequin.“, erwiderte Rubber Duck und schüttelte ihm die Hand, „Schön, dich kennen zu lernen. - Dann stell ich euch auch jemandem vor, das ist Lan Do, meine Freundin.“

Lan Do verpasste Rubber Duck eine Kopfnuss. Dann hielt er mir die Hand hin, „Rubber Duck hat schon von dir geschwärmt.“, sagte er mit einer ziemlich männlichen Stimme, „aber ich dachte, er übertreibt. Hat er aber nicht. Er wurde dir nicht mal gerecht. Sag bitte einfach Lan. Das Do ist unter Bekannten überflüssig. “

„Hmm, wie überaus charmant, danke Lan.“, schnurrte ich. Selbstverständlich hatte ich ihm meine Hand gegeben, aber sie nur zart in seine gelegt. 

Lan Do’s Gesicht war völlig unter einer Nano- Maske mit Hörnern verborgen. Er trug einen knallroten Anzug, dessen Farbton sich überraschender Weise nicht mit seinem dem seines Gesichtes biss, ein schwarzes Hemd, über das Furcht erregenden Fratzen huschten und ein Paar schwere Boots, die ebenfalls dunkelrot waren. Via AR blutete der Anzug gelegentlich. Unter seinen Hemdsärmeln lugte hin und wieder ein Tattoo hervor. Die Tattos umrundeten die Handgelenke völlig, was mich vermuten ließ, Lan’s Armee könnten sogar komplett tätowiert sein. Wenn ich von seiner Statur, Haarfarbe und Stimmlage ausging, konnte er durchaus mit Rubber Duck verwandt sein. Vielleicht war er ja einer von Rubber Ducks oft erwähnten Brüdern. Das wollte ich gleich heraus finden und meinte leise, „Charme scheint in der Familie zu liegen.“

Rubber Duck schüttelte den Kopf, „Ganz so einfach ist das nicht, aber Lan nimmt Unterricht bei  mir.“ 

Für diese Aussage kassierte er sofort eine weitere Kopfnuss. 

„Sorry!“, beschwerte er sich lachend, „Ich dachte, weil ich nie Geld dafür verlange, geht das okay Hyeong.“

Womit es endgültig geklärt war. Hyeong war Koreanisch und bedeutete großer Bruder.

Lan gab Harlequin ebenfalls die Hand, womit der Begrüßungsreigen in seiner vollen Pracht eröffnet war.  

Zunächst war TriXhot an der Reihe. Sie stellte eine Art böses Rotkäppchen dar. Ich schmunzelte kurz. Hätte ich das geahnt, hätte ich ihr den blutroten Satin-Umhang meines Sexy-Rotkäppchen Kostüms von vor 3 Jahren borgen können. Doch da wir uns noch nicht so lange kannten, hatte sie mich auch nicht danach fragen können. 

TriXhot trug eine weiße, schulterfreie Bluse, ein schwarzes Korsett mit roten Schnüren, einen schwarz-roten Minirock, schwarze Netzstrümpfe und rote Lack-Mary Janes. Das rotes Cape fehlte selbstverständlich nicht, immerhin war es das Erkennungsmerkmal von Rotkäppchen. Sie hatte viel Kunstblut verwendet und dieses überall auf sich verteilt. Ihr Gesicht sah aus, als wäre es auf der linken Seite von Klauen zerfetzt worden. Die Effekte waren gut gelungen. Vielleicht hatte sie professionelle Hilfe dafür in Anspruch genommen. Trixhot hatte zudem auch auf Accessoires geachtet. Sie hatte eine Imitation einer Kettensäge-Axt und einen Korb voll mit Plastikgehirnen und Kunstgedärm dabei. 

Rotkäppchen machte breit grinsend einen hüpfenden Schritt in unsere Richtung, schlenkerte dabei den Korb, zog dann weiter grinsend etwas daraus hervor und rief fröhlich, „Happy Halloween.“, woraufhin sie mir drei Totenschädel-Flaschen mit Wodka entgegen streckte. Die Totenköpfe waren von Spray-Artists aus Seattle designt worden. Ich hatte kürzlich einen Werbeflyer davon erhalten und wusste zudem, dass die Stückzahl limitiert war und die Flaschen einiges gekostet hatten. 

„Ist für’s ganze Team.“, fügte Trixie hinzu. 

Ich nahm das Geschenk entgegen und augenblicklich nahm es mir Shark Finn, der inzwischen an meiner anderen Seite aufgetaucht war, wieder ab. Wir waren ein eingespieltes Team. Ich gab ihm noch die Zuckerblumen, denn in meiner schmalen Handtasche war nicht mehr sonderlich viel Platz. 

Finn hatte sein Kostüm mit mir zusammen bei Xander bestellt und sich etwas aus der gleichen Epoche ausgesucht. Er gab das Ur-Bild eines Chicago-Gangsters aus den 20ern, samt Anzug, Hemd, Hut, Schuhen und Tommy Gun mit Trommelmagazin. Diese Tommy Gun hatte der unglaubliche Liam ihm extra gebaut, Finn würde damit im Notfall also wirklich schießen können. 

Ich grinste TriXhot neckisch an, „Armes Rotkäppchen, bist du direkt auf dem Weg hierher überfallen worden? Soll sich das mal ein Arzt ansehen? “ Ich blickte mich kurz um, „Ich bin sicher, wir finden einen netten Arzt für dich.“

Sie lachte, „Ach, halb so wild. Du solltest mal den Wolf sehen. A pro pos Arzt. Kommt Metge auch?“

Ich schüttelte den Kopf, „Nein, der muss sich um schwierige Fälle kümmern. Er meinte zu mir…“, ich versuchte nun seinen extremen Akzent einigermaßen nach zu ahmen, der bei unserem Gespräch wieder besonders stark zu hören gewesen war,  „ … Señora, Halloween, Samhain oderr wasz auk imma szie es nennen, isse einesz der top five Tag, die vielä Leute haben zzu viele Szpasz. Ich musz bedauernd abszagen, aberr szu viele Metalmensche, ob Kind oda Frau oda alte Mann benötigte in diesa Zeit ernstä medizinich Hilfäh. Szofern jemand Tipse fur eine szichere Nakt brrauch, szteh iche gerrn zu Verfugung. Un’ bei medizinich Notfall auk. Hier mein Adrezze von die Krankenhauz. Rruft vorhär durrch e bittä, Wirrd lange arrbeitzreich Nakt.“ 

Ja, ich konnte mir vorstellen, dass Metge viel zu tun haben würde. Allerdings würden wir seine Adresse nicht brauchen. Im Ernstfall war sein Krankenhaus viel zu weit weg, wie man an Shamrock gesehen hatte. Alles andere würden wir selbst erledigen und die etwaige medizinische Nachuntersuchung und intensive Versorgung würden wir durch Metge dann doch lieber im Bootshaus machen lassen.

Rubber Duck griente, Gunner und Bloody Guts lachten. Ich hatte den Akzent wohl einigermaßen getroffen.

TriXhot zuckte grinsend mit den Schultern, „Schade irgendwie. Aber dann muss ich mich zumindest nicht vor ihm verstecken. Das hier …“, sie zeigte auf ihr Gesicht, „Hat eine Weile gedauert, bis es so aussah. Und ich will ja nicht, dass Metge das dann kuriert.“ 

Gunner lachte erneut, „Na ich hoffe mal für uns alle, dass er echte von falschen Verletzungen schon von Weitem unterscheiden kann.“ 

Auch Gunners figurbetonte Aufmachung hatte ich schon einmal gesehen. 

Ja, genau, Anzug, Mantel und Zubehör waren die von Darrien Cross, aus den derzeit legendären 'Vampire Novels’. Ich war mir ziemlich sicher, dass die Sachen an Gunner besser aussahen, als sie es an Darrien je können würden, wenn Darrien denn eine reale Person gewesen wäre.

[Song 7: Michael Jackson - Thriller] Bloody Guts lächelte extrem breit, „Na meine Gedärme hat er bisher nie versucht zu operieren.“ 

Puh, der Troll sah wirklich fürchterlich aus. Er hatte die ihm angeborene Hässlichkeit und seinen Hang zur Postapokalypse gut ausgenutzt, um sich in einem wirklich schaurigen Zombie zu verwandeln. Ich befürchtete, er würde gleich einen Arm oder so verlieren, so angefault sah er aus.

Ich grinste ihn an. „Na, das heißt aber nichts. Vielleicht hat er auch einfach nur erkannt, dass bei dir nichts mehr zu retten ist.“

Shark Finn beugte sich zu mir runter, „Ich bring das mal zum Wagen und hole das andere.“

Ich säuselte, „Mach das mein Bester!“, worauf er sich in Bewegung setzte.

Thunderstrike war auch schon hier. Sein Outfit war nicht nur irgendein Kostüm. Heute Nacht war er ein Voodoo Priester oder besser gesagt die Priester-Verkörperung eines Loa. Er trug Zylinder, einen zerrissenen Anzug, eine Knochenmaske und einen Gehstock. Außerdem war sein Kostüm eine Hommage an Mystère, denn alles sah wie eine kleinere Kopie von dem aus, was man bei Mystère gelegentlich hatte sehen können. 

Bei der Erinnerung an unsere gefallenen Kollegen schwappte eine kurze Welle der Traurigkeit über mich hinweg, aber als ‚mein Gatsby’ den Arm um mich legte, verebbte sie schnell wieder.

Chang hatte sich wie immer leicht im Hintergrund gehalten, dennoch stand er nicht im Abseits. Er nickte Harlequin zu und verbeugte sich in meine Richtung. Er hatte sich in einen Zombie-Piraten verwandelt und somit das umgesetzt, was die Jungs vor ein paar Tagen im Pub angedacht hatten. Auf dem Kopf saß ein leicht zerdrückter Dreispitzhut, der Schatten auf sein Zombie-Gesicht warf, die ihn noch unkenntlicher machten, als es das Zombie-Make Up und die völlig weißen Kontaktlinsen, die seine Augenfarbe samt Pupillen verbargen, bereits getan hatten. Hemd, Hose und Mantel waren in Grau und Schwarz gehalten und an den Rändern zerfranst. Alles wirkte schmutzig und zum Teil kaputt, so als wenn dieser Pirat schon eine ganze Weile tot war. Er hatte zwei Gürtel mit Metallschnallen umgelegt und zerfetzte Stiefelstulpen verstärken den heruntergekommen Look. Um den Hals hing eine Kette mit einem silbernen Kraken-Amulett. Chang machte einen gewohnt zurückhaltenden, fast schüchternen Eindruck, aber ich hoffte, dass er im Laufe der Nacht noch etwas auftauen würde. 

❄❄❄

Snowcat sieht wieder toll aus. Ich habe nicht ganz verstanden, als was sie sich verkleidet hat. Aber das ist auch egal, ich bin mir sicher sie sieht in jedem Outfit super aus. 

So eine Gemeinschaft wie U.C. ist eine tolle Sache. So was kenne ich gar nicht. Naja ist ja auch kein Wunder. 

Snowcat ist ein großartiger Anführer. Wie heisst es so schön ‚Ein guter Anführer regt Menschen an, ihm zu vertrauen; ein großartiger Anführer regt sie an, sich selbst zu vertrauen.’ Wenn ich meine Weisheiten nicht hätte ... Ihr Freund ist heute auch wieder dabei. Ein hübsches Paar. Wenn er dabei ist, wirkt Snowcat noch hübscher.

❄❄❄

Shark Finn kehrte zurück. Er hatte die Vodka-Flaschen und meinen Zuckerblumenstrauss zum Wagen gebracht und dafür unser Geschenk für Bloody Guts geholt. 

Ich war am 28. bei meinem Patenkind Hope gewesen. Die Kleine war fast schon acht Monate alt und ein echter Sonnenschein. Bei der Gelegenheit hatte ich Papa Paladin gefragt, ob er mir wohl ein Troll-Size Shirt der Seattle Screamers mit ein paar Unterschriften von den Spielern drauf besorgen könnte. Er hatte versprochen sich darum zu kümmern und dies offenbar auch gleich getan. Denn schon am 29. war eine Nachricht gekommen, dass das Shirt zur Abholung bereit stand.

Wie sich gleich darauf bewies, hatte ich mit meiner Idee richtig gelesen. Bloody Guts freute sich riesig und auch wenn sein Gesicht durch sein Lächeln nicht schöner wurde, so war das Lächeln doch ehrlich und sehr einnehmend. Gleich im Anschluss verschwand er kurz, um den Schatz in Sicherheit zu bringen.

Inzwischen kam Average auf uns zu geschlendert. Was er darstellte, konnte ich nicht genau definieren, aber es war auffällig. Untenrum trug er eine goldgelbe Kniebundhose, knallgrünen Socken und schwarzen Schnürschuhe. Sein Oberkörper wurde von einem knallgrünen Seidenhemd und einer goldgelben, einreihigen Weste umkleidet. Am Kopf waren ausgeprägte Koteletten zu sehen und er hatte zudem eine goldene Pilotenbrille mit verspiegelten Glas aufgesetzt. Eine karierte Schlägermütze bildete den Abschluss der ganzen Montur. 

Ich war stolz auf Average, er hatte sich verkleidet, das Kostüm stand ihm, es war sauber und dass ich ihm kein Label aufdrücken konnte, war zweitrangig. „Hallo Average.“, begrüßte ich ihn zuckersüß und küsste ihn auf die Wange.

Als nächstes erschienen Newt und Blackstone auf der Bildfläche und die beiden waren in einer besonderen, zu ihnen passenden Art von Partnerkostümen erschienen. Ja, Blackstone hatte das Gnomenmädchen Newt, die wir 2071 vor ihren Häschern gerettet hatten, die sie jagten, weil sie ein begnadeter Technomancer war, wirklich lieb gewonnen und das Beste daran war, dass er ihr Schutz bot und ihr all die Freiheit ließ, die sie brauchte.

Blackstone kam als alter Seeräuber mit schwarzem Bart, Perücke, Augenklappe und zwei altertümlichen Pistolen, die überkreuzt in seinem Gürtel steckten. 

Newt, die als Gnom nun mal noch ein deutliches Stück kleiner und zarter war als ein Zwerg, hatte sich in ein niedliches Totenkopfäffchen verwandelt. Ihr Gesicht war entsprechend bemalt. Sie trug einen kompletten Fellanzug mit Ohren, Handschuhen und Überziehern für die Schuhe. Der Schwanz ließ sich steuern, denn er bewegte sich hin und her und tippte Blackstone immer mal wieder auf die Schulter. 

Ich beugte mich meinem Kostüm entsprechend elegant zu den beiden runter, um sie herzlich zu begrüßen. Newts Handschuhe wiesen auf den Innenflächen kleine Bubbel auf. Das mussten Gecko-Grips sein, die man an und abschalten konnte. 

Last but not least und keine Minute verspätet, stieß Triple S zu uns. Als erstes fielen mir sein falscher Schnurrbart, den er sich stilvoll aufgeklebt hatte und das schwarzen Cape auf, welches ihn im leichten Wind umflatterte. Darunter trug er eine dunkelgraue Weste, natürlich zweireihig, auf der ich beim Näherkommen kleine Blutspritzer erkennen konnte. Unter die Weste hatte er ein passendes weißes Hemd und die dazugehörige dunkle Stoffhose gezogen, die in schwarzen Schnürschuhen mündete. Den letzten Schliff bekam die Verkleidung durch einen schwarzer Zylinder, um dessen Rand er seine weiße Perlenkette drapiert hatte. Weste und Zylinder wirkten auf den zweiten Blick irgendwie gebraucht und alt. Die anderen Kleidungsstücke waren kunstvoll auf altmodisch gemacht, damit sie zu den alten Stücken passten. An der Hüfte trug Triple S zudem einen wunderschönen, verzierten, silbrigen Dolch, an den ich wegen meiner Allergie vorsichtshalber wohl besser nicht geriert.

Somit waren wir vollzählig. 

Ich stellte Harlequin und Lan noch einmal vor und machte mich dann daran, jedem aus unserer Runde den einmaligen Code einer Monster-Karte von meinem Commlink aus zu zu spielen. 

Die Codes waren fortlaufend nummeriert und diese hier waren alle auf meine Master-Monster-Card gematched. Um die Teilnehmer zu beschränken und vor allem um Dopplungen und gefälschte Karten zu vermeiden, musste ich in jeder Karte einen Namen nach Wahl eintragen, bevor ich sie versandte. Am Eingang würde dann jedem einen zur Karte passender RFID-Chip an einem farblosen Gummiarmband ausgehändigt werden. Auch die Bezahlung im Club würde über die Kartencodes erfolgen, die zwar auf dem Commlink liefen, aber nicht mir der ID verbunden waren und somit würden alle Getränke und jeglicher Verzehr am Ende über meine Monster-Master-Karte laufen. Das Geld würde ich mir später aus der derzeit üppig gefüllten Teamkasse zurück holen. Ich hatte schon genug für das Team gegeben, als ich die Karten so vorausschauend besorgt hatte. Außerdem hatte Doc und TriXhot auf ihrer Tour einen fetten Betrag eingesackt, der zum Großteil in der Team-Kasse gelandet war. Jegliche ungenutzten Codes würde ich beim Einlass freigeben, damit sie an der Nachtkasse verkauft werden konnten.

Wir liefen als Gruppe selbstbewusst an der Schlange am Eingang vorbei und niemand wagte es, uns aufzuhalten. Ich hatte keine Ahnung, ob meine Master-Karte mir einen solches V.I.P.-Vorteil brachte. Ich machte es einfach so und auch die Security-Männer am Einlass, die heute alle eine weiße Eishockeymaske mit einem S auf der rechten Wange trugen, sagten nichts.

Ich denke, Gatsby hätte sich dies auch verbeten.

[Song 8: Pop Evil - Deal With The Devil] Es war gerade mal viertel vor Zehn und die Party hatte um 9 Uhr, also erst vor Minuten begonnen. Dennoch brodelte die Stimmung im Inneren bereits. Eine Newcomer-Band, laut AR die Crasy Devils, drei Menschen, ein Ork und ein Troll an den riesigsten Drums, die ich je in meinem Leben gesehen hatte, heizten so richtig ein. 

Nebelschwaden durchzogen das Skeleton. 

Die gesamte Beleuchtung flackerte gelegentlich. 

Schatten huschten über die Wände. Wegen der Halloween-Dekoration war von der berühmt-berüchtigten Flugblatt-Tapete des Clubs nicht mehr viel zu sehen. 

Schaurig und weniger schaurig kostümierte Metamenschen standen an den beiden Bars, saßen an Tischen oder hüpften und tanzten auf den dafür vorgesehenen Flächen. 

Wir folgten erstmal den ARO’s zu unserem Monster-Space, einem für uns reservierten Bereich mit Tischen, Sesseln und Stühlen, für den ich Sitzmöbel für Trolle und Zwerge bestellt hatte. 

Wir gaben unsere erste Runde via AR in Auftrag. 

Das buntes Durcheinander aus Bier, Cocktails, Soju, Whisky und Champagner wurde bald darauf von einem fluorisierendem Skelett geliefert. 

Jede Bedienung des Clubs war heute Nacht als Skelett unterwegs. Auch die Drohnen, die dann meist Tierskelette darstellen. Die Metamenschen hatten entweder tatsächlich Skelett-Anzüge an oder trugen schwarze Kleidung nach Geschmack und ein Skelett war via AR übergelegt.

Wie stießen auf uns und den Abend an. Ich leerte mein Champagner-Glas zur Hälfte, griff dann nach Harlequins Hand und sagte zuckersüß, „Komm Jay. Ich will tanzen! Lass uns zusammen mit all den entzückenden Monstern und Gestalten eine heiße Sohle aufs Parkett legen.“

❄❄❄

Snowcat und Harlequin zogen schon mal gleich ab. Natürlich hatte Rubber Duck auch Trixhot einen kleinen Strauss Zuckerrosen mitgebracht, die sie in ihrem Rotkäppchen-Körbchen hatte verschwinden lassen, “Und auf was für Sportarten stehst du so?", fragte er sie und nippte an seinem Sweet Martini, "wobei ich jetzt in erster Linie an Sportarten denken, die du selbst betreibst. Irgendwas machst du nämlich sicher bei dem - sorry, aber ge*len - Body.“ Er schickte schnell ein jungenhaftes Grinsen hinterher, um nicht abschätzend zu wirken.

TriXhot weitete reflexartig ihre Augen und sog dabei scharf Luft ein, um sich nicht an dem Drink zu verschlucken, den sie gerade durch ihren Strohhalm genoss. „Wow, dieser Zombie hier ist echt lecker, dass muss ich ja mal neidlos zugestehen!“ Wenn du überrascht wurdest Kleines, dann versuch dir Zeit zu erspielen. Sie hörte die Stimme ihres Vaters regelrecht in ihrem Hinterkopf. Sie schaute den jungen Asiaten eindringlich an, der sie freundlich anlächelte. „Hmm, meinst du jetzt mit ge*ler Body athletisch ge*l oder sexy ge*l ?“ konterte sie grinsend und hoffte, dass es unter all dem Kunstblut und der klaffenden Klauenwunde in ihrem Gesicht irgendwie fies und gruselig rüber kam. Rubber Duck verzog keine Miene und lächelte weiterhin herzerwärmend. Naja, man muss einem Fisch das Schwimmen halt nicht mehr beibringen, dachte sie.

„Muss ich mich für eines entscheiden?“, fragte Rubber Duck im neckenden Ton und fügte schnell hinzu, „Ich bin sicher, beides geht gleichzeitig.“

Das ließ TriXhot unkommentiert. „Nee, jetzt mal ehrlich. Ich stehe total auf Extremsportarten. Snowboarden, Basejumpen und so etwas in die Richtung. Ich war sogar schon mal mit Snowcat und einer echten Größe im Geschäft Paragliden, das war der Hammer!“

Da waren ja gleich mehrere Interessante Aussagen auf einmal, wie er für sich feststellen musste und alle lohnten sich, mehr zu erfahren. Rubber Duck nahm den Kopf etwas zurück, um TriXhot aus einer anderen Perspektive zu betrachten, „Ja, das passt gut zu dir. Basejumpen? Da braucht man einen Piloten.“, er zwinkerte mit beiden Augen, „Also falls es daran mal fehlt, stehe ich gerne zur Verfügung. - Da ist jetzt aber nichts dabei, was man so spontan machen kann. Magst du etwas davon besonders?“

„Ich denke mein absoluter Favorit ist Parcours. Wenn das Adrenalin durch deinen Körper schießt und du dich dabei einfach frei fühlst, das ist der absolute Hammer, das kannst du mir glauben! Von der genialen Aussicht und dem Sonnenuntergang ganz zu schweigen.“ Drachenreiten ist auch nicht schlecht, schoss es ihr durch den Kopf und ihr ohnehin schon enthusiastisches Lächeln wurde noch ein wenig breiter. Und nein mein kleiner Charmeur, ich werde jetzt nicht das kleine, schmutzige, wunderschöne Wort als Sportart nennen, keine Chance!

Rubber Duck hörte TriXhot aufmerksam zu und sah ihr dabei die ganze Zeit ins Gesicht, wobei er immer wieder versuchte, den Blick von Trixhot mit seinem einzufangen. Nach ihrem letzten Satz war eine kleine Pause entstanden, dann sagte er leicht heiser, "Wow. Du hast echt wunderschöne Augen und ich bin absolut fasziniert davon, welches Ausdruck-starkes Farbspektrum sie annehmen können. Tobte da gerade noch ein beinah dunkelgrauer, leidenschaftlicher Sturm, als du von Parcour erzählt hast, funkelt im nächsten Augenblick so ein neckisches, anziehendes Türkisblau."

Trixie lies die Worte ihres Gegenübers sacken. Es dauerte den Bruchteil einer Sekunde, dann verschwand ihr Lächeln vollständig aus ihrem Gesicht. Sie schaute ihn grimmig an, beugte sich dann schleunigst nach unten und holte blitzschnell ihren kleinen Rotkäppchenkorb hervor und knallte ihn auf den Tisch. Theatralisch und ohne den Blick von Rubber Duck zu lassen, durchtastete sie das Behältnis bis ihre Hände das gewünschte Etwas endlich ertasteten. Verdammt, ihre Waffe fühlte sich gut, nein hervorragend, in ihrer Hand an. Sie betätigte den Abzug. Die kleine Energiezelle lies ein leises, mechanisches Summen erklingen, als sich die Plastikkettenglieder der Gears of Warfare™ Spielzeug-Kettenaxt langsam in Rotation versetzten. „Das mit den Augen, mein fieser, böser Herr Wolf, war ja wohl mal eindeutig mein Satz! Hier schau – sie zeigte auf den abgeschlagenen AR-Kopf des Wolfes, der ihr Kostüm komplettieren sollte – das ist mit dem letzten Fiesling passiert, der mir den Satz klauen wollte!“ So schnell wie es eben verschwand, so abrupt kehrte das Lächeln auch auf ihr Gesicht wieder, vielleicht sogar noch eine Nuance strahlender. Sie schnellte mit ihrer linken Hand vor und hielt damit seine Rechte fest und hackte dabei spielerisch mit der Axt zu. Langsam stand sie auf und wanderte mit ihrer Hand seinen Arm hoch. Dort angekommen massierte sie ganz kurz seine Schulter und flüsterte ihm dabei ins Ohr „Das kostet dich was, Freundchen. Entweder ein nettes Abendessen oder du machst beim nächsten Parcours-Lauf mit, deine Wahl! Du kannst dich entscheiden, lass' dir Zeit, ich gehe mich mal eben frischmachen.“ Sie zog eine alberne Fratze und ahmte zweimal eine Schlagbewegung mit der nun mittlerweile ausgeschalteten Axt nach. Kichernd und mit einem kecken Winken ging sie in Richtung der WCs, bestellte aber vorher noch etwas über AR. 

„Dann bis gleich!“, meinte Rubber Duck, der ihre Reaktion nicht so ganz durchblickte. Er sah ihr noch einen Moment nach. Dann sah er in sein Glas, kräuselte dabei die Stirn, zuckte mit den Schultern und trank einen Schluck. Sein Bruder grinste ihn kurz halb belustigt, halb böse an. Zumindest sagte er nichts dazu. Das war doch schon mal gut, fand er.

Als der Sweet Martini dann kurze Zeit später an Rubber Ducks Tisch gebracht wurde, lief auf dem Glas in AR-Schrift der Satz „Danke für das Kompliment, das war sehr nett! xoxo“ entlang.

Als Trixie wieder kehrte, stand Rubber Duck vom Barhocker auf und erklärte, “Ich hab mich entschieden, ich lad dich zum Abendessen ein. - Komm, lass und mal tanzen gehen.“, er streckte Trixhot in einer auffordernden Geste die Hand hin, "Der Song hat 'nen ganz guten Beat. Manchmal ist schneller ja besser. - Manchmal." , er zwinkerte ihr zu und zwei Gedankenkette schossen ihm in den Kopf. Eine von den Dingen, die schneller und eine von Dingen, die langsam besser waren. In beiden Ketten kam Sex vor.

Dank ihrer Gesprächsverbindung über Commlink konnten sie weiter zur lauten Musik tanzen und sich dennoch unterhalten. Rubber Duck hatte Spaß daran, dem athletischen Körper von Trixhot beim Tanzen zu zu sehen und klar, nutzte er jede Chance sie anzufassen. Die Braut gefiel ihm und er war nun mal nicht der Typ, der sich besonders viele Sorgen um Konsequenten machte. Obwohl so ein schneller Song ihm nicht besonders viele Gelegenheiten brachte, das gegenüber zufällig zu berühren, Spaß machte es dennoch. Das war dann zumindest die Gelegenheit, ihr in einem bestimmtem Punkt auf den Zahn zu fühlen. “Erzähl doch mal was über Dark Shore, was magst du an ihm?", fragte er unvermittelt, in der Hoffnung, sie mit der Frage zu überraschen. Rubber Duck sah sie mit einem offenen, neutralen Blick an, doch die Neugier darin konnte er wahrscheinlich nicht ganz verbergen. Klar war er neugierig auf sie. Nun wollte er unbedingt mitbekommen was sie sagte UND wie sie es sagte.

„Was, ehrlich? Wir sind gerade mächtig am abtanzen und mich überkommt die Idee das du in Wirklichkeit unter diesem Kostüm Metge bist, der gerade eine seiner radikalen Leibesvisitationen startet.“ Ihr Grinsen verriet ihm jedoch, dass ihre Worte nicht böse gemeint waren, nein ganz im Gegenteil. Sie tanzte gerne mit ihm, er hatte den richtigen Groove, war forsch ohne dabei aufdringlich zu sein und verdammt ja, er wusste ganz genau was er mit seinen Händen anzufangen hatte. Aber die Frage überraschte sie jetzt doch, insbesondere zu diesem Zeitpunkt. Sie hatte den staatlichen Ork jetzt schon eine Weile nicht mehr sehen können, da sie mit ihrem Vater Yankee und Doc die letzte Zeit damit verbracht hatte „Kleinigkeiten“ für UC zu erledigen. So etwas erlaubte leider viel zu wenig Zeit für die sozialen Kontakte eines Metamenschen. Mit einer kleinen, gedankenverlorenen Pause antwortete sie „Dark Shore ist absolut super! Groß und kräftig, ein hübscher Kerl mit viel Humor und gewissen … Vorzügen. Wir haben ein paar gemeinsame Hobbys, es macht Spaß mit ihm wegzugehen und die Sau rauszulassen. Ist ein klasse Runner, was ich so gehört habe. Ob wir ein Paar sind hast du neulich gefragt.“ Sie schaute ihn neckisch an. „Du bist ja schließlich der Meisterdetektiv „The Beau“, sollte dir doch leicht fallen, das heraus zu finden, oder?“

Rubber Duck lächelte nur ganz leicht und hoffte den japanisch reservierten Takashi einigermaßen nachzuahmen, zumindest das passende Zitat hatte er aber drauf, „Keine Sorge Sweetheart, ‚The Beau‘ ist immer einen Schritt voraus!“, dann strich er vorsichtig einen Tropfen Kunstblut von der ‚entstellten‘ Seite des hübschen Gesichts.

Drei Songs später wechselte der DJ, womit sich der nächste Live-Act ankündigte, "Hast du Lust mir etwas über diese ominösen Mädchen zu erzählen von denen die anderen neulich im Pub geredet haben?“, fragte Trixhot, als sie von der Tanzfläche schlenderten und sich zurück zu der Ecke nahe der Bühne begaben, wo sie ihre Monsterzone hatten, „Nur wenn du willst natürlich! Aber deine festen Freundinnen scheinen es ja laut deinen Worten nicht zu sein." Sie hatte an dem geselligen Abend, der leider so trübselig mit dem Tod Shamrocks endete, das ein oder andere über Rubber Ducks Bekanntschaften und irgendwelche Gerüchte über deren Krankenhausbesuche gehört. Der hübsche Mann konnte mit seinen Berührungen und charmanten Auftreten Frauenherzen höher schlagen lassen, soviel war klar, aber hatte er auch eine dunkle Seite?

Rubber Duck lachte, „Da war ne Fangfrage versteckt. Nicht nur mega-hübsch, sondern auch noch clever. Man hat immer nur eine feste Freundin. - Also jedenfalls ich.“ Er sah ihr in die Augen, „Klar erzähle ich dir was über sie. Jede von ihnen hat was ganz Besonderes. Anna zum Beispiel hat ein umwerfendes Lächeln, mit süßen Grübchen, von denen ich nicht hoffe, dass sie sich rauswachsen, wenn sie erstmal ein Teenager wird. Oder Kara McClusky, ihre Augen …“ er sah rüber zu Trixhot und versuchte erneut ihren Blick einzufangen, „die sind fast so ausdrucksstark wie deine. Kara ist ein Ork und 43, ich sag dir, wenn ich 15 Jahre älter wäre …“ Er ließ das so offen im Raum stehen und sagte stattdessen, „Kiki hat den perfekten Schmollmund. Wie gesagt, jede hat was. - Bei mir in der Gegend sind nicht alle mobil und der Arzt, dem man ja vertrauen sollte und der kein geldgieriger Sack sein darf, wohnt nicht gleich um die Ecke. Also fahr ich die Mädels mal zum Arzt oder bring auch mal `nen Einkauf nach Hause. Dafür bekomm ich dann ein Stück Kuchen, eine Einladung zum Abendessen oder auch mal ein tolles Lächeln.“

Wow, nicht schlecht. Er war also kein brutaler Axtmörder, ein absoluter Pluspunkt der für ihn sprach. Charmant, gut aussehend UND sozial engagiert... Dad hätte jetzt seine eigene festgefahrene Meinung über genau diesen Typ von Mann gehabt, den er gerne <Haifisch> nannte. Aber sie ist zum Glück nicht du, alter Miesepeter, hatte Mom dann immer gekontert. Sei du selbst Kind, du machst das schon. Sie kannte kein anderes Paar, was sich so oft gestritten hatte und trotzdem so unglaublich ineinander verliebt war. 

"Über mich? Och, ich bin bloß ein ziemlich durchgedrehtes, adrenalinsüchtiges Mädchen, das versucht im Leben eine Menge Spaß zu haben und dabei nicht unter die Räder zu geraten. Und wenn ich auf dem Weg noch ein paar Heldentaten vollbringen kann, dann ist es umso besser. Und ich backe echt schlechten Kuchen. Doch, ehrlich! Aber ich bin gut was Abendessen und Lächeln angeht.“

❄❄❄

Perlend lachend kehrten ich an Harlequins Arm zu den anderen an unseren Tischen zurück. Rubber Duck und TriXhot waren offenbar auch gerade erst von der Tanzfläche zurück gekommen und man orderte praktischer Weise gerade eine Runde Getränke, bei der wir uns anschlossen. Ich blieb, schon allein um meiner Rolle zu entsprechen, bei Champagner und Harlequin bestellte gleich eine ganze Flasche eines immerhin 8 Jahre alten Whiskys, von dem er wusste, dass man ihn hier führte. Nicht weiter verwunderlich, denn selbst ich war schon mal mit ihm hier gewesen. Natürlich orderte er diverse Gläser dazu, damit sich jeder der wollte selbst bedienen konnte. 

Wir plauderten, lachten und erzählten von den grusligsten Halloween-Trideos, die wir kannten. Ein Thema, zu dem ich nicht viel beizutragen hatte, denn ich hatte in meinem Leben noch nicht sonderliche viele Trideos oder sonstige Filme gesehen. Ein Defizit welches ich irgendwann einmal aufholen würde. Umso lieber hörte ich den anderen jetzt zu.

Nach zwei Gläsern Champagner wollte ich aber unbedingt ins Spukhaus gehen und so küsste ich Harlequin auf den Hals, wo sich sein Duft mit meinem augenblicklich vermischte und meine Sinne betörte. 

Er duftete einfach so unglaublich gut und männlich. Meinen eigenen Duft nahm ich eigentlich kaum noch war und schon gar nicht den meines Parfums, da ich es jeden Tag auftrug. Doch heute mischte sich dieser Duft mit dem des geheimnisvollen Badezusatzes, den Harlequin mir mitgebracht hatte. In der alt aussehenden, Wachs versiegelten Flasche, in deren Glas sich Einschlüsse befanden und die offenbar Mundgeblasen war, befand sich eine milchige nach Honig, Mandeln und exotischen Kräutern duftende Flüssigkeit, die angeblich nach einem Geheimrezept von Cleopatra zusammen gemischt worden war. Ob nun von Cleopatra oder nicht, etwas Geheimnisvolles umgab dieses Zeug, denn das Badewasser hatte meine Haut umschmeichelt, wie keine Flüssigkeit zuvor. 

„Wollen wir vielleicht das Spukhaus besuchen?“, flüsterte ich in sein Ohr.

„Gerne doch.“, erwiderte er kaum hörbar.

Wir erhoben uns und taten sehr verschwörerisch.

[Song 7: AC/DC - Hells Bells] Hand in Hand und breit grinsend liefen wir auf das Spukhaus zu. Zunächst mussten wir durch einen dunklen Gang in ein nahe gelegenes Haus gelangen. Das einzige Licht kam von winzigen, grünlichen Funzeln und einigen leuchtenden Schriftzeichen an den Wänden. 

Vor der Treppe nach oben ins Haus hielten zwei gewaltige Troll-Skelette Wache. Die Security gab den Eingang erst frei, wenn der oder die Besucher davor mindestens ein, zwei Minuten Vorsprung hatte. Selbstverständlich durfte man auch als Gruppe gehen. 

Die Skelette ließen uns ein und wir stiegen die relativ steile, knarzende Treppe hinauf und betraten das Spuckhaus durch eine ebenfalls knarzende Tür. 

Ein schauriges Lachen erklang.

Kaum waren wir hindurch, schlug die Tür hinter uns zu. Auf der Innenseite besaß sie keine Klinke und so blieb uns nur der Weg voran.

Die altertümlichen Möbel waren mit Spinnweben behangen. Getrocknete Blutspritzer klebten an den Wänden. Alles war ziemlich vollgestellt. Gerümpel lag herum, als hätte ein Kampf stattgefunden. 

Eine Mumie sprang hinter einem Schrank hervor, konnte mich aber nicht wirklich erschrecken, da ich ihr Nähern gespürt hatte. Solche intuitiven Fähigkeiten ließen sich nur schwer abschalten. Aber das tat dem Spaß in diesem mit vielen Details aufgemachten Haus keinen Abbruch. Ich kuschelte mich also dichter an Harlequin.

Ein kalter Luftzug sorgte dafür, dass sich mir die Nackenhaare aufstellten. Vorsichtig duckten wir uns unter einem riesigen Spinnennetz durch, in dem eine hässliche, schwarze Spinne hockte und betraten durch die Tür den nächsten Raum.

Das Schlafzimmer war nur durch Kerzen erleuchtet. Wieder wurde die Tür hinter uns ins Schloss gezogen. In dem Bett am Fenster lag eine Frau, der man mit einer Axt den Schädel gespalten hatte. Das Bett war blutbesudelt. 

Irgendwo aus den Tiefen des Hauses erklang ein erstickter Schrei. Ein Luftzug löschte das Licht fast völlig, aber dank unserer Elfenaugen konnten wir sogar noch Details wahrnehmen. 

Eine grünliche, durchscheinende Gestalt löste sich vom Bett und schwebte auf uns zu. Plötzlich verzerrte sich ihr Gesicht zu einer wütenden Fratze. Sie kreischte und wollte sich auf uns stürzen, doch bevor sie uns erreichte, zerfaserte das Gespenst und löste sich in Rauch auf.

Die Standuhr schlug zwölf Mal und mit dem letzten Schlag öffnete sich die schmale Tür unter dem Zifferblatt und ein verrückter Axt-Mörder sprang brüllend heraus. 

Harlequin trat augenblicklich und ansatzlos schützend vor mich und streckte seinen Arm aus. 

Das Brüllen erstarb. Der Axt-Mörder fror mitten in der Bewegung ein und blieb versteinert stehen. Ja, im wahrsten Sinne des Wortes versteinert, denn nun war er eine Statue aus Stein mit äußerst lebendigen Augen.

Um solche Szenen zu vermeiden, hätten sie für das Kostüm wohl keine echte Axt nutzen dürfen.

Harlequin bot mir seinen Arm an und wir traten durch die Tür in den Flur. Kurz bevor die Tür ins Schloss fiel, löste Harlequin des Zauber wieder und ich konnte noch sehen, wie ein völlig verdutzter Axt-Mörder den Kopf schüttelnd in die Uhr zurück kehrte.

Wir ließen den Abzweig zur Glibber-Tour links liegen und durchliefen weitere Zimmer, die liebevoll mit diversen Schreck und Grusel-Effekten ausgestattet worden waren. 

Es gab ein Zombie-Zimmer, in dem ein halbes Dutzend Metamenschen dröge umherstanden, bis eine lebendige Seele den Raum betrat und sie grauen Schleim sabbernd die Armee ausstreckten, um sich torkelnd auf die Lebendigen zu zu bewegen. 

Dann war da eine Folterkammer in der man einem Ork auf einer Streckbank in den Gedärmen rum stocherte oder eine leicht bekleideten Elfe in eine eiserne Jungfrau gezwungen wurde.

Ferner war da ein Labor von Dr.Frankenstein, in dem diverse Gehirne in Gläsern zur Schau gestellt wurden und das Monster immer wieder aufs Neue nach einer elektrischen Entladung zum Leben erwachte.

Generell musste ich feststellen, dass die AR-Überraschungen mich deutlich stärker erschrecken konnten, als die realen. Magie wurde nicht eingesetzt.

Der Raum mit den vielen Ratten, den Leichenteilen und den drei Ghoulen, die darin umherkrochen und nach Futter suchten oder von einem Bein nagten, fand ich besonders authentisch gelungen, zumal der Besucher durch eine durchsichtige Wand von dem Raum getrennt waren. Ich nahm nicht astral wahr, um festzustellen, ob die Ratten oder die gut gelungenen Ghoule echt waren. 

Als wir uns im letzten Raum den Weg durch Gerümpel und Bretter bahnen mussten, um an den Ausgang zu kommen, sorgten schaurige Musik und ein eiskalter Luftzug für den erhöhten Gruselfaktor. Harlequin half mir wie ein Gentleman über die diversen Hürden.

Einmal hob er mich unerwartet schnell hoch, um mich über ein Loch im Boden zu tragen. Womit er dann verhinderte, dass mich das ‚eiskalte Händchen‘, welches dort lebte, an den Knöcheln berührte.

Als wir das Spukhaus verlassen hatten, entführte mich mein Gatsby nach links auf den Hinterhof, statt nach rechts zurück zum Skeleton zu gehen, wo wir uns einige Minuten küssten. 

Ich seufzte verträumt, als sich unsere Lippen von einander lösten. 

Harlequin grinste verschmitzt, „Nachdem wir als Daisy und Jay in dem Spukhaus waren, wollen wir zwei da vielleicht noch mal zurück durch die Hintertür, um selbst ein wenig zu spuken? Ich bin fest davon überzeugt, dass Magie all dem noch mehr Würze verleiht.“

Ich grinste, „Das klingt nach einer Menge Fun.“

So erhöhten wir den Kreischfaktor für die nächste halbe Stunde um Einiges und wir hatten dabei in jedem Fall unseren Spaß.

❄❄

Zurück am Tisch fanden wir unsere Monsterbande bis auf Takashi ‚The Beau‘ Haruto und Darrien Cross reduziert vor. Chang zum Beispiel tanzte gerade mit Trixhot auf der Hauptfläche, während Blackstone weiter hinten links stand, damit er Newt besser im Auge behalten konnte, die an einem Stahlgitter an der Wand über ein paar Tischen wie ein echtes Äffchen herum kletterte. 

Shark Finn und Bloody Guts konnte ich wegen ihrer Größe auf der zweiten, etwas kleineren Tanzfläche ebenfalls leicht ausmachen. Die anderen sah ich erstmal nicht und es gab auch keinen Anlass nach ihnen zu suchen.

Während ich mein X-tes Glas Champagner schlürfte und die Energien der ausgelassenen Metamenschen zu der wirklich guten Musik genoss, kam ich mit Gunner ins Gespräch. 

„Woher kommt eigentlich dein großes Interesse für Drachen? Und warum weißt du so viel über sie?“, fragte er irgendwann.

Ich lachte, „Ach, wenn ich wirklich viel über sie wüsste, das wäre schön.“

„Ich finde, du weißt viel über sie.“, erwiderte er.

Gunners Augen wirkten stets wach und aufmerksam, wie mir gerade wieder auffiel, „Für mein Interesse ist sicher meine Natur mit verantwortlich. Aber ehrlich gesagt, fand ich sie schon immer faszinierend und in unserem Gewerbe kommt man eben immer mal wieder an die eine oder andere Information über Drachen oder sogar über einen bestimmten Großen Drachen und wenn es solche Informationen gibt, höre ich immer sehr aufmerksam zu.“, erklärte ich.

Gunner nickte, „Verstehe ich. Es ist trotzdem ungewöhnlich. Nicht jeder, der sich für Drachen interessiert, malt Bilder für sie und hat die dabei, für den Fall, dass man dem Großen Drachen zufällig begegnet.“

Ich lächelte, „Nun. Nicht für jeden Drachen, sondern nur für die, mit denen wir mal entfernt zu tun hatten.“

„Ach so.“, meinte Gunner grinsend, „Na dann ist es ja gleich viel verständlicher. Du meinst also, du hast auch ein Bild für Alamais dabei?“

„Nein. Für ihn nicht. Es sollte schon ein netter Drache sein und wir sollten nicht gerade gegen ihn gearbeitet haben. Ich glaube, da nutzt ein Bild auch nichts mehr. Lung bin ich während eines Jobs mal auf einer Party begegnet, da war das mit dem Bild naheliegend. Ein Johnson von Lofwyr….“, die Namen der Drachen sprach ich vorsichtshalber immer sehr leise aus, „ … zum Beispiel, wollte uns mal während eines Auftrages abwerben, was wir abgelehnt haben. Für diesen Drachen habe ich ebenfalls ein Bild gemalt. Ich denke, es handelt sich dabei um eine Art Beschwichtigungs-Geschenk. Also um meinen Versuch den Drachen durch ein Geschenk, mit dem ich meine Ehrerbietung ausdrücken möchte, milde zu stimmen. Und wenn sich ein Drache wie der, auf dessen Berg wir gerade waren, für Kunst interessiert, dann sind die Chancen groß, dass es funktioniert.“

Gunner sah nachdenklich aus. Er nickte nun. Auch wenn er während meiner Erzählung immer wieder breit gegrinst hatte, war er weit entfernt davon gewesen, sich über mich lustig zu machen. Er hatte der Sache einfach auf den Grund gehen wollen.

❄❄❄

Snowcat unterhielt sich mit Gunner. Das war Rubber Ducks Gelegenheit ein Gespräch mit diesem Harlequin anzufangen, ihn näher kennen zu lernen und gleichzeitig etwas in Erfahrung zu bringen, was er sich schon fragte, seit er Snowcat zum ersten Mal begegnet war. Womit er nicht meinte, wie sie sich wohl anfühlte, denn das hatte er bei einer Massage zumindest in den Grundlagen geklärt. Er lächelte den Typen also an und fragte locker, „Wo ich dich hier grad so sehe, fällt mir was ein. Ich hab mir ja nun schon lange Gedanken gemacht, wie ein Mann aussieht, auf den Snowcat so steht.“ Nein, das war noch nicht das gewesen, was er wissen wollte, aber irgendwie musste er das ja einleiten. 

Harlequin grinste ein wenig, „Schickes Kostüm übrigens. Du hast Beau gut getroffen.“

Rubber Duck hatte sich schon fast den nächsten Satz zurecht gelegt gehabt, doch nun sagte er erfreut, „Oh ja, danke. Du siehst aber auch sehr gut aus.“

„Danke zurück.“, meinte Harlequin nur. „War es schwer, die Sachen zu besorgen?“

Rubber Duck winkte ab, „Ach was, nein. Weil das mit der Einladung zu Halloween relativ kurzfristig war, musste ich ein bisschen mehr bezahlen, aber Takashi ist in Japan ziemlich angesagt und darum war das Kostüm über die Matrix leicht zu bekommen.“ Rubber Duck kratze sich kurz am Kopf, was hatte er doch sagen wollen? Ach ja, „Nun weiß ich es, also auf welchen Typ Snowcat so steht. Auf deinen Typ. Sie hat ja echt nur Augen für dich.“ 

Rubber Duck brauchte einen winzigen Moment für die endgültige Überleitung und da sagte Harlequin im überraschten Ton, „Wieso? Sie hat doch auch Augen für Gunner.“

Rubber Duck war kurz verwirrt. Wie kam er denn jetzt auf Gunner? Er blickte zu den beiden rüber, die sich ja ebenfalls unterhielten. Wenn Snowcat heute Augen für Gunner hatte, dann konnte Rubber Duck das nicht sehen. „Ähm, ja schon, sie spricht mit ihm. Aber dich sieht sie doch ganz anders an.“, formulierte er vorsichtig, denn er wollte Snowcat auf keinen Fall irgendwie reinreiten und andeuten, sie könnte sonst auf Gunner stehen. Schnell fügte er hinzu, „Also für dich hat sie mehr Augen, nehme ich an.“

Harlequin grinste und sah dabei irgendwie ein ganz klein bisschen fies aus, „Nehme ich auch an.“

Rubber Duck nickte, „Ich würde natürlich gerne wissen, womit du sie von dir überzeugt hast, aber das Geheimnis verrätst du mir wahrscheinlich nicht.“ Er sah sein Gegenüber erwartungsvoll an.

Dieser blickte neutral zurück, „Ziemlich wahrscheinlich nicht.“

Rubber Duck nickte, „Ja, das hab ich befürchtet. Was du mir aber vielleicht verrätst: Also, wenn man mit einer so außergewöhnlichen Frau zusammen ist, mit der Einen unter Allen- Snowcat ist ja wirklich unglaublich schön…“ Harlequins direkter, neugieriger Blick brachte Rubber Duck fast aus dem Konzept, „ … Also, wie kommt man da mit der Eifersucht klar?“

Harlequin sah ungläubig drein, „Du meinst, der Grad der Eifersucht hängt vom Aussehen deiner Freundin ab? Ist Eifersucht nicht etwas, was allein von dir abhängt? Also davon, wie eifersüchtig du bist?“

Rubber Duck musste ziemlich lange überlegen und erwiderte dann, „Na, je schöner sie ist, desto mehr Männer interessieren sich doch für sie und versuchen was und wenn alle was von ihr wollen, dann macht einen das doch eifersüchtig.“

Harlequin sah Rubber Duck eindringlich an, „Das mag sein, aber das ist doch unabhängig davon, wer deine Freundin ist und wie sie aussieht. Das hängt doch viel mehr davon ab, wie sehr du ihr vertraust und wie eifersüchtig du bist, wenn sie sich mit anderen abgibt.“

Rubber Duck sortierte die Gedanken in seinem Kopf, „Ja stimmt schon. Aber wenn ich weiß, dass ein Mädchen zu mir gehört uns sie passt zu mir und wir lieben uns, dann ist alles gut. Aber wenn sie überirdisch schön sind und man weiß außerdem, dass alle sie wollen, dann ist es doch … irgendwie … schwieriger??“

Harlequin beäugte Rubber Duck skeptisch, „Wirklich? Dann spielen deine Gefühle also weniger eine Rolle, als ihr Aussehen? - Bist du eigentlich eifersüchtig?“

Rubber Duck kratze sich abermals am Kopf. Eigentlich hatte der Typ irgendwie recht, „Ähm ja, schon.“ Dann fiel Rubber Duck etwas ein, „Frauen stehen darauf, wenn man eifersüchtig ist.“

Harlequin grinste, „Habe ich auch gehört. Aber das Wichtige dabei ist, dass der Mann im richtigen Moment eifersüchtig ist. Nämlich nur dann, wenn sie es will.“

Rubber Duck nickte, „Stimmt. - Was es dann ziemlich schwer macht.“

Harlequin grinste wölfisch, kam Rubber Duck ein Stück näher und sprach mit gedämpfter Stimme, „Ich weiß ganz genau, wann ich eifersüchtig sein muss. So als kleiner Tipp, wenn Eifersucht angesagt ist, kommt es gut, wenn man den anderen zu einem Duell herausfordert. Das macht Eindruck bei den Frauen.“ Harlequin stellte den ursprünglichen Abstand wieder her.

Rubber Duck nickte zufrieden und zugleich entgeistert, „Glaub ich dir sofort. Aber ich bin nicht so gut im aufs Maul hauen.“

Harlequin lachte kurz, „Man muss sich ja nicht prügeln. Jemanden zu einem Autorennen heraus zu fordern, funktioniert da auch gut.“, er prostete Rubber Duck zu.

Rubber Duck nickte erfreut, „Merke ich mir, danke.“  Irgendwie wusste er nicht mehr so richtig, was er jetzt eigentlich noch hatte fragen wollen. Ach ja, es ging irgendwie um eine Beziehung mit Snowcat, er zögerte, „Snowcat ist schon ein besonderer Fall. Ich meine, selbst Prominente werden was von ihr wollen und sie reist viel und hat ja auch Gelegenheiten. Also für mich wäre das schwer. Aber das hat dann wohl wieder was mit dem Selbstvertrauen und dem Vertrauen zu einander zu tun. Ich denk halt nur, es ist bei einer so besondern Frau irgendwie schwerer. da möchte man doch dazwischen gehen.“ Und wo er das aussprach, merkte er, wie er sich im Kreis drehte.

Harlequin harkte nach, „Wie ist es denn für dich Snowcat mit anderen Männern zu sehen?“

Rubber Duck zuckte mit den Schultern, „Ja, eigentlich ziemlich gut. Ich bin ja sogar froh, dass ich sie überhaupt sehen darf. Schon cool, wie sie jeden um den Finger wickelt.“ Er hatte noch einen weiteren Satz auf den Lippen gehabt, aber den schluckte er besser runter, immerhin sprach er mit ihrem festen Freud.

„Also möchtest du nicht dazwischen gehen, wenn sie mit einem anderen Typen spricht?“

Rubber Duck schüttelte den Kopf. „Nee. Ich weiß ja, dass sie sicher ist. Shark Finn ist ja immer bei ihr. Obwohl, viellicht wenn der Kerl besonders unsympathisch ist, möchte ich dem Typen dann vielleicht schon aufs Mauls hauen. Aber sie macht das ja nicht zum Vergnügen.“ Rubber Duck hielt erschrocken inne, „Du weißt, was Snowcat beruflich macht?“

Harlequin nickte, „Ja, das weiß ich. Ich war sogar schon mal mit auf einem Run.“ Er kam verschwörerisch wieder ein Stück näher, „Da musst du mal Chang fragen.“

Rubber Duck nicke, „Oh ja, das mach ich dann mal.“ Hmm? Irgendwie hatte er doch noch mehr von Harlequin wissen wollen, aber jetzt kam er grad nicht drauf.

Harlequin fragte, „Möchtest du nur bei Snowcat dazwischen gehen, wenn der Typ besonders unsympathisch ist, oder auch bei den anderen Frauen aus dem Team?“

Rubber Duck überlegte und kam dabei wieder langsam in die Spur, „Na irgendwie will man ja all seine Mädels schützen. Also ich will das. Aber bisher habe ich nur mit Snowcat zusammen gearbeitet und sie handhabt ja auch die sozialen Aktionen. Trixhot kenn ich erst seit kurzem, aber die ist schon mal ziemlich heiß und süß. Dann gibts da noch Mystique und Arcade, aber die kenne ich eben noch nicht.“

Harlequin hob eine Augenbraue, „Bei Arcade musst du vorsichtig sein. Sie steht unter dem Schutz des Oheims.“

„Ja, vom Oheim hab ich schon gehört, von Bubbles. - Genau, Bubbles gibt es auch noch, aber sie ist so was wie eine kleine Schwester für mich, da will ich dann in jedem Fall dazwischen gehen.“

Snowcat trat von hinten an Harlequin heran, stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte in sein Ohr, „Wie wäre es, wenn wie noch ein bisschen tanzen gehen?“

Harlequin nickte, „Es wäre mir ein Vergnügen.“

Sie hatten sich gerade mal zwei Schritte entfernt, als sich Snowcat noch einmal umdrehte und Rubber Duck zurief, „Dich habe ich auch auf meine Tanzkarte eingetragen, also lauf nicht soweit weg.“

Rubber Duck schluckte und trank dann sein frisches Glas Soju in einem Zug leer.

Eigentlich hatte er Harlequin noch fragen wollen, wie er mit der Sehnsucht nach Snowcat klar kam. Aber der Kerl machte nicht den Eindruck, als wenn er zugeben würde, mit irgendetwas nicht klar zu kommen. Erkenntnisse für sich selbst hätte Rubber Duck aus den Antworten eh nicht ziehen können, denn am Ende hatte Harlequin ja Recht, was man empfand, hing nicht von der Frau ab, um die es ging, sondern von einem selbst und der Stärke der Gefühle zu ihr. Wenn er selbst nicht damit klar kam, wäre Snowcat einfach nicht die Richtige für ihn und dass sie über seinem Level schwebte, hatte er von Anfang an geahnt. Was dann auch erklärte, warum er nicht bis über beide Ohren in Snowcat verliebt war. Das war gut, denn so konnte er einfach genießen, mit ihr in einem Team zu sein und sie konnten Freunde werden. Sicher, er würde sie verehren, sie hin und wieder anhimmeln und bestimmt auch begehren, doch die Liebe würde in Form einer anderen Frau zu ihm zurückkehren. Es hatte keine Eile, die Liebe mochte Rubber Duck und er mochte sie auch. 

❄❄❄

[Song 8: Yeah, Yeah, Yeahs - Heads Will Roll ] Ich hatte mit Harlequin getanzt und dann mit Rubber Duck, Gunner, Chang, Shark Finn, Triple S, Bloody Guts und schließlich hatte ich sogar Average von seinem Wackelpudding los und zu einem Tanz mit mir überredet bekommen. Nun war Harlequin wieder an der Reihe und obwohl der Song vielleicht eine Spur zu schnell dafür war, verschränkte ich meine Hände in seinem Nacken und küsste ihn. Wir konnten auch zu einem schnelleren Rhythmus gleichzeitig küssen und tanzen. Gerade standen „A Hundred Shades Of Black“ auf der Bühne und gaben ihre Songs zum Besten. Hier im Skeleton wurde traditionell auch zur Live Musik getanzt. 

Genau wie im Pier 62, was mich an gestern Abend denken ließ.

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Für den Abend des 30.10. hatte ich auch noch nichts vorgehabt und Harlequin hatte einen Besuch im ‚Pier 62‘ vorgeschlagen. 

Das Pier 62 ist ein Club in Downtown, in dem Live Musik gespielt wird und der dafür bekannt ist, dass hier die Talente auftreten, bevor sie berühmt werden. Der Nachtclub verfügt über eine irgendwie private Atmosphäre und zieht somit auch die Künstler an, die genau das einem Auftritt vor einem Riesen-Publikum vorziehen. So kommen dort außerdem auch die Musiker immer wieder hin, die vielleicht schon bekannt sind, sich aber wieder einmal einen intimen Auftritt wünschen. Das Pier 62 gibt niemals vorher öffentlich bekannt, welche Künstler oder Bands an einem Abend auftreten. Es finden also Konzerte auf einer kleinen Bühne vor einem Publikum statt, welches sich für die Musik an sich interessiert und nach Inspiration oder etwas Besonderem sucht, denn es wird so gut wie jede Musikrichtung geboten. 

Wir hatten schon mehr als zwei Stunden im Pier 62 verbracht und gleich 3 gute Künstler aus unterschiedlichen Genres erlebt, als Harlequin mich auf einen gepflegten Troll in hippen Designer Club-Klamotten aufmerksam machte. Sein Haar war tiefschwarz und zu einer extravaganten Tolle frisiert, seine Hörner waren elfenbeinfarben und seine Haut hatte den warmen Ton eines Cappuccinos. Er trug eine Menge an Goldschmuck,Halsketten, Ringe und sogar Armbänder, der allein wegen der immensen Größe so einiges wert sein würde. 

In diesem Club war er offenbar eine bekannte Größe, sorry wegen des schlechten Wortspiels, denn als er seine Runde drehte, wurde er gegrüßt und blieb immer wieder für einen kleinen Smalltalk stehen.

„Komm, lass uns auch mal Hallo sagen.“, meinte Harlequin.

Kaum, dass wir das Sichtfeld des Trolls betreten hatten, stellte dieser sein Glas abrupt auf einem der Stehtische ab und kam auf uns zu. Er sah zunächst eindeutig mich an, wandte sich dann aber an Harlequin, „Harley, wie haben uns lange nicht mehr gesehen. Ich brenne darauf, deine wunderschöne Begleitung kennen zu lernen.“

Harlequin lächelte, „Hallo Darius, na, dann will ich dir die Gelegenheit auch bieten.“ Harlequin sah nun zu mir „Snowcat, darf ich dir Darius St. George vorstellen? Darius, das ist Catherine Frost, aber ich bin sicher, sie hat nichts dagegen, wenn du sie Snowcat nennst.“

Natürlich hatte ich das nicht. 

Darius, wie ich ihn unbedingt nennen sollte und der uns sofort nach unten an seinen Stammtisch einlud, hatte fast nur noch Augen für mich. Direkt, aber nicht unverschämt, wollte er mehr über mich erfahren. Ich musste ihn zwar leider enttäuschen, da ich selbst keine Musikerin war, aber dennoch verlor er nicht das Interesse an mir und war auch in anderen Bereichen der Kunst bewandert und so hatten wir schnell ein unverfängliches Thema gefunden. 

In der Zwischenzeit trat ein Idoru auf, das er unbedingt hören und sehen wollte, also gingen wir wieder hoch.

Idoru nennt man die virtuellen Verkörperungen eines Musikers, die sich simultan zu ihrem Meatbody bewegen, musizieren, sprechen und in diesem Fall eben sangen. Dabei konnte ein Idoru aussehen, wie immer der Programmierer wollte und die entsprechende Person befand sich dann irgendwo auf der Welt und trat via Matrix - und wenn auf der anderen Seite die entsprechende Technik vorhanden war, eben auch für ein reales Publikum auf einer realen Bühne auf. Dieses Idoru war weiblich, sah aus wie ein dunkelblaues, niedliches, aufrecht gehendes Irgendwas, das optisch an eine Füchsin angelehnt war und hatte den klingenden Namen BluAaMy. Mit der Musik hatte sie zumindest Harlequin und mich für sich gewonnen, denn sie legte eine sehr gute Performance solider Rockmusik mit dem gewissen Etwas hin. 

Auch Darius schien begeistert, „Sie ist gut, nicht wahr?“, fragte er und als ich das bestätigte, beugte er sich dicht zu mir und flüsterte, „Ich bin ziemlich sicher, dass das Marli Bremerton, die Leadsängerin der „The Shadows“ ist, die sich schon vor Jahren aus dem Geschäft zurück gezogen hat. Gerüchteweise wurde sie während des Kometen stark gesurged und plant jetzt ein Comeback. Ich vermute, dass sie das wirklich vor hat und hier testet, wie gut ihre neue Musik ankommt.“

Ich flüsterte zurück, „Jetzt, wo du es sagst, ihre Stimme kam mir gleich so vertraut vor, sie klingt wirklich wie Marli.“

Darius rieb sich die Hände, „Ich werde das im Auge behalten.“

Harlequin und Darius waren zwar miteinander bekannt, aber sicher keine richtigen Freunde. Darum war es auch nicht weiter unhöflich, dass Darius mehr an Gesprächen mit mir interessiert war, als an welchen mit Harlequin, was Harlequin wiederum nicht davon abhielt, sich in das Gespräch einzubringen.

Als wir aufbrachen, tauschten Darius und ich Comm-ID’s aus und ich versprach mich zu melden, damit wir bald mal zusammen in einen Club gehen könnten. Zum Schluss meine Darius dann noch, „Bei deiner fantastischen, betörenden, sehr weiblichen Stimme und deinem Aussehen, solltest du es vielleicht doch irgendwann mal mit Musik versuchen. Das Singen kannst du lernen.“ 

Ich lachte perlend, „Ich denke darüber nach.“

Am Ausgang half mir Harlequin wie immer in meinen Mantel, dann nahm er mich sofort in den Arm und raunte mir ins Ohr, „Darius St.George ist übrigens ein Talentscout des erwachsenen Drachen Perianwyr.“

→→→

Gerade fiel mir etwas auf, Marli Bremerton war die Leadsängerin der ‚The Shadows‘, die davor wiederum einst die Band von Jetblack waren, Jetblack Alive würde gleich noch als Top Act im Skelton auftreten und von gerade diesem Sänger hatte man behauptet, er könnte der erschossenen Jetblack selber sein. Die mysteriös untergetauchte, gesurgte Leadsängerin plante ein Comeback, Jetblack war laut Gerüchten gar nicht tot, sondern ein Vampir oder hatte seinen Tod aus anderen Gründen vorgetäuscht, diese ‚The Shadows‘ waren von einer Menge Geheimnisse umgeben. 

❄❄❄

Rubber Duck blickte in die Runde der Männer, die gerade mit ihn am Tisch saßen. Bis auf Bloody Guts, Gunner, sein Bruder Lan und Chang trieben sich alle irgendwo im Club rum. Einige waren tanzen, andere besuchten das Spuckhaus. Er nutzte die Gelegenheit mal alle seine neuen Lieblings-Chummer um sich zu haben. Mit Chang war er zwar nicht so dicke, wie mit Gunner und Bloody Guts, aber dafür würde der sicher nicht petzen, was sie hier besprachen. „Ich hab vorhin mal ein bisschen bei Trixhot nachgefragt und dieser Dark Shore ist nicht ihr Freund, verkündete er ungezwungen.

Bloody Guts verzog das Gesicht, „Echt? Und woraus hast du das geschlossen?“

Rubber Duck lächelte, „Na ich hab sie auf ihn angesprochen und was und wie sie es gesagt hat, deutet darauf hin.“

„Hmm?“, Bloody Guts kratzte sich am Kopf, „Vielleicht wollte sie auch nur deine Gefühle nicht verletzen?“, mutmaßte er.

Rubber Duck grinste, „Nee. Wenn sie meine Gefühle nicht verletzen wollte, hätte sie so was gesagt wie, ‚Mit Dir kann man so toll reden, ich glaub, du könntest mein bester Freund werden.‘, doch das hat sie nicht. Die Luft ist als soweit frei und da könnte was gehen.“

„Soll denn da was gehen?“, fragte Gunner grinsend nach.

Rubber Duck zuckte mit den Schultern, „Na, warum nicht? Ich finde sie ziemlich süß.“

Lan lachte trocken, „Du findest alle Frauen ziemlich süß!“

„Hey.“, erwiderte Rubber Duck halb empört, „Das stimmt doch gar nicht. Ich mach da schon Abstufungen.“

Bloody Guts feixte, „Ja. Na klar. Süß, sehr süß, etwas mehr süß. Aber am Ende reicht es, wenn sie irgendwie süß ist.“

Rubber Duck winkte ab, „Quatsch. Ich bin zwar kein Kochverächter, stimmt schon, aber ich mach wirklich Abstufungen. TrIxhot ist sehr süß, sieht gut aus, ist locker drauf und macht gern Party. Alles Pluspunkte.“

„Und sie soll ziemlich gefährlich sein, wie ich gehört habe“, fügte Gunner hinzu.

Rubber Duck zuckte mit den Schultern, „Egal. Sie steht auf unserer Seite. Jedenfalls könnte da was gehen und das werde ich weiter abchecken. Verschwendet ist die Zeit in keinem Fall und eilen tut es ja auch nicht. Ich wollte jetzt auch nicht mein Revier markieren oder so, ich wollte nur festhalten, dass sie keinen festen Freund hat und ich sie süß finde.“ Rubber Duck hob sein Glas, prostete den anderen zu, die ihre Gläser ebenfalls hoben und dann leerte er seins in einem Zug und stellte es schwungvoll auf dem Tisch ab, „Im Gegensatz zur schönen Snowcat, die einen Freund hat, wie wir heute Abend alle sehen können.“, meinte der Asiat unbekümmert und sah erwartungsvoll in die Runde, doch niemand reagierte, darum fügte er hinzu, „Oder etwa nicht?“

Gunner sagte nur, „Sie tragen Partnerkostüme.“

Rubber Duck nickte, „Genau. - Und?“, fragte er und sah nun jeden am Tisch der Reihe nach an.

„Was und?“, fragte Lan.

„Na, was haltet ihr von ihm? Also von `dem Großen Gatsby oder auch Harlequin?“, wollte Rubber Duck wissen. 

Gunner erwiderte ernst, „Mit ihm solltest du dich nicht anlegen. Er ist gefährlich und würde dich jeder Zeit aus der Jacke stoßen.“

Bloody Guts lachte, „Na das ist ja nun kein Maßstab.“

Lan grinste breit, „Da hat er recht.“

Gunner sah nun zu Lan, „Na gut. Er würde auch dich jederzeit aus der Jacke stoßen.“

Lan blickte nachdenklich drein, „Mag sein. Ich habe nicht sonderlich auf ihn geachtet.“

„Na, ich hab mich vorhin mit ihm unterhalten. Er ist auf jeden Fall selbstbewusst.“ erzählte Rubber Duck locker, „irgendwas ist da, ja, aber gefährlich kam er mir nicht vor. Wie kommst du darauf?“

Gunner erklärte ruhig, aber bestimmt, „Schon allein die Art wie er sich bewegt. Er ist schnell, geschmeidig und aufmerksam. Er hat bei der Ankunft genau abgecheckt, wer noch so da ist. Welche Bedrohungen es gibt. Er wirkt locker, aber wenn man ihn eine Weile beobachtet, kann man das Raubtier in ihm erkennen. Er ist ein Krieger.“

Rubber Duck nickte, „Wenn Du es sagst, ist es sicher so. Ich wollte mich sowieso nicht mit ihm anlegen, auch wenn Snowcat das sicher wert ist. Und was das andere angeht, für mich wäre auch eher die Frage, ob er dich auch aus der Jacke stoßen würde?“

Gunner blieb ernst, „Das könnte interessant werden.“

Rubber Duck winkte ab, „Wie auch immer. Gegen dich sieht er aus wie ein Hänfling und du siehst generell besser aus.“

Nun lachte Gunner, „Was trinkst’e?“

„Noch so einen.“, meinte Rubber Duck und Gunner bestellte gleich eine komplette Runde für alle.

Rubber Duck sah nun zu Chang, „Hey, da fällt mir ein, Harlequin meinte, er weiß was Snowcat macht und war schon mal mit auf `nem Run und ich soll dich dazu fragen. Erzähl doch mal!“, forderte Rubber Duck Chang auf.

Chang zögerte kurz, sagte dann aber, „Na das ist ja eher was für das Lagerfeuer, aber ja er war mit auf einem Run dabei. Ich meine, wo ich auch dabei war.“

Rubber Duck zuckte lässig mit den Schultern, „Okay, dann am Lagerfeuer.“

❄❄❄

Harlequin ist heute Abend der große ... wer? Ich kenne nichts von dieser Welt. Ja, ich finde auch, er wirkt sehr mächtig. Seine Talente liegen für mich im Verborgenem. Ich kriege sie nicht zu fassen, aber das ist ja auch nicht mein Spezialgebiet. Und da wo er mit auf dem Run war, tat er der Sache gut. Außerdem war Snowcat in dieser Zeit glücklicher. Die beiden turteln ja ordentlich, wieso ist er nicht öfter mit ihr zusammen? Vielleicht ist er das ja. Geht mich ja nichts an, aber wenn ich die beiden sehe, kommt mir folgende Weisheit in den Sinn: ‚Die Liebe ist das Gewürz des Lebens. Sie kann es versüßen, aber auch versalzen.‘ Wieso sind sie nicht sogar immer zusammen? Doch noch mal, was geht mich das an? Ich ordere mir noch einen der bunten Drinks.

Shamrock fehlt, die Lücke ist noch sehr frisch. Ich kannte ihn eigentlich gar nicht, aber als das mit Shamrock passiert ist, als ich das Quietschen der Reifen gehört habe, ist mir richtig schlecht vor Angst geworden. Ich dachte – jetzt haben sie dich gefunden. Wieso muss der mich auf dem Mount Tai mit Chang ansprechen? Ich hatte doch allen die Info gegeben, mit welcher SIN und mit welchen Namen ich gerade unterwegs bin. Und prompt bemerkt mich dieser Mönch. Der soll so ausgesehen haben wie ich in 15 Jahren. Ich werde doch keine 15 Jahre mehr leben. Ich weiß doch nichts über diese Welt. Ich brauche mir nur die Kostüme anzusehen. Jeder scheint sich über TriXhots Kostüm zu amüsieren. Klar mache ich höflich mit, aber ich habe nicht den geringsten Schimmer wer Rotkäppchen ist oder war und warum die Rotkäppchen-Version von TriXhot so besonders ist.

Bloody Guts, der Hacker ist gut. Er hat meine Doppelgänger bei den Black Dolphin Pirates gefunden. Ich muss ihn später mal fragen, ob er für mich ein bisschen weiter stöbern kann, aber erst wenn wir nicht mehr in Hong Kong aktiv sind. Ich habe dort das Gefühl hinter jeder Ecke steht jemand, der mich kennt. Vielleicht kann er etwas mit dem ungefähren Zeitpunkt anfangen und dann war da noch der Brand...

❄❄❄

„Und was haltet ihr von dem niedlichen Totenkopfäffchen Newt?“, fragte Rubber Duck nun.

Diesmal antwortete Bloody Guts, „Die ist so was wie ein Ziehkind von Blackstone, jedenfalls wohnt sie bei ihm und in der steckt mehr, als man glaubt. Viel mehr. Und ich finde sie echt knuffig. Ich würde sie mir am Liebsten zu meinem Teddy um den Hals hängen.“

❄❄❄

[Song 9: Him- Don’t Fear The Reaper] 1.00 Uhr, es war endlich soweit, ‚Jetblack Alive' trat auf. 

Das Licht im Skeleton verlöschte völlig und dann erklangen die düsteren, tiefen Töne und die melodische Stimme, die Jetblack so berühmt gemacht hatte. Oder zumindest war die Stimme der seinen ähnlich. Ich hatte Jetblack nie live gehört und konnte nicht sagen, ob es tatsächlich seine war.

Die Masse an Monstern und Gestalten erhielt bereits bei den ersten Takten einen gewaltigen Schub Richtung Hauptbühne. Die Stimmung im Club befand sich auf dem Höhepunkt.  

Und ich stand ganz vorn. 

Wir standen ganz vorn. 

Ich hatte mein Team kurz zuvor zusammen gerufen und gefragt, ob wir das Konzert nicht alle gemeinsam vor der Bühne genießen wollen würden und alle hatten zugestimmt.

Gunner, Shark Finn, Lan, Bloody Guts und Average standen in unserer zweiten Reihe. Bloody Guts hatte Newt auf seine Schultern genommen. Vor ihnen standen TriXhot, Rubber Duck, Thunderstrike, Blackstone, Triple S, Harlequin und ich, wobei die Zwerge jeweils an einer Seite der Linie standen. 

Jack Black, wie sich der Sänger der Band wenig innovativer Weise nannte, verfügte über ein unglaubliches Charisma - für einen Menschen. Der Hauch des Bösen umgab ihn ebenso, wie die Songs der Band. Seine Stimme harmonierte mit der der Bassistin, das würde ein großartiges Konzert werden. 

Jetblack war in den 2040er mit seinem Angst Rock berühmt geworden. Er hatte die Musik-Szene mit dieser völlig neuen Stilrichtung geprägt. Mit den Jahren war er dann immer depressiver und seine Songs immer düsterer geworden, dennoch oder gerade deshalb hatte sein Tod 2048 die Musikwelt betroffen gemacht. 

Jack Black dort oben hatte viel mehr von dem, was Jetblack zu Beginn seiner Karriere gehabt hatte. Sehr passend, wie ich fand. Immerhin behauptete er ja die Reinkarnation von Jetblack zu sein. Diese direkte Äußerung hatte ihm und der Band übrigens ein Teil seines Ruhms gekostet. Die Meisten taten diese Aussage als Humbug ab, wobei die Metamenschen, die daran glaubten, dass Jetblack noch gar nicht tot sei, die größten Widersacher dieser Ansage waren. In den Schatten hielt sich das Gerücht, Jetblack habe sich nur zur Ruhe gesetzt und wäre nun Gang Boss der Nightstalker und dieser Gang wurde von anderer Stelle wiederum nachgesagt, dass ihr Boss ein Vampir war. Aus dieser Kette konnte nun jeder machen was er wollte, ich fand es spannend und hielt den Schluss, Jetblack wäre ein Vampir, nicht für ausgeschlossen.

Das alles war sicher ein Geheimnis, dass sich zu lüften lohnte, aber jetzt gerade wollte ich nur den Augenblick genießen. 

Jack Blacks Aura war jedenfalls mundän, wie ich bei einem kurzen astralen Scan feststellte. Die Auren der anderen Anwesenden befanden sich ihm gemeinsamen Konzert-Rausch und genau darum war das hier gerade auch so gut.

Selbst der Axt-Mörder aus dem Spukhaus war jetzt wieder besser drauf. 

Vorhin hatten wir ihn missmutig und erschöpft an der Bar sitzen sehen. Was Harlequin mit ihm gemacht hatte, hatte ich ja selbst miterlebt. 

Als ich die anderen auf den Mann mit der echten Axt ansprach, meinte Gunner ruhig, „Ich habe ihn nieder geschlagen.“

Bloody Guts fügte hinzu, „Ich hab ihn getreten und gesagt, er soll liegen bleiben. Gunner, Rubber Ducky und ich waren nämlich zusammen unterwegs.“ Der Troll begann breit zu grinsen, „Snowcat, frag mal, was Rubber Duck gemacht hat?“

Ich musste gar nicht fragen, denn Rubber Duck erzählte freiwillig, „Bei der Spukhaus Runde mit den Jungs, hab ich den  Axtmann mit meinem hohen Gekreische so erschreckt, dass Gunner leichtes Spiel mit ihm hatte und ihn niederschlagen konnte.“

Lan warf sich weg vor Lachen.

Weiter grinsend fuhr Rubber Duck fort, „Als ich noch mal mit Trixie da war, war ich besser vorbereitet. Ich hatte trotzdem keine Chance mit ihr Schritt zu halten. Sie hat aus dem Nichts eine kleine Knarre gezogen, ist vor mich gesprungen und hat dem Typen mit der Rückseite der Knarre gegen den Unterarm geschlagen. Der hat sofort seine Axt fallen lassen.“ 

Lan hatte sich bei der Story mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen, doch Rubber Duck hatte voller Stolz über TriXhot gesprochen.

Average warf ein, „Also den Trick mit dem Kreischen hab ich auch versucht. Aber bei mir war keiner da, der den Typ niederschlagen konnte …“ 

Das war so passend, am Liebsten hätte ich Average auf der Stelle umarmt, 

„… und darum hab ich mich versteckt und versucht, den Typen wie den Geist kurz zuvor zu hacken, aber das ging nicht und darum hab ich nach Blackstone gerufen, der mit Newt nur ein paar Minuten vor mir war. Der kam dann auch, um mir zu helfen. Als der Typ Blackstone gesehen hat, ist der mit der Axt gleich wieder zurück in seine Uhr.“

Blackstone grinste, „Kein Wunder, dass der Axt-Typ gleich geflohen ist. Uns noch mal zu sehen, war ihm wohl peinlich. Ich bin vorgesprungen, hab ihm ein Bein gestellt und gesagt, er soll zum Holzhacken in den Wald gehen.“

„Hmm.“, meinte Newt, „von meiner Position sah es eher wie ein übler Tritt in die Beine aus. Aber das Ergebnis war das Selbe, er ist lang auf die Fresse geschlagen.“ 

Inzwischen lachten wir alle höchst amüsiert.

Lan musste sie erst etwas beruhigen, bevor er erzählte, „Ich hab eigentlich nur mein Klappmesser gezogen und bin einen Schritt auf ihn zu. Klar war ich schnell, aber mehr musste ich nicht tun. Er hat seine Axt fallen gelassen und ist schreiend zurück in seine Uhr.“

Chang begann ernst, „Ich habe mich kurz erschrocken und dann,“ er unterdrückte ein Lachen, „habe ich ihm mit einem Sweep zu Boden geschickt.“ Jetzt musste er eine Pause machen, bis alle sich beruhig hatten, dann endete er mit, „Sein Hintern wird ihn noch lange daran erinnern.“

Einige von uns lachten Tränen, nun war Triple S an der Reihe zu berichten, „Irgendwer muss es schon einmal mit Magie gegen ihn versucht haben.“

Ich warf lachend ein, „Ja wir. Harlequin hat ihn erstarren lassen.“ Meine Aussage zog gleich weitere Lacher nach sich.

Triple S grinste böse, „Das erklärt es. Ich habe mich konzentriert und gestikuliert, daraufhin reißt der Mann die Arme hoch und rennt mit Axt in seine Uhr zurück. Doch wo ich mich schon mal konzentriert hatte, wollte ich die Energie nicht einfach ungenutzt fallen lassen und habe ihm eine schöne, nackte Frau mit Rose im Haar und einer Kettensäge in den Armen hinterher geschickt. Das Geräusch von splitterndem Holz hat ihn zum Wimmern gebracht. Ich konnte es mir aber nicht …“ Triple S musste nun kurz in das Lachen der Gruppe einfallen und seinen Satz kurz unterbrechen, „ … nehmen und habe quasi als Entschuldigung die Rose vor der Uhr liegen lassen.“

Als ich wieder artikuliert sprechen konnte, fragte ich, „Thunderstrike, Finn ihr ward doch zusammen da. Was habt ihr gemacht?“

Die beiden sahen sich an, lachten und zuckten mit den Schultern, „Was für ein Axt-Mörder?“, fragte Thunderstrike.

Und Shark Finn ergänzte, „Aber ne Rose lag vor der Standuhr.“

Ja, dem Typen war es schlecht ergangen, doch nun tanzte er und lies sich von der Menge mitreißen, wenn auch mit einem gehörigen Abstand zu uns.

‚Jetblack Alive' hatten mit langsamen Songs begonnen und dann ihr Tempo gesteigert. 

Das Skeleton kochte und später würden Punsch und Cocktails sicher in Massen fließen. 

Harlequin küsste mich unvermittelt, raunte mir ein, „Bin später.“ zu und verschwand dann Richtung Erfrischungsräume, um nur 2 Minuten später mit einer E-Gitarre bewaffnet auf der Bühne aufzutauchen. 

Wäre ich nicht so Herrin über mich selbst, wie ich es nun mal war, wäre mir wohl der Mund offen stehen geblieben.

Jack Black und Harlequin boten ein sensationelles Gitarren-Duett dar. Es ging ein bisschen Hin und Her, wie bei einem Battle, aber alles im Allem war es ein Duett, welches die Melodien einiger Songs variierte und mehrere Minuten dauerte. 

Das Konzert war bereist vorher unglaublich gut gewesen, aber jetzt wurde es legendär. Alle hier im Club waren begeistert und das schloss mich ebenso ein.

Wäre ich nicht schon längst in Harlequin verliebt gewesen…

‹Las mich raten, dann wärest du es jetzt, Elfenmädchen.›, warf Katze ein. Ihr Schwanz bewegte sich dabei im Rhythmus der Musik, was mir verriet, wie gut Katze das Konzert gefiel.

Nach zwei weiteren gemeinsamen Songs - das Publikum klatschte und johlte - trat Harlequin zu Jack Black und rief ihm etwas zu, was niemand anderes hören konnte, denn immerhin forderten alle lautstark eine Zugabe. 

Jack Black zögerte kurz, nickte dann und besprach sich der Reihe nach mit den Mitgliedern seiner Band.

Im Anschluss verbeugten sie alle Musiker auf Jack Blacks Zeichen. Der Drummer setzte sich gar nicht erst wieder. Sie verschwanden alle gemeinsam hinter die Bühne und das Licht wurde dunkel. 

Pfiffe erklangen und die Zugabe-Rufe wurden lauter.

Gut 30 Sekunden später gingen die Scheinwerfer plötzlich wieder an und die Band samt Harlequin sprangen und rannten auf die Bühne.

Allerdings hätte ich sie fast gar nicht erkannt.

Harlequins Haar war wieder Rot und erstrahlte nun in einer Lockenpracht. Er trug ein Zimmermädchen-Kostüm, Netzstrumpfhosen und 12 Zentimeter High Heels. 

Jack Black erschien mit Halbglatze und schütterem, weißblonden Zottelhaar und er hatte nie und nimmer so schnell ein weißes Hemd, einen Frack und Lackschuhe anziehen können. 

Auch die anderen Mitglieder trugen nun je einen engen Frack, darunter quietschbunte Hemden und zudem farblich nicht dazu passenden Glitzer-Zylinder.

[Song 10: Rocky Horror Picture Show - Time Warp] Ich merkte gleich beim ersten Akkord, dass dieser Song deutlich älter war, als die von Jetblack und dann begann Jack Black, „It's astounding, time is fleeting, madness takes its toll. But listen closely…“ zu singen.

Der Song ging gut ab und brachte vor allem Fun, die Zuhörer hatten einen Moment gebraucht, um mit ihrer Überraschung fertig zu werden, doch sie wirkten schnell begeistert.

Als Jack Black sprach, „Its’ just a jump to the left’, sprang er gleichzeitig auch nach Links und auch die nächsten Schritte, die von der ganzen Band gesungen wurden, führte er durch.

Harlequin machte es ebenso und er war sogar vorgetreten, hatte seine Gitarre losgelassen, die ihm jetzt vor dem Bauch hing und forderte das Skeleton mit Gesten auf, mitzumachen.

Nun, warum nicht? Besonders schwierig war es ja nun nicht. Bei der nächsten Wiederholung des Refrains war ich dabei und ich war nicht die einzige.

Von mal zu mal tanzten und sangen mehr Leute mit. „Let’s do the time warp again.“

Harlequin hatte die Gitarre beiseite gestellt und fungierte nun als Vortänzer und Animateur und zwar in High Heels.

Reprise um Reprise wurde gespielt, bis wirklich jeder im Club, ob Gast oder Angestellter und sogar der Axt-Mörder mitmachten.

Es war ein unglaubliches Gefühl, als alle gleichzeitig den Sprung nach Links machten und da wir gar nicht genug davon kriegen konnten, spielten wir das Spiel gut 20 Minuten.

Als der Applaus abgeebbt war und ein DJ frische Musik auflegte, war die Gesamtstimmung noch ausgelassener und fröhlicher als zuvor.

Ich wollte mich gerade mit den anderen Team-Mitgliedern zu unserer Monster-Zone begeben, als Harlequin, bereits wieder als Jay Gatsby angezogen, mich abfing. „Ich entführe euch Snowcat noch für einen Moment.“, erklärte er den anderen und leise fügte er an mich gewandt hinzu, „Ein alter Freund von mir möchte dich gern kennenlernen.“

❄❄

Als wir an den Tisch zurück kamen, saß unsere komplette Runde beisammen und versuchte sich an einem Trinkspiel, zu dem Lan Do aufgefordert hatte. Sie spielten ‚Sam, Yuk, Go‘, das war Koreanisch und hieß drei, sechs, neun. Für das Spiel brauchte man nichts aus dem Alkohol, der in Form von zwei Flasche Tequila, zwei Flaschen Wodka und zwei Flaschen Soju auf dem Tisch stand. Bei jeder Flasche waren gute zwei Dutzend gefüllte Schnapsgläser mit der entsprechenden Flüssigkeit darin aufgestellt. 

Nur Bloody Guts, Shark Finn und Average hatten eigene Gläser vor sich stehen. Bei Finn und Bloody Guts standen Wassergläser, die sie sich nach Bedarf füllten. Das war nur fair, um den Größenunterschied auszugleichen. Abgesehen davon hätten die beiden Trolle die winzigen Gläser wohl kaum greifen können. Vor Average standen Kanne und Teeschale, da er keinen Alkohol vertrug, musste er ungesüssten Mate-Tee trinken. Ich würde nicht mit ihm tauschen wollen.

Die Regeln von ‚Sam, Yuk, Go‘ waren einfach. Einer begann mit eins und dann wurde reihum hochgezählt. Für jede Drei, Sechs oder Neun musste man einmal klatschen, statt die Zahl zu nennen. Wer falsch klatschte, nicht klatschte, die falsche Zahl sagte oder zu langsam war, musste trinken. Harlequin und ich stiegen bei der 14 ein und es war doch erstaunlich, wie schnell sich die Fehler häuften. Das war schwieriger, als es sich anhörte.

Nachdem Newt das zweite Glas trinken musste, meinte Lan bestimmt, „Hey, ab jetzt trink ich für dich.“ Unglaublich, was der Mann trinken konnte. Darin war er ja fast so gut, wie ein waschechter O’Niall.

Auch wenn einige ziemlich trinkfest waren und ein Trinkspiel für die Stimmung nicht nötig gewesen wäre, hatten wir alle unseren Spass. Allein wie sich das Gesicht von Average verzog, wenn er seinen Tee trinken musste, war jedes Mal einen Lacher wert.

TriXhot war mir bei unseren jüngsten Begegnungen ein wenig ernster oder auch erwachsener als noch vor ein paar Wochen vorgekommen. Die jüngsten Ereignisse bei denen sie mit Doc unterwegs gewesen war, hatten sie wohl geprägt. Das stand ihr aber gut zu Gesicht und an diesem Abend konnte ich erkennen, dass das nicht mit traurig oder gar trübsinnig sein einher ging. Sie war ausgelassen und ungezwungen, wie wir alle.

❄❄

Wir verließen das Skeleton erst nach 4.00 Uhr. 

Es war eine berauschende Nacht gewesen.  

Irgendwo in der Ferne waren Schüsse aus automatischen Waffen zu hören, aber sie waren zu weit weg, um uns  zu kümmern.

Die Verabschiedung dauerte ein bisschen, da jeder jeden umarmte und drückte. Der Abend hatte uns einander irgendwie noch ein Stückchen näher gebracht. Dann verstreuten wir uns in unsere Wagen und verschwanden in verschiedene Richtungen.

Nachdem ich nun seit fast 12 Stunden ununterbrochen auf den Beinen gewesen war, viel getanzt hatte und sich ziemlich viel Alkohol in meinem Blut befand, hätte ich eigentlich müde und erschöpft sein müssen, aber ich fühlte mich noch ziemlich frisch, als ich mich auf dem Beifahrersitz nieder ließ. Daisy Buchanan wollte sich nun mal in einem solchen Augenblick kutschieren lassen. Ich lächelte meinen Jay strahlend an und wir wiederholten die Prozedur mit der Zigaretten-Spitze. 

Die gesamte Fahrt über hörten wir Rock-Klassiker.

Die Feuer in den Samhain-Schalen brannten noch, als wir in mein Appartement zurückkehrten. Der Duft von kandierten Äpfeln lag zudem immer noch in der Luft.

Henry erwartete uns mit einem reichhaltigen Champagner-Frühstück. Es bestand aus edlen Zutaten und war an die Dekadenz der 20er angelehnt. Ich hatte nicht mal bemerkt, wie hungrig ich gewesen war.

Ich zog die Schuhe aus, um die Füsse schon beim Essen hochnehmen zu können. Oje, die Seidenstrümpfe waren zwar noch heil, aber die Schuhsohlen waren an einigen Stellen dünn wie Papier. So was nannte man dann wohl durchgetanzt.

Henry sammelte die Schuhe auf und flog pfeifend damit davon. Er war wohl fest davon überzeugt, sie noch retten zu können und dann würde es auch so sein. Ich lächelte zufrieden. Nicht, dass ich vorgehabt hatte, die Schuhe demnächst noch zu tragen, aber in dem Teil meines Kleiderschrank, der Kostümen vorbehalten war, hätten sie mir gefehlt.

Gleich nach dem Frühstück kümmerte sich Harlequin mit seinen, im wahrsten Sinne des Wortes magischen Händen, höchstpersönlich um das Auflösen der Steckfrisur. Ich murrte leicht, als er mir zuvor das Stirnband-Diadem abnahm. 

Er küsste mich aufs Ohr und drückte mir das Diadem in die Hand. „Ich nehme es dir ja nicht weg.“, erklärte er sanft, als spräche er mit einem kleinem Kind über dessen Teddy. 

Ich drückte das Diadem zärtlich an meine Wange, lachte dann aber leise und rief nach Henry. Als der Hausgeist mit immer noch orangener Clown-Nase erschien, gab ich ihm Stirnband-Diadem, Ohrringe und Kette, damit er sie ordentlich weg legen konnte. 

Nur das Armband behielt ich um und beließ es auch unter der Dusche so.

Wir duschten gemeinsam und als Harlequin mich im Anschluss ins Schlafzimmer trug, duftete der Raum nach Rosen und Erdbeeren. Der Rosenduft kam von dem wunderschönen Strauss, den Harlequin mir am Sonntagmorgen mitgebracht hatte und Henry hatte eine große Schale mit frischen Erdbeeren auf den kleinen Tisch gestellt, gleich neben die Schale mit Halloween-Süßigkeiten.

Harlequin legte mich sanft auf dem Bett ab. 

Wir liebten uns ausgiebig und intensiv, bis die aufgehende Sonne den neuen Tag ankündigte und es an der Zeit für mein Morgenritual war.

Wie immer hatte mir das Ritual zu einem frischen Energieschub verholfen, den ich sogleich wieder mit Harlequin aufbrauchen konnte.

Als der Großteil der Smaragdstadt schon längst seinem Tagewerk nachging, kuschelte ich mich in Harlequins Arm. 

Er zog mich noch enger an sich und gab mir meinen Gute-Nacht-Kuss auf den Kopf, damit ich genauso liegen bleiben konnte. „Wenn du ausgeschlafen hast Liebste, dann fangen wir schon mal an Ideen für Halloween im nächsten Jahr zu sammeln.“, sagte er.

Ich seufzte wohlig, „Das ist eine ausgezeichnete Idee, MyLord. Das machen wir.“


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*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*