Episode 22/13 (vom 03.10.) Run 48/1

Welcome back, omae!

Schön, dass Du auch heute wieder hier bist!

Derzeit On The Run sind: TriXhot, FTW*, Average*, Butcher, Sparky, Arcade, Blackstone, Starbuck und Snowcat, die von Puck und Liam begleitet werden. (*Spieler war nicht anwesend.)

Datum in unserer SR Timeline: 27.1.- 30.1.2073

Was bisher geschah: Der Technomancer Puck, - den die Runner einst aus einem MCT Labor befreiten und der eine problematische Vergangenheit hat, da er früher für die ,psychopathische‘ AI Deus arbeitete und mit für den Crash 2.0 verantwortlich war, der jetzt aber geläutert ist - heuert die Runner von UC an. Er folgt einem Gerücht über eine Gang dissonante Technomancer, die sich die Discordians nennen, die er gerne aufspüren und aufhalten würde. Neue Hinweise über sie soll es in einem Forschungslabor einer Tochterfirma von MCT in Seattle geben. Die Runner dringen in das Labor ein und bekommen die Information. Die Spur führt in die E-belagerte Stadt Genf. 

Wir schalten uns am Morgen des 27.1.2073 in das Geschehen zurück. Snowcat befindet sich mit einigen anderen aus dem Team im Bootshaus, um die Reise nach Genf zu planen. Puck ist über die Matrix anwesend.

Wir erleben auch heute wieder aus den eisblauen Augen von Snowcat mit. 

Deine Kommentare zum Geschehen passen am Besten unter „A Tale So Far Part V“, [LINK].

Eine Beschreibung der Runner findest Du hier, [LINK].

Hat ein Wort im Text eine andere Farbe, verbirgt sich darunter wahrscheinlich ein Link und es wird im Glossary erklärt. Du kennst ein anderes Wort aus dem Shadowslang nicht? Dann schau doch einfach auf gut Glück im Glossary vorbei, [LINK].

Bereit für die teilweise sehr überraschenden Ereignisse, omae? Na dann los.


Snowcat saß am späten Vormittag auf einem Liegestuhl auf dem Steg des Bootshauses. Sie war in einen Mantel gehüllt, blickte aufs Wasser und ging ein paar der Worte, die zu Beginn des Teammeeting gesagt worden waren in Gedanken durch. 

Genf würde ein ungemütliches Pflaster sein und den einzigen Hinweiß auf das, was sie suchten war ein Name: Raekkit. Laut MCT gehörte er zu den Discordiance und befand sich in Genf. Über Rekkit war bekannt, dass er ein Mensch und irgendwas zwischen 20 und 30 Jahre alt war. Punkt und fertig.

In einer Gegend, in der es keine sichere Matrix, weder regelmäßigen Strom noch Wasser gab und in der die Metamenschen ihre Commlinks ausgeschaltet hatten, würde die Suche eine Menge Fussarbeit bedeuten. Sie würden sich durchfragen müssen. Wenigstens würde Rekkit aus den selben Gründen nicht gleich von ihren hören können, kaum dass die ungewöhnliche Truppe eingetroffen war. 

Die Technomancer von UC waren alle auf ihre Art Feuer und Flamme gewesen, als es um diesen Job ging und sie alle wollten mit.

Sparky und Arcade waren ungewöhnlich ruhig geworden und hatten nur gesagt, „Wir sind dabei und haben auch schon den Oheim gefragt, er wird uns alle hinfliegen und wir sollen ihm die Liste mit dem Equipment schicken, das wir brauchen, da man manches vielleicht nur noch in sehr alten Lagerhäusern findet.“

Starbuck hatte eine flammendere Rede darüber gehalten, wie wichtig der Job sei und mehrmals betont, dass man sich der Dissonanz und Gruppen wie den Discordiance unbedingt entgegen stellen müsse. Seine Bitte an Snowcat, ihn lieber zu töten, als ihn ,überlaufen‘ zu lassen, hatte ihr gezeigt, wie ernst es ihm damit wirklich war.

Average hatte für seine Verhältnisse ebenso ungewöhnlich reagiert, wie die Zwillinge. Er hatte nämlich gesagt, dass in dem Fall weder Essen noch Geld eine Rolle spiele und, dass er ebenfalls dabei sei. Das war für Snowcat fast noch ein größerer Schock gewesen, als die Bitte von Starbuck. Mit dem Edelmut von Starbuck hatte sie rechnen können, der gehörte zu ihm. Aber, dass sie jemals erleben würde, dass Average Geld und Essen egal waren, hätte sie nie gedacht. 

Der füllige Mann hatte hinzu gefügt; „Wenn wir das wirklich machen, dann muss uns aber klar sein, dass es keine halbe Sache sein darf. Wenn wir gegen die Discordiance vorgehen, dann müssen wir sie alle aufspüren und fertig machen. Das heißt töten oder zumindest so ausschalten, dass sie, was ihre Matrixaktivität angeht, vernichtet sind. Also müssen wir auch geduldig sein und dürfen nicht zuschlagen, bevor wir wissen, wo und wie viele es sind.“

Sie alle auszuschalten, sicher jeden zu finden, hielt Snowcat für ein Ding der Unmöglichkeit. Jedenfalls wenn sich nicht herausstellte, dass die Discordiance regelmäßig ein RL-Meeting abhielten, bei dem für alle die Pflicht bestand, in ihren Meatbodys anwesend zu sein. Zudem hatten sie bisher nicht einmal einen Anhaltspunkt, wie viele Discordians es gab. Es konnten zwei oder 200 sein. 

Snowcat hatte Average also zunächst widersprochen, dann aber nachgegeben und gesagt: „Ich verstehe, was Du meinst, es darf nichts übrig bleiben, was und Rache schwören kann.“ 

Gab es nicht immer viele Wenn und Aber? Snowcat hatte diesmal nichts versprochen. Wenigstens würden die Discordiance von Genf aus nicht so einfach weltweit verbreiten können, wer gegen sie vorging.  

Katze sprang auf den Stuhl neben Snowcat und betrachtete sie kurz aufmerksam, dann sagte sie, ‹Es reicht völlig, wenn es niemanden von ihnen gibt, der sich an Dich erinnert, Elfenmädchen.›

Snowcat lächelte und zog ihren Mantels fester um sich, ‹Das ist ein guter Hinweiß Katze. Ich werde alles an Laés einpacken, was ich habe und es später durch neues ersetzten, welches ich über die Teamkasse bezahle.›

Katze gähnte ausgiebig, ‹Eigentlich würde ich Dir ja raten hier zu bleiben, statt in eine so ungemütliche Gegend zu fahren. Allerdings gibt es dort sehr rare Geheimnisse zu erfahren, also ist mein Rat ein anderer: Pack genug Riegel und Putztücher ein, Elfenmädchen.›

Blackstone, der erst kurz vor dem Meeting nach Seattle zurück gekehrt war, trat aus dem Haus auf den Steg und zog sich wortlos den Stuhl neben Snowcat zurecht.

Katze blickte ihn missmutig an, sprang dann aber ab und landete leicht auf Snowcats Schoss, wo sie es sich gemütlich machte und sich zu putzen begann.

„Und, alles klar?“, fragte Blackstone.

Snowcat nickte, „Ja. Ich sortiere hier nur meine Gedanken zum Meeting. Es wird bestimmt merkwürdig so ganz ohne Matrix, Commlink und Co auszukommen.“

Blackstone grinste schief, „Ach, dann kann wenigstens nicht so viel kaputt gehen. Ich würde lieber öfter alles abschalten, aber sonst muss man das immer anlassen, um mit den Gegner gleich zu ziehen. Also eigentlich klingt Genf doch wie ein Paradis für mich.“ Dann wurde das dunkle Gesicht des Zwergs ernst, „War natürlich nicht so gemeint. Kein Ort am dem die Bevölkerung leidet, ist ein Paradis. Ich meinte nur, das mit der Technik stört mich nicht und das es wenig Geld gibt, auch nicht. Ich mach den Job mit, weil Du ihn machst.“

Snowcat lächelte Blackstone warm an. „Danke! Wenn Du dabei bist, muss ich mir auch gleich weniger Sorgen machen.“

Katze bedachte Snowcat mit einem leicht spöttischen Blick, den diese mit einem Lächeln quittierte. 

❆❆

Auch am nächsten Tag trafen sie sich im Bootshaus. Liam hatte ihnen für den Nachmittag einen Treffpunkt genannt, von ihm würden sie auch die verschlüsselten Microtranceiver (Funkgeräte) mit Subvocalmicro und Knopf im Ohr erhalten. 

Snowcat hatte 200 Snuff-Zigaretten besorgt, die sie ebenso für den Tauschhandel gegen Informationen einsetzten wollten, wie Candybars, Verbandsmaterial und ein wenig Bargeld.

Als die Koffer gepackt waren, bereitete Average für jeden teilnehmenden Runner Blackstone, Butcher, Sparky, Arcade, Trixhot, FTW, Starbuck, Snowcat und ihn selbst, in der Küche einen riesigen, individuellen Teller mit Snacks zu, wobei Teller noch ein untertriebener Ausdruck war. Er berücksichtigte, was er über die Vorlieben der Einzelnen wusste und packte ansonsten vom Zwiebelring über Backkartoffel bis hin zum Miniburger von allem etwas auf die Platten. Dann rief er alle an den Esstisch zusammen. „Wir müssen ja noch mal richtig was essen, bevor es los geht. Wer weiß, wann wir wieder etwas Ordentliches kriegen.“

Starbuck hob eine Augenbraue und TriXhot meinte, „Sehr lecker, danke, aber alles werde ich nicht schaffen, ich hab nämlich nur einen Magen und leider auch noch keinen zusätzlichen Nahrungsspeicher eingebaut.“

Average erwiderte gelassen, „Macht ja nichts, lass einfach liegen, was Du nicht schaffst.“ 

Es piepte aus Richtung Kochzone und Average sprang förmlich auf, „Ah, die Pommes sind fertig.“ 

Während Average damit beschäftigt war die große Schüssel mit heißen, duftenden Pommes zu füllen, meinte Butcher: „Gut, dass wir hier alle mal so beisammen sitzen. Ich hatte Euch eh noch was zu sagen.“ Er sah Sparky und Arcade an, die sich gerade auf ihren Miniburger und das Hot Dog stürzen wollten, „Wartet mal bitte noch mit dem Anfangen.“ 

Die Zwillinge legten ihr Essen ohne zu murren auf die Teller zurück. 

Butcher fuhr fort, „Wo war ich? Ach ja, ich wollte Euch was sagen was Ihr wissen solltet, bevor wir zusammen auf eine lange Reise gehen. Das Aussehen hier ist nicht mein wahres Äußeres und ich bin nicht der, der ich zu sein scheine.“

Einige der Runner am Tisch sahen Butcher einfach nur erwartungsvoll an, andere spannten die Muskeln an und griffen bereits im Geist nach einer Waffe. 

Butcher redete weiter und während er sprach, ließ er die Körpermaske fallen. Seine Haut spannte sich deutlich, die Körperbehaarung verschwand, seine Augen wurden größer und milchig, „Ich bin nämlich ein Ghoul.“

TriXhot wurde kurz blas, fing sich dann aber wieder, „Danke für die Warnung mit dem Essen eben. - Sind wir in Quebec nicht noch Arm in Arm gegangen? Na das kannst in Zukunft knicken.“

Das Gesicht von FTW hatte sich deutlich verfinstert, SpArcade machten große Augen und Blackstone zog seine skeptisch zusammen. Bevor der Zwerg etwas sagen konnte, beugte sich Snowcat zu ihm und raunte, „Drakes sind immun gegen den Virus. Wir können locker bleiben.“ 

Woraufhin sich Blackstone entspannt zurück lehnte. 

Starbucks blickte ernst drein und eine kleine Falte bildete sich auf seiner Stirn, die jedoch zunächst nur bedeutete, dass er Fragen zum Thema hatte.

Sparky und Arcade meinten, „Du musst dann aber beim...“, „... anfassen aufpassen. Also nicht zu Nahe kommen...“, „... und keine Ersthilfe wie Mund zu Mundbeatmung...,“, „...denn Speichel und Kratzer...“, „... können anstecken.“

„Soll ich ab jetzt immer Handschuhe anziehen?“, fragte Butcher, „Das wäre kein Problem.“

FTW schnaufte, „El no, die gehen wahrscheinlich nur kaputt. Ich mag Infizierte nicht. Aber dass Du es offen sagst, ist fair. Steck einfach niemanden von uns an.“

Average stellte die Schüssel mit Pommes in der Mitte des Tisches ab und setzte sich. Kaum, dass er sich gesetzt hatte, griff er über den Tisch, riss Butchers Teller hoch und zog ihn zu sich rüber.

Snowcat lächelte, das war von ihren Kollegen besser aufgenommen worden, als sie gedacht hatte. Sie würde später noch erläutern, wie es um die Ernährung der Ghoule stand, aber das hatte bis nach dem Essen Zeit.

„Sonst noch irgendwelche Offenbarungen?“, fragte TriXhot im lockeren Ton.

Sparky und Arcade meldeten sich, „Na gut, jetzt können wir es...“, „ ... ja zugeben: ...“, „ ... wir sind viel besser als Average.“

Starbuck zuckte mit den Schultern, „Das ist keine Offenbarung, sondern allgemein bekannt.“

Average blieb gelassen, „Ja, aber sie sind ja auch zu zweit.“

TriXhot räusperte sich, „Ich hab da noch was, also wo wir schon mal dabei sind. Mein Dad ist Runner, gar nicht mal so unbekannt, vielleicht haben einige sogar schon von ihm gehört. Sein Name ist Yankee und er hat für Geld Leute umgebracht.“

Diese Neuigkeit wurde von allen fast schon richtig entspannt aufgenommen.

Sparky fragte, „Liegt so ein Job in den Genen?“

Snowcat lächelte erneut, für Geld zu töten machte in ihren Augen niemanden zu einem schlechten Metamenschen und die Unschuld was den Tod anging, hatte sie bereits vor vielen Jahren auf der Strasse verloren. 

Die Runner erschienen zur verabredeten Zeit am Treffpunkt. 

Liam erwartete sie mit zwei Ares Roadmastern, auf denen das Symbol der Draco Foundation blinkte. Das Gepäck war schnell verlanden und sie fuhren zum Frachtbereich von SeaTac, wo Liams TransSky stand, auf der ebenfalls ein Logo der Draco-Foundation zu sehen war und in die die beiden Roadmaster direkt hinein fuhren.

Die Zwillinge verschwanden augenblicklich in ihren Rigger-Kokons. Liam meldete den Flug als ‘Geneva Relief Flight O Seven’ mit Zwischenlandung in DC an und kam dann nach hinten zu den Runnern. Offenbar hatte es das Steuer an Sparky übergeben. 

Der rothaarige Mann schob seine Nickelbrille zurecht und trat dann an eine Kiste mit Equipment. Er zog Microtranceiver heraus, deren Mikrofon-Halsbänder über einen geringelten, dunkel ummantelten Draht mit dem kleinen In-Ear- Lautsprecher verbunden waren. Snowcat sah ihn fragend an. 

Liam erklärte, „Na  Microtranceiver nützten wenig, wenn die beiden Einzelteile dann drahtlos miteinander kommunizieren.“

Snowcat nickte, „Das ist natürlich völlig logisch, ich hab so etwas nur noch nie gesehen.“

Liam grinste, „Jedenfalls sind sie dennoch über den Kehlkopf voice-activated.“ 

Sie verteilten die Teile an jeden von ihnen und bis auf SpArcade probierten alle damit ein wenig rum. 

Dann zog Liam drei merkwürdig aussehende Helme aus der Kiste. Er erläuterte, „Das sind Helme für Starbuck, Puck und Average. Das schirmt Euren Kopf ab, damit das Signal nicht aufgespürt werden kann. Ich hab auch hübsche blaue Mützen dazu, damit ihr nicht ganz so albern ausseht. Ob ihr die Helme aufsetzt, muss jeder von Euch selbst entscheiden, aber es kann unter Umständen ganz nützlich sein.“

Average sah aus als betrachte er ein Stück stinkenden Käse, als er seinen Helm entgegennahm. 

Liam griff ein drittes mal in die Kiste und zog für jeden je zwei Wegwerf-Commlinks, eine Skinweb-Array in Form von Bolerojacken, die die Signalstärke erhöhen und zwei Tuben mit Nano-Memory zum Auftragen auf die Haut, welche Daten für 24 Stunden speichern konnte, daraus hervor. 

Snowcat lächelte ihn an und hielt ihre Skinweb-Array hoch, „Hätte es die Jäckchen auch in schick gegeben?“

Er hob eine Augenbraue, „Ach, die sind schick. Total figurbetont.“ Liam grinste kurz wölfisch, „Was Dir sofort auffällt, wenn Du Deins mal überziehst.“

Bei der Zwischenlandung in Washington tankten sie nicht nur auf, wie Snowcat vermutet hatte. Am Hangar standen Paletten mit Verbandsmaterial, Medikamenten, medizinische Supplies wie Skalpellen, Fertiggerichten, Energieriegeln und Polar-Survival Kits bereit. Alles Güter, die man in Genf gut gebrauchen konnte und die sich hervorragend zum Tauschhandel eigneten. Snowcat hoffe, dass sie ein Menge von dem auch an wirklich Bedürftige verteilen konnten, zumal alles unter dem Logo der Draco Foundation eingeladen wurde.

Kurz vor der nächsten und vorläufig letzten Landung wandte sich Liam an alle, „Wir werden in Lausanne landen und dann mit den beiden Wagen einmal um den Genfer See rumfahren. Sparky und Arcade bleiben im Flugzeug und passen hier auf. Sie können uns notfalls helfen, indem sie über Drohnen die Verbindung zu uns herstellen und von hier aus alles hacken. Ich weiß zwar nicht, warum das nötig sein sollte, wo wir doch drei Hacker dabei haben, aber man weiß ja nie, was kommt. Außerdem können sie uns von hier aus mit einer Transportdrohne Equipment schicken. Sparky kann die Maschine fliegen und wenn‘s hart auf hart kommt, kann er uns jederzeit rausholen.“

Snowcat legte den Kopf leicht schief und lächelte dabei, „Du sagst immer wir und uns. Soll das heißen, Du kommst mit?“

Er nickte. 

Bevor jemand etwas einwenden konnte, sprang Snowcat auf und umarmte Liam herzlich, „Das ist ja schön!“, meinte sie nur.

Niemand widersprach. 

❄ 

Es war bereits dunkel, als sie die beiden Roadmaster von Bord der Transsky fuhren. Average blickte missmutig drein, „Nur Roadmaster und nicht mal bewaffnet.“

FTW verzog den Mund ein wenig spöttisch, „Wenn Du mit mir fährst Amigo, ist der Wagen bewaffnet. Ich kann durch die Luke im Dach mein MG nutzen. Die Luke ist sogar dafür gemacht.“

Average zögerte, aber als Snowcat zu Liam in den Roadmaster stieg, grinste er ein wenig, wenigstens durfte er überhaupt fahren.

Blackstone schob Puck nicht unsanft am Rücken und bugsierte ihn in Richtung des ersten Wagens, in dem Snowcat neben Liam auf dem Beifahrersitz saß, beide stiegen hinten ein.

FTW, Starbuck, Butcher und TriXhot stiegen zu Average.

Snowcat überlegte kurz und wies dann an, „Lasst uns bitte den Hackern für den Notfall Bodyguards zuteilen. FTW nimmt Average, TriXhot passt auf Starbuck auf und Blackstone übernimmt Puck. 

Dann ging es los. Landschaftlich war das verschneite Gebiet schön anzusehen und die Berge luden zum Winterurlaub ein. 

Sie machten drei Treffpunkte für den Notfall aus, einer davon lag in den Bergen.

Die Hauptstrasse nach Genf hatte noch Licht, bis sie eine imaginäre Grenze überfuhren.

Puck verzog das Gesicht und die Aussage von Average machte deutlich, was das bedeutete, „Scheiße ist das doof. Da ist ja wirklich gar nichts mehr.“

Für alle anderen bot sich nur ein unheimliches Bild auf verschneiten Strassen. Keine Strassenbeleuchtung. Keine AR-Schilder. Keine Nachrichten. Keine Werbung. Nicht ein einziger Hinweis und keine beleuchteten Fenster an völlig intakten Häusern. 

Hier und da glomm ein kleines Licht durch eines der Fenster, welches von einer Kerze abgegeben wurde. Feuertonnen waren auf den Strassen aufgestellt worden und selbst aus den Fenstern rauchte es gelegentlich, da man einen Abzug für einen Ofen improvisiert hatte. 

Es gab auch vernagelte Fenster und Türen, aber dennoch waren die Gebäude intakt, was sich in gespenstische Weise von den matrixlosen Kampf-Gebieten unterschied, in denen Snowcat bisher gewesen war.

Am Himmel zeugte ein Leuchten aus Richtung Stadtkern davon, dass es in der EBZ noch Strom gab.

Die Runner vergewisserten sich, dass ihre Commlinks abgeschaltet waren. Die Meisten hatten ihre eigentlichen gar nicht mitgenommen, sondern nur die Wegwerfcommlinks dabei. 

Teamkommunikation lief jetzt nur noch über die Microtranceiver und Average meinte gedrückt, „Man, wenn jetzt wenigstens Sugmani mit ihren Handpuppen hier wäre.“

Snowcat hatte den Stadtplan auf dem Schoß. Sie hatte sich alles gut genug eingeprägt, so dass sie ihn kaum brauchte. Obwohl er so völlig ohne Schilder und somit ohne Anhaltspunkte nicht sonderlich hilfreich war. Sie mussten sich an Landmarks wie Kirchen und großen Plätzen orientieren. 

Liam fuhr in Richtung Stadtkern, damit man sich im Anschluss leichter orientieren konnte. 

Nicht all zu weit von der funktionierenden Mitte der Stadt, die inzwischen von durch Checkpoints unterbrochenen Mauern umgeben war, entdeckten sie an einem Haus das Wort ‘HOTEL’, dass man aus Leuchtstäben improvisiert hatte. Vielleicht würden sie dort später noch einmal vorbei schauen, aber zunächst suchten sie nach Orten, an denen noch Metamenschen zu sehen waren.

Sie fuhren langsam durch die unbelebten, dunklen Strassen und wurden nach einer Weile fündig. Vor einem Lagerhaus standen zwei breitschultrige Männer und so einige Metamenschen schlurften hinein und wieder hinaus. 

Liam, FTW und Average blieben bei den Wagen, alle anderen stiegen als Gruppe eine Seitenstrasse entfernt aus und schlenderten zum Lagerhaus.

Snowcat nahm die Atmosphäre der Umgebung in sich auf und riskierte zusätzlich einen astralen Blick. Langsam aber sicher begann sich in Genf eine trübselige Hintergrundstrahlung aufzubauen.

In dem Lagerhaus verbarg sich ein Markt. Ein Markt für normale Bürger, wie sich nach einigen Minuten herausstellte. Hier gab es keine Drogen oder Waffen zu kaufen. Hier versuchte man Kraftstoff und dicke Mäntel gegen Nahrung und Medizin zu tauschen. Alles was man brauchte, um im Winter zu überleben, war hier gefragt. 

Die meisten der wortkargen, aber dennoch freundlichen Metamenschen wussten nicht mal, was eine Snuff-Zigarette war. Güter gegen Informationen zu tauschen, war den Metamenschen nicht ganz geheuer, doch sie waren gerne bereit Snowcat bei einem Plausch bei einer Zigarette zu erzählen, was sie wussten. 

Nach gut einer Stunde hatte Snowcat ein paar ihrer Zigaretten verschenkt und den einen oder anderen Becher Instant-Kaffee gegen Aspirin und Leuchtfakeln getauscht. Dafür hatte sie das Wissen über vier Plätze nahe des Stadtkerns erhalten, wo Hilfsorganisationen Carepakete verteilten und wo sich ‘leider’ auch das eine oder andere zwielichtige Gesindel herumtrieb. Was aber nicht schlimm war, wie ihr der nette alte Mann versichert hatte. Jedenfalls nicht, wenn man in einer Gruppe blieb uns sich beeilte nach Hause zu kommen, solange die Sicherheitsmänner vor Ort waren. Natürlich gab es an solchen Punkten gelegentlich immer wieder Ärger und man hörte von Überfällen, aber das hielt sich in Grenzen. 

Die Metamenschen schimpften auf die Terroristen und auf die Regierung, die die Terroristen nicht in den Griff bekam. Es gab sogar Gerüchte über AI‘s und merkwürdige Hacker, doch was Technomancer wirklich waren, davon wussten die Metamenschen auf diesem Markt kaum etwas.

Die Auslagen der Markstände hatte Snowcat klar gemacht, dass es hier in Genf so gut wie keine Unterhaltung gab. Kein Trideo, kein Theater, keine Computerspiele. Sugmani wäre mit ihrem Puppentheater hier der Renner geworden. 

Das hier waren nicht die Barrens. Das war keine runtergekommene Gegend und kein Kriegsgebiet. Das hier in Genf war etwas völlig anderes.

„Was?“, fragte Liam leise, als Snowcat kopfschüttelnd wieder neben ihm auf dem Beifahrersitz Platz nahm. 

„Ich verstehe nicht, was die Metamenschen noch hier hält. Ich würde weggehen und wiederkommen, wenn es wieder besser ist.“

Liam nickte, „Das würdest Du, aber die wenigsten sind annähernd wie Du.“

Es war spät geworden und ihre nächsten Anhaltspunkte würden erst am nächsten Tag aktiv werden, also fuhren sie auf gut Glück zu dem Hotel, das tatsächlich noch irgendwie in Betrieb war. 

Die Familien der Hotelangestellten und Besitzer hatten sich zusammengetan und hielten das Ganze aufrecht, so gut es eben ging. Sie waren erfreut, Gäste begrüßen zu dürfen. Gezahlt wurde auch hier mit Tauschobjekten. Der Mann an der Rezeption konnte es kaum fassen, dass die Gruppe in der Lage war, mit einer Menge Nahrungsmitteln zu bezahlen. 

In der Lobby war es warm und es duftete herrlich. Für die Wärme war ein alter Kachelofen im ehemaligen Frühstücksraum und jetzt einzigem Speisesaal hinter der Lobby verantwortlich, den man, nach dem er jahrzehntelang nur Dekoration gewesen war, wieder reaktiviert hatte. Der köstliche Duft kam aus der Küche. Wenn Snowcat nicht alles täuschte, dann roch es hier nach frisch gebackenem Brot.

Tatsächlich bot man ihnen gleich darauf Brot und Butter aus eigner Herstellung als Nachtmal an. Die Köchin des Hotels war des Brotbackens mächtig und wiederum war ein antikes Gerät wieder in Betrieb genommen worden. Außerdem hatte das clevere Personal einen Weg gefunden, aus Milchpulver eine Art von Butter herzustellen und den angesetzten Sauerteig mit Mehl aus Rationen am Leben zu erhalten.  

Average zog einen Schmollmund, als Snowcat das Angebot für ein Nachtmahl dankend ablehnte und meinte: „Zum Frühstück freuen wir uns aber sehr über das Brot.“

Zwei Pagen in Uniform erschienen, um das Gepäck die Treppe hoch in den dritten Stock zu tragen. Sie bekamen nicht viel zu tun, denn die meisten Runner sind eigen, was ihr Gepäck angeht.

Ferner kamen zwei Jugendliche mit Treibgas betriebenen Signalhörner nach vorn und setzten sich in Winterjacken und mit Schlafsäcken vor die Tür. „Attended parking lot“, erklärte einer von beiden stolz.

Als Liam ihn in seinem herausfordernden Tonfall mitteilte, dass Snowcat gar nicht der Parkplatz sei, hörte der Hotelangestellte auf zu starren, wurde rot und ließ die Tür aus Versehen mit einem lauten Knall zuschlagen. 

Die Runner teilten für die Nacht eigene Wachen ein. Sie hatten eine Suite im dritten Stock bekommen, in die man viele Betten gestellt hatte und die auf die Schnelle mit Camping-Equipment beheizt worden war.  

Die Wasserversorgung im Bad der Team-Suite funktionierte zum Glück gerade, allerdings hatte man das warme Wasser komplett abgeschaltet, da der Kreislauf und die Temperatur elektronisch gesteuert wurden. 

Snowcat wusch sich gründlich mit dem eiskalten Wasser und rannte dann zum Bett, um sich in das wirklich einladende, fast schon überdimensionierte Federbett zu kuscheln. Noch im Vorbeihüpfen pustete sie die Kerze auf ihrem kleinen Nachtisch aus.

‹Merkst du, wie seltsam sich hier alles anhört, Katze? Es ist ja nicht völlig still hier, weil sich in der Suite und im Haus noch einige bewegen, weil Average sich hin und her wirft und so laut atmet und es auf Grund des Temperaturunterschiedes im Gebälk knackt, aber es fehlt so einiges an Umgebungsgeräuschen, die man gewohnt ist. Wie schlimm das für Puck, Average, Starbuck und Liam sein muss?›

Snowcat rückte ein wenig zur Seite, damit Katze einen gemütlichen und warmen Platz im Bett finden konnte. 

Wie immer ließ sich Katze mit erhabener Gelassenheit nieder, ‹Ja, das mag sein Elfenmädchen. Denk einfach an etwas Schönes und wenn es hilft, dann schnurre ich dazu.›

Snowcat kuschelte sich zurecht, dachte an Harlequin und wie es war, wenn er sie in den Armen hielt und als Katze dazu zu Schnurren begann, dauerte es nicht lange, bis sie eingeschlafen war. 

❄❄

Am Morgen des 30.01.2073 genoss Snowcat das frisch gebackene Brot mit der Ersatzbutter und einem süßenPflaumenkompott mit Zimt. Die Runner frühstückten gemeinsam mit den Angestellten im Frühstücksraum, der bullig warm geheizt war. Sie waren die einzigen Gäste.

Der Kaffee war dürftig, aber Snowcat hatte schon weit aus schlechtere Brühe getrunken. Das Essen schmeckte richtig gut und kein bisschen nach künstlichen Aromen, was ein kulinarisches Erlebnis war. 

Ja, Snowcat konnte das Frühstück genießen, doch Starbuck, Puck und Average ging es nicht so. Sie alle hatten Kopfschmerzen, was man ihnen ansehen konnte.

Average nippte an seinem warmen Tee, verzog das Gesicht und erklärte: „Das ist so, als würde der Kopfschmerz versuchen, die Lücke der Matrix zu füllen, was aber eigentlich alles noch schlimmer macht. So kann ich nicht mal schlafen und das Essen ist auch noch ... also nichts gegen das Brot... aber es ist eben sehr spartanisch.- Lasst sie uns einfach alle finden und zur Hölle schicken.“

Snowcat berührte Average sanft am Arm und sagte leise, „Machen wir. Wir beginnen gleich mit der Suche nach Rekkit.“ Sie wartete, bis die Leute vom Hotel mit Abräumen beschäftigt waren, hob den Blick und sah in die Runde, „Ich denke, für die erste Suche reicht es, wenn ein Hacker mitkommt. Meine Wahl fällt dabei auf Starbuck, da er durch Handauflegen Schlösser öffnen kann.“ Snowcats Blick fiel auf den Ork, „FTW, würde es Dir was ausmachen, hier zu bleiben? Ich würde gern zu Fuss los, weil unsere Wagen uns noch auffälliger und exotischer machen und das auch für die Sicherheitsleute der Versorgungskonvois seltsam wirken wird. Es wäre es toll, wenn Du hier bleibst und auf die Wagen und die zwei anderen Hacker aufpasst.“

Der Latino lächelte charmant, „Que si, bella Snowcat, das übernehme ich.“

Gut eine Stunde später standen Liam, Blackstone, TriXhot, Starbuck, Butcher und Snowcat an einer Kreuzung, an der laut Aussage einiger Genfer irgendwann im Laufe des Vormittags ein Wagen mit Hilfsgütern erwartet wurde. Es warteten bereits einige andere Metamenschen hier und nach und nach füllte sie die Kreuzung immer weiter. 

Weiße Schneeflocken rieselten vom Himmel. 

Snowcat schlug den Kragen ihres schwarzen Mantels hoch. Von der schwarzen Rosenstickerei auf der Brust war auf Grund der Gurte des Daypacks nicht mehr viel zu erkennen. Doch das störte die Elfe nicht weiter. Warum auch? Wichtig war, dass die Stickereien da waren.

„Fragen wir jetzt eigentlich mal nach diesem Rekkit?“, wollte Butcher wissen.

Snowcat nickte, „Wir wissen zwar nicht viel, aber ich werde den Namen langsam mal ins Feld werfen. Wie abgesprochen, versuche ich es zunächst mit der Taktik, dass uns ein Auftraggeber schickt und wir mit Rekkit verhandeln sollen. Natürlich wissen wir auch nicht warum genau, wir sollen nur den Kontakt herstellen. Reagiert jemand auf die Frage nach dem Namen sichtlich erschrocken, dann schwenke ich um.“

Sie standen und warteten und warteten und beobachteten und warteten. 

Zumindest waren sie sicher, nicht verfolgt worden zu sein. Natürlich warf man ihnen Blicke zu. 

Irgendwann, die Kreuzung war inzwischen deutlich gefüllt, näherte sich Motorengeräusch und ein LKW vom Roten Kreuz mit zwei Begleitfahrzeugen fuhr um die Ecke.

Die Metamenschen stellten sich in einer Reihe auf, ruhig und gesittet. 

Als man die zusammengestellten Pakete zu verteilen begann, kam Unruhe in die Bevölkerung, jeder hoffe etwas abzubekommen. 

Starbuck flüsterte, „Ich schau mal, ob hier jemand ein Signal absendet.“

Doch dem war nicht so und auch den anderen fiel niemand auf, der heraus stach.

Nach einer Dreiviertel Stunde fuhr die kleine Kolonne wieder los. Auch die Runner setzten sich in Bewegung und suchten den zweiten Verteilungsplatz auf. 

Einige Genfer liefen in die selbe Richtung und beeilten sich sogar, um an der Runnergruppe dran zu bleiben oder sie gar zu überholen. Doch das war nicht ungewöhnlich. Zumal die meisten von denen, die jetzt eilten, zu denen gehört hatten, die beim Roten Kreuz nichts mehr abbekommen hatten. Die Runner waren sicher, weder verfolgt, noch ungewöhnlich beobachtet zu werden.

Ihr Funk reichte noch bis zum Hotel und sie meldeten sich kurz bei Average, Puck und FTW. 

„Habt ihr irgendwo ein Restaurant gesehen oder gar zu Mittag gegessen?“, fragte Average ungewohnt gleichmütig. 

Das ‘Nein’ schien den armen Mann nicht mal zu beruhigen.

Am zweiten Platz war das Bild ähnlich. Diesmal kam der Hilfskonvoi von der Firma Nestlé.  Sie verteilten ebenfalls Pakete. Außerdem stieg ein Sanitäter-Team aus und kümmerte sich um Kranke. 

Erneut konnte Starbuck kein Signal entdecken und auch die vorsichtigen Fragen von Snowcat führten zu keinem Ergebnis. 

Es war, als wenn sich ihre Suche der Melancholie der Umgebung anpassen würde. 

Am frühen Nachmittag machten sie sich auf den Weg zum dritten Platz, der näher an der EBZ lag, als die beiden zuvor. 

Unterwegs hörte es auf zu schneien. 

Wieder warteten sie. 

Gestern Nacht hatte man Snowcat davor gewarnt, dass sich so nah am Stadtkern auch zwielichtige Gestalten rumtrieben, um nach Geschäftsmöglichkeiten Ausschau zu halten.

Als der Platz sich nach und nach füllte, fielen ihnen tatsächlich zwei Dinge auf.

Sie bemerkten zwei Jugendliche, die an einer Ecke in den Schatten eines Hauseingangs gedrückt rauchten, die Umgebung beobachteten und auf sie aufmerksam geworden waren.

Außerdem lief ein leicht wirr wirkender junger Mann mit Bart auf dem Platz herum. Die Metamenschen, denen er begegnete, drehten sich skeptisch nach ihm um. Auch er hatte die ungewöhnliche Gruppe von Runnern bemerkt und verfolgte sie mit unsicherem Schritt auf ihrem Weg in die Richtung zu den beiden Jugendlichen, die Snowcat nach Rekkit fragen wollte.

Starbuck meldete, «Der Bartträger sendet.»

«Heißt dass, dass er ein Technomancer ist?», harkte TriXhot nach.

Starbuck nickte. 

Snowcat wollte gerade einen Blick auf den Mann werfen, als ein Ruck durch die beiden Jugendlichen ging, sie ihre Zigaretten auf den Boden warfen, austraten und ihnen entgegen kamen.

Blackstone fragte, „Laufen die im Gleichschritt?“

„Yep, das tun sie.“, antwortete Liam im lockeren Ton, aber mit aufmerksamen Blick.

Die beiden jungen Menschen grinsten Snowcat an und einer der Beiden fragte auf Englisch, „Hallo, da Ihr nicht von hier seid, können wir Euch vielleicht irgendwie helfen?“

Snowcat lächelte leicht, „Wenn Ihr Euch hier auskennt, dann schon.“ Sie kam sofort zur Sache, um die beiden Jungs überraschend mit dem Namen zu konfrontieren, „Wir suchen jemanden mit dem Namen Rekkit! Schon mal gehört?“

Die Zwei überlegten und wirkten dabei irgendwie steif. „Kann schon sein. Aber zumindest kennen wir uns so gut aus, dass wir uns umhören können und jemanden kennen, der es weiß.“

Snowcat gab den beiden eine Zigarette aus und kam darüber mit ihnen ins Plaudern, was gleichzeitig schon die Verhandlung war. Nach gut fünf Minuten waren sie einig, sich morgen Mittag wieder hier zu treffen. Die jungen Männer wollten sich bis dahin umgehört haben. Würden sie dann Informationen dabei haben, würde Snowcat ihnen zwei Polar-Survival Kits geben, eins würden sie für ihre Mühe bekommen.

Als die Zwei von dannen zogen und Snowcat den Rücken zu wandten, steckte die Elfe ihre Fühler nach Magie aus. Irgend etwas an den Beiden war komisch gewesen.

Tatsachlich klang noch der Abdruck eines mächtigen Manipulationszaubers nach.

Verdammt.

Sie sahen sich vorsichtig um. Einen Magier konnten sie nicht ausmachen. Alle entspannten sich ein wenig. Die Zwei hatten nicht versucht, Snowcat oder einen der anderen anzugreifen, zu bedrohen oder in eine Falle zu locken. Morgen Vormittag würden sie dennoch sehr vorsichtig sein müssen. 

Wie auch immer, es würde eine Weile dauern, bis Rekkit davon Wind bekam, dass jemand nach ihm suchte. 

Snowcat nahm von hinten links ein Flüstern wahr und spitzte die Ohren, um hören zu können, was gesagt wurde. 

„Ja Fremde sind sie, doch ist die Frage, sind sie Freunde oder Feinde? Freunde oder Feinde? Freunde...“. Das Ganze war auf Deutsch gesprochen worden.

Der Bartträger beobachtete Snowcat und ihre Kollegen. Er kratzte sich am Kopf, drehte sich dann um und entfernte sich einige Schritte. 

Snowcat hatte nicht das Gefühl, dass er zu den beiden Jugendlichen gehörte. Er war laut Starbuck ein Technomancer und den Umständen hier in Genf ausgesetzt zu sein, könnte durchaus an ihm und an seinem Geisteszustand Folgen hinterlassen haben. 

Snowcat behielt den Mann, den sie maximal auf Mitte 20 schätzte, eine Zeit lang vorsichtig im Auge. Er schien unschlüssig darüber, ob er auf die Hilfsgüter warten, die Runner verfolgen oder einfach wegrennen sollte. Seine Kleidung war abgenutzt und unordentlich, sein Bart wild gewachsen, aber er schien nicht völlig verdreckt zu sein, was ihm in Snowcats Augen Pluspunkte einbrachte.

Snowcat sah ihre Kollegen an, „Lasst uns mal um die Ecke schlendern und wenn er uns folgt, sprechen wir ihn an.“

Gesagt, getan.

Er folgte ihnen tatsächlich.

Ganz vorsichtig steckte er seinen Kopf mit dem braunen Wuschelhaar um die Ecke. 

Als er die Runner erblickte, zuckte er erschrocken zusammen, drehte auf der Stelle um und rannte was das Zeug hielt.

Butcher sagte sofort, „Ich mach mich unsichtbar.“, und schwupps war er auch schon verschwunden.

Doch ohne die Einblendungen über AR hatte Snowcat keine Ahnung, wohin Butcher verschwunden war.

Sie hatte allerdings auch keine Zeit sich darum zu kümmern, sie sprach sich kurz mit Blackstone ab und trat dann in einigem Abstand um die Ecke.

Der Bartträger rannte auf die Metamenschenansammlung am Platz zu, um in der Menge unterzutauchen.

Snowcat ließ Magie-gegebene Befehlsgewalt in ihre Stimme fließen und rief auf Deutsch, „Bleib stehen und komm zurück!“

Der bärtige Technomancer gehorchte. Genau wie auch fünf andere aus der Menge, die verwundert in ihrer Bewegung inne hielten und sich umwandten.

Snowcat wusste, dass die Macht ihrer Worte nur kurz anhielt und sie hatte darauf gesetzt, dass der Impuls ausreichen würde, den zweifelnden Mann in die andere Richtung zu lenken. Sie winkte ihn mit einer freundlichen Geste zu sich. 

Zunächst schien es so, als würde ihr Plan aufgehen, denn er kam ein paar Schritte auf Snowcat zu.

Doch plötzlich riss der verwirrte Mann panisch die Arme hoch und rannte so schnell er konnte. 

Mist.

Snowcat seufzte, holte tief Luft, nickte Blackstone zu und dieser setzte sich in Bewegung. Snowcat folgte ihm mit einigen Schritten Abstand. 

TriXhot, Starbuck und Liam blieben zunächst an der Ecke zurück.

Der Bärtige kam nicht weit. Er blieb stehen, noch bevor Blackstone ihn erreicht hatte. Dann wandte es sich einer Hauswand zu und übergab sich.

Das roch ganz nach Butchers Werk. Snowcat zog einen Breezer aus der Tasche und setzte ihn auf.

Als Snowcat und Blackstone den Technomancer erreicht hatten und Blackstone ihm quasi den Weg abschnitt, ließ Butcher den Zauber offenbar fallen. 

Der junge, nun sehr blasse Mann, räusperte sich, trat ein paar Schritte beiseite und putze sich mit sauberem, kalten Schnee Mund und Gesicht. 

Damit sammelte er abermals eine Menge Punkte bei Snowcat. Sie fragte auf Deutsch in möglichst sanftem Ton, „Kann ich Dir vielleicht irgendwie helfen?“

Er blickte zu Snowcat auf und sah sie an. Für einen kurzen Augenblick trat Klarheit in seinen gehetzten Blick. Er lächelte, wischte sich noch einmal verlegen über den Mund und meinte, „Na geht schon. Ich weiß gar nicht, warum mir plötzlich so schlecht war. Jetzt hab ich so einen blöden Geschmack im Mund.“ 

Snowcat zog einen goldenen ,Three Shadowrunner Bar‘ aus ihrer Tasche., „Möchtest Du? Das hilft gegen den schlechten Geschmack.“

Er nahm den Schokoriegel vorsichtig entgegen, „Da‘ anke. Ihr seid nicht von hier.“ Es klang nicht wie eine Frage, sondern wie eine Feststellung. Er blickte sich vorsichtig um und flüsterte, „Aber sind sie Freunde oder Feinde?“

Snowcat sagte sanft, „Wir sind Deine Freunde. Ich bin übrigens Snowcat und Du?“, dann hielt sie ihm ihre Hand entgegen.

„Ich bin Gregor, Gregor Heinz aus Karlsruhe.“ Gregor streckte langsam die Hand aus, doch im letzten Moment zog er sie wieder zurück. „Ihr fragt nach Rekkit. Und... und ... und wenn Ihr meine Freunde seid, dann seid Ihr seine ...?“, das letzte Wort ließ er offen und blickte Snowcat stattdessen erwartungsvoll an. 

50 zu 50 waren gute Chancen. Snowcat musste nicht lange überlegen. Sie traute ihrer Intuition und vielleicht war auch ein wenig Wunsch Vater des Gedankens, sie vollendete den Satz mit, „Dann sind wir seine Feinde.“

Gregor atmete geräuschvoll aus und Erleichterung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Er nahm Snowcats Hand und schüttelte sie vorsichtig, „Hallo Snowflake. Ich bin erfreut, Dich kennen zu lernen.“

Butcher kam sichtbar und lockeren Schrittes aus eine Seitenstrasse herüber geschlendert.  Obwohl er so offensichtlich kam, erschreckte Gregor sich. Er blickte hektisch zwischen Butcher und Blackstone hin und her und suchte dann Halt in Snowcats Augen und fand ihn, indem er sich auf sie konzentrierte. 

Einige Meter hinten an der Ecke von der sie gekommen waren, konnte Snowcat Liam sehen. Sie vermutete, dass Starbuck und TriXhot immer noch in der Seitenstrasse warteten. Es war total merkwürdig nicht zu wissen, wo die anderen waren und keine Kommentare, Informationen oder Anfragen über das AR-Display zu erhalten.

Um Gregor von Butchers Erscheinen abzulenken, sagte sie, „Was treibt Dich von Karlsruhe hierher?“ Sie hatte keine Ahnung, wo Karlsruhe war, dem Namen nach könnte es durchaus in den ADL liegen. Normalerweise würden solche Informationen gleich über ihr Display laufen.

Gregors Nervosität steigerte sich dennoch, „Unglückliche Umstände und jetzt komm ich nicht wieder weg. Nicht wieder weg.“ Wieder blickte er sich hektisch um und flüsterte. „Und sie sind überall. Wir müssen sehr vorsichtig sein.- Ja, das muss ich.“

Snowcat berührte Gregor sanft am Arm und flüsterte ebenfalls, „Wir passen auf. Wir können uns gegenseitig helfen Gregor. Weißt Du was über Rekkit?“

Der junge Mann legte den Finger ans Kinn und überlegte, dann sagte er, „Ja ich weiß was. Ich kenne ihn. Er ist nicht gut.“ Erneut wurde er leiser. „Aber das kann ich Dir nicht hier sagen Snowbird. Auf dem Platz sind zu viele Menschen. Außerdem sind sie überall. Wir müssen irgendwo hingehen, wo es ruhiger ist.“ Er steckte den Schokoriegel weg, den er die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte.

Snowcat lächelte ihn an, „Gut, dann gehen wir wo anderes hin, wir folgen Dir.“ Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu, „Mein Name ist Snowcat.“

Gregor nickte so, als wisse er das bereits.

Snowcat, Blackstone und Butcher folgten Gregor, der dicht an den Hauswänden entlanglief.

Snowcat hörte noch wie Liam sagte, „Wenn wir ihm heimlich hinterher gehen, verstärken wir seine Paranoia nur.“, dann schloss er zu Snowcat und den anderen auf. 

Starbuck und TriXhot blieben offenbar zurück. Erneut konnte Snowcat das nur vermuten, da ihr keine grünen Punkte auf einer AR-Karte die Standorte verrieten. 

Gregor führte sie ganz in der Nähe in eine verlassen wirkende Strasse und dort in einen Hausflur. Er flüsterte, „Hier können wir reden, zumindest für eine Zeit.“

Snowcat wollte gerade erneut nach Rekkit fragen, als plötzlich über Funk von TriXhot kam, «Angriff an der Ecke, Starbuck down.»

Fragg!

Snowcat sah ihre Kollegen an, „Los, da hin.“ Gleichzeitig warf sie Gregor einen beruhigenden Blick zu. Der Mann sah sie bereits erschrocken an, wenn sie jetzt loslief, würden sie ihn wahrscheinlich nie wieder sehen. Also blieb sie erstmal stehen.

Ebenso wie Blackstone und Liam, die sich nicht von der Stelle rührten und sogar einen Schritt näher an Snowcat herantraten.

Einzig und allein Butcher rannte los.

Snowcats Gedanken rasten. Wenn sie sich die Zeit nehmen würde Gregor etwas zu erklären, würde das ewig dauern, aber sie konnte ihn auch nicht allein lassen. 

Tick ,Tack.

Noch bevor sie sich entschieden hatte, zog Liam eine Pistole und schoss auf Gregor. 

Eiskalt.

Der von Stick `n Schock Munition getroffenen Technomancer sank zuckend und ohnmächtig zu Boden.

Da sagte TriXhot, «Selber Pendejo!», sie klang angepisst.

Ohne Commlink und AR kamen keine weiteren Informationen rein.

,Selber Arschloch?‘, offenbar hatte TriXhot ein spanisches Schimpfwort wiederholt, ohne es zu kennen. Spanisch? Hier? Konzernangestellte von Aztechnology vielleicht? 

Nachdem Snowcat den kurzen Schreck überwunden hatte, rannte sie los. Blackstone und Liam blieben an ihrer Seite.

Snowcat rannte und ihre Gedanken rasten, überschlugen sich fast. Was war da los? Das hörte sich einfach nicht nach einem Angriff von Leuten aus Genf oder einer Kontrolle durch Sicherheitsmänner an. Die Elfe rannte so schnell sie konnte. Sie überlegte Jazz zu nehmen, aber es aus der Tasche zu ziehen würde ebenfalls Zeit kosten. Sie entschied sich dagegen. 

Butcher flüsterte, «Mehr als ein Angreifer.»

«Butcher, wenn Du in der Nähe bist: Hot Potato auf meine Waffe.», kam von TriXhot. Sie klang angespannt und presste die Worte heraus.

Nein, das klang gar nicht gut.

Tick, Tack.

Snowcat hatte gegenüber Blackstone und Liam einen kleinen Vorsprung herausgeholt. Sie kam als erste von den Dreien an der Ecke an. Sie war besorgt um Starbuck und TriXhot, aber sie würde dennoch nicht unvorsichtig werden.

Im vollen Tempo rannte sie dicht an der Hauswand lang und schlitterte kontrolliert an die Ecke ...

Und krachte in irgendetwas. 

Dort hatte jemand gehockt und sie hatte denjenigen praktisch mit einem Tritt in den Hintern ein Stück auf die Strasse in den Schnee befördert.

„Nix passiert“, flüsterte Butcher.

Er war unsichtbar und Snowcat hatte keine Ahnung wo er sich positionierte.

Snowcat fühlte nach Bewegung. Direkt hinter der Ecke war niemand. 

Also blickte sie um die Ecke.

Ein großer, breitgebauter Typ in Schneetarn mit Schneebrille befand sich im Nahkampf mit TriXhot.

Leicht rechts hinter den Kämpfenden stand eine schlanke Gestalt in Winterkleidung mit einer Skimaske über dem Kopf. Er hielt eine Armbrust in der Hand und hatte eine weitere, größere Armbrust auf den Rücken geschnallt. 

In Snowcat reifte eine Erkenntnis, die ihr das Blut in den Adern gefrieren lies.

Weiter rechts und noch weiter hinten stand eine weitere, sehr schlanke Gestalt, die völlig in schwarze Gewänder verhüllt war.

Butcher meldete, «Scheiße! Die sind alle mondän.»

«Never ever!», erwiderte Snowcat bevor sie die drei Ziele ansagte. 

TriXhot hielt sich tapfer, aber gegen den Hünen mit seinem Kampfstab geriet sie immer weiter unter Druck. Snowcat konnte nur zusehen, wie er sie niederschlug und sich dann Starbuck zuwandte und nach seinem Fuss griff.

Fragg. Sie war einfach zu langsam.

Der Kerl, Snowcat nahm an, dass es ein Kerl war, sogar ein bestimmter Kerl, doch mit absoluter Sicherheit konnte sie das nicht sagen, zog Starbuck an seinem Fuss hoch, als wöge er nichts und schulterte sich ihn.

Blackstone trat vor, schoss auf den Hünen und traf ihn an der Schulter, doch der zuckte nur kurz zusammen und lief dann weiter.

«Einfach verpufft.», murmelte Butcher, der offenbar wirkungslos gezaubert hatte.

Die würden gehen und Starbuck mitnehmen.

Liam trat kurz um die Ecke und warf eine Granate, die er eben aus seinem Daypack gezogen hatte. Die Granate platzte im Flug auf und ein Netz entfaltete sich.

Das Netz traf mehr Starbuck, als den Angreifer, darum konnte der Hüne sich los schneiden.

Doch wenigstens war er aufgehalten worden.

Blackstone schoss und traf erneut. Diesmal spritzte Blut auf und fiel in den Schnee.

Der Hüne verlor das Interesse an Starbuck und zog sich zurück.

Butcher sagte über Funk, «Versuche zu folgen.»

Genau in diesem Augenblick manifestierte sich eine gewaltige Windhose. Schnee wirbelte umher. Die Windhose hüllte die drei Unbekannten ein und dann löste sie sich mitsamt der Angreifer in Luft auf.

Liam schnitt den bewusstlosen Starbuck aus dem Netz. In Starbucks Wade steckte ein Bolzen, den Liam herauszog. Liam schnüffelte und leckte schließlich an dem Bolzen und meinte dann trocken: „Narcojet. Damit wurde er sofort schlafen geschickt.“ Im Anschluss zog Liam einen Plastikbeutel aus der Jacke und tat den Blut betropften Schnee hinein.

Butcher, der nun wieder sichtbar war, erklärte, „Das einzige was ich noch erkennen konnte, war die Signatur eines mächtigen Geistes.“

Sich nähernde Motorengeräusche waren zu hören. Da kam der nächste Transport mit Hilfsgütern. Sie mussten zusehen, dass sie hier wegkamen.

Liam reichte Snowcat wortlos ein Stimpatch, welches sie TriXhot aufdrückte, während Liam eines Starbuck verabreichte. Die beiden kamen schnell wieder zu sich.

„Was ist mit Starbuck?“, fragte TriXhot sofort.

„Zumindest lebe ich noch.“, antwortete er.

TriXhot war erleichtert, „Dann ist ja gut. Tut mir echt leid, dass ich Dich nicht besser schützen konnte. Was war überhaupt los?“

Snowcat lächelte matt und meinte, „Lasst uns erstmal versuchen Gregor einzusammeln und dann ziehen wir uns ins Hotel zurück. Wir haben Euch Stimpatches aufgedrückt, wenn die aufhören zu wirken, sollten wir es möglichst sicher und trocken haben.“

Snowcats Blick fiel auf etwas Schwarzes weiter hinten im Schnee. Dort wo vorhin die völlig in schwarz gekleidete Gestallt gestanden hatte, lag eine schwarze Feder. Snowcat steckte sie nachdenklich ein.

Sie sah Blackstone an, „Ich glaube, ich weiß wer der Hüne in Schneetarn war. Das war Tenoch.“

Blackstone bestätigte ihre Befürchtung mit einem ernsten Nicken, „Ich glaub auch, dass er es war und dann ist auch klar, wer der Armbrustschütze war.“

Snowcats Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. „Ja leider.“

Starbuck war ganz blass geworden, „Ihr meint echt, das war Tenoch?“

Blackstone und Snowcat nickten unisono.

„Shit! Aber wie konnte der uns hier finden?“, fragte Starbuck nach.

Snowcat meinte leise, „Das weiß ich nicht. Aber es könnte durchaus bedeuten, dass wir den Job beenden müssen, bevor er richtig angefangen hat.“

TrXhot sah in die Runde, dann sagte sie, „Okay, bevor ich gleich mit Euch Trübsal blase, muss ich eines wissen: Wer oder was ist ein Tenoch?“

Um schneller voran zu kommen und damit sie Gregor nicht gleich aufwecken mussten, meldeten sich sich bei ihren Leuten im Hotel und baten sie, sie mit den Wagen abzuholen.  

Während sie auf ihren Transport warteten, klärte Snowcat TriXhot und Butcher darüber auf, wer Tenoch war und was sie über ihn wussten. Snowcat erzählte den Beiden auch, was sie über den Armbrustschützen vermuteten. Sie sprach in einem kühlen, neutralen Tonfall, um Abstand von der Situation zu gewinnen. 

Das Tenoch hier war nervte sie gewaltig. Sie war hierher gekommen, um einem spannenden Geheimnis auf den Grund zu gehen, bei dem sie vielleicht sogar etwas Gutes tun konnte. Das der aztlanische Elitesoldat hier war verkomplizierte alles bis ins Unermessliche und es machte das Ganze schwer und fast unmöglich. 

Das Twinbow offenbar auf Tenochs Seite kämpfte, brachte sie beinah aus dem Gleichgewicht. 

Fragen warfen sich auf. Was war geschehen? War Twinbow manipuliert worden? Wurde er gezwungen? War er verändert? Freiwillig übergelaufen? Letzteres schloss sie eigentlich aus, andererseits hatte er stets zu denen von UC gehört, die am käuflichsten waren.

Snowcat hatte den Impuls verspürt, Riven anzurufen. Sie über Twinbows Gegenwart zu benachrichtigen, um ihr zu helfen und um ihm zu helfen, wenn das denn noch möglich war. 

Diese Idee warf natürlich auch gleich wieder neue Fragen auf. Konnte die schöne Zauberin ertragen, wenn Twinbow übergelaufen war? Entsprang die Vorstellung, die beiden müssten sich nur sehen und dann würden sie sich in die Arme fallen und alles wäre wieder gut, nur einem kindlich romantischem Hirngespinst? 

Leider musste Snowcat diesen gesamten Gedankenstrang gleich wieder beiseite packen, sie war rein technisch gar nicht in der Lage, Riven von Genf aus zu informieren. 

Die dringlichste Frage war natürlich, wie Tenoch sie hier gefunden hatte. Das konnte kein reiner Zufall sein, oder doch?

Weitere Fragen schoben sich in den Vordergrund. Wer war der Dritte, der offenbar mächtige Zauberer, im Bunde? 

Konnten sie weiter machen? 

War Twinbow noch zu retten?

Katze meldete sich zu Wort, ‹Vorsicht Elfenmädchen, Du verlierst den Fokus.›

Snowcat konzentrierte sich. 

Liam sah sie an und fragte simpel, „Und?“

Snowcat holte tief Luft, „Ich hab noch nicht entschieden, ob wir weiter machen können.“

Liam verzog das Gesicht, „Hä? Wieso? Das sind doch nur drei.“

Snowcat nickte, „Ja, nur drei, doch sie sind mächtig und wir können sie nicht schlagen.“

Liam verzog das Gesicht noch ein wenig stärker, „Bullshit. Vielleicht nicht auf dem offenen Feld, wegen der Manipulationsmagie des Zauberers, doch wenn wir sie in eine Falle locken, können wir sie schlagen. Zumal wir auch mehrere Spieler auf dem Feld haben, die Tenoch nicht kennt. Von meinem Genie ganz zu schweigen.“

Die Gedanken in Snowcats Kopf hörten langsam auf, sich im Kreis zu drehen. Wenn es jemand trotz allem konnte, dann sie. Vielleicht bot sich an diesem seltsamen Ort auch einfach die Gelegenheit, der Geschichte mit Tenoch ein Ende zu setzten.

Als die Wagen kamen, hatte sich Snowcat auch innerlich völlig gefangen. 

Zurück im Hotel legten sie den schlafenden Gregor auf die Couch und versammelten sich im Anschluss um den Tisch.

TriXhot entschuldigte sich noch einmal bei Starbuck dafür, dass sie ihn nicht besser beschützt hatte, dann ging sie zu Butcher. Sie stellte sich vor ihn und meinte, „Vielen Dank für die heiße Kartoffel. Ich hatte nämlich gar keine Lust, mir selbst die Birne wegzublasen, weil mir der üble Mojomann seinen Willen aufgezwungen hat.“ Dann machte sie Anstalten, ihn zu umarmen, hielt kurz in der Bewegung inne und meinte, „Ah ah, ich umarme, Du geniesst bitte einfach nur! Ich mag meinen Teint so wie er is´. Bist ein guter Ghoulie, danke Dir vielmals!", dann setzte sie sich. 

Blackstone sah alle der Reihe nach an, „Und machen wir nun weiter?“

Snowcat nickte, „Inzwischen bin ich für ja. Natürlich müssen wir vorsichtig sein und uns dem Problem stellen, aber eigentlich sind sie nur ein weiterer Umstand, den wir beseitigen müssen. Den Stress mit der Matrix haben Tenoch und seine Leute auch, also denke ich, wir sollten uns einfach gut vorbereiten und dennoch weitermachen.“

Puck atmete hörbar auf und kassierte von Starbuck einen stechenden Blick.

TriXhot grinste, „Gute Entscheidung. Bin auch dafür weiter zu machen. Ich lüttet Ding habe eine ganze Weile gegen den Pendejo-Knüppelfreak, Wilhelm Tell´s irren und bösen Zwillingsbruder und dem gruseligen Manteltypen bestehen können. Alleine! Wenn wir ein ganzes Team sind, treten wir denen doch so was von in den Hintern! Außerdem habe ich auch echt die Nase voll von Beherrschungzaubern! Schon wieder! Dem Penner oder der Bitch will ich mal ordentlich die Meinung geigen! In Schmerz-Dur! Mit Zugabe!“

Starbuck nickte, „Ich bin auch dafür, weiter zu machen. Wir sind hier und können gegen die Dissonanz vorgehen. Tenoch ist sicher ein Problem, was wir nicht unterschätzen dürfen. Die größte Rache wäre für ihn, alle von UC umzudrehen und sie dann für seine Sache kämpfen zu lassen. Natürlich ist die Frage, wie er uns hier finden konnte?“ Der giftige Blick, den Starbuck nun Puck zuwarf, sprach Bände. Er hielt ihn für den Verantwortlichen.

Snowcat hob beschwichtigend die Hand, „Es gibt keinen Grund dafür, warum Puck uns hier in die Falle locken sollte.“

Puck riss entsetzt die Augen auf, „Was ich? Ich hab von Tenoch vorher noch nie gehört.“

Starbuck unterdrückte seine Gefühle und meinte ruhig, „Es kann niemand anderer gewesen sein, der uns verraten hat. Es war sehr clever von ihm uns hierher zu locken. Die wenige Kommunikation ist für jeden Gegner gut.“

Snowcat schüttelte den Kopf, „Das gilt nur, wenn der Gegner dabei seine Kommunikation behält und jeden Falle in Seattle wäre gefährlicher für uns gewesen, zumal man dort einzeln gegen uns hätte vorgehen können.“ Sie sah erst Puck und dann Starbuck an, „Ich habe die Frage in den letzten Minuten mehrfach in meinem Kopf hin und her geworfen und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es einfach ein Zufall ist. Ein beschissener Zufall, aber ein Zufall. Und wenn es tatsächlich ein Zufall war, dann heißt das auch, dass Tenoch hier aus einem anderen Grund ist, den er wahrscheinlich auch nicht so einfach aufgeben kann. Wie wäre es, wenn wir erstmal die Fakten sammeln, wie wir uns schützen können und wie wir bei einem erneuten Zusammentreffen vorgehen? Vielleicht können wir sie ja wirklich in eine Falle locken? Abbrechen können wir immer noch.“

Snowcat erntete vielfaches Nicken, wie sie erfreut feststellte. Sie fügte noch hinzu, „Jedem von uns sollte allerdings klar sein, dass dies hier bedeuten kann, dass wir gegen ein Teammitglied von UC vorgehen müssen. Vielleicht sogar tödlich. Jeder muss darüber nachdenken, ob und wann er dazu in der Lage ist und das auch offen äußern.“

Sie wusste von sich, dass all die positiven Gefühle, die sie für Twinbow empfand, sie nicht daran hindern würden, ihn im Fall eines Falles eigenhändig zu töten, aber sie war nicht sicher, ob alle anderen für so etwas hart genug waren.

In diesem Moment rührte sich Gregor geräuschvoll. Gleich darauf setzte er sich erschrocken auf. Er blickte sich um und geriet sofort in Panik. 

Er sprang auf. 

FTW schupste ihn reaktionsschnell zurück auf die Couch, woraufhin Gregor sich zusammenkauerte und autistisch zu schaukeln begann. „Jetzt haben sie mich erwischt. Eiskalt erwischt. Jetzt ist es aus! Wo soll ich hin? Sie sind überall.“, flüsterte er.

Snowcat eilte zu ihm und sagte sanft, „Gregor, sieh mich bitte an. Ich bin es, Snowcat. Du bist hier in Sicherheit.“

Vorsichtig blickte Gregor auf. Als er sie erkannte, entspannte er sich. Er lächelte sogar, „Snowwhite, Du bist da. Dann ist gut.“ Er zeigte auf FTW und fragte verschwörerisch, „Ist er ein Freund oder ein Feind?“

Snowcat lächelte Gregor warmherzig an, „Er ist auch ein Freund. Du bist unter Freunden.“ 

Gregor nickte mehrmals, „Gut, gut. Ich bin unter Freunden.“

„Darf ich mich zu Dir setzten?“, wollte Snowcat wissen.

Er rückte sofort beiseite, „Ja, natürlich.“

Snowcat setzte sich, beugte den Kopf ein wenig zur Seite und sah Gregor an, „Du weißt noch, dass Du uns etwas über Rekkit sagen wolltest, als wir unterbrochen wurden?“

Gregor blickte weg, rieb sich mit zwei Finger die Schläfe und verzog schmerzhaft das Gesicht. Sicher hatte er gerade höllisches Kopfweh. Genf war wahrlich kein angenehmes Pflaster für Technomancer und dann war er vor Kurzem noch getasert worden. Er nickte tapfer. „Ja, ich weiß.“

„Hey, sieh mich bitte an.“ 

Zögerlich setzte er ihr Bitte in die Tat um.

„Ich möchte, dass Du eines weißt. Wenn wir hier fertig sind und wieder gehen, dann werde ich alles daran setzten, dass wir Dich aus Genf rausbringen. Wenn möglich auch dorthin, wohin Du möchtest.“

Gregors Augen weiteten sich und dann umarmte er Snowcat spontan.

Auf diese Art war sie noch nie umarmt worden.


                                                             UC - UNIVERSAL CONSULTANTS - UC

                              UC - Unknown Consequences -das TOP-Runnerteam aus Seattle- You See!


Was Gregor so alles weiß, ob die Runner weiter machen, ob Twinbow verloren ist und wie die nächste Begegnung mit Tenoch verläuft, wird demnächst hier zu lesen sein. 

Wenn Du das nicht verpassen möchtest, schau bald wieder rein, omae.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*