Episode 25/13, Part 2 (vom 22.+30.11.) Run 49/1

Welcome back, omae!

Schön, dass Du auch heute wieder reinschaust.

Derzeit On the Run sind: Butcher, Blackstone, FTW, Mystère, TriXhot, Tuareg, Starbuck und Snowcat. (Die in Part 2 beschriebene Ereignisse fanden an zwei Spielabenden in unterschiedlicher Spieler-Zusammensetzung statt. )

Datum in unserer SR-Timeline: 4.2.-6.3.2073

Was bisher geschah: Die Runner vereiteln in Genf das Vorhaben einer Gruppe dissonanter Technomancer, den Discordiance. Dabei treffen sie überraschend auf ihr verschollenes, beziehungsweise entführtes Teammitglied Twinbow, der ihren erklärten Feind Tenoch begleitet. Doch das bleibt nicht die einzige Überraschung. Als es zu einem Treffen in einer verlassenen Kirche kommt, ist dort auch Riven, selbst ehemaliges Mitglied von UC. Riven, Twinbow und Tenoch sind verändert. Riven, strahlend schön wie zuvor, ist nun von Rache und von dem Gedanken an Vergeltung und Vernichtung von Aztlan getrieben. Als die Runner gehen, weist Snowcat an den Sprengstoff zu zünden und so wird das, was man eigentlich als Falle für Tenoch vorbereitete, auch zum Grab für Twinbow und Riven. Voller gemischter Gefühle kehren die Runner nach Seattle heim und feiern am Samstagabend eine ,Twinbow und Riven Gedenkparty‘. Am Sonntag fliegt Snowcat dann wieder nach Boston. Wir schalten uns am Montagmorgen in das Geschehen zurück.

Wie so oft, erleben wir alles aus den eisblauen Augen von Snowcat mit.

Deine Kommentare zur Episode passen am besten unter „A Tale So Far Part V“ [LINK].

Eine Beschreibung der Runner findest Du hier [LINK].

Hat ein Wort im Text eine andere Farbe verbirgt sich darunter wahrscheinlich ein Link und es wird im Glossary erklärt. Du kennst ein anderes Wort aus dem Shadowslang nicht? Dann schau doch einfach auf gut Glück im Glossary vorbei [LINK].

Die Episode wird in zwei Teilen veröffentlicht. Bist Du bereit für den zweiten, überwiegend ebenfalls entspannten Teil, omae? Na dann los!


Montag früh, noch vor der Uni, klingelte es an Snowcats Appartement-Tür. Auf dem Bild der Überwachungskamera war Blackstone zu sehen, er hielt eine Tüte mit Croissants hoch. Snowcat war ein wenig überrascht, was hatte ihn denn wieder mal nach Boston verschlagen?

Die Frage klärte sich kurz darauf, er war gekommen, um sich Zugang zum öffentlichen Teil der Bibliothek am MIT&T zu verschaffen, denn er fand es selber an der Zeit, sich einmal um sein magisches Wissen zu kümmern. Als einige Minuten später Shark Finn kam, um Snowcat zur Uni abzuholen, nahmen sie Blackstone gleich mit und setzten ihn vor dem öffentlichen Teil ab, nachdem er sich einen Besucher-TAG hatte ausstellen lassen. Blackstone war seinerseits ein wenig überrascht, das Shark Finn problemlos auf das Unigelände kam, ohne Student zu sein. 

„Ich bin offiziell als Bodyguard eingetragen,“ erklärte der Fomori grinsend.

Blackstone hob eine Augenbraue, „Wirklich? Das ist ja mal eine gute Idee, ich sollte mir auch eine SIN zulegen, die eine Bodyguard-Lizenz hat, dann könnte ich Dich gelegentlich auch leichter begleiten, Snowcat.“

Snowcat nickte, „Ja, mach ruhig, kann auf der Arbeit sicher mal nützlich sein.“ 

Da Snowcat wieder so einiges an Stoff aufzuholen hatte, war sie während der zweiten Februarwoche am MIT&T gut beschäftigt. Zudem sah sie jeden Abend bei Tango zum Training vorbei. Vor einigen Wochen hatte sie Tango gefragt, ob sie nicht zusätzlich Tanzunterricht von ihm erhalten könne und da er dem zugestimmt hatte, ging sie jetzt noch lieber zum Unterricht. Abendessen waren dabei immer inklusive. Das eine oder andere Mal traf sie während der Woche auf Blackstone, der sein Training bei Tango ebenfalls auffrischte.

Am Freitagnachmittag, dem 10. Februar 2073, setzte Shark Finn Snowcat direkt vor der Eingangstür von Ehrans Haus ab. Shark fuhr noch ein Stück weiter, um ihr SUV in einer Garage zu parken. Snowcat würde das ganze Wochenende bei ihrem Mentor verbringen. Bereits vor einigen Wochen hatte Ehran dafür gesorgt, dass auch Shark Finn ein eignes Zimmer auf dem Anwesen bekam.

Als Snowcat die Tür ins Wohnhaus öffnete, dachte sie kurz daran, ,Ich bin zu Hause, Mom!‘, zu rufen. Vor nicht all zu langer Zeit war sie bei Dave zu Hause gewesen und der junge Mann hatte dies gerufen, als er das Haus betreten hatte. Gleich darauf war seine Mutter erschienen und hatte ihren Sohn herzlich begrüßt. Snowcat hatte so etwas zum allerersten Mal erlebt und in diesem Augenblick hatte ein solches Gefühl von Geborgenheit und Angekommensein gelegen, dass ihr der Moment beinah magisch vorgekommen war. 

Sie unterließ den Ruf dann aber doch, schließlich hatte sie ihre Wäsche auch nicht mitgebracht. Dennoch war es verwunderlich, wie schnell ihre Beziehung zu Ehran innerhalb eines Jahres an Intensität gewonnen hatte, besonders, da sie nicht ständig mit ihm zu tun hatte.

Heather, eine menschliche Frau mittleren Alters mit freundlichem, runden Gesicht erschien in der kleinen Eingangshalle, um Snowcat in Empfang zu nehmen. „Miss Cathrine, schön, dass Sie wieder da sind. Kann ich etwas für Sie tun? Möchten Sie vielleicht etwas essen?“

„Guten Tag Heather.“, dann Snowcat schüttelte den Kopf,  „Nein, vielen Dank, ich möchte nichts. Ich war früher am MIT&T fertig als erwartet und darum bin ich schon hier. Ist Ehran da?“

„Nein, Miss Cathrine, Meister Ehran wird erst in zwei Stunden zurück erwartet.“

„Gut, dann gehe ich erstmal in mein Zimmer und dann in die Bibliothek.“

Heather meinte erfreut, „Die Bibliothek ist eine sehr gute Wahl, Miss Cathrine, wir haben gerade den Kamin angemacht. Wenn ich sonst noch etwas tun kann?“

„Dann sage ich Bescheid. Danke Heather.“, Snowcat meldete sich im Hausnetzwerk an, hier bei Ehran war technisch alles immer auf dem neuesten Stand und ging dann die Treppe hoch in die zweite Etage, wo links ihr Zimmer mit eignem Bad und begehbaren Kleiderschrank lag. 

Unzählige Kissen, die auf dem Bett, dem Sofa, den Sesseln und der Fensterbänken lagen, bildeten neben den Haarbürsten und dem Parfum auf dem Frisiertisch und ihren Lieblingspflegeprodukten im Bad, den persönlichsten Teil der Einrichtung. Snowcat betrat den ziemlich leeren Kleiderschrank, die meisten ihrer Sachen waren in ihrem Appartement in Seattle und tauschte Designerkostüm gegen eisblaue Jeans und schwarzen Rollkragenpullover. Mit schwarzen Ballerinas aus Stoff an den Füßen hüpfte sie beschwingt die Treppe hinunter in die Bibliothek, ließ sich in ihrem Lieblingssessel nahe des Kamins nieder und begann damit, ein weiteres Werk von ihrer Literaturliste zu lesen. 

Nur 30 Seiten später hob sie den Kopf und blickte hinaus auf die Terrasse. Man hatte diese bis zu den kleinen Säulen vom Schnee geräumt, dahinter lag die weiße Decke fast einen halben Meter hoch und auch die Bäume und Büsche des Gartens schlummerten unter einer weißen, märchenhaften Decke. Snowcat schaltete spontan das Buch aus, lief eilig die Treppe wieder hoch, holte sich Schal, Mütze und Winterstiefel und lief dann geschwind wieder in die Bibliothek. Sie öffnete die Terrassentür, trat hinaus, wechselte das Schuhwerk, schloss die Tür hinter sich und begann damit aus dem Schnee vor der Terrasse auf der Terrasse einen Schneemann zu bauen. 

Nach einigen Minuten stellte sich heraus, dass es sich bei dem, was Snowcat da schuf, eigentlich nicht um einen Schneemann handelte, es war vielmehr eine Scheeskulptur, die sie aus den Schneekugeln entwickelte, die sie auf die Terrasse schaffte. Weitere Minuten vergingen und Snowcat besorgte sich noch einen Eimer mit warmen Wasser und einen Kochlöffel aus der Küche. Es war bereits dunkel, als sie mit der Skulptur fertig war und dann stand ein stilisierte Version von Paul Revere auf der Terrasse.

Ehran empfing Snowcat mit einem warmherzigen Lächeln und einer heißen Tasse Tee in der Bibliothek. Er war bereits vor einer ganzen Weile heimgekehrt.

Ein Wochenende später befand Snowcat sich mit Blackstone und Shark Finn bereits wieder auf dem Weg zum Lake Louise. Es war langsam mal an der Zeit, dass Blackstone lernte seine Aura zu maskieren und sie wollte ihn dort schon mal auf den Weg dazu bringen. Shark Finn verbrachte das Wochenende im Hotel gegenüber. Zurück reisten sie ohne Blackstone, der noch am See blieb und seine Lektionen vertiefte. 

Montag erhielt Snowcat eine Anfrage von Johnny Spinrad bezüglich des noch ausstehenden Treffens mit TriXhot zum Basejumping. Sie verabredeten sich für Donnerstag. Nachdem Snowcat TriXhot informiert hatte, meldete sie sich bei Shark Finn. „Du kannst gerne mitkommen, musst aber nicht. Ich werde ja nicht allein sein. TriXhot kommt mit.“, erklärte sie.

Der Fomori nickte, „Gut, ich mag TriXhot. Wann geht es los?“

Am Nachmittag des 23.Februar 2073 stieg Snowcat in Begleitung von Shark Finn in die Limousine, die Johnny Spinrad ihr geschickt hatte. Ohne überprüft zu werden fuhren sie zu einem Hangar auf dem Privatteil des Logan-Airport.

Johnny wartete bereits in seinem Luxus-Jet auf Snowcat und er empfing sie extrem herzlich. Ihr erstes Ziel war Seattle, wo TriXhot zusteigen würde. Johnny bewies erneut, was für ein guter Alleinunterhalter er war. 

Der Innenraum des Jets hatte etwas von einer Luxussuite in einem Hotel. Es gab sogar kleine Einzelkabinen, damit jeder sich in ein Schlafzimmer zurückziehen konnte. Shark hatte sich eigentlich etwas Abseits hinsetzten wollen, da er ausschließlich als Snowcats Bodyguard mitgekommen war, doch Johnny winkte ihn an den Tisch zu Snowcat und sich.

TriXhot wirkte aufgeregt, als sie die Maschine betrat. Es war deutlich zu spüren, dass dieses Treffen mit Spinrad etwas ganz Besonderes für sie war. Nicht weiter verwunderlich, wie Snowcat fand, Johnny war eine Multimilliarden schwere Berühmtheit und dieser Ausflug fand nur auf TriXhots Anfrage hin statt.

Ihr Ziel lautete Hong Kong, soviel hatte Johnny bereits am Montag verraten. Als die Maschine sich wieder in der Luft befand, meinte er, „Wenn ich mich recht erinnere wurde von Basejumpen gesprochen, was allein wegen der schwierigen Windverhältnisse gute Vorkenntnisse im Fallschirmspringen erfordert. Seid ihr schon mal Fallschirmspringen gewesen?“

TriXhot antwortete schnell und somit zuerst, „Ich hab mich mit ein paar Übungen in einer Halle darauf vorbereitet und mit den Grundlagen vertraut gemacht.“

Johnny sah Snowcat fragend an.

Sie lächelte, „Ich habe keinerlei Vorkenntnisse!“ Was für das Abspringen mit dem Fallschirm sogar der Wahrheit entsprach. Dass sie schon mehrmals in Drakegestalt aus einem Flugzeug gesprungen wahr, gehörte hier nun wirklich nicht her. 

Johnny nickte, „Ich dachte mir darum, dass wir zunächst einmal Fallschirmspringen üben, dann ein oder zwei Sprünge machen und später statt auf Basejumping, auf einen Wingsuit umsteigen. Ich finde solche Flüge viel aufregender, als nur von einem Dach zu springen. Was meint Ihr?“

Für Snowcat klang fliegen immer gut und auch TriXhot hatte keine Einwände.

„Gut, dann machen wir es so!“, stellte Johnny zufrieden fest.

Er fixierte Snowcat lächelnd, „Wir haben inzwischen eine neue Wingsuitgeneration entwickelt. Spinrad Industries ist Marktführer auf dem Gebiet. Ich spiele gerade mit dem Gedanken, daraus eine Sportart zu entwickeln. So etwas wie Wingsuit Polo. Ich glaube, das könnte sich gut verkaufen. Was meint ihr?“

„Klingt cool.“, sagte TriXhot und dann sprudelten auch schon die ersten Ideen aus ihr heraus.

Später erzählte Spinrad, was er sich vorstellte und die beiden Frauen brachten ihre Ideen mit ein. Mit einem Gespräch über Luftschiff-Tribünen, Marketing und möglichen Regeln, verging die Zeit im doppelten Sinn wie im Flug.

Das Hotel Peninsula am Victorias Peek kannte Snowcat bereits von ihrem letzten Aufenthalt in Hong Kong. Spinrad hatte gleich eine ganze Etage gemietet, schließlich mussten die beiden Damen, Shark Finn und Spinrads vier Bodyguards auch standesgemäß untergebracht werden.

Viel war vom Donnerstag nicht mehr übrig und Snowcat kam auf die Idee noch einen gemeinsamen Trideo -Abend zu verbringen. Da Snowcat von angesagten Filmen keine Ahnung hatte, ließ sie TriXhot das Programm aussuchen. Spinrad führte den einen oder anderen Commcall und Snowcat saß in Bodyline Jazzpants und T-Shirt auf der Couch und zog ihr Zeichenpad heraus und begann schon mal damit ein Logo für die Wingsuit Liga zu entwerfen. 

Der nächste Tag begann mit einem luxuriösen Frühstück in Spinrads Suite. Snowcats Vorschlag, sie könne doch hier bleiben und das Wellness-Programm im Hotel genießen, während Spinrad und TriXhot springen gingen, wurde mit einem freundlichen Lachen von Spinrad abgelehnt. Eine Stunde später wurden sie von zwei SUV‘s abgeholt und zu einer anerkannten Fallschirm-Schule gebracht. Sie trainierten sowohl trocken, als auch im Windkanal und man machte sich mit dem Packen von Fallschirmen vertraut. Shark Finn war ebenfalls eingeladen mitzumachen. Snowcat wusste, dass er das wahrscheinlich alles schon kannte und konnte, aber er sagte nichts weiter und er schien sich zu amüsieren. 

Snowcat hörte ihrem Lehrer aufmerksam zu, Spinrad entfernte sich ein oder zweimal, um ein geschäftliches Gespräch zu führen. Das Üben im Windkanal machte Snowcat Spaß und nach mehreren Stunden Training stiefelten sie mit gepackten Fallschirmen zu einem Flugzeug.

Angst hatte Snowcat keine, aber wirklich freuen tat sie sich nicht auf den Sprung. Wenigstens war der Flug über die Landschaft atemberaubend schön und sie genoss jede Sekunde.

Es kam, wie sie erwartet hatte, solange sie im freien Fall war, war alles gut, aber als der Höhenmesser ihr mitteilte, dass es Zeit war, den Fallschirm zu ziehen und sie bestätigte, war es mit dem Spaß vorbei. Es ruckte gewaltig im Gutzeug und es zerrte an den Armen. Sie war nun mal ein Leichtgewicht und hatte Schwierigkeiten die Position zu halten und das Teil zu steuern. Sie bekam das zwar alles hin, aber sie war weit davon entfernt bei der Landung elegant auszusehen, was sie unglaublich wurmte.

TriXhot hatte weniger Schwierigkeiten mit der Landung gehabt und sie hatte sichtbar ihren Spaß, darum stimmte sie auch begeistert zu, als Spinrad einen zweiten Sprung vorschlug. Snowcat erwog einen Moment Müdigkeit vorzuschützen, aber sie befürchtete ein kleines bisschen, dass Spinrad dann ganz verzichten würde und sie wollte TriXhot den Spass nicht nehmen. Also willigte sie ein und wie immer hatte niemand die Chance, ihr das gegenteilige Gefühl anzumerken. 

Nach dem zweiten Sprung war sie tatsächlich müde und froh, wieder im SUV Richtung Innenstadt zu sitzen. 

Johnny rieb sich die Hände, „Na das war doch schon mal was. Für heute Abend habe ich nichts weiter geplant, das Training war ja ziemlich anstrengend und darum dachte ich, wir sollten den Tag entspannt ausklingen lassen und wobei kann man außerordentlich gut entspannen? Genau, beim Shoppen. Und falls ihr einen Grund zum Shoppen braucht: Zufällig spielt morgen Abend eine angesagte Band im angesagtesten Nachtclub von Hong Kong. Ich habe Karten für das Konzert, was uns dann den perfekten Grund zum Shoppen verschafft.“

Sie fuhren in einen, ach was, in den Modetempel der Stadt. Hier hatte man eine Lizenz für Nanofaxes und das für sämtliche Marken, die gut und teuer waren. Nanofaxes verschafften jedem Käufer die Möglichkeit, sich aus dem Katalog ein Teil auszusuchen, welches einem dann innerhalb kürzester Zeit von Naniten auf den Leib geschneidert wurde. Allein die Lizenzen der Modelabes kosteten ein Vermögen. Snowcat war eine winzige Spur unwohl, da man sich hierbei in einen Scanner stellte, von dem man komplett vermessen wurde. Nun gab es wieder eine Stelle, an der Daten über ihre Figur verfügbar waren. Da Spinrad diese Daten jedoch bereits seit der Modemesse in Florenz besaß und da diese Daten allein nicht reichten, um Snowcat zu kopieren, handelte es nur um ein winziges bisschen Unbehaglichkeit.

Natürlich zahlte Spinrad auch das, was sich Snowcat, TriXhot und Shark Finn aussuchten. Eine Großzügigkeit, mit der TriXhot nicht so leicht umzugehen vermochte wie Snowcat selbst. 

TriXhot wählte ein Abendkleid nebst passendem Schuhwerk aus. Das Kleid war bodenlang, eher simpel und elegant geschnitten und überwiegend schwarz. Das leuchtend orangene, obere Teil war um den Bussen herum gerafft, eine Schulter war frei und den Träger über der anderen Schulter zierte eine Stoffblüte.

Snowcat hingegen suchte sich ein komplettes Outfit aus. Mit Unterwäsche, Schuhen, Strümpfen, Strumpfbändern, Handtasche und Mantel zum drüber ziehen. Ihr Kleid war schwarz, schulterfrei und knielang. Schmale Träger lagen über den Oberarmen, der Bereich um den geschwungenen, Bustier-artigen Ausschnitt war mit zarten, silberblauen Blätterrangen bestickt. Der weit schwingende Rock war vorne vier mal hoch geschlitzt und das gesamte Kleid war innen mit hellblauem Plüsch gefüttert. Der Bereich um die Taille war verstärkt und dank der genauen Anpassung auf ihren Körper, würde dies ihre schmale Taille betonen. Ein Stück blauer Plüsch fand sich auf den schwarzen Slingpumps mit 6 cm Absatz wieder. Snowcat hatte den niedrigen Absatz gewählt, um Spinrad nicht zu überragen. Die Pochette-Handtasche war mit schwarzer Spitze besetzt unter der hellblaue Seide durchschimmerte. Der knielange, schwarze Ledermantel war wie ein Gehrock geschnitten und besah einen schwarzen, kuscheligen Plüschkragen, der vorne fast bis zur Taille reichte. 

Unglaublich entspannt und zufrieden kehrte Snowcat mit den anderen ins Hotel zurück. Johnny hatte recht, Shoppen war entspannend. Endgültige Erholung brachte die ausgiebige Massage, die sie sich nach Abendessen und Bad auf ihre Suite bestellte. 

Der Samstag startete früh. Diesmal war eine andere Flugschule ihr Ziel, wo man Wingsuits für sie anpasste und sie mit einem zweistündigen Training begannen. Snowcat spürte sofort, dass sie mit dem Wingsuit viel besser klar kommen würde, als mit dem Fallschirm. 

Sie kehrten bereits am frühen Nachmittag ins Hotel zurück.

Ein ganzer Stab an Personal erwartete sie auf ihrer Etage. Massage, Nail-, Hair- und Make Up Artist-Teams standen bereit. Natürlich war inzwischen auch ihre Kleidung geliefert worden. Zudem war ein Juwelier anwesend, der eine zu den Kleidern passende Auswahl an Schmuck dabei hatte. Snowcat erlebte eine völlig neue Dimension von Luxus und fand es einfach wunderbar.

TriXhot fühlte sich zunächst deutlich unwohl, „Ähm, Haare, Nägel und Make Up kann ich mir doch alleine machen.“, ,beschwerte‘ sie sich leise. 

Snowcat lächelte, „Das kannst Du sogar sehr gut, wie man regelmäßig sieht, aber es ist einfach herrlich verwöhnend und wenn Du weißt, was du willst, machen sie es genauso.“ Snowcat mochte es sehr betüddelt zu werden, allein das hüftlange Haar gebürstet zu bekommen, war ein Genuss. 

TriXhot war nicht überzeugt, „Ich mag es eigentlich nicht sonderlich, wenn andere an mir rumfummeln und ich stillhalten muss. Abgesehen davon, trage ich eh kaum Make Up, Schmuck trag ich auch nicht, ich hab nicht mal Ohrlöcher, ich trag nur Haarspangen oder so, aber es wird schon gehen.“

Die Tatsache wenig Make Up zu nutzen, so gut wie keinen Schmuck zu tragen und nicht mal Ohrlöcher zu haben, war etwas, was die beiden Frauen gemeinsam hatten. Es wäre eigentlich ganz interessant zu erfahren, warum das bei TriXhot der Fall war, aber Snowcat wollte heute keine Gegenfrage riskieren. 

TriXhot wählte zum Bedauern des Juweliers tatsächlich keinen Schmuck aus. Snowcat wollte den Mann nicht ebenfalls enttäuschen, also entschied sie sich für eine Kette aus schwarzen Tahiti-Perlen und ein dazu passendes Armband, welches aus zwei ineinander verschlungenen Reihen aus schwarzen Perlen bestand. Die entzückenden Ohrringe mit schwarzen Perlen konnte sie hingegen nicht nehmen, da sie nun mal keine durchstochenen Ohrläppchen besaß. Eine Umstand, den sie so bald wie möglich ändern würde, es gab einfach viel zu viel wundervollen Schmuck auf der Welt, um sich gleich einen ganzen Bereich entgehen zu lassen, den man ihr nicht schenken konnte, weil sie ihn nicht tragen konnte. Das musste zukünftig unbedingt vermieden werden. Als sie den Schmuck nahm und das freudige Gesicht des Juweliers sah, wusste sie, dass sie das Geschmeide ebenso behalten würde dürfen, wie die Kleidung. Den Wert der beiden Schmuckstücke schätze Snowcat zusammen auf vier oder fünftausend NuYen. So weit sie das beurteilen konnte, waren wertvollere Stücke in der Auswahl gewesen, aber danach hatte sie nicht ausgesucht. 

Katze schnurrte zufrieden. 

Es würde Spaß machen zu Hause ein weiteres Kästchen in den kleinen extra für Schmuck angefertigten Tresor im begehbaren Kleiderschrank zu legen. Mit diesem Set, besaß sie nun schon fünf Schmuckstücke. Bei dem Gedanken an das Saphir-Diamant-Kollier von Harlequin grinste sie glücklich. 

Perfekt und wunderschön zurecht gemacht, saßen die beiden Frauen noch einen Moment bei einem Wasser zusammen. Es war noch etwas Zeit, bis die Limousine sie abholen würde. Spinrad hatte sich noch einmal kurz entschuldigt, um etwas geschäftliches zu erledigen. 

„Und? Alles gut überstanden?“, fragte Snowcat Trixhot schmunzelnd.

Die junge Frau nickte. „Klar, war nicht schlimm, ich würde mir das zwar nicht bestellen, aber sie haben es genauso hinbekommen, wie ich es wollte.“

Snowcat lächelte leicht, „Du siehst jedenfalls toll aus. - Du scheinst Spinrad ja zu mögen, wie steht es, soll ich mich nachher ein wenig zurückziehen und Euch alleine tanzen lassen?“

TriXhot wirkte einen Moment gedankenversunken und meinte dann, „Was? Nein, nein. Ich find ihn toll, weil er eine Berühmtheit ist und das ist hier alles total neu für mich. Ich hätte nicht gedacht, dass das solche Ausmaße annimmt und wir so viel bekommen. Spinrad ich echt spendabel.“ TriXhot nahm den Kopf runter und ihr roter Bob warf Schatten auf ihr hübsches Gesicht, dann schaute sie Snowcat wieder an, „Ich wollte Spinrad eigentlich noch was fragen, ihn um Hilfe bitten, aber ich möchte erst wissen, was Du dazu sagst.“

Snowcat sah TrIXhot aufmerksam an und meinte freundlich, „Na dann erzähl bitte, worum geht es?“

TriXhot zögerte einen Moment, doch dann kamen die Worte leicht und flüssig, „Ich hab da einen Freund, er ist sogar mein bester Freund, der sitzt im Rollstuhl. Du hast ihn vielleicht auf der Geburtstagsfeier gesehen?“

Snowcat nickte, „Er war hinter Dir, als wir gesprochen haben.“

„Genau. Franklin heißt er und er ist von der Hüfte an gelähmt. Er hat eine Kugel ins Rückrat bekommen, das ist jetzt über vier Jahre her, damals war er sechzehn, seitdem sitzt er im Rollstuhl. Ich würde ihm gerne helfen und darum Spinrad fragen. Die Kugel hat er übrigens für mich kassiert.“

Snowcat fragte dazwischen, „Macht es das schlimmer oder besser?“

Trixhot schüttelte den Kopf, „Nein, das spielt eigentlich keine Rolle. Ich habe auch kein schlechtes Gewissen oder so. ...“

Schön, dass die junge Frau das auch so sah.

„... Ich möchte nur, dass ihm geholfen wird. Es liegt mir sehr am Herzen, dass mein bester Freund eines Tages wieder laufen kann. Meinst Du Spinrad kann da was machen? Ich würde das auch bezahlen, vielleicht nicht alles auf einmal oder so.“

Snowcat lächelte, „Johnny Spinrad besitzt eine Deltaklinik und hat, beziehungsweise Spinrad Industries hat, in Punkt Cyberware eine Menge drauf. Er kann da bestimmt was arrangieren. Allerdings macht er das zu seine Bedingungen. Wenn Du ihn fragst, wird er das in die Hand nehmen und Du wirst dann kein Mitspracherecht mehr haben.“

TriXhot überlegte, „Na, ich möchte in keinem Fall, dass da was auf UC zurückfällt oder so. ICH frage und ICH möchte die Verantwortung dafür übernehmen. Darum frage ich ja zuerst dich.“

„Du musst Dir keine Sorgen machen, auf UC fällt sicher nichts zurück. Maximal auf mich, aber so ist Johnny einfach nicht. Ich sehe da keinen Haken, der nachkommt. Wenn Du das Beste für Deinen Freund möchtest, dann ist es sicher gut, Johnny zu fragen. Ich kenne keinen Zweiten, der da so gut geeignet wäre.“

„Das wichtigste ist, dass Franklin irgendwann wieder laufen kann. Darum geht‘s.“, TriXhot war absolut von dem überzeugt, was sie da sagte. „Gut, dann frag ich ihn, wenn sich die Gelegenheit ergibt.“

Spinrad kam aus dem Nebenzimmer zurück und er sah in seinem Ensemble aus Sakko, T-Shirt und Hose aus der Hauseigenen Marke Bodyline ausgesprochen gut aus. Der Halsausschnitt verbarg den Cybertorso nicht völlig und er kokettierte sogar damit, denn über T-Shirt und Sakko leuchteten immer mal wieder Leiterbahnen auf, die sich dann über seinen Oberkörper hinweg bewegten. Er zeigte sein bestes, strahlend weißes Lächeln als er Snowcat und TriXhot seinen Arm anbot und die beiden Frauen ihn daraufhin flankierten. 

Shark Finn, dem sein niegelnagel Anzug ebenfalls ganz hervorragend stand und zwei von Spinrads Bodyguards, begleiteten die drei.

Ein Limousine brachte sie zum Hafen, dort wartete ein kleines Schnellboot auf sie, welches, zu Snowcats Überraschung, auf ein mittelgroßes Schiff mit einfachen Aufbauten, das immer noch im Hafengebiet ankerte, zusteuerte. Das Schnellboot drehte bei und man half ihnen geübt an Bord. Sie wurden mit einem Champagner-Cocktail empfangen. Es warteten bereits einige andere Gäste hier. 

Ein schlanker, fast schon dünner, menschlicher Chinese Mitte 40, stellte sich als Gao vor und begrüßte Spinrad überschwänglich, „Mister Spinrad, was für ein Glück, dass wir sie ausgerechnet heute hier begrüßen dürfen, perfektes Timing, möchte ich sagen, wo doch Chekov‘s Teslacoil heute spielt. ...“

Snowcat hob innerlich eine Augenbraue. Die Rockband war wirklich berühmt und war zu dem mehr als nur aufgehender Stern am internationalen Musikhimmel. Wenn sie nicht alles täuschte, hatte deren Karriere hier in Hong Kong angefangen. Natürlich kannte Snowcat einige der Songs und sie mochte die Stimme des Sängers Zandaro. Ein Konzert der Band war definitiv etwas, worauf Snowcat sich freute.

„... Ihr Boot wird sicher gleich da sein.“, schloss Gao seine Erläuterungen.

Und wieder hob Snowcat eine innere Augenbraue. Noch ein Boot? Warum hatten sie dann hier halt gemacht? Es sei denn natürlich, sie würden jetzt in ein U-Boot umsteigen.

Und genau so war es. 

Gao gab ein Zeichen und sie wurden samt Bodyguards an den anderen wartenden Gästen vorbei, in einen der Aufbauten geführt, wo ein Mini-U-Boot für sie bereit stand. 

Dann tauchten sie laut AR-Anzeige knapp 30 Meter tief. Von der Außenwelt waren sie für einige Meter Tieffahrt abgeschnitten. Ihre Commlinks hatten kein Signal, außer dem Node ihres U-Bootes. Es dauerte nicht lange, dann tauchte vor ihnen im Dunklen ein Licht auf und bald darauf waren die Umrisse eines Schiffswracks zu erkennen, dass von Unterwassserscheinwerfern angestrahlt wurde. Ein atemberaubend schöner Anblick.

,Willkommen im Jiaolong‘, war bald darauf über AR zu lesen. Man hatte aus dem Wrack des gesunkenen Luxusliners ,Dan O‘Neill‘ einen Unterwasser-Nachtclub gebaut und dabei das Interieur eines feudalen Schiffes vom Beginn des 20.Jahrhunderts, mit dem eines Nachtclubs gemischt. Snowcat konnte es nicht fassen, das war eine grandiose Idee.  

Auch TriXhot war ganz still geworden und ihre wachen Augen blickten sich aufmerksam um.

Spinrad war wohl schon hier gewesen, denn er wirkte so gar nicht überrascht. Snowcat erinnerte sich daran, irgendwo gehört zu haben, dass eine Karte für den Nachtclub, der nach dem berühmten mystischen Seedrachen benannt worden war, 1000 bis 6000 NuYen kostete. Pro Karte verstand sich. 

Ein wenig merkwürdig fühlte es sich schon an, als sie die Schleuse verlassen hatten, immerhin befand sich über ihnen eine Menge Wasser. 

Ansonsten befanden sie sich in einer Mischung aus dem Ballsaal der Titanic bevor und nachdem sie gesunken war. Das Ganze war geschmackvoll mit moderneren Möbeln, Lichtern, frischen Logen und Tanzflächen kombiniert worden. Die schiefen Ebenen des gesunkenen Schiffs hatte man meisterlich in die Architektur des Clubs mit einbezogen und über ihnen gab eine durchsichtige Kuppel den Blick in die nächtliche Unterwasserwelt frei. 

Snowcat sah sich zunächst mal nach den Informationen für den Notfall um und fand dieses schnell im Netzwerk des Clubs. Hmm? Es gab offenbar Notfalltauchglocken und man sollte den Anweisungen des Personals Folge leisten. Snowcat prägte sich die Wege für den Notfall ein und wandte sich dann an Shark Finn, „Wenn hier was passiert, mache ich was?“

Er grinste, „Dann hältst Du Dich an mich. Ich kann da hoch tauchen und Dir Luft geben.“

„Copy.“

Nachdem die Frage über den Notausgang geklärt war, konnte Snowcat sich entspannen und die Umgebung genießen. Man führte sie in eine luxuriöse Loge, die einen schönen Ausblick auf Bühne und Tanzfläche bot. Man würde sich hier allein mit Beobachtungen stundenlang amüsieren können. Die Bedienungen waren seriös gekleidet und eindeutig von den Gästen zu unterscheiden. Snowcats Commlink zeigte ihr wieder vollen wireless Zugang zur Matrix an, man musste hier also , Antennen‘ nach oben haben. 

Snowcat entdecke so einiges an Prominenz unter den Anwesenden. Da war Blitzkrieg Nussbaum, Abella Lisetti, der Combat Biker Star Svetlana, die es mit ihrem Busen-Zeig-Manöver zur internationalen Berühmtheit geschafft hatte, man höre und staune, Snowcats alter Bekannter Jaime Salazar, von dem sie gar nicht gedacht hätte, dass er sich von dem Drogenkrieg schon ausreichend erholt hatte, um hier zu sein und eine gut aussehende Trollin, Mihochi Oni, die nicht nur japanischer Herkunft, sondern auch Bodyguard und Shadowrunner war.

Snowcat hielt sich an den wirklich guten Champagner, Johnny schloss sich ihr an und TriXhot bestellte einen Erdbeer-Daiquiri. Die Stimmung der drei war ausgelassen und die Atmosphäre einfach nur faszinierend. 

Nach knapp einer halben Stunde des Smalltalks und Lästern über andere Gäste entschuldigte sich Spinrad kurz, er hatte den einen oder anderen Geschäftspartner entdeckt und sah sich nun gezwungen, eine Begrüßungsrunde zu drehen.

TriXhot und Snowcat nutzen die Gelegenheit um die Tanzfläche anzutesten. Shark Finn blieb am Rand stehen und behielt Snowcat im Auge. Selbstverständlich war er nicht der einzige, der immer wieder zu ihnen rüber sah. Die beiden Frauen fielen auf. Aber wie es in Clubs der Luxusklasse nun mal war, sie wurden glücklicherweise nicht behelligt, solange sie keine Körper oder AR-Signale setzten, die anderes wünschten.

Nach einer ganzen Weile fiel Snowcat ein älterer Herr im tadellosen Anzug auf, der länger zu ihnen rüber sah. Snowcat schätzte den Menschen auf über 60 Jahre, was ihn in der Welt der Reichen, Schönen und Ewig-Jungen schon zu einer Besonderheit machte. Sein schwarzes Haar war teilweise ergraut und sein Gesicht hatte große Ähnlichkeit mit dem von Julius Cäsar. Er behielt sie beide eine Weile im Blick, hob sein Glas zum Gruß und war dann hinter der tanzenden Menge verschwunden. Snowcat und TriXhot sahen sich an und dann setzten sie sich in Bewegung, um zu sehen, wer der Mann war und wohin er gegangen war.

Sie entdeckten ihn an einer Bar und schlenderten wie zufällig ebenfalls darauf zu. Shark Finn folgte Snowcat dicht auf. Sie hatten die Bar fast erreicht, da drehte der Mann sich um und reichte Snowcat ein Glas Champagner und TriXhot einen Erdbeer-Daiquiri, dann drehte er sich noch mal zur Bar und ließ sich eine geschlossene Flasche Wasser geben, die er an Shark weiter gab. Er lächelte.

„Wow, gute Beobachtungsgabe, danke sehr. Wie kommen wir denn dazu?“, sprudelte TriXhot los, trank aber nichts.

Snowcat nippte an ihrem Champagner, der völlig normal und köstlich wie zuvor schmeckte. Dann neigte sie elegant den Kopf, lächelte huldvoll, hob ihr Glas und prostete dem Mann zu. „Ja, vielen Dank.“

Der Mann lächelte Snowcat einen Augenblick an, beugte sich vor und flüsterte auf Sperethiel, „Darf ich erst fragen, ob sie privat oder geschäftlich hier sind, Snowcat?“

Snowcat dehnte ihr Lächeln aus und erwiderte ebenfalls leise und auf Sperethiel. „Ich kann Ihnen versichern, dass wir völlig privat hier sind.“

Der Herr strahlte, richtete sich auf und sah nun TriXhot an und erzählte auf Englisch, „Natürlich sind Sie mir aufgefallen, allerdings gebe ich zu, dass ich bereits zuvor von Ihnen gehört habe und nun erfreut bin, Sie einmal treffen zu können.“

„Dann sind Sie und aber im Vorteil, da wir nicht wissen, wer Sie sind.“, meinte TriXhot schlagfertig.

Der Mann deutete galant eine Verbeugung an, „Wie unaufmerksam von mir, mein Name ist Fianchetto.“

Der Name klingelte bei Snowcat sofort, der Mann war eine Legende unter den Runnern und galt als großer Spymaster. „Ah, wir arbeiten also im selben Gewerbe.“, so gab Snowcat ihr Wissen quasi gleich an TriXhot und Shark Finn weiter. „Und Sie sind ein Fan der Band Chekov‘s Teslacoil oder warum sind sie hier?“, fragte Snowcat dann im charmanten Plauderton.

Fianchetto lachte, „Nein, dass ist wirklich nicht ganz so meine Musik, aber einen solchen Moment der Grand Tour kann man sich nicht entgehen lassen, wenn man gerne Informationen sammelt und auf dem Laufenden bleiben will.“ Er sah Snowcat für einen Moment direkt in die eisblauen Augen, „Vor nicht all zu langer Zeit sah man Sie mit Ehran auf einer Gala, heute sind Sie privat mit Johnny Spinrad hier, das zum Beispiel sind Informationen, für die es sich lohnt herzukommen. Wie ich bereits sagte, ist es mir eine Freude, Sie einmal persönlich zu treffen. Wissen Sie, ich verfolge Ihre Karriere nun schon eine ganze Weile mit großem Interesse und ich muss sagen, dass Sie da eine außergewöhnlich kompetente Gruppe zusammen gebracht haben.“

Snowcat trank noch einen Schluck ihres Champagners, der Mann war ausgesprochen gut informiert. Sie lächelte in sich hinein, es gab in ihren Augen eine einfache Lösung, damit sie niemand mit einem bestimmten ,berühmten‘ Mann in Verbindung brachte, sie musste sich einfach noch mit weiteren Berühmtheiten zeigen. Im neutralen Ton sagte sie, „Ja, da haben Sie wohl recht. Es ist natürlich ein Kompliment, dass sie bereits von uns gehört haben.“

„Und was erzählt man sich von uns so?“, wollte TriXhot wissen.

Fianchetto lächelte väterlich, „Nun zum Beispiel, haben Sie eine hohe Reputation, wenn es um das Beschaffen von Artefakten geht. Sagen Sie TriXhot, gestatten Sie mir eine persönliche Frage?“

TriXhot nickte, „Klar, nur zu. Was aber nicht heißt, dass ich auch antworte.“

Fianchetto war erfreut, „Natürlich nicht. - Sagen Sie, wie ist es denn eigentlich für Sie mit einem ehemaligen Clubmitglied ihres Vater zusammen zu arbeiten?“

TriXhot gab bereitwillig Auskunft und antwortete in ihrer lockeren Art, „Sie meinen Doc? Dass er mit Dad in einem 'Club' war, wirkt sich nicht weiter aus. Aber er ist ein wirklich ein Experte auf seinem Gebiet und man kann eine Menge von ihm lernen.“

Bevor Fianchetto noch eine weitere Frage stellte, grätsche Snowcat ein, „Haben sie denn noch etwas über die Anwesenden heute Abend herausbekommen, was sie uns weiter sagen können? Ich frage aus reiner Neugier.“

Fianchetto schmunzelte amüsiert, „Interessant ist zum Beispiel, dass das heutige Konzert für ein Yakuza-Treffen genutzt wird und das hier in Hong Kong. Man hat da wohl einiges zu besprechen. Vielleicht ist ihnen Mihochi Oni aufgefallen, die ihren Bodyguard Job sehr ernst nimmt und trotz ihrer häufigen Arbeit für das organisierte Verbrechen als neutral gilt. Der Club hier gehört übrigens den Triaden. Um die Band wird es sicher noch einige Runs geben. Da ist viel Geld zu holen, wo man doch gerade einen Energieriegel mit dem Namen der Band auf den Markt gebracht hat. Die Triaden sind mit Chekov‘s Teslacoil mitten drin im Musikgeschäft, was der Yakuza nicht gefallen kann.“ Er beugte sich verschwörerisch vor und fuhr fort, „Wobei mir gerade einfällt, wenn hier eine Goblin-Rock-Band spielt, handelt es sich um einen idealen Zeitpunkt, falls sie mal durch den Hafen von Hong Kong schwimmen oder tauchen müssen. Die Schallwellen der Musik stören sämtliche Sensoren.“

Snowcat nickte, „Das glaube ich gern und das ist ein ganz hervorragender Tipp, vielen Dank.- Wissen sie zufällig, ob Salazar geschäftlich hier ist?“

Fianchetto winkte ab, „Nein, der ist nur hier, weil er es sich trotz seiner geschäftlichen Probleme einfach nicht nehmen lassen kann, an der Grand Tour teilzunehmen.“ Wieder sah er Snowcat kurz direkt in die Augen, „Gestatten sie mir noch einen Rat?“

Snowcat lächelte, „Nicht nur das, ich würde mich sogar darüber freuen.“

„Sie sind wirklich eine außergewöhnliche Erscheinung und ich bin sicher, meine alten Augen sind nicht die einzigen, in die sich Ihr Bild gerne einprägt. Wenn Sie geschäftlich unterwegs sind, dann sollten Sie unbedingt noch mehr auf ihr Äußeres achten, denn es gibt sicher viele, die sich nur all zu gern nach Ihnen umdrehen.“

Snowcat nickte bestätigend, „Ja, das mag wohl sein und ich danke Ihnen, dass Sie mir das noch einmal verdeutlicht haben.“

Fianchetto war sichtlich erfreut oder zumindest wollte er so aussehen, als wenn er das war, „Nun ich hoffe sehr, dass wir uns auch in Zukunft einmal wieder begegnen. Nun möchte ich Sie aber nicht weiter aufhalten, zumal Mister Spinrad seine Runde beendet hat, glaube ich.“

Fianchetto verbeugte sich und entfernte sich dann einige Schritte. Snowcat sah sich um und da steuerte Johnny Spinrad auch schon auf sie zu. „Da bist Du ja wieder.“, begrüßte sie ihn erfreut. 

„Ja, da bin ich wieder. Entschuldigt bitte, dass ich Euch so lange allein gelassen habe. Ich hoffe, ihr habt Euch trotzdem amüsiert.“

„Ja, das haben wir. Allerdings nicht so gut, wie wir es mit Dir hätten,“ fügte Snowcat kokett hinzu. „Wollen wir vielleicht tanzen?“

„Oh ja, sehr gern:“

Das taten sie dann auch, erstmal nur bis zum Beginn des Konzerts, zu dem sie sich in ihre Loge zurückzogen. Von hier aus war man beinah mitten drin, ohne von anderen bedrängt und behelligt zu werden. Die Band war sehr, sehr gut und das meinte Snowcat nicht nur, weil die Musik ihren Geschmack traf und der Sänger Charisma hatte. Die Musik sprach an. Fianchetto konnte mit seiner Vermutung durchaus Recht behalten. Und die Akustik im Club hatte etwas ganz eigenes. 

Nach dem Konzert war die Stimmung noch besser als zuvor und sie machten stundenlang die Tanzfläche unsicher. Da TriXhot keine Rechte angemeldet hatte, tanzte Snowcat die meiste Zeit mit Spinrad und ihr war völlig egal, wie sehr sie dabei auffiel.

Sie kehrten erst am frühen Morgen ins Hotel zurück. 

Wie Snowcat erwartet hatte, kam sie mit dem Wingsuit viel besser zurecht. Das Fliegen lag ihr eben im Blut. 

Das Abendessen am Sonntag nahmen sie noch im Hotel zu sich. Die angepassten Wingsuits gehörten auch zum Kompletpaket, den auch Shark Finn ebenso behalten durfte. Spinrad hatte für TriXhot noch einiges an Bodyline-Kleindung in die Tasche legen lesen, die Chance, dass sie für ihn Werbung lief, wollte er sich nicht entgehen lassen, bemerkte Spinrad augenzwinkernd. 

Snowcat konnte sehen, wie TriXhot der Mut Spinrad auf Franklin anzusprechen langsam verließ. Sie würde nicht fragen und ihre Chance verstreichen lassen, um nicht unverschämt zu erscheinen. Da Snowcat nicht wusste, ob TriXhot auf dem Heimflug neuen Mut finden würde, half sie ein wenig nach. „TriXhot wollte Dich noch was fragen Johnny.“

Johnny wandte sich der jungen Frau sofort aufmerksam zu. „Ja? Was denn?“

Einen winzigen Augenblick zögerte TriXhot noch, aber das sprach sie frei drauf los, „Ich hab da einen Freund, Franklin, einen sehr guten Freund und der ist von der Hüfte abwärts gelähmt, seit er eine Kugel im Rückrat stecken hat. Ich habe die Hoffnung aber nicht aufgegeben, dass er eines Tages wieder laufen kann. Vielleicht könnte das klappen, wenn er mal in eine richtige Klinik könnte, er hat keine SIN und so, meine Mutter kümmert sich immer um ihn und wir bezahlen einen Streetdoc, aber der hat gar nicht die Möglichkeiten, ihn richtig zu untersuchen.“

Johnnys Gesichtsausdruck war inzwischen sehr ernst geworden, er stellte Zwischenfragen. Seit wann der Junge im Rollstuhl saß? Wie alt er jetzt wäre und so weiter. TriXhot beantwortete jede dieser Fragen, ohne zu zögern.

Dann erklärte Spinrad, „Ich denke, da lässt sich eine Menge machen. Genaueres kann natürlich nur ein Arzt sagen. Ich gebe Dir die Adresse einer meiner Bodyline-Kliniken,“, er hantierte bereits an seinem Commlink, „in Seattle. Da bringst Du ihn so bald wie möglich hin, damit er untersucht werden kann. Ich werde veranlassen, dass man ihn dort erwartet.“ Johnny beamte TriXhot eine Adresse zu und damit war das Thema erledigt.  

„Danke.“, sagte TriXhot erleichtert.

Johnny winkte ab, „Noch ist ja nichts passiert, aber es wäre doch gelacht, wenn wir ihm da nicht helfen können. So ein junger Mensch sollte doch unbedingt wieder laufen oder gar Fussball spielen können.“

Sie flogen in der Nacht zurück. Zunächst nach Seattle. Johnny ließ es sich nicht nehmen, Snowcat bis nach Boston zu begleiten. 

Einen Großteil der Zeit verschlief Snowcat. Nach der Landung dankte Snowcat Spinrad für ein fantastisches Wochenende, das viel mehr Spaß gemacht hatte, als sie erwartet hatte. Letzteres erwähnte sie bei der Umarmung natürlich nicht. 

❄❄

Mit den Arbeiten für die Uni kam Snowcat derzeit außerordentlich gut voran und Professor Popow, ihr Lehrer für arkane Kunst, hatte ihr zum wiederholten Mal gesagt, wie talentiert sie sei.

❄❄

Der letzte Tag im Februar 2073 war ein Dienstag. Snowcat saß am Nachmittag in schwarzen Jazzpants, hellblauem T-Shirt und gleichfarbigen Socken, in ihrem Studentenappartement und arbeitete an einer Skizze für ein Kunstprojekt, dass sie in jeder Entwicklungsstufe beleuchten musste. 

Es klopfte an der Tür. 

Snowcat löste die Haarspange, mit dem sie ihr Haar hochgesteckt hatte und ging dann zur Tür, warf einen Blick auf die Spionkamera und öffnete dann schnell. 

Mit der Schulter ultralässig an den Türrahmen gelegt stand dort Harlequin in seiner vollen Größe in Jeans, Rollkragenpullover, Cowboystiefeln und Ledermantel. 

Im lockeren Ton begrüßte sie ihn mit, „Hey, da bist Du ja.“, so als wären sie verabredet gewesen, was sie natürlich nicht gewesen waren und Snowcats Gesicht strahlte dabei vor Freude. 

Er grinste freundlich, sein rot geschminkter und umrundeter Mund verstärkte den Effekt. Das Weiß auf dem Gesicht war heute blass und die roten Karos um die Augen lang und spitz. Snowcat zählte auf die Schnelle neun seiner eigentümlichen Zöpfe, zu denen er das feuerrote Haar aufgestellt hatte. 

Snowcat blickte verspielt links und rechts den Gang runter, dort war niemand zu sehen, was natürlich keinen Unterschied machte, dann packte sie Harlequin am Kranken des Ledermantels und zog ihn in das Appartement, schlug die Tür hinter ihm zu, legte ihre Hände um seinen Nacken, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn wild. Ein wenig atemlos fragte sie, „Kannst Du eigentlich Schlittschuhlaufen?“

Harlequin hob eine Augenbraue, was er ausdrucksstark konnte, wie kein anderer und meinte locker, „Natürlich.“

„Gut!“, Snowcat löste sich von ihm, „ich nämlich nicht, oder viel mehr, ich war noch nie Schlittschuhlaufen, würde es aber gerne mal versuchen. Wollen wir zusammen gehen?“

Er nickte. „Ja, eine schöne Idee. Jetzt gleich?“

Nun nickte sie, „Ich mach mich frisch, zieh mich um und Du kannst inzwischen schon mal gucken, wo es hier in Boston eine schöne Eisbahn gibt, falls Du das nicht zufällig schon weißt.“

Da er sein Commlink aus der Innentasche seines Mantels zog, wusste er das offenbar nicht.

Snowcat verschwand ins Bad, ließ die Tür aber offen. Sie zog T-Shirt und Jazzpants aus und legte sie ordentlich auf einem kleinen Beistelltisch zusammen. Dann bürste sie ihr Haar kurz über und flocht es geübt zu zwei Zöpfen, die sie schnell mit zwei eisblauen Haargummis fixierte. Nacheinander legte sie ein wenig farblosen Puder, dunkelgraue Wimperntusche und einen Tropfen ,Kiss Of Winter‘ auf. Harlequin beobachtete sie interessiert. Die Eisbahn schien er wohl schon gefunden haben. 

„Und wie war es in Hong Kong?“, fragte er, während sie damit begann, den Puder aufzutragen.

Sie lächelte ihn über den Spiegel an, „Schön. Fallschirmspringen ist nicht meins. Wingsuit fliegen schon eher. Wir waren in einem Unterwassernachtclub, dem Jiaolong, der in ein altes Schiffswrack gebaut wurde. War echt hübsch. Chekov‘s Teslacoil hat gespielt, die fand ich sehens- und hörenswert. Und es gab jede Menge Geschenke.“ Sie bewegte sich in Schlafzimmer und hauchte Harlequin im vorbeigehen einen Kuss auf die Wange, „Neben Kleid, Accessoires, Wingsuit und Mantel auch Schmuck,“ sie deutete mit dem Kopf auf den kleinen Tisch neben der Couch, wo die Schatulle lag „Ich hab mir einen Perlenarmband und ein Perlenkette ausgesucht.“ Im Schlafzimmer schwang Snowcat sich in eine schwarze Jeans und einen schwarzen Cashmere-Rolli mit großem Kragen. Sie erzählte weiter, als sie wieder hinaus kam, „Weißt Du, was mir dabei aufgefallen ist? Es gab entzückende schwarze Perlenohrringe dazu und die konnte ich nicht nehmen. Ich muss mir unbedingt die Ohrläppchen durchstechen lassen!“

Harlequin nickte, „Ich glaube, dann habe ich dann noch was passendes für Dich, irgendwo in einer alten Piratenschatzkiste.“

Snowcat hob beide Augenbrauen und schnurrte, „In einer Piratenschtzkiste? Das klingt aufregend. Heißt das, Du warst mal Pirat oder hast einem Piratenschatz gefunden?“

„Ja.“

„Wie ja? Also beides?“, fragte Snowcat neugierig nach.

Harlequin lachte.

In gespielter Empörung meinte Snowcat, „Hey, so eine Frage kann man doch nicht einfach mit ja beantworten.“

Harlequin zuckte mit den Schultern, „Doch. Stell halt nicht so komplizierte Fragen.“

Snowcat zog einen leichten Schmollmund, „Ich dachte, ich bekomme eine spannende Piraten-Geschichte erzählt und Du sagst einfach nur ja.“

Harlequin lächelte gewinnend, „Ach so. Ja eine Piratengeschichte kann ich Dir auf der Fahrt zur Eisbahn erzählen. Eine von Sir Francis Drake zum Beispiel.“

Snowcat nickte zufrieden, „Gut.“ Sie meldete sich noch schnell bei Shark Finn, um ihm mitzuteilen, dass sie mit Harlequin unterwegs war. Er zögerte kurz, bat sie dann aber nicht darum, auf ihn zu warten. 

Harlequin erzählte die Gesichte grandios wie schon so oft. Sie war mit historischen Fakten gespickt und unglaublich unterhaltsam. 

Die beiden Elfen liehen sich Schlittschuhe und Snowcat war nur einen Moment lang wackelig auf den Beinen, danach kokettierte sie ein wenig mit falscher Unbeholfenheit, um möglichst viel Hilfe von Harlequin zu bekommen und er ging darauf ein und führte sie über die Eisbahn. Nach einigen Minuten tanzten sie dann schon Walzer über die winterliche Eisfläche auf dem Boston Common Frog Pound. Noch war es kalt genug, um im Park unter freiem Himmel Schlittschuh laufen zu können. Das Eis wurde zwei mal am Tag professionell mit Eismaschinen bearbeitet und auf dem natürlichen Untergrund waren Abgrenzungen aufgestellt worden.

Harlequin bewegte sich flüssig und elegant, nahm Snowcat immer wieder in den Arm, hob sie hoch und drehte sie beide. Snowcat fand es einfach wundervoll auf ihn zu zu laufen und sich von ihm auffangen zu lassen.

Zum Abendessen kehrten sie in einem kleinem Restaurant zum Hummeressen ein. Snowcat hatte Appetit auf Hummer gehabt und Harlequin hatte das passende Restaurant gekannt.

Der Hummer schmeckte einfach köstlich.

Auf der Fahrt zurück ins Appartement erklärte Snowcat, „Ich mag Eislaufen und werde das wahrscheinlich öfter machen. Mit dem Kaufen von Schlittschuhen warte ich allerdings noch, bis ich mir sicher bin, dass ich den vielen Spaß heute Abend nicht nur Deiner Anwesenheit verdanke.“

❄❄

Am Donnerstag, dem 2. März schlug eine ausgesprochen schöne Nachricht bei Snowcat auf dem Commlink ein. Sie lautete kurz und knapp, „Sie ist da!“ Snowcat wusste, was das bedeutete, Hope, die Tochter von Mersey und Paladin, war geboren worden. Die beiden hatten Snowcat schon vor einiger Zeit gefragt, ob sie Patentante werden wolle und sie hatte zugestimmt. Sie buchte umgehend die Flüge nach Seattle für Freitag Abend. 

❄❄

Samstag früh befand sie sich dann auf dem Weg zur Wohnung der beiden Ex-Runner. Snowcat freute sich schon darauf ihr Patenkind kennenzulernen. Mersey musste ungefähr so alt sein, wie sie selbst, jedenfalls soweit sie das beurteilen konnte. Snowcat konnte sich kaum vorstellen, wie es wäre, jetzt schon ein Kind zu bekommen und Mutter zu sein. Gerade Mersey hatte immer so besonders jung gewirkt. Doch die beiden würden gute Eltern sein, davon ging Snowcat fest aus. 

Snowcat hatte die Geschenke für Hope alle selbst gefertigt. Eine Klapper aus Kirschholz, in die der Name Hope geschnitzt war, eine Steppdecke, für die sie den Stoff selbst mit Kirschblüten bemalt hatte, eine Kuschelmaus, deren Körper aus einer kleinen Variante der Steppdecke bestand und ein kleines Kissen, das mit Kirschkernen und beruhigenden und duftenden Kräutern und Blüten gefüllt war. Der Tipp für das Kissen gegen Bauch- und anderes Weh war von Sugmani gekommen. Eine Schneiderdrohne hatte die Näharbeiten übernommen. Die vier Geschenke lagen zu einem schönen Paket verschnürt auf dem Rücksitz und sahen wirklich hübsch aus. Das Geschenk für Mersey hatte Snowcat in einem Süßwarenladen gekauft. 

Snowcat bog gerade in den Zielbezirk ein, als ihr Commlink sich meldete, Doc rief an.

Snowcat nahm ab, „Hey.“

„Einen schönen guten Morgen Snowcat. Ich hoffe, ich habe Dich nicht zu früh geweckt?“, sagte Doc.

„Nein, gar nicht. Ich bin sogar schon unterwegs. Was gibt es?“

„Nun ich hätte da vielleicht einen neuen Job an der Hand, der Dich interessiert. Könntest Du es bis heute Abend ins Bootshaus schaffen?“

Snowcat lächelte, „Ja, das könnte ich. Zufällig bin ich bereits in der Stadt.“

„Hervorragend, dann bis heute Abend, sagen wir 18.00 Uhr?“

„Copy“

Average und Steel standen bereits am Fiddler und Candy-Gedenk-Grill, als Snowcat auf das Gelände fuhr.

TriXhot war ebenfalls schon da und winkte Snowcat beiseite, „Du hattest völlig Recht mit Spinrad. Franklin ist inzwischen in London in einer Klinik. Sie haben ihn untersucht und die Ärztin hat gesagt, dass er wieder laufen können wird.“ TriXhot war ein winziges bisschen aufgeregt, „Das ist großartig oder? Franklin hat erzählt, wie toll sich alle um ihn kümmern und er hat selber schon vom Fussballspielen gesprochen. Und er bekommt einen Werbevertrag und verdient richtig gut Geld.“

Snowcat lächelte warmherzig, „Das ist wirklich wunderbar.“

TriXhot zuckte kurz mit den Schultern, „Wenn er länger in London bleibt, wird er mir zwar schrecklich fehlen, aber das ist nicht wirklich wichtig. Er wird wieder laufen können und sie kümmern sich auch um seine Ausbildung und so. Ich kann es gar nicht glauben. Das ist mehr, als ich je geträumt hätte.“ TriXhot wischte ein paar Freudentränen beiseite. 

Nach dem Grillen setzte sich ganz UC im Bootshaus zusammen. Doc ergriff das Wort und meinte, „Was ich für heute an der Hand habe, ist eine kurzfristige, Termin gebundene Sache. Das APEP-Consortium sucht ein Team, das Erfahrung mit der Artefaktjagd hat, darum kam die Anfrage an uns. Es geht um einen Einsatz in Europa, genauer gesagt, ginge es nach Istanbul. Dort soll in den nächsten Tagen das ,schwarze Herz‘ verkauft werden, womit sich eine Gelegenheit ergibt, das Artefakt zu erlangen. Das Team bekommt bei Erfolg 100.000¥ und in jedem Fall 20.000¥ an Spesengeld. Außerdem wird ein Kontakt in Istanbul zu Verfügung gestellt, an den auch die Übergabe des Artefakts in Istanbul erfolgt. Die Preise sind nicht verhandelbar und wir haben jetzt noch 3 Stunden Zeit, den Job anzunehmen.“

Snowcat überlegte nicht lange, „Ich bin dafür, den Job anzunehmen und wäre dann auch gerne dabei. Je nachdem wie viele von uns fahren, könnten 100.000¥ wenig sein, doch schon allein, dass wir nach einem Artefakt suchen, das 'schwarzes Her'z heißt, klingt spannend.“ 

Mystère lächelte Snowcat an, „So sehe ich das auch. Wir sollten den Job annehmen.“

Tuareg nickte zustimmend. 

„Gut.“, meinte Doc, „Ich denke, weitere Teilnehmer werden sich finden. Dann nehme ich gleich an, nachdem wir die ersten Informationen gesammelt haben.“

Snowcat sah Starbuck und die Zwillinge an, „Hört ihr Euch nach Istanbul und dem schwarzen Herz um?“

Es dauerte nur wenige Sekunden, dann erklang die fröhliche Cartoonstimme von Arcades Icon: „Istanbul oder auch Konstantinopel oder auch Istanbul oder... je nachdem, das ändert sich ständig... ist eine freie Stadt. Der Polizeidienst wird teilweise von Söldnern - ja, FTW, die 10.000 Daggers sind auch darunter,- übernommen. Istanbul ist voll und chaotisch, ein Beispiel: täglich benutzen 2 Millionen Metamenschen die Brücke und wechseln von dem asiatischen auf den europäischen Teil und umgekehrt. Der große Basar, auf dem es alles zu kaufen gibt, ist wirklich groß, einen ganzen Stadtteil groß nämlich und das Word Handeln wird da schon traditionell groß geschrieben. Kleine Schusswaffen bis zur Größe einer MP zu tragen, ist nicht ungewöhnlich, solange sie offen getragen werden. Als freie Stadt ist Istanbul ein besonderer Schmelzofen für die unterschiedlichsten Kulturen geworden. Magie ist nicht verboten, obwohl es dort auch eine Menge Muslime gibt. Das wäre es erstmal im Groben.“

Gleich im Anschluss ergriff Starbuck das Wort, „Über das schwarze Herz ist nicht viel bekannt, es wird auch ,Heart Of Darkness‘ genannt und es soll sich dabei um ein echtes metamenschliches Organ handeln, gerüchteweise ,bewegt‘ es sich derzeit auf der Seidenstrasse entlang und zwar mit Karavan.“

Snowcat konnte nichts bestätigen oder widerlegen, denn sie hatte auch von einem ,Heart Of Darkness‘ noch nie etwas gehört. Ihre Neugier wuchs.

„Also wenn das ein echtes metamenschliches Organ ist, dann bin ich raus. Das finde ich eklig,“, meinte Average spontan.

FTW sagte dazu, „Also ich wäre gerne dabei, aber die Söldner sprechen dagegen, dass ich mitkomme. Ich will nicht noch mal auf die 10.000 Dagger treffen, die in Istanbul ihr Hauptquartier haben!“

Snowcat winkte ab, „Ach dagegen hilft eine gute Verkleidung.“, womit die Diskussionen um die Teilnehmer eröffnet waren. Nach gut 15 Minuten stand fest, dass Blackstone, Butcher, FTW, Tuareg, Mystère, TriXhot, Starbuck und Snowcat mit auf diesen Run gehen würden. Nach weiteren 15 Minuten war alles besprochen, was man schon besprechen konnte.

Wegen des knappen Termins hatten sie für die Reisevorbereitungen nur einen Tag Zeit. 

❄❄

Am Abend vor dem Abflug meldete sich Snowcat bei Harlequin, „Ich werde nach Konstantinopel oder auch Istanbul reisen.“

„Konstantinopel? Dann solltest Du Dir wenn möglich, den Topkapi-Palast ansehen...“

Ein Shadowflight brachte sie mit samt ihrer Ausrüstung zum Flughafen von ... Istanbul. Nach ihrer Ankunft wählte Snowcat von einem öffentlichen Commlink aus die Nummer des Kontakts, eine Frau nahm ab, „Hallo, wie sind gerade angekommen.“, sagte Snowcat nur.

„Ah, sehr schön. Kommen Sie zum nördlichen Eingang des Großen Basar, ich warte bei Rashids Delikatessen auf sie.“

FTW, der Dank der Nanopaste nun völlig anders aussah, organisierte mit einer Menge orkischer Durchsetzungskraft ein Großraumtaxi und nach 1 1/2 Stunden chaotischer Fahrt durch unübersichtlichen Verkehr, mit einem plappernden Fahrer, der ihnen alles nahelegte und sie überall hin bringen wollte, erreichten sie den nördlichen Eingang des Basars. Das besagte Restaurant war schnell gefunden.

Die Atmosphäre des großen Basars hüllte sie augenblicklich ein. Stände, Läden, Restaurants und Cafes drängten sich dicht an dicht. Es war voll, laut und abermals chaotisch, jedenfalls solange, bis man sich auf das arabische Flair einließ, dann kam augenblicklich so etwas wie eine romantisch-nostalgische Stimmung auf.

Hinten im Restaurant erwartete sie eine menschliche Frau Anfang vierzig mit schulterlangen, dunklen Haaren und einer ausgeprägten Nase. Sie war in Jeans, Bluse und Citypumps gekleidet. Eine Panzerjacke hing über dem Stuhl.

Auch Snowcats Haar war heute dunkel. Ihr Mahagoni schimmerte in rot und braun, sie hatte das Haar mit dem Lockenstab in Form gebracht. Zusammen mit der getönten Haut, einer winzigen Veränderung im Gesicht und brauen Kontaktlinsen, entsprach sie nun einem völlig anderen Typ. Ihre Schönheit blieb gleichermaßen auffällig, allerdings leuchtete sie nicht mehr so weit. Die SIN, die dazu passte, besaß sie schon eine Weile, doch sie war bisher selten im echten Einsatz gewesen. Cathrine Hope, Anthropologin. Der Name ließ sie sanft lächeln. Snowcat trug ihr schwarzes Ripon Of Mumbai Kostüm mit den weißen Rüschen-Applikationen an den Ärmeln. Die weiße Bluse, die dazu gehörte, hatte einen hohen Kragen, der den ganzen Hals mit den gleichen Rüschen umschloss. 

Die Frau am Tisch erhob sich kurz und stellte sich als Joanna vor. 

„Okay, ich hab Euch ein Safehouse besorgt, das hier in der Gegend liegt, man kann es von hier in zwanzig bis 30 Minuten zu Fuß erreichen. Was wollt ihr für Fahrzeuge?“

Sie bestellten zwei ortsübliche SUVs. 

Joanna griff nach ihrem Commlink, unterhielt sich kurz und teile ihnen dann mit, dass die Wagen in drei Stunden bereit stehen würden. 

„Vielen dank Joanna. Haben sie noch einen Tipp für uns, wer sich hier am besten mit allen anstehenden Geschäften auskennt?“

Die Frau überlegte einen Moment, „Zu allererst ist da der Vorsteher des Basars, Kamil Argubedi. Es heißt, es gibt kein Geschäft, von dem er nicht weiß, aber natürlich muss man zu dem erstmal vorgelassen werden, da er eine offizielle und wichtige Position einnimmt.“

Snowcat grinste, „Naja, darauf kann ich ja immer noch mal zurückkommen.“ 

Sie tranken noch eine Runde Tee zusammen und plauderten über die örtlichen Gegebenheiten, dann machten die Runner sich zu Fuss zum Safehouse auf.

Das Safehouse entpuppte sich als Wohnung mit vier Schlafzimmern, in einem Wohnhaus, in dem auch andere Metamenschen lebten. 

Die Runner stellten möglichst nur ihr unverfängliches Gepäck ab. Starbuck ließ eine Überwachungsdrohne zurück und dann machten sie sich alle sofort wieder auf, um sich sich schon mal auf dem großen Basar umzusehen. Snowcat fand, dass sich die wahren Absichten besonders gut verschleiern ließen, wenn man tatsächlich etwas einkaufte.

Drei Teile des Basars waren für die Runner besonders interessant, der Bücher-Basar, der Gewürzbasar und der Janissaries Basar.

Auf dem Bücher-Bazar gab es tatsächlich auch jede Menge Bücher aus Papier. Vom Comic, über den Sonderdruck bis hin zur seltenen Erstauflage, sollte man hier alles finden können, natürlich gab es hier auch elektronische Bücher auf Chip. 

Auf dem Gewürzbasar sollte jedes Gewürz verfügbar sein, dass die 6.Welt zu bieten hatte,  auch einige mit erwachten Komponenten, wahrscheinlich würde man dort auch Drogen bekommen. 

Auf dem Janissaries Basar gab es jegliche Art von Waffen, Munition und was Runner sonst noch so brauchen konnten.

Das Gebiet des großen Basars entpuppte sich als ein Labyrinth von kleinen Strassen mit Zelten, Ständen und Geschäften in Häusern, teilweise auf mehreren Etagen. Die Metamenschen drängelten sich wie Ameisen über die Wege. Fahrzeuge drückten sich im Schritttempo durch die Massen. Konzerne oder Vereine war es hier verboten, ein Geschäft zu haben. Einzig und allein Privatunternehmen durften hier Handel treiben, was dem Basar noch mehr besonderes Flair verlieh. 

Snowcat musste an sich halten, um nicht mehr auszugeben, als dieser Job ihr einbringen würde. Sie kaufte erlesene Gewürze für Tango, zwei schöne, gut erhaltene Comic-Bände für Harlequin und ein über hundert Jahre altes Buch für Ehran. Nebenbei hörte sie sich um. Tatsächlich schnappte sie den Hinweis auf, dass eine Gruppe aus Karavan erwartet wurde, die erwachte Pflanzen verkaufen wollten. Sollte sie tatsächlich auch das schwarze Herz dabei haben, könnte man sie unter Umstanden schon vor ihrem Eintreffen hier abfangen, um sie bis zur Übergabe auf dem Basar zu verfolgen. 

Zwischendurch nahm Snowcat astral wahr und stellte überrascht fest, dass über dem Markt in regelmäßigen Abständen Watcher schwebten, als Snowcat das ansagte, meinte Mystère, „Das ist mir auch schon aufgefallen.“

Ein wenig später wurden sie Zeuge eines Vorfalles und erfuhren, wozu die Watcher da waren. 

Eine Frau fiel ohnmächtig zu Boden. Der nächst liegende Watcher gab Alarm und löste sich in Luft auf. Kurz drauf manifestierte sich ein Geist und ,räumte‘ eine Gasse für die Sanitäter frei. Ein sehr magisches, aber auch sehr effektives System. Snowcat war beeindruckt. Vielleicht ließ sich dieser Umstand ja in ihren Plan einbauen.


                                                             UC - UNIVERSAL CONSULTANTS - UC

                              UC - Unknown Consequences -das TOP-Runnerteam aus Seattle- You See!


Was das schwarze Herz ist, ob die Runner es bekommen und ob es, wie bei den vorherigen Artefaktjagden, zu überraschenden Ereignissen kommt, wird demnächst hier zu lesen sein. Schau also bald wieder rein, omae!

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*