Episode 24/13 (vom 01.11.) Run 48/3

Welcome back, omae!

Schön, dass Du auch heute wieder reinschaust!

Derzeit On The Run sind: TriXhot, FTW*, Average*, Butcher, Sparky, Arcade, Blackstone, Starbuck* und Snowcat, die von Puck und Liam begleitet werden. (*Spieler war nicht anwesend.)

Datum in unserer SR Timeline: 31.01.- 03.02.2073

Was bisher geschah: Der Technomancer Puck heuert die Runner an, ihm bei der Suche nach einer Gang dissonanter Technomancer mit dem Namen Discordians zu helfen, die er aufhalten und ausschalten möchte. Die Spur führt in die e-belagerte Stadt Genf, in der sich ein Technomancer mit dem Namen Rekkit versteckt haben soll.

Bereits an ihrem ersten vollen Tag in Genf werden die Runner angegriffen. Ein schrecklicher Verdacht kommt auf: Bei zwei von den drei Angreifern könnte es sich um Tenoch und Twinbow handeln. Die Runner ziehen sich mit Gregor in das Hotel zurück, in dem sie unter gekommen sind und klären zunächst die Frage, ob sie unter diesen Umständen weiter machen können. Sie entscheiden sich dafür. Beschließen aber gleichzeitig, einen Hinterhalt für Tenoch aufzubauen. Am Morgen des nächsten Tages lassen sie sich von Gregor zu dem Ort bringen, an dem er Rekkit das letzte Mal gesehen hat. Dort offenbart sich zum ersten Mal, mit wem es die Runner bei den Discordians zu tun haben. Die dissonanten Technomancer haben sich mit Gewalt einige Overalls der örtlichen Kommunikationsgesellschaft besorgt und als Fallen Bomben mit Hacker-Naniten und die dissonante AI ,FT‘ hinterlassen. Die Runner vermuten, dass Rekkit noch in dieser Nacht in die EBZ eindringen will, um sie in ein ähnliches Chaos wie den Rest von Genf zu stürzen. Schon allein um ihren Auftrag von Puck zu erfüllen, müssen die Runner das verhindern. Sie beschließen sich kurz zu trennen. Während Snowcat mit Average und Blackstone Gregor in Sicherheit zu SpArcade nach Lausanne bringt, suchen die anderen nach einem geeigneten Ort für einen Hinterhalt für Tenoch. 

Die Episode schließt sich nahtlos an die letzte Episode an. Wir schalten uns also genau dort in das Geschehen zurück, wo wir die Runner beim letzten Mal verlassen haben. In einer Seitenstrasse irgendwo in Genf, am Vormittag des 30.01.2073. 

Wie immer erleben wir alles aus den eisblauen Augen von Snowcat mit.

Deine Kommentare zum Geschehen passen am Besten unter „A Tale So Far Part V“, [LINK].

Eine Beschreibung der Runner findest Du hier [LINK].

Hat ein Wort im Text eine andere Farbe verbirgt sich darunter wahrscheinlich ein Link und es wird im Glossary erklärt. Du kennst ein anderes Wort aus dem Shadowslang nicht? Dann schau doch einfach auf gut Glück im Glossary vorbei [LINK].

Bist Du bereit für die teilweise dramatischen Ereignisse in über 14.000 Worten, omae? Na dann los!


Snowcat überlies Average das Steuer des Vans, ohne ein Problem damit zu haben. Stattdessen unterhielt sie sich mit Gregor. 

Kaum hatten sie die Matrixlose Gegend von Genf verlassen, besserte sich Averages Laune gewaltig. Als Snowcat in Lausanne dann noch jede Menge Muffi Puffs für Gregor kaufte und Average einen frischen Burger samt Pommes mitbrachte, strahlte er wie ein Kind zu Weihnachten. Dennoch war es für ihn keine Frage, dass er schnell wieder zurück zu den anderen von UC nach Genf wollte, nachdem Gregor, -den Average nicht sonderlich leiden konnte-, bei Sparky und Arcade in Sicherheit gebracht worden war. Sein Wille, die Discordiance um Rekkit aufzuhalten, war stärker denn je. 

Als sie am verabredeten Treffpunkt, der improvisierten Markthalle, erschienen, wurden Snowcat die Umstände in Genf fast noch bewusster, als bei ihrer ersten Ankunft vor zwei Tagen. Nach dem Zwischenstopp in Lausanne fiel ihr besonders auf, wie still es hier wirklich war. Kein Trideo, keine Musik, kein Hupen, keine Commcalls und keine Motoren jeglicher Art.

Liam hatte sich für eine kleine, völlig verlassenen Kirche entschieden, in der er die Sprengfalle aufbauen wollte. Nach dieser Kirche würden sie bei ihrer Pseudosuche nach Rekkit ebenso fragen. Sie beabsichtigten, die Verteilplätze von gestern aufzusuchen. Es war jetzt früher Nachmittag und das lies ihnen bis zum Abend noch genügend Zeit, um ihre falsche Fährte zu legen. 

„Müssen wir eigentlich noch Stoßdämpfer besorgen?“; wollte FTW von Liam wissen.

Liam zog verwundert eine Augenbraue hoch, „Stoßdämpfer, wofür das?“

„Na für die Vermienung der Kirche.“

Liam nahm seine Brille ab und putzte sie, dabei lächelte er kaum merklich, „Ach so. Ja kannst Du machen. Dann baust Du Deine Sprengfalle auf, ich sehe Dir dabei zu und danach machen wir es dann noch mal und zwar richtig!“

FTW brauchte einen Moment, bis er die Ironie in Liams Aussage entdeckt hatte. 

Liam sah FTW noch mal an und sagte, nun ohne Zynismus in der Stimme, „Nein. Wir brauchen keine Stoßdämpfer. Wenn der Job hier vorbei ist, können wir uns aber gerne mal über Sprengfallen austauschen.“

FTW nickte, „Ja. Klingt gut!“

Sie fuhren mit den Wagen in die Nähe der ersten Ausgabestelle. Snowcat bat FTW, Average und Liam bei den Autos zu bleiben, der Rest machte sich zu Fuss auf. 

Alle waren extrem aufmerksam und vorsichtig. Es wurde kaum gesprochen. Niemand hatte Lust darauf in einen weiteren Hinterhalt zu geraten. 

TriXhot sagte plötzlich, „Präventiv werde ich einfach alle schwarzen Vögel erschießen. Wegen der schwarzen Feder und so. Hab echt keinen Bock magisch ausspioniert zu werden.“

Einige aus dem Team starrten sie entsetzt an.

Die junge Frau lachte, „Hey, das war natürlich ein Scherz. Ich werde doch nicht rumballernd durch die ruhige Gegend ziehen und ein Vogel-Massaker veranstalten.“

Snowcat und Butcher grinsten breit. Es tat echt gut jemanden wie TriXhot im Team zu haben.

Am ersten Platz war die heutige Kolonne bereits durch. Die kleine Anzahl von Metamenschen, die noch hier war und die die Güter aus den Paketen tauschten, ließ darauf schließen, dass die Wagen noch vor einen halben Stunde hier gewesen waren. 

So etwas wie einen Fahrplan gab es nicht, aber die Hilfsgüter mussten schon allein um gefunden werden zu können, an wiederkehrenden Orten und zu ähnlichen Zeiten verteilt werden.

An ,ihrem‘ Hauseingang standen wieder die beiden Jugendlichen und rauchten. Über dem Platz, der eigentlich eine Strassenkreuzung war, kreisten tatsächlich zwei schwarze Vögel.

Die Runner teilten sich in zwei kleine, lose Gruppen. Snowcat lief zwischen Blackstone und Puck. Starbuck lief neben TriXhot, Butcher kam hinzu und harkte sich bei ihr unter. Er erklärte über Funk, »Ich will mal eben durch die Augen der Jugendlichen da drüben gucken, da wäre es gut, wenn Du mich ein wenig führst.«

»Na gut. Mach ich, aber nicht kratzen.« Nach einer kurzen Pause fügte TriXhot mahnend hinzu, »Wenn ich Dich jemals dabei erwische, wie Du mit meinen Augen duschst, dann setzt es was!« 

Sie deutete mit Zeige- und Mittelfinger auf ihre Augen und dann auf Butcher, als Zeichen, dass sie ihn im Blick hatte, woraufhin Starbuck TriXhot neckend anstupste, »Das kann er doch jetzt gar nicht sehen. Hey, Butcher, TriXie meint, sie hat Dich ab jetzt im Blick, also sieh Dich ja vor.« 

Liam schaltete sich in das Gespräch ein, »Ich würde die Ansage ja nicht nur auf das Sehen beschränken. Vielleicht funktioniert so ein Zauber ja auch für den Tastsinn.«

Butcher grinste breit, sagte aber nichts. Nach einer Pause meinte er, »Die beiden Jungs haben jedenfalls auch ihre Prioritäten, sie glotzen unsere beiden Mädels an, sind jetzt auf Snowcat fixiert, haben uns also entdeckt und kommen auf Snowcat zu.«

Was sie wirklich taten, sie winkten Snowcat sogar. 

Die beiden schwarzen Vögel kreisten weiter über der ganzen Szenerie. 

Snowcat sandte ihre Sinne nach Magie aus und schüttelte innerlich mit dem Kopf. Das konnte doch gar nicht sein!

Nein, auf den Jugendlichen lag kein Zauber, wie Snowcat zunächst vermutet hatte, dafür lag allerdings auf den beiden Vögeln Magie. Noch bevor die beiden jungen Schweizer in Hörreichweite waren, flüsterte sie ins Head Set, »Die beiden Vögel sind irgendwie verzaubert.«

TriXhot antwortete sofort, «Oh nee, echt jetzt? Das war doch nur ein Scherz von mir. Oder versuchst Du mich jetzt auf dem Arm zu nehmen, Snowcat?»

Snowcat schüttelte ganz dezent den Kopf, Zeit laut zu antworten hatte sie nicht mehr, da die beiden Schweizer inzwischen vor ihr standen.

„Grüßi, da bist du ja wieder.“, sagte der erste der beiden auf Deutsch mit schwerem Schweizer Akzent.

Trixhot, die mit ihrem Grüppchen etwas weiter hinten stand, brach in Gelächter aus, »Oh man, das klingt ja so was von un-sexy, mit `nem Schweizer fang ich sicher nie was an!« Mehr von dem folgenden Gespräch mit Starbuck hörte Snowcat nicht, da diese die Mikros ausgestaltet hatten, um nicht unnötig dazwischen zu funken. 

Die beiden jungen Männern hatten tatsächlich etwas über Rekkit herausbekommen und nannten Snowcat eine Adresse, wo dieser sich gelegentlich rumtreiben sollte. Die Zwei hätten sie gerne auch dorthin geführt, aber darauf ging Snowcat nicht ein. Sie gab ihnen die versprochenen Survival-Kits und fragte nach der Kirche. 

Der Akzent und allem voran die Sprachmelodie klang wirklich amüsant, „Die Kirche ist schon lange verlassen. Da soll jetzt was los sein?“

Snowcat nickte.

„Davon wissen wir nichts, aber wir könnten ein neues Geschäft daraus machen und uns danach umhören?“

TriXhots Lachen klang zu Snowcat rüber. Sie blieb konzentriert, „Das ist eine tolle Idee. Seid ihr mit den gleichen Konditionen wie zuvor einverstanden?“

„Ja, natürlich.“

Wieder kicherte TriXhot auf. 

Snowcat schenkte den beiden noch ein Päckchen mit fünf Snuffs und ging dann zu den anderen. Sie musste selber lachen, als sie in das fröhliche, schon leicht rote Gesicht von TriXhot blickte. 

Butcher tippte Snowcat an, „Hey, schnell! Ich zaubere und Du borgst Dir ihre Ohren, dann kannst Du hören und verstehen, was sie sagen und wohin sie gehen.“

„Sehr gut. Das machen wir.“

Snowcat hörte zu, aber die beiden jungen Männer sagten nichts von Relevanz. Sie unterhielten sich ohne Argwohn nur darüber, wie geil sie Snowcat fanden und, dass sie sich schon darauf freuten, sie morgen wieder zu sehen. Snowcat folgte den Beiden nur ein paar Schritte, dann ließ sie den Zauber abreißen.

„Wo sind die beiden schwarzen Vögel?“, fragte Snowcat ohne selber in den Himmel zu blicken?

„Die sind schon so vor zwei Minuten nach Norden geflogen.“, antwortete Starbuck.

Na gut, nach Norden wollten sie auch, aber das musste nichts heißen. 

Sie liefen im gemäßigten Tempo über die schneebedeckten Wege.

Ihre beiden Wagen begleiteten sie auf parallel liegenden Strassen, um keinen zu großen Abstand entstehen zu lassen.

Als das Fuss-Team sich dem Platz, - diesmal handelte es sich um einen richtigen Platz mit einem Springbrunnen in der Mitte - näherte, entdeckten sie schräg gegenüber ihrer Gasse zwei schwarze Vögel auf dem kleinen Erker eines Wohnhauses sitzen. 

Sie stoppten augenblicklich und blieben in der Gasse stehen.

Snowcat konnte den Platz von der Gasse aus nicht völlig einsehen, aber sie schätzte, dass darauf noch gut 50-60 Metamenschen versammelt waren. Viele hatten Pakete auf den Armen und Tragetaschen in den Händen. Die Versorgungswagen mussten also noch vor wenigen Minuten hier gewesen sein. Snowcat streckte ihren Spürsinn für Magie erneut aus und auch auf diesen Vögeln lagen tatsächlich Zauber und diese Zauber waren definitiv nicht genau die, die sie noch vor wenigen Minuten gespürt hatte. Snowcat teilte ihren Kollegen ihre Erkenntnisse mit. 

„Boah, das ist irgendwie schon gruselig.“, meine TriXhot daraufhin, „Das sind dann schon vier magische Vögel. Und Du bist Dir sicher, dass das Zauber und keine erwachten Wesen sind?“

Snowcat holte ein wenig tiefer Luft, „Leider ja. Aber ich bin kein Spruchzauberer und kann die Zauber nicht identifizieren. Es könnte also von einem ,Sinne borgen‘-Spruch bis hin zu ,Gestaltwandlung‘ alles sein.“

Starbuck blickte ernst drein, „Ob die von Tenochs Leuten sind? Und wenn ja, was suchen sie dann?“

Butcher meinte, „Ich könnt mich wieder unsichtbar machen und dann auf den Platz gehen. Mal sehen, ob denen das auffällt.“

Snowcat überlegte kurz und sagte dann, „Das ist einen Versuch wert, aber sag an, wo Du hingehst, damit wir wenigstens ungefähr wissen, wo Du bist.“ Sie hielt Butcher kurz zurück, „Keine Extratouren bitte, nicht das da Panik unter den Metamenschen entsteht.“

„Ist gut!“, erwiderte Butcher, aber es klang nicht hundertprozentig überzeugend. 

Snowcat beobachtete die Vögel und als Butcher den Platz betrat, dauerte es nicht lange und der eine Vogel bewegte sich, stupste den neben ihn mit dem Schnabel an und deutete mit dem Kopf in Butchers Richtung. Nun hatte der Ghoul zumindest für einige Zeit die Aufmerksamkeit von beiden Vögeln. 

Snowcat erklärte, »Die Vögel haben ihn bemerkt, was heißt, dass sie entweder sehr scharfe Sinne haben oder astral wahrnehmen können. Zumindest sind die Vögel intelligent genug um miteinander zu kommunizieren, was für einen Gestaltwandlungszauber spricht. Butcher, komm bitte zurück!«

Kaum hatte sie das gesagt, wurde Butcher direkt neben ihr wieder sichtbar. 

Blackstone rückte daraufhin ein Stück näher an Snowcat ran. Er war heute noch ruhiger als sonst und wirkte angespannt. 

Puck fragte, „Und nun? Holen wir sie jetzt vom Himmel?“

TriXhot schüttelte heftig den Kopf, ihr orange-rotes Haar bewegte sich und sah aus, als hätte es Feuer gefangen. „Das können wir nicht machen, da sind so viele Metamenschen auf dem Platz. Wir können doch nicht einfach rumballern.“ Gleich darauf schlug die junge Frau die Kapuze ihres Pullovers hoch.

Butcher sagte trocken, „Na Ärger hat es da sowieso schon gegeben, da riecht es nach Blut und frischen Toten.“

Snowcat hob die Augenbrauen, „Echt? Dann sehen wir uns das mal an und behalten die Vögel nebenbei im Blick.“

TriXhot trat vor Starbuck, „Du bleibst schön hinter mir. Falls das alles ne Falle ist.“

Starbuck grinste leicht, „Okay. Wie weit hinter Dir?“

Von Liam kam über Funk, »Na weißte doch. In Popokneif-Reichweite.«

»Check.«, bestätigte Starbuck, streckte den Arm aus und kniff TriXhot in den Hintern.

Die junge Frau drehte sich in gespielter Empörung um, „Na sag mal. Ich glaub Genf bekommt Dir nicht!“

Snowcat lachte amüsiert.

Die Gruppe wurde wieder ernst und schritt gemeinsam auf den Platz. Die meisten der anwesenden Metamenschen hatte sich um den Brunnen versammelt und sie unterhielten sich in Grüppchen. Eine Gruppe jedoch stand im Halbkreis um einen Hauseingang am östlichen Rande des Platzes und blickte eher ratlos zu Boden. In diese Richtung zeigte auch Butcher, „Von da ist der Duft gekommen?“

»Hä, wieso Duft?«, fragte Average über Funk, dann fiel es dem Mann ein, »Ach so, ja- Ihhhiiih.«

Snowcat trat an die versammelten Metamenschen und fragte in ihrem besten Krankenschwester-Tonfall auf Deutsch, „Was ist hier passiert? Können wir vielleicht helfen?“

Die Männer und Frauen machten Snowcat Platz. Einige schüttelten bedauernd den Kopf, „Die Jungs sind tot.“

Relativ gesittet und ein wenig von der Situation überfordert, erzählte man Snowcat, was geschehen war. Bei der Ausgabe der Güter waren Jugendliche erschienen, hatten Ärger gemacht und versucht sich Waren mit Gewalt zu nehmen. Kurz darauf war eine zweite Gruppe aufgetaucht, Schüsse waren gefallen und am Ende waren diese Toten zurück geblieben. Snowcat sammelte ein paar Patronenhülsen ein und schenkte den Umstehenden ein professionell-mitfühlendes Lächeln. Unvermittelt sagte sie, „Wir werden uns um die Beseitigung der Leichen kümmern. Wo ist der nächste Friedhof?“

Dankbar beschrieben ihr die Passanten den Weg, denn genau das Wegschaffen der Leichen war ihr Problem gewesen. 

Snowcats Angebot war auch für ihre Kollegen unvermittelt gekommen. Snowcat winkte die anderen zu sich ran. TriXhot weigerte sich zunächst, aber Starbuck schnappte sich den einen Toten und Puck den anderen. 

»Liam? Average? Kommt ihr uns ein Stück entgegen?«

»Copy.«, kam es von Liam.

Average tönte sofort, »Aber die Leichen kommen nicht in meinen Wagen!«

Snowcat überhörte das und sagte stattdessen zu Butcher, „Am Friedhof kannst Du Dir nehmen, was Du magst. Aber nimm Dir bitte kein Essen mit ins Auto, um es dort zu verzehren, das könnte für einige zu viel sein.“

Snowcat war überrascht wie wenig ihr der Umstand ausmachte, das Butcher sich von toten Metamenschen ernährte. Average schien bisher die größten Schwierigkeiten damit zu haben.

Bevor sie den Platz verließen, blickte sich Snowcat noch einmal nach den Vögeln um. Die saßen noch immer auf dem Erker des Hauses und schienen sich nicht weiter für die Runner zu interessieren.

Der Friedhof war verlassen. Sie brachten die Toten in eine kleine Kapelle, durchsuchten die Kleidung, fanden aber nichts von Belang und ließen Butcher dann einige Minuten in der Kapelle allein. 

Average erklärte in ungewohnt hartem Ton, »Wenn ich Butcher schmatzen höre, wird mir schlecht. Und seine Snacks kommen mir definitiv nicht in meine Fahrzeuge.«

Inzwischen war es schon dunkel geworden. 

Während sie warteten, identifizierte TriXhot die eingesammelten Patronen als aztlanisches Fabrikat. 

Was bei allen Drachen der 6. Welt ging da vor?

Wegen der fortgeschrittenen Stunde beschlossen sie, zum nächsten Platz an dem verteilt wurde zu fahren und sich dort dem Ausgeben von Paketen anzuschließen. Sie schwangen sich alle in die Overalls und setzten zudem auch die Mützen der Draco-Foundation auf.

Als sie eintrafen hatte das Personal von Nestle gerade damit begonnen, ihre Güter auszugeben. Die Genfer hatten sich diszipliniert angestellt.

Die Ausgabestelle lag nah an der EBZ. Hier trafen sich zwei breite Hauptstrassen in einer Art T-Stück und mehrere weitaus schmalere Gassen mündeten in diese Strassen. Das hüglige Gelände von Genf machte sich in diversen Steigungen bemerkbar.

Noch bevor ihre Wagen angehalten hatten, hatte Snowcat die beiden schwarzen Vögel am Himmel entdeckt, die offenbar die Ausgabe beobachteten. Leider waren das nicht einfach nur normale Vögel, denn auch auf denen lag ein Zauber.

Liam und Average hielten mit etwas Abstand neben dem Nestle-LKW. Die Passanten warteten einen Moment ab, doch als sie bemerkten, dass auch die Draco-Foundation etwas ausgeben würde, teilte sich die lange Schlange und sie stellten sich an. 

Snowcat sah sich kurz um, Nestle hatte offenbar kein medizinisches Angebot. »Ich schnapp mit ein Med Kit und werde mal sehen, ob jemand medizinische Versorgung braucht.«

Blackstone, der gerade auf das Dach eines ihrer Roadmaster geklettert war, um von dort einen besseren Überblick zu haben, beschwerte sich sofort, »Ach nein! Warum denn das jetzt? Jetzt stellt sich doch gleich jeder Mann mit dem winzigsten Wehwechen an, nur um von Snowcat behandelt zu werden.«

TriXhot meinte darauf leise lachend, »Die Kerle gehen sicher noch weiter. Ich seh‘ schon, wie sie ihre Schweizer Taschenmesser ziehen und sich selbst verletzen.«

Seine folgende Bemerkung schluckte Blackstone mit einem ,Impf‘ runter.

Liam schmunzelte und stellte Snowcat wortlos einen Klapptisch und einen Klapphocker hin und legte auf dem Tisch noch ein Päckchen mit Einweghandschuhen ab. 

Entgegen Blackstones Befürchtungen, stellten sich sowohl Männer, Frauen als auch Kinder ordentlich an und es waren nicht mal sonderlich viele.

Es tat Snowcat gut, etwas für die Patienten zu tun. Abgesehen davon unterstrich das ihre Tarnung. 

Die schwarzen Vögel verließen ihren Aussichtspunkt und verschwanden über einer Gasse aus dem Blickfeld.

Nach einigen Minuten fiel den Runnern in der Schlange bei der Ausgabe ein junger Mann mit einem ITU-Basecap auf, neben ihm stand ein weiterer Jugendlicher. Die beiden unterhielten sich.

Snowcat flüsterte, »Starbuck, schau mal bitte, ob das Technomancer sind.«

»Check.«, der junge Mann, der gerade mit Puck bei der Ausgabe beschäftigt war, verschwand kurz in den Wagen. 

Blackstone gab bekannt, »Nordöstlich in der Gasse ist irgendwas los. Ich empfang leise Kampfgeräusche von dort.«

Kurz darauf meldete Starbuck, »Basecap und Kumpel senden beide ein Signal.«

TriXhot teile gemeinsam mit FTW auf dem zweiten Wagen Güter aus. Kurz bevor ITU-Bascape an der Reihe war, rief die junge Frau dem Ork wie beiläufig zu, „Sag mal Iglesias, hast Du gestern eigentlich noch das Racket-Ball-Spiel gesehen? War echt der Hammer.“

TriXhot hatte erreicht, was sie wollte. Der junge Mann mit dem Bascap hatte eindeutig gezuckt, als das Wort Racket gefallen war, den Namen Rekkit hatte er also schon mal gehört.

Snowcat wandte sich kurz von ihrem Patienten, ein Mädchen von ungefähr 10 Jahren, ab und fragte leise, »Können wir den irgendwie verwanzen?«

Bascap und sein Freund bekamen ihr Zeug und schlugen schlendernd einen Weg in Richtung Nordosten ein. Von dort hatte Blackstone den Kampflärm gehört und in diese Richtung waren die Vögel geflogen. 

Liam zögerte einen winzigen Augenblick, »Ausgerechnet hier bei der Lage? Aber ja, ich hab was dafür da.«

Er verschwand in einem der Wagen. 

Snowcat beendete die Behandlung und noch bevor sie den nächsten an die Reihe nahm, verschwand sie ebenfalls im Wagen, um etwas zu holen. Liam gab ihr die Wanze. Snowcat kramte in ihrem Daypack und zog eine Großpackung Kondome daraus hervor. Liam grinste sie an. 

Sie grinste zurück, „Was? So was kann man immer brauchen. Und die sind für mehr als nur zur Verhütung gut.“ Ins Mikro sagte sie, »TriXhot, Average, Butcher, macht Euch bereit, die Beiden zu verfolgen.«

Average nörgelte, »Ich? Ich sitz hier doch grad so bequem auf meinem Fahrerplatz. Aber gut ich verstehe, die brauchen vorsichtshalber einen Technomancer und einen, der alles kann.«

»Copy,« meinte TriXhot nur, »Ich will auch wissen, was da abgeht.« 

Liam übernahm ihren Platz beim Verteilen.

Snowcat eilte den beiden jungen Männern auf leisen Sohlen hinterher, tippte einen von ihnen an, platzierte dabei die Wanze und sagte, „Hey ihr Zwei, wartet mal bitte kurz.“

Die Beiden blieben sofort stehen, drehten sich ein wenig überrascht um, sahen Snowcat und grinsten erfreut, „Äh ja?“

Snowcat gab ihnen das Päckchen Kondome, „Auch in solchen Zeiten ist es wichtig, auf Verhütung und Gesundheit zu achten.“

Sie reagierten, wie Snowcat erwartet hatte, sie wurden rot, nahmen das Päckchen dann aber mit einem breiten Grinsen. „Danke!“

Snowcat nickte und eilte dann zu ihrem nächsten Patienten zurück. Sie konnte noch hören, wie einer der Beiden sagte, „Hast Du die Braut gesehen? Wow! Mit der hätte ich die Teile gern mal ausprobiert.“

Blackstone wirkte erleichtert, als Snowcat an ihren Klapptisch zurückkehrte. 

Während Snowcat sich dem nächsten Patienten widmete, verschwanden ihre drei Kollegen bereits in der Gasse und nahmen die direkte Verfolgung der Technomancer auf. 

Im Nu war der Knopf in Snowcats Ohr wieder zu ihrer wichtigsten Informationsquelle geworden. Da sie sich gut auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren konnte, konnte sie sich ungeachtet des Gesagten weiter um ihren letzten Patienten kümmern. 

Zuerst war Average zu hören. Er klang angespannt und schnaufe wegen der Steigung der Gasse ein wenig, »Ja zur Hölle, die beiden sind dissonant. Los, lasst sie und kriegen!«

TriXhot erwiderte, »Nicht so schnell Average, lass uns erstmal gucken was passiert.«

Dann kam von Butcher, »Ich mach mich unsichtbar und wechsele die Strassenseite, dann kann ich den Bereich hinter der Kurve besser einsehen.«

Snowcat verabschiedete den letzten Patienten. 

Butcher sagte leise, »Die Zwei sind stehengeblieben und beugen sich über zwei weitere Metamenschen, die am Boden liegen. Sie scheinen völlig überrascht und wissen nicht, was los ist. Ein Stück zurück in der Gasse sehe ich außerdem zwei schwarze Vögel, die haben die Szene auch im Blick.«

Snowcat packte das Medkit zusammen.

Average meinte, »Die sind doch dissonant, lasst sie uns einfach ausschalten.«

TriXhot beruhigte ihn, »Okay, ich mach das ja, aber ich werde sie betäuben, sonst können wir sie doch nichts fragen.«

Average war zufrieden, »Ja, na klar.«

Snowcat wies unterdes an, »FTW, Starbuck, geht mal bitte zur Unterstützung hinterher. Ich habe ein ungutes Gefühl.« Was ging hier nur vor? Warum waren die Vögel ausgerechnet dort und wer hatte mit den anderen beiden jungen Leuten gekämpft?

FTW und Starbuck setzten sich in Bewegung.

TriXhot meldete, »Ich hab die zwei mit Stick n Shock schlafen gelegt. Da liegen jetzt also vier im Schnee. Und...«

Sie verstummte plötzlich. 

Niemand fragte über Funk nach, um TriXhot nicht irgendwie zu verraten.

Das nächste was über den Kanal kam, war ein erschrockener Laut aus Averages Kehle und dann sagte eine männliche Stimme mit aztlanischen Akzent, »So sehen wir uns wieder, mein Freund.«

Tenoch!

Snowcat ließ alles stehen und liegen und sprintete los. Sie schnappte sich im Rennen ihr Daypack und rief auf Deutsch, „Medizinischer Notfall.“

FTW gab den Befehl, »Starbuck zurück zu den Wagen. Ich gehe allein weiter.«

Blackstone fluchte, »Ach Mist.«, sprang vom Road Master und setzte Snowcat nach.

Liam sagte im ruhigen Ton an, »Puck, Starbuck und ich packen alles zusammen.«

Ein wenig später meldete Butcher, »Bin von einem Bolzen getroffen und verletzt. Der Schütze ist weiter die Gasse runter. Der Hüne bedroht Average mit nem Messer an der Kehle. Die Vögel sitzen immer noch da.«

Snowcat rannte lautlos über den Bürgersteig aus Kopfsteinpflaster. 

Über den Microtranceiver waren immer wieder Teile des Gespräches zu hören, das TriXhot mit Tenoch führte. Tenoch wollte offenbar mit Average abhauen. TriXhot schindete Zeit und sie machte das ganz wunderbar.

Snowcat kam bei FTW an, sie drosselte ihr Tempo. Hinter sich konnte sie die rennenden Schritte von Blackstone hören.

TriXhot sagte gerade, »Okay, okay, aber sag mir doch wenigstens, was Du von ihm willst.«

Snowcat holte etwas tiefer Luft, packte Volumen in ihrer Stimme, damit sie weit trug und rief, „Tenoch warte bitte!“

Dann überbrückte Snowcat dicht an der Seite von FTW die letzten Schritte und der Blick öffnete sich auf die Szenerie.

TriXhot stand mit erhobenen Händen schräg vor Snowcat. Ein Stück dahinter stand Tenoch, im Parker im Wintertarnmuster. Vor sich hatte der Shorn One Average gezogen. Average Hals war entblößt und Tenoch presste ihm ein Messer an die Kehle. Unter der Klinge zeichnete sich ein Striemen ab, aber er hatte ihn nicht verletzt. 

Tenoch sah Snowcat an und als er sie erblickte, nickte er ihr kurz zu.

Snowcat hielt ihre leeren Hände offen nach vorn gerichtet. Freundlich sagte sie auf Englisch, „Hallo Tenoch, schön, dass wir uns endlich mal von Angesicht zu Angesicht sehen. Wir müssen doch eigentlich gar kein Problem mit einander haben. Du hast doch schon einen von uns, was willst Du dann mit noch einem?“

Tenoch kniff die Augen ein Stück zusammen, er schien angestrengt zu überlegen. Dann fragte er, „Wen habe ich von Euch?“

Snowcat wies mit den Kopf weiter hinten in die Gasse, „Twinbow.“

Tenoch nickte einmal langsam, „Wenn ihr mich gehen lasst, passiert ihm,“ er deutete mit dem Kopf auf Average, „Nichts. Wenn ich ihn gehen lasse, macht Ihr Dummheiten.“

Snowcat lächelte, „Nein, machen wir nicht. Hey, vielleicht sind wir sogar an der gleichen Sache dran und können uns irgendwie zusammentun. Wir müssen keine Feinde sein!“

Wieder überlegte Tenoch. Irgendwas stimmte mit dem Kerl nicht. Er wirkte so gar nicht, wie der Soldat vor sieben Monaten im Lager in Aztlan. Er machte überhaupt keine Drohgebärden. Ruhig und konzentriert stellte er eine weitere Frage, „Was habt Ihr für ein Ziel?“ Den Druck an Averages Kehle hielt er konstant aufrecht.

„Wir wollen die dissonanten Technomancer finden, aufhalten und verhindern, dass sie das Chaos in die EBZ tragen.“

Tenoch nickte wieder sehr langsam, „Wisst Ihr, wo der Anführer ist?“

Snowcat zögerte kurz, entschied sich dann aber für die Wahrheit, „Nein, aber wir wissen, was sie vorhaben. Sie wollen noch heute Nacht in die EBZ. Wir wollen sie am UN-Gebäude abfangen. Wie wäre es, wenn wir uns koordinieren?“

Wieder verzog Tenoch eigentümlich das Gesicht, „Wollt Ihr Euch uns anschließen?“

Snowcat traute ihren Ohren nicht. Was hatte der Mann da eben gefragt? Sie legte den Kopf leicht schief und schüttelte ihn anmutig, „Das glaube ich kaum. Obwohl da ja zuerst die Frage ist. Was dabei ,uns‘ bedeutet?“

Tenoch zog die Stirn in Falten, er schien nicht zu wissen, was sie meinte. 

Snowcat erklärte, „Na als wir uns das letzte Mal begegnet sind - ...“ 

Blackstone schnaufte.

Snowcat korrigierte sich „ ... da wir zwei uns heute leider erst das erste Mal von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, sollte ich wohl besser sagen, als sich unsere Wege das letzte mal gekreuzt haben - warst Du ein Elitesoldat der Aztlanischen Armee und der wollen wir uns sicher nicht anschließen“

Wieder schien Tenoch kurz nachzudenken. Er schien wirklich zu denken, es wirkte nicht so, als warte er auf Anweisungen, dann nickte er, als wenn er verstanden hätte, „Wir sollten uns noch mal treffen, wenn das hier erledigt ist.“

Snowcat nickte, „Klar, dann besprechen wir, wie das mit uns weiter geht bei einem Tequila!“

Das mit dem Tequila schien Tenoch zu verwirren, darum sagte er, „Ich will nur die Technomancer.“

Snowcat lächelte eines ihrer besten Lächeln, aber auch das schien nur auf der Oberfläche einzuschlagen. „Average gehört aber schon zu uns.“ Einer Intuition folgend fuhr sie fort, „Aber du kannst die anderen vier haben.“ Sie deutete mit dem rechten Arm zu den auf dem Boden liegenden Metamenschen. „Zwei von ihnen gehören sicher zu den Discordiance und die Vermutung liegt nahe, dass die anderen zwei auch dazu gehören.“

Tenoch nickte erneut langsam und nahm zum ersten Mal den Druck von Averages Kehle. Der Mann atmete durch. Das Grau seiner dunklen Haut kam in der stressigen Situation trotz des wenigen Lichts in der Gasse stärker als sonst zum Vorschein. 

Spontan fragte Snowcat, „Wie viele Discordiance gibt es Eurer Meinung nach?“

Die Antwort kam schnell, „Zwanzig.“

Snowcat hob eine Augenbraue, „Zwanzig, wie sind eher von ungefähr 10 ausgegangen, aber mit den vier hier, kennt ihr immerhin schon sechs.“

Tenoch verzog skeptisch das Gesicht, „Sechs? Wieso sechs?“

Snowcat sagte sofort, „Na die beiden Toten an dem Platz mit den Brunnen.“

„Das waren keine Discordiance.“

Interessant. Zumindest wusste er aber, von wem sie gesprochen hatte, „Nicht. Na gut, dann eben die vier. Was willst Du von ihnen?“

Wieder kam die Antwort schnell, „Ich will wissen, wo ihr Anführer ist.“

Snowcat überlegte und zeigte das auch, „Ihmm? Wie wäre es damit? Wir bekommen Average, Du die vier. Wir fahren in die EBZ und warten da, ob die Discordiance kommen. Während Du und Deine Leute hier nach ihnen suchen. Wer sie aufhält, sagt den anderen Bescheid.“

Tenoch nickte zunächst zögerlich und dann bestimmt. „Gut.“

Snowcat strahlte, „Fein. - Darf ich noch fragen, was Ihr mit ihnen macht, wenn Ihr sie gefunden habt?“

„Das hängt davon ab, was ihr Anführer sagt.“

Das war einen höchst unbefriedigende Antwort, doch Snowcat tat desinteressiert, „Ah, okay. Wenn wir sie aufgehalten haben, soll uns das fast egal sein. - Kannst Du jetzt bitte Average frei lassen?“

Tenoch zögerte, nickte dann aber. Er ließ Average los und wollte dann noch wissen, „Wie kontaktieren wir uns?“

Snowcat fragte bei Liam nach und nannte Tenoch dann eine Funkfrequenz.

„Wollt ihr Euch uns dann nun anschließen?“, harkte Tenoch unvermittelt nach.

Snowcat musste ihre Überraschung verbergen. Das war leicht, da Average inzwischen langsam zu ihnen rüber kam und Tenoch ihn und alle anderen im Auge behielt.

Sie lächelte, „Das kann ich erst sagen, wenn ich weiß, wer ,uns‘ ist.“

„Na wir folgen IHR!!!“, sagte Tenoch, als wäre es eine Selbstverständlichkeit.

Wieder traute Snowcat ihren Ohren nicht, „Und wer ist diese ,ihr‘?“

Tenoch sah verdutzt drein, überlegte erneut und meinte dann, „Wir sollten uns wirklich noch mal treffen.“

Snowcat nickte, „Gut, aber kümmern wir uns erstmal um die Discordiance, danach sehen wir weiter.“, sie machte drei Schritte rückwärts, dann drehte sie sich um und ging. FTW und Blackstone liefen noch bis hinter der Kurve rückwärts, um Tenoch im Auge behalten zu können.

TriXhot sammelte ihre abgelegte Waffe ein und schloss schnell zu Snowcat auf.

Butcher sagte an »Ich werde erst wieder unten sichtbar.«

Kaum waren sie außer Sichtweite fragte TriXhot leise, aber aufgeregt, „Oh man, was war denn das? Das war ja der netteste Erzfeind, von dem ich je gehört habe. Der war gar nicht beängstigend und er wollte mich nicht mal töten.“

Average teilte TriXhots Meinung in keiner Weise, „Ich fand ihn gefährlich wie eh und je. Und ich fühlte mich auch total bedroht. Und als er Dir gestern den Hintern versohlt hat, hast Du auch anders gesprochen.“ Nun blickte Average nachdenklich drein, „Aber Du hast schon Recht, merkwürdig war er schon. Wer ist wohl diese „Ihr“? Eine aztalnische Gefiederte Schlange vielleicht?“

Auch Snowcat war nachdenklich, sie sah TriXhot an, „Tenoch ist definitiv auf irgendeine Art ge‘brainwashed‘ worden.“ Sie warf einen Blick nach oben. Schwarze Vögel waren keine am Himmel zu sehen. Für einen Moment kam ihr das schöne Bild von Riven in den Sinn, sie schob es beiseite und fuhr fort, „Eine Gefiederte Schlange könnte diese ,Ihr‘ durchaus sein. Oder eine Hohepriesterin der Aztlaner. Was immer noch nicht die Frage nach dem Anschluss erklärt. Wie dem auch sei, wenn diese ,Ihr‘ daran Interesse hat, die Discordiance gegen Amazonien oder Aztlan zu verwenden, dürfen wir das nicht zulassen. Schon allein deshalb, weil wir dann unseren Auftrag nicht erfüllt haben.“

Average atmete auf, „Dann ist ja gut. Es freut mich, dass Du das auch so siehst.“

Blackstone blickte missmutig, vielleicht sogar schon wütend drein. Snowcat sprach ihn leise an, „Was ist?“

Der Zwerg sah ihr ernst entgegen, „Warum hast Du zugegeben, dass Du ihn kennst? Das war unnötig und unvorsichtig. Wenn Du so was noch mal machst, gibt es Ärger! Und zwar von mir.“

Snowcat war über die Schärfe seiner Worte verwundert, „Ich habe meiner Meinung nach nichts gesagt, was er nicht wusste. Da er bei all unseren möglichen Begegnungen aztlanische Soldat war. Natürlich besteht die winzige Möglichkeit, dass er in der letzten Zeit im Zusammenhang mit UC nichts von mir gehört hat. Das Risiko bin ich kalkuliert und gerne eingegangen.“

Blackstone zog scharf die Luft ein, sagte aber nichts weiter dazu.

Liam, Puck und Starbuck hatten alles zusammengepackt und waren zur Abfahrt bereit. Wenn sie noch in einem glaubwürdigen Zeitraum in die EBZ wollten, mussten sie sich bald zum Checkpoint aufmachen

Snowcat trat zu Liam, „Du hast das Meiste sicher über Funk mitbekommen?“

Er nickte.

Sie lächelte ihn an, „Ich hätte gern, dass Du mit FTW so schnell wie möglich die Kirche vorbereitest und darum nicht mit in die EBZ kommst. Wenn Tenoch sich tatsächlich noch mal mit uns treffen will, dann ist das vielleicht die einzige Chance, die wir in nächster Zeit bekommen.“

Wieder nickte Liam, „Seh ich auch so. Und falls er uns hintergeht, kann ich von hier aus auch besser die Wanze im Auge behalten. Ich nehm‘ mir nur noch mein Zeug aus dem Wagen.“ Er rief nach FTW.

Bevor sie losfuhren, verabschiedete sich FTW von Snowcat, „Egal was Average, Puck und Starbuck sagen. Meiner Meinung nach ist es das Wichtigste, dass wir es hier alle lebend rausschaffen.“

Snowcat bestätigte, „Copy, sehe ich auch so.“, dann umarmte sie ihn. „Bis nachher!“

Auch auf dem Baum nahe des Checkpoints in die EBZ saß ein schwarzer, verzauberter Vogel. 

Wenn Snowcat nun davon ausging, dass keiner dieser Vögel doppelt vorgekommen war, dann kam sie auf sieben verzauberten Metamenschen, die in der Lage waren, astral wahrzunehmen und so Technomancer zu identifizieren. 

Tenoch war nur an den Technomancern interessiert gewesen. Was dann auch erklärte, warum er beim ersten Zusammentreffen versucht hatte Starbuck mitzunehmen. Über die Aura konnte man einen Technomancer ebenso wie einen magisch Aktiven identifizieren, auch wenn es nicht ganz einfach war. Ob der Technomancer dissonant war, konnte man jedoch nicht sehen, dazu brauchte es die Überprüfung durch einen Technomancer.  

TriXhot und Snowcat saßen im ersten Wagen vorn. Die bewaffneten Männer am Checkpoint geboten ihnen anzuhalten. Snowcat nannte die Nummer des Versorgungsauftrags und war untröstlich, dass sie nicht auf der Liste standen. Nach einem von Snowcats bezaubernden und zugleich unschuldigen Lächeln, leuchtete dem Offizier sofort ein, dass sie aus Sicherheitsgründen gar keine SIN's dabei haben konnten. Snowcat übergab ihm stattdessen ein E-Paper mit dem Auftrag der Draco Foundation. 

Man scannte die Vans nach versteckten Signalen ab, warf einen Blick in die Innenräume und ließ sie dann mit dem freundlichen Hinweis auf diverse Hotels passieren.

So weit, so gut.

Sie fuhren über einige Umwege zum Hauptgebäude der UN. Es war merkwürdig, wie normal hier alles war. Vom Geruch bis zu den Geräuschen war die ,gute Gegend‘ einer normalen Großstadt wieder da. 

TriXhot fragte, „Wir sind uns jetzt ja ziemlich sicher, dass der schwarze Bogenschütze Teammitglied Twinbow ist. Da wollte ich mal wissen, wie es jetzt so mit dem Schießen auf ehemalige Teammitglieder steht?“

Snowcat musste nicht lange überlegen, ruhig sagte sie, „Twinbow ist weiter Mitglied von UC, allerdings ist seine Gesinnung fraglich und wir wissen nicht in wieweit er noch er selber ist. Wenn es eine Möglichkeit gibt, ihn zu retten, würden wir das gerne tun, doch in Kampfsituationen ist meist keine Zeit um lange nachzudenken. Sprich, wir setzten jetzt keinen Kill auf Twinbow an, aber wir zögern auch nicht Gewalt anzuwenden oder vergeuden Zeit, indem wir schnell auf Betäubungsmunition umschwenken, wenn zuvor scharf geschossen wurde.“

Niemand widersprach Snowcat oder ergänzte ihre Ansage. 

TriXhot meinte ernst, „Okay, damit kann ich was anfangen. Ich töte ihn, bevor er mich oder einen von uns tötet.“

Starbuck und TriXhot stiegen am UN-Gebäude aus und umrundeten es zu Fuss. Sie konnten Stacheldraht-Barrieren und eine Menge Sicherheitskräfte ausmachen, aber am Ende war das Gebäude nicht übermäßig gut bewacht und schon gar nicht am Seiteneingang mit dem Lieferzugang. 

Sie parkten so, dass sie die Eingänge gut im Blick hatten. Während der Wartezeit wurden sie nicht kontrolliert. Ein Anzeichen dafür, dass die Discordiance in ihrem ITU-Wagen es einfach haben würden.

Snowcat saß weiter auf dem Fahrersitz des ersten Wagens. Sie zog die Beine an und umfasste mit dem Armen ihre Knie. Sie ging nicht davon aus, dass Rekkit oder andere Discordiance erscheinen würden. Tenoch hatte mehrere Stunden Zeit für ein Verhör und die meisten Technomancer, die Snowcat kannte, waren nicht sonderlich resistent wenn es um körperliche Gewalt ging. Und selbst wenn, dann war da noch der Manipulationsmagier und seine sechs bis sieben Gehilfen. Wer jemanden dazu bringen konnte, sich seine einige Waffe in den Mund zu stecken, der konnte auch dafür sorgen, dass man ihm den Aufenthaltsort seines Anführers verriet.

Snowcat wartete und ihrer Gedanken begangen zu kreisen. Sie hasste es, wenn sie über Eventualitäten nachdachte. Aber an irgendwas musste sie denken, die Gespräche ihrer Kollegen lenkten sie einfach nicht genug ab. Also dachte sie stattdessen lieber an einige Stunden mit Harlequin. Als es ihn ihrem Unterleib zu kribbeln begann unterließ sie auch das und erinnerte sich an die Weihnachtsfeier auf Hawaii. 

Kurz nach Mitternacht wurden sie auf der Frequenz angefunkt, die sie Tenoch gegeben hatten. „Ich habe sowohl den Anführer, als auch seine Leute.“, meldete er ruhig.

Snowcat schloss kurz die Augen und sagte freundlich, „Das ist großartig.“ Sie wusste nicht, ob sie sich wirklich darüber freuen sollte.

„Wollen wir uns jetzt noch treffen?“, fragte er emotionslos.

Snowcat warf einen Blick in die Runde und sagte dann, „Oh ja, natürlich. Aber erst morgen.“

Tenoch zögerte, „Gut. Morgen geht auch. Wo?“

Sie nannte ihm die Adresse und beschrieb ihm die Kirche.

„Einverstanden! Und wann?“

Ein wenig Zeit mehr konnte nicht schaden, also sagte Snowcat, „Um 12.00 Uhr am Mittag.“

„Gut!“, danach herrschte augenblicklich wieder Funkstille auf der Frequenz.

Snowcat gab Liam kurz Bescheid und er teilte mit, dass sie bis 12.00 Uhr locker fertig sein würden und, dass sich das ,kleine Insekt‘ auf der anderen Seite der Stadt befand.

Die restlichen Runner blieben vorsichtshalber bis zum Frühstück in der EBZ, doch niemand versuchte in das UN Gebäude einzudringen.

❄❄

Es war noch einfacher als am Abend zuvor über die Grenze zu gelangen. Sie sammelten Liam und FTW ein und fuhren zum Hotel. Hier gaben sie das ab, was sie gestern nicht mehr hatten verteilen können.

Sie planten kurz das Vorgehen in der Kirche, aber viel gab es da nicht zu besprechen. Sie würden erscheinen müssen und sollte sich herausstellen, dass Tenoch und wer auch immer ihn begleitete, sterben musste, würden sie die Kirche einfach zuerst verlassen müssen. Snowcat hoffte, Twinbow retten zu können, aber auch das musste sie spontan angehen. Er würde sich verändert haben, aber er hatte durchaus die Chance, sich später erneut zu verändern. 

„Was ist den jetzt mit den Discordiance und Rekkit?“, fragte Average, „Die bringt Tenoch doch sicher gar nicht mit.“

Snowcat strich sich über ihr Gesicht, „Nein, das glaube ich auch nicht. Ich werde versuchen rauszubekommen, was er vor hat. Danach sehen wir, ob sie noch eine existierende Bedrohung sind. Wenn sie das sind oder diesbezüglich Zweifel bestehen, machen wir weiter, dafür haben wir ja immer noch die Wanze.“

Average nickte, „Ist mir recht, solange wir weiter machen. Tenoch loszuwerden ist ein toller Bonus. Er nervt langsam, dass ich es immer bin, dem er ein Messer an die Kehle legt.“ 

❄❄

Snowcat, Blackstone, TriXhot und Butcher ließen sich 10 Minuten vor High Noon nahe der kleinen Kirche absetzten. Um nicht den Verdacht zu erregen es könnte sich um eine Falle handeln, entfernten sich die beiden Wagen ein Stück. Doch FTW hatte schon mal sein MMG bereit gelegt.

Kühles Tageslicht fiel durch das obere runde Fenster. Die unteren Fenster waren mit Brettern vernagelt worden. Es roch nach Staub. Ihr Atem bildete Wölkchen. 

Snowcat streckte ihre Sinne nach Magie aus, doch da war nichts, außer dem, was sie mitgebracht hatten. Zumindest hatte man keine magischen Vögel als Vorhut geschickt.

Die vier Runner reihten sich vor dem Altar auf. Snowcat stand in der Mitte zwischen TriXhot und Blackstone. Butcher hielt sich ein Stück weiter im Hintergrund, um ihnen Allen Spruchabwehr geben zu können und um gleichzeitig im eingeschränkten Sichtfeld für generische Zauberer zu stehen. 

Punkt 12.00 öffnete sich die Tür der Kirche knarzend. 

Tenoch trat ein, nickte ihnen kurz zu und sah sich dann um. Er trug seinen Parker und die Kapuze hatte er wie all die Tage zuvor hochgezogen. 

Snowcat fragte sich, ob dem Südamerikaner einfach kalt war oder ob er seine charakteristische Frisur verbergen wollte.

Sie lächelte, „Hallo Tenoch.“

Tenoch nickte abermals und fragte dann unvermittelt, „Und? Wollt ihr Euch uns nun anschließen und IHR folgen?“

Snowcat legte ihren Kopf ein wenig schief, „Wir sind nicht grundsätzlich abgeneigt, aber um überhaupt darüber entscheiden zu können, müssen wir erstmal wissen, wen Du mit ,Ihr‘ meinst.“

Er nickte, blickte sich noch einmal aufmerksam um, ging rückwärts zu Tür und hielt sie dann auf.

Zwei schlanke, verhüllte Gestalten traten herein. 

Die größere von beiden war höchstwahrscheinlich Twinbow, die moderne Armbrust auf dem Rücken, die Hände in den Hosentaschen. Er trug einen schwarzen Winterparker, eine schwarze Jeans und schwarze Winterstiefel. Da auch er die Kapuze seines Parkers hochgezogen hatte, konnte man nicht sehen, ob er eine seiner geliebten Mützen aufhatte. Vor seinem Gesicht trug er eine schwarze, ballistische Maske. Auch die Haltung von Twinbow hatte sich verändert. Die gewohnte Lässigkeit war daraus verschwunden. Dennoch gab es einige Details, die eindeutig Twinbow waren, jedenfalls soweit man das unter den Winterklamotten und der Maske beurteilen konnte.

Twinbow ging aufmerksam und dicht hinter der kleineren, zierlicheren Gestalt, die fast völlig von einem langen, schwarzen, schweren Kapuzenmantel verhüllt wurde. Sie trug den Kopf leicht gesenkt und die Kapuze hatte sie so tief in das Gesicht gezogen, dass man nichts von ihrem Gesicht sehen konnte. 

Zu dritt kamen sie den kurzen Weg zwischen den Bankreihen Schritt um Schritt näher. 

Tenochs lief ein, zwei Meter hinter den beiden anderen und seine Schritte waren lautlos.

Die kleinste Gestalt positionierte sich mit einigem Sicherheitsabstand gegenüber von Snowcat und schlug die Kapuze zurück.

Snowcats Herz setzte ein oder zwei Schläge aus.

RIVEN!

Unverkennbar war das die Zauberin höchstpersönlich, unverletzt und strahlend schön wie eh und je. Doch in ihren azurblauen Augen war eine Kälte, die Snowcat zuvor noch nie in ihnen gesehen hatte.

Dessen ungeachtet lächelte Snowcat ehrlich erfreut und machte einen Schritt auf Riven zu, um sie zu umarmen.

Blackstone hielt Snowcat zurück und schüttelte stumm und ernst sein Haupt.

Snowcat blieb stehen.

Augenblicklich verzog Riven ihr schönes Gesicht zu einem zynischen Lächeln. „Hallo Snowcat.“, sagte sie nur. Ihr Haar schimmerte im stetigem Schwarz.

„Hallo Riven. Was für einen schöne und extrem unerwartete Überraschung. Geht es dir gut?“

Riven ging auf die Frage nicht weiter ein, sondern sagte stattdessen, „Was ist denn mit der Umarmung? Oder willst Du Dir weiter etwas von einem Mann verbieten lassen?“ Sie warf Blackstone von oben einem abfälligen Blick zu.

Snowcat lächelte weiter, obwohl sie über das Auftreten von Riven entsetzt war, „Oh. Er ist mein Sicherheitsberater, darum höre ich auf ihn. Immerhin bist Du mit Tenoch unterwegs.“

„Ach so,“, der Sarkasmus tropfte aus diesen beiden Worten, „Naja, Blackstone war ja schon immer ein wenig feindselig.“

Blackstone schüttelte den Kopf und sagte ruhig, „Ich bin nicht feindselig, nur vorsichtig.“

„Nein, Du bist feindselig!“, fauchte Riven ihn an.

Blackstone schüttelte weiter den Kopf, „Vorsichtig.“

„Nein, feindselig! Widersprich mir nicht noch mal, Mann!“

Twinbow hatte die Hände aus den Hosentaschen genommen und auch Tenoch hatte seine Aufmerksamkeit erhöht.

Bevor das hier eskalierte, schob sich Snowcat ein wenig vor und hielt Blackstone mit einer zarten Geste ihrer Hand zurück. Sie sah Riven an und sagte, „Tenoch folgt also Dir? Das ist noch eine unerwartete Überraschung. Was in aller Welt führt Euch hierher?“

Rivens schöne Augen begangen erregt zu funkeln und sie klang leidenschaftlich, „Nun, wir haben von den Discordiance und der Situation hier in Genf gehört. Jetzt, wo wir die Verursacher haben, werden wir sie nach Tenochtitlán senden. Du hast gesehen, was hier in Genf los ist. Kannst Du Dir vorstellen, was das mit einer Stadt wie Tenochtitlán macht? Die Aztlaner werden nicht so diszipliniert sein. Und dann werden sie ihr eigenes, verdorbenes Blut zu schmecken bekommen.“

Snowcat korrigierte sich, das war keine Leidenschaft, das war Fanatismus. Ihr wurde speiübel.

Auch TriXhot war ganz blass geworden. Sie wandte leise ein, „Aber das kann man doch nicht machen. Das sind doch auch Metamenschen.“

Snowcat grätschte ein, „Ja, ich denke auch, dass die Aztlaner ganz anderes und viel gewalttätiger reagieren würden. Du willst also Rache?“

Riven nickte und das Funkeln erlosch nicht, „Ja. Rache und Genugtuung im Angesicht der Göttin. Ich werde diesen widerlichen Machos und Blutmagiern geben, was sie verdient haben. Mit Euch würde das noch leichter werden. Wollt Ihr Euch uns also anschließen?“

Snowcat schüttelte bedauernd den Kopf und antwortete im leichten Plauderton, „Ach nein, ich denke nicht. Du weißt ja, Rache ist nicht so meins.“ Sie sah Riven in die Augen und meinte eine Spur trauriger, „Ich hätte mich gefreut, schon vorher von Deinen Plänen oder zumindest von Deinem Erfolg zu hören.“ Snowcat blickte nun in Richtung von Twinbow, „Was ist eigentlich mit Dir Twinbow, Du bist so still?“

Twinbow schaute kurz zu Riven und erst als diese nickte, sah er zu Snowcat, nahm seine ballistische Maske ab und schlug die Kapuze zurück.

Die linke Gesichtshälfte und der Hals darunter des so attraktiven Mannes waren völlig vernarbt und teilweise verätzt. Die Narben reichten, soweit man Haut sehen konnte. Er trug keine Mütze. Links war sein Kopf kahl und auch hier gab es Narben. Rechts hatte er noch Haar, doch die einstige weißblonde Pracht war zerzaust und wirkte ungepflegt.

Snowcat musste ihre Tränen zurückhalten und das Atmen fiel ihr schwer.

Twinbows Stimme klang ein wenig belegt, als er erklärte, „Ja, Tenoch hat sich an mir ausgetobt und er hatte seinen Spaß.“

Voller Mitgefühl sagte Snowcat leise, „Es tut mir leid.“ Eigentlich hatte sie noch hinzufügen wollen, dass gute Chirurgen und Biotechniker zumindest das Optische wieder hinbekommen würden, wenn er wollte. Aber das schluckte sie hinunter. Riven wusste das allein und warum sie bisher nichts unternommen hatten, konnte Snowcat auf die Schnelle nicht ergründen. Außerdem hatte Twinbow schon auf ihre ersten Worte kaum eine Reaktion gezeigt.

Blackstones tiefer Bariton erklang, er behielt Twinbow im Blick und fragte, „Und darum schießt Du jetzt auf Deine Freunde?“

Twinbows Blick schnellte zu Blackstone hinunter und er spie seine Worte förmlich aus. „Meine Liebe hat mich gerettet und Du hast Dich nicht bewegt, also quatsch mich nicht von der Seite an.“

Ein dicker Kloß bildete sich in Snowcats Hals und schnürte ihr die Kehle zu. Noch nie hatte sie jemanden das Wort Liebe mit so wenig Gefühl aussprechen hören. Sie schluckte den Kloß mit samt ihren Tränen runter, sah Riven an und sprach in fast schon sanftem Ton, „Es freut mich zu sehen, dass ich Tenoch überschätzt und Dich unterschätzt habe. Ich habe nicht geglaubt, dass Du Twinbow retten können würdest, Riven. “

„Retten?“, Riven zog kurz arrogant die Augenbrauen hoch, „Du hast doch nie gesagt, dass ich ihn nicht retten kann. Du hast nur gesagt, ich kann nicht so einfach nach Tenochtitlán gehen, um ihn dort rauszuholen, aber er war ja nicht in Tenochtitlán.“

Snowcat lächelte nachdenklich, „Ja, das stimmt, aber ich dachte, der Ort an den man Twinbow gebracht hatte, wäre eine reine Falle gewesen.“

Riven nickte überlegen, „Oh, da hattest Du schon wieder recht, so wie mit einigem anderen, was Du gesagt hast. Denn das war ein Falle.“ Riven nahm eine lockere Haltung an und erzählte, „Ich hatte ihn ja über den Finger im Ritual mit dem Coven lokalisiert und dann konnte ich den Coven überzeugen, sich der Göttin und mir anzuschließen und mich auf der Suche zu begleiten.“

Snowcat nickte, denn dies hatte ihr Riven noch erzählt, nur das mit dem Anschluss an die Göttin hatte sie dabei nicht erwähnt.

„Schon bald musste ich zum ersten Mal feststellen, dass Du Recht hattest Snowcat, denn die Reise dorthin, uns unbemerkt über die Grenze und durch die Wüste des amerikanischen Südwesten schmuggeln zu lassen und das nötige Equipment zu besorgen, hat mich fast jeden NuYen meines so groß geglaubten Vermögens gekostet. Aber nach mehreren Wochen kamen wir endlich an dem Ort an, bei dem es sich um eine eigentlich verlassene Goldgräberstadt handelte, die man nun mit vielen aztlanischen Soldaten besetzt hatte. -Wie gesagt, Du hattest recht, es war eine Falle.- 

Wir spionierten das Lager aus. Mein Mann war inzwischen natürlich nicht mehr da, ebenso wenig wie Tenoch, aber es war klar, dass der zurückgelassene aztlanische Abschaum etwas wusste. Die Göttin sendete mir in ihrer unglaublichen Güte Inspiration und mir wurde klar, dass ich meine Rache bekommen konnte, wenn ich jetzt einfach weiter machte. Die 13 Daughters of the First Women...“

,Daughters Of The First Women?‘ Das war nicht der Name des Hexen-Covens gewesen, zu dem Mystère den Kontakt hergestellt hatte. Die Namensänderung konnte durchaus bedeuten, dass sie tatsächlich ihren Glauben geändert hatten.

„...und ich mussten sich nur etwas einfallen lassen. Wir reinigten uns in einem Ritual und nur die stärksten Frauen wurden von einem Great-Form-Spirit besessen. Noch in der selben Nacht lehrten wir die Männer, was es heißt die geballte weibliche Macht der Göttin zu fürchten. Jeder Überlebende bettelte im Anschluss darum, derjenige zu sein, der uns den Hinweis geben durfte. Tenoch war mit meinem Mann weiter in ein Camp in Richtung Süden gezogen, um eine weitere Falle aufzubauen und sich dort unter noch mehr Soldaten zu verstecken.

Astral folgten wir der Spur aus Folter und lokalisierten das Lager genau. Dann sammelte ich die überlebenden Soldaten ein und brachte sie mit meiner Magie dazu, ihre Wagen in Autobomben zu verwandeln. Damit öffneten sie dann das Tor zum Camp, quasi als letzte Tat ihr wertlosen Lebens. Unter dem Beistand der Göttin überfielen wie das Lager. Am Ende waren nur noch sieben Töchter übrig, aber die Aztlaner bezahlten jedes unserer Leben teuer, denn wir ließen keinen der 100 Soldaten am Leben. - Oh, außer Tenoch natürlich.“

Rivem lächelte Snowcat an, aber das sonst so einnehmende Lächeln wies grausame Züge auf, „Du siehst also Snowcat, Du hattest mit vielem, was Du gesagt hast Recht. Doch mit der unglaublichen, unerschöpflichen Macht von Lilith ist es mir dennoch gelungen meinen Mann zu retten und für meinen Schmerz Genugtuung im Angesicht der Göttin zu erlangen.“

Riven ließ ihre Worte wirken und Snowcat hätte jetzt endlich am liebsten geweint oder sich auf der Stelle übergeben, doch selbstverständlich tat sie nichts dergleichen und natürlich ließ sie sich auch nichts anmerken.

Riven grinste böse, „Tenoch hier.“, sie tätschelte ihm mehrmals die Schulter, „ist inzwischen auch ganz zahm.“ Dann zog Riven Tenoch die Kapuze runter. 

Sein Zopf existierte nicht mehr. Er war nun völlig kahl und seine Glatze zierte ein schreckliches Muster aus Narben. „Und nicht nur das, er ist zum wahren Glauben bekehrt und er möchte nun nichts lieber als mich bei meinem Feldzug gegen Aztlan zu unterstützen.- Rekkit ist auch schon ganz zahm. Es fehlt zwar noch ein entschiedener Teil, in Form einer Verbündeten, deren Aufenthaltsort ich noch nicht kenne, aber da ich nun genügend Hacker habe, wird das ein Leichtes sein und dann gehe ich nach Aztlan, um den Willen der Göttin zu vollstrecken.“

Riven sah nun Snowcat an und ein wenig Gefühl kehrte in ihre Stimme zurück, „Nachdem uns die Göttin nun hier an diesem Ort so überraschend zusammengeführt hat, hatte ich gehofft, dass zumindest Du Dich mir anschließen würdest, Snowcat. Du warst schon immer ein starke und wunderschöne Frau, ich könnte Dich gut an meiner Seite gebrauchen.“

Snowcat schüttelte den Kopf, „Nein Riven, Rache ist nicht meins, das sagte ich bereits. Vergeltung auch nicht. Und ehrlich gesagt bin ich auch ziemlich angepisst.“

Riven verzog empört das Gesicht.

Snowcat fuhr kühl fort, „Ja, angepisst, denn Du hast nicht einmal angerufen. Schon wieder nicht!“

Über Rivens Gesicht huschte ein eigentümlicher Ausdruck, aber er war zu flüchtig, um ihn genauer zu bestimmen.

Snowcat seufzte und ihre Stimme klang wieder mild, „Obwohl wir eigentlich einen anderen Auftrag haben, lasse ich Dir Rekkit auch...“

Riven schrie boshaft auf, „Lassen?“ Du hast kein ...“

Blackstone knirschte mit den Zähnen, doch Snowcat hob beschwichtigend die Hand und Riven verstummte, „Ich meinte damit nur, dass ich wegen unserer Freundschaft nicht versuchen werde zu verhandeln oder ähnliches.“ Snowcat seufzte ein weiteres Mal, blickte kurz zu Boden und dann wieder auf, „Es ist wohl das Beste, wenn wir jetzt gehen. Damit unsere Leute draußen nicht über reagieren, weil ihr zuerst rauskommt, - immerhin waren wir mit Tenoch mehrere Minuten hier drin-“, Snowcat lächelte verlegen, „ werden wir zuerst gehen.“

Ohne zu zögern trat Snowcat einige Schritte vor und umarmte Riven. „Lass es Dir gut gehen und pass auf Dich auf.“

Riven nickte nur. Sie wirkte enttäuscht.

Blackstone kniff die Lippen fest zusammen.

Snowcat ging zu Twinbow, trat dicht an ihn heran und legte ihm die Hand zart an die Schulter, „Er tut mir leid.“

Er nickte ebenfalls, doch emotional zeigte er dabei keine Reaktion.

Snowcat, Butcher, TriXhot und Blackstone gingen an der Dreiergruppe vorbei. 

Snowcats Herz schlug bis zum Hals. 

Die anderen drehten sich zu ihnen um und blickten ihnen nach. Snowcat rechnete jeden Augenblick damit, dass Tenoch ,Stop‘ rufen würde. Taktisch war es nicht sonderlich klug, die Runner zuerst gehen zu lassen. 

Vielleicht würde Riven auch einfach ihre Meinung ändern oder noch etwas Unangemessenes sagen.

Der kurze Weg zur Tür schien länger und länger.

Spontan drehte sich Snowcat um, kontrollierte ihren Puls, lief die zwei Meter zurück und umarmte die zarte Gestalt von Riven erneut, diesmal fester und herzlicher. Sie raunte ihr zu, „Sorry Riven, aber es ist wirklich besser so, Du hast Blackstone mal als Deinen besten Freund bezeichnet, ich wollte nicht, dass es zwischen Euch zu einer Konfrontation kommt, das könnte ich nicht ertragen.“

Wieder nickte Riven nur, doch immerhin war da diesmal ein Hauch von Bedauern in ihrem Gesicht gewesen.

Snowcats Blick fiel über Rivens Schulter auf Tenoch. Auch er nickte kurz. Fast unmerklich. Seine Augen wirkten für den Bruchteil einer Sekunde besonders klar und in seinem Blick hatte so etwas wie Erkenntnis und Dankbarkeit gelegen. Snowcat wusste nun, dass Tenoch nichts sagen würde. Er würde sie ziehen lassen.

Snowcat ließ Riven los und schloss dann zu ihren Kollegen auf. 

Als die Tür langsam hinter ihn zu fiel, sagte Snowcat nur, „Liam, jag sie hoch!“


BUMM!

Und gleich darauf noch mal: KABUMM!


Keiner von ihnen drehte sich um.

„Musstest Du sie auch noch umarmen?“, fragte Blackstone grimmig.

Snowcat nickte, „Ja, schon allein wegen der Glaubwürdigkeit.“

Als Snowcat sich wenige Sekunden später auf den Beifahrersitz neben Liam setzte, sagte sie, „Ich rechne fest damit, dass Du die Explosion aufgenommen hast.“

Er grinste, „Natürlich.“

Eigentlich konnte aus dem Schutthaufen niemand entkommen sein, dennoch überlegte Snowcat, ob es nicht besser wäre, sich in Ruhe davon zu überzeugen, dass da wirklich niemand mehr rauskam. Auch kein Geist oder irgendetwas anderes, aber das Signal der Wanze setzte sich in Bewegung und nahm ihnen die Entscheidung ab.

Sie fuhren los und Snowcat fasste für alle die nicht in der Kirche gewesen waren zusammen, was vorgefallen war. Sie ging nicht allzu intensiv auf die schlimmen Details ein.

»Was für ne Bitch.“, sagte TriXhot unvermittelt.

Starbuck meinte darauf, »Da hast Du Recht. War das sicher Riven?“

Snowcat überlegte kurz und antwortete dann, »Naja ihre Haarfarbe hat sich nicht mit ihren Gefühlen geändert, aber da kann sie mit einer gezielten Körpermaske oder Perücke nachgeholfen haben, ansonsten hat sie gerochen wie Riven, ausgesehen wie Riven und sich angefühlt wie Riven. Darum lautet mein Fazit, ja, das da war Riven. Obwohl sie sich nicht verhalten hat, wie die Riven, die wir kannten.«

Von Average kam, »Na Tenoch hält mir jedenfalls kein Messer mehr an die Kehle und nun lasst uns endlich die Discordiance zur Hölle jagen.«

Sie rasten schweigend durch das stille Genf. Das Signal verließ die Stadt in Richtung Frankreich. Sie holten gut auf.

Als sie den Matrixlosen Bereich verließen, blühten die Technomancer in den Wagen förmlich auf und nahmen ihre Helme ab. 

FTW fragte nach einigen Minuten, »Mit was für einer Opposition müssen wir rechnen?«

TriXhot antwortete, »Naja, also wir haben eine Menge schwarze Vögel gezählt, ein paar Hexen von dem Coven werden noch dabei sein. Was die sich für Männer Untertan gemacht haben, wissen wir nicht.«

»Leider wissen wir auch nicht, ob Rekkit wirklich in dem Wagen ist, in dem die Wanze fährt.«, ergänze Starbuck.

Snowcat fuhr sich über die Zöpfe und sagte nörgelnd, »Ach Mist, ich hab keine Lust mehr, eigentlich will ich nur nach Hause.«

Average schrie auf, »Was, Du willst stoppen? Aber wir haben sie fast. Ich kann den Wagen dahinten schon sehen.«

Snowcat lachte, »Natürlich nicht, das war ein Scherz. Wir holen sie uns.«, aber eigentlich war ihr weder nach Lachen noch nach Scherzen zumute gewesen.

Dann kam tatsächlich ein Transporter die Strasse voraus in Sichtweite. Von dort kam auch das Signal der Wanze.

TriXhot brachte die Frage zuerst auf, »Wie stoppen wir die? Soll ich mich rauslehnen und mit meinen Babies die Luft auf den Reifen lassen?«

Liam schüttelte den Kopf, »Negativ! - Sparky, Code Yavin 4!«

Lautes Jubelgeschrei tönte über die Ohrhörer. 

Kurz darauf erklang vom Himmel ein Zischen und im Nullkommanix rasten zwei Raketen auf den Van zu und schlugen kurz nacheinander in ihn ein.

Der Wagen hüpfte hoch, geriet ins Schleudern, kam von der Strasse ab, raste einen kleinen Hang herunter und crashte gegen einen Baum, wo er qualmend und zerstört liegen blieb.

Während Snowcat sich ihr Daypack umschnallte und ihre Maschinenpistole mit APDS Munition lud, wies sie an, »FTW, TriXhot, Blackstone und ich gehen mit Waffen im Anschlag zu dem Autowrack und sehen wer da ist und ob es noch Überlebende gibt. Wenn irgendeine Frau überlebt hat, dann zögert nicht zu lange. Wenn die Hexen des Covens Riven gefolgt sind, werden sie eine ähnliche Einstellung haben. Wir können nicht riskieren, dass sie uns gegen uns selbst wenden. Butcher begleitet uns, damit wie Spruchabwehr haben. Liam und Average bleiben am Steuer, falls jemand zu fliehen versucht oder noch weitere Wagen unterwegs sind, die dazu gehören. Starbuck, Puck, ihr checkt bitte, ob Hilferufe rausgehen und unterdrückt diese bitte.«

Dann liefen sie los. Snowcat ließ ihre MP vor sich hängen und zog stattdessen ihren Black-Tooth-Dagger.

Im Wagen war weder Magie zu spüren, noch eine Bewegung zu fühlen. Dennoch schlug Snowcats Herz heftig. Sie war aufgeregt. 

Doch auch ein genauer Blick in das Wrack bestätigte, dass den Raketenbeschuss keiner überlebt hatte.

Sparky jubelte erneut.

In dem Wrack befanden sich 11 Leichen. Bei zweien handelte es sich um Hexen und die anderen mussten die Technomancer sein. Auf einen von ihnen passte die Beschreibung von Rekkit. Sie filmten den Mann mit Hilfe von Sparkys Drohne und so bekamen sie die eindeutige Identifizierung von Gregor. Das war Rekkit und Gregor hatte auch die anderen schon einige male gesehen, auch wenn er sie nicht alle mit Namen kannte. Die Gegenprobe ergab, dass er die beiden Hexen noch nie zuvor gesehen hatte. 

Bingo.

Liam besprühte das Wrack mit einer Spezialmischung und setzte es in Brand. 

Snowcat beobachtete die Flammen noch eine Zeit, dann fuhren sie zurück nach Lausanne. Sie hoffte, dass jede der Seelen ihren Platz in dem von ihr bevorzugten Paradies finden würde.

Sie fuhren einen Teil der Strecke schweigend. Irgendwann sagte TriXhot, »Ich will Euch ja nicht die miese Stimmung verderben, aber wir haben die Disco-Fragger aufgehalten und gleichzeitig einen Team-Erzfeind eliminiert.«

FTW grinste, »Das stimmt. Auftrag erfüllt und alle am Leben. Das ist sehr gut!«

Puck fügte hinzu, »Ja, ihr habt die Discordiance aufgehalten und ausgeschaltet. Gut war es in jedem Fall.«

Richtig ausgelassen wollte die Stimmung dennoch nicht werden oder empfand Snowcat das nur so, weil ihr selber nicht zum Feiern zu Mute war?

TriXhot meinte dann noch, »Hey, also, ich kannte Twinbow und Riven ja nicht, aber ich weiß, dass das Eure Freunde waren, also wenn jemand deshalb eine Schulter zum ausheulen braucht, dann stehe ich dafür jederzeit zur Verfügung.«

Butcher fragte, »Hat sie Schulter gesagt?«

Starbuck antwortete, »Ja, hat sie.«

»Naja, ne Schulter ist ein Anfang.«, meinte Butcher darauf.

Starbuck lachte ein wenig, »Also aus Deinem Mund klingt so eine Bemerkung irgendwie seltsam.«

»Warum?«, wollte Average wissen und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu, »Ihh! Geht das schon wieder los? Wehe Butcher, ich bekomm mit, dass Du TriXhot oder sonst wen irgendwann mal zum Frühstück einlädst.« Average lies die Drohung offen stehen und fragte dann ernst, »Haben wir denn jetzt wirklich alle Discordiance?«

Puck erwiderte, »So weit ich das beurteilen kann, ja. Zumindest alle wichtigen. Rekkit war der, der wusste, was man zu tun hatte. Die anderen waren nur Handlanger. Außerdem wird Riven darauf bestanden haben, sich alle zu holen, die verfügbar waren und wenn sie mit Magie nachgeforscht hat, ist ihr sicher keiner entgangen.«

Snowcat ergriff das Wort, »Ich bin mir auch sicher, dass wir die Discordiance soweit möglich erledigt haben. TriXhot hat Recht, das war ein Sieg auf ganzer Linie und wir haben sogar was für Genf getan, auch wenn sie uns es nicht danken werden. Wir haben allen Grund zum feiern.« Eigentlich wollte Snowcat gerade Prost sagen, doch da fiel ihr etwas ein, was Puck wissen musste und auch die anderen hören sollten, »Riven hat sich geschnappt, was für ein zweites Genf notwendig war und sie war gründlich. Darum wusste sie auch, dass es noch einen Faktor gab, den sie nicht beisammen hatte, um das mit Genf, den AI‘s und der Dissonanz woanders zu wiederholen. Rekkit hatte eine Verbündete, deren Aufenthaltsort Riven noch nicht kannte, aber über die Matrix finden wollte. Wir müssen nachher Gregor danach fragen. - Aber das ändert nichts an unserem Sieg.«

Als sie bei der TransSky ankamen, übernahm Liam das Kommando. Er wies alle an, ihm bei be- und umladen zu helfen. Snowcat drückte er eine Box in die Hände und schickte sie mit den Muffi Puffs und Heißgetränken darin nach vorne ins Flugzeuginnere, wo sie von Sparky und Arcade stürmisch begrüßt und mehrmals umarmt wurde. Die Zwillinge stellten nicht eine Frage danach, wie es gewesen war. Sie alberten einfach ausgelassen herum, und dies so sehr, dass Gregor lachen musste, bis ihm die Tränen kamen und er sich schüttelte. Einen Moment lang wusste Snowcat nicht, was los war, aber dann wurde ihr klar, dass Liam die Zwillinge gebrieft hatte. Sie sollten Snowcat aufmuntern. Was ihnen auch gelang. 

Als die anderen in den Flieger kamen, war dieser über AR wie für eine Party geschmückt und auf einem Banner stand zu lesen, “We Just Saved The World, Again!” 

TriXhot grinste, als sie das sah, „Yeah.“ Dann trat sie zu Snowcat heran „Snowcat ich würde Dir auch gerne ne Schulter zum Ausheulen anbieten, ich hab ja mit bekommen, dass Riven und Twinbow Deine Freunde waren, aber Du wirkst nie so, als wenn Dir irgendwas etwas ausmacht. Das kann ich allerdings gar nicht glauben....“ TriXhot machte eine kurze Pause und holte tief Luft,  „Weißt Du, eins musst Du noch lernen zuzulassen. Du bist immer für alle anderen da und opferst Dich für sie auf. Aber wenn's Dir mies geht, lässt Du nicht zu, dass Dir geholfen wird.“ Sie grinste, „Aber die Nuss knacke ich auch noch!" Sie klopfte ihr auf die Schulter, „Also sag Bescheid. Jederzeit. Ach so und in Seattle werde ich Party machen. Teurer Sekt, heiße Beats und knackige Kerle. Als gäbe es kein Morgen. Aber zu zweit macht's halt einfach mehr Spass."

Snowcat lächelte TriXhot freundlich an, „Vielen lieben Dank für das Angebot. Party machen ist immer gut und Deine Einstellung gefällt mir sowieso. Wenn die Party nicht gleich heute Abend ist, könnte ich durchaus darauf zurück kommen.“

Musik, die Snowcat mochte und die gute Vibes verbreitete, wurde über Board-Lautsprecher gespielt. So fiel es Snowcat ganz leicht, Gregor die Information über den verschollenen Verbündeten zu entlocken und als sie Puck davon erzählte und dieser ganz blass wurde, nahm sie das mit Fassung, „Na los, raus mit der Sprache, welches Monster ist es?“, fragte sie ihn.

Puck lächelte zögerlich, „Die Beschreibung passt auf Pax. Pax war die erste, die mit Deus zusammen gearbeitet hat und später war sie die, die sich mit Winternight zusammen getan hat.“

Snowcat nickte ernst, „Müssen wir uns gleich darum kümmern?”

Puck zupfte an einem seiner Haarstacheln herum, „Nein, das nicht. Wie ich sie kenne, zieht sie sich erstmal zurück, wenn sie merkt, das was im Argen ist. Ich dachte nur, sie wäre tot.”

Snowcat grinste niedlich, „Na, erste Frauen scheinen es sich irgendwie zur Aufgabe gemacht zu haben, besonders weltzerstörerisch zu sein. Du hältst vorsichtig die Augen und Ohren offen und wenn es da was zu tun gibt, dann meldest Du Dich. Selbst wenn Du gerade kein Geld hast. Okay?“

Er nickte, „Okay. - Und Snowcat ... danke.“

Sie zwinkerte ihm zu und hielt ihm einen Muffi Puff hin, den er schmunzelnd und mit einem Kopfschütteln nahm.

Dann setzte sich Snowcat noch mal zu Gregor.

Er sah sie schüchtern an, „Soll ich noch jemanden identifizieren?“

„Nein.“, sagte sie sanft, „Wir sind bereits in der Luft und ich wollte Dich fragen, wohin wir Dich bringen sollen?“

„Irgendwo hin, wo es sicher ist.“

Snowcat lachte leise und begann damit ihre Zöpfe zu entflechten, „Naja, das mit dem sicher ist immer so eine Sache. Wo ist es in der 6. Welt schon wirklich sicher? Aber es gibt viele Orte, die besser als Genf sind und wir können Dich überall hinbringen.“

Gregor überlegte, dann fragte er, „Wo fliegt Ihr denn jetzt hin?“

„Nach Seattle.“

„Ist es da sicher?“

„Mehr oder weniger. Aber es gibt Stellen, an denen es ziemlich sicher ist.“

Er sah sie mit einem herzzerreißenden Blick an, „Bist Du in Seattle, Snowpearl?“

Snowcat lächelte, „Ja, ab und zu. Da ist mein zu Hause.“

„Dann will ich dahin!“, sagte er selbstbewusst.

„Gut, dann ist es abgemacht.“ 

Snowcat warf einen Blick zu Liam rüber, worauf dieser zu ihr kam und sie erstmal fest umarmte, „Ich bin stolz auf Dich!“

Diese Kompliment bedeutete ihr eine Menge, „Danke.“

 „Und? Wo möchte Gregor hin?“, fragte er.

„Mit nach Seattle. Aber ich glaube nicht, dass er da irgendwo alleine bleiben kann.“

Liam kratze sich am Kinn, „Wie wäre es mit Jake? Gregor könnte ihm mit den Tieren helfen.“

Nun umarmte Snowcat Liam, „Du bist genial.“

„Ich weiß. Kommst Du morgen oder übermorgen bitte noch in der Werkstatt vorbei? Plan ruhig ein bisschen Zeit dafür ein.“

“Klar! Mach ich gern.“ 

Liam grinste Snowcat an, „Was Riven angeht. Ich sag es jetzt nicht, da Du weißt, was ich meine.“

Snowcat nickte. 

Sparky und Arcade riefen gleichzeitig und unisono, „Aber wir sagen es: Wir haben es von Anfang an gewusst!“

Mit zunehmender Flugdauer hatte sich das Team endgültig dazu entschlossen, das ganze als Sieg zu feiern und so war eine richtige Party entstanden. Jedenfalls, so gut wie eine spontane Party in einem Flugzeug möglich war. Es wurde viel gelacht und sogar mit dem einem oder anderem Bier auf den Ausgang des Runs angestoßen.

Blackstone hatte sich, im Gegensatz zu Snowcat, nicht in die Feiernden mit eingereiht. Er saß etwas Abseits im hinteren Ende des Flugzeuges und sinnierte vor sich hin. Nachdem Snowcat mit allen gesprochen und angestoßen hatte, ging sie zu ihm nach hinten und ließ sich neben ihm nieder. „Na Pepples, was macht Dir so zu schaffen?"

Blackstone blickte nicht auf. „Ja, ich bin etwas angefressen. Echt! Da treffen wir wieder auf die Beiden und sehen nur Feindseligkeiten. Kein richtiges Wiedererkennen. Kein Verstehen. Kein auf uns zukommen. Wem kann man denn noch trauen?“ Seine Stimme hatte sehr ernst geklungen, nun schwieg er wieder und seine Gedanken schienen in die Ferne zu driften.

Snowcat ließ das Schweigen einen Moment auf sich wirken. „Trauen? Ich glaube mit Vertrauen hat das nichts zu tun. Sie haben viel durchgemacht. Sich verändert. Riven war labil. Auf ihrer Seele lagen Wunden, die nie verheilt sind und wenn sie dabei waren zu heilen, dann hat Riven sie selbst immer wieder aufgekratzt. Schmerz ist manchmal das Einzige, was einem Metamenschen wir ihr zeigt, dass er lebendig ist. Hinzu kommt,“ Snowcat schmunzelte ein wenig, „ dass die dunkle Seite der Macht, der Magie, so viel leichter zu haben ist. So viel mächtiger sein kann. In Riven zeigte sich inzwischen das verdrehte, böse Gesicht von ‘Dark Goddess’.“ Sie legte ihre Hand leicht auf Blackstones Arm. „Du kannst mir vertrauen, den Drakes vom Lake Louise, anderen von UC. Riven und Twinbow haben daran nichts geändert!“

Blackstone hob langsam den Kopf und schaute Snowcat an. „Ja, Katze, Dir kann ich vertrauen. Aber nur Dir. Bei den Drakes fühle ich mich wohl. Auch das stimmt. Aber: UC ist für mich instabil. In den großen Teams kann man sich nicht immer auf alle verlassen. Da steht UC eher für ‘Ultra Chaos’. Das solltest Du bedenken, wenn Du mit denen auf einen Run gehst. Ich bin nur noch wegen Dir hier. Und du bist unvorsichtiger geworden. Du führst gut, sie versuchen auf Dich zu hören, aber manchmal lässt Du die eigene Sicherheit aus den Augen.“ Er sah sie noch immer an.

„Vielleicht hast du Recht, vielleicht bin ich manchmal unvorsichtig. Aber wenn das so ist, dann habe ich ja Dich und mit Dir an meiner Seite kann mir nichts passieren. Was die anderen aus dem Team angeht, auf einige kann man sich mehr verlassen, auf andere weniger. Vertrauen wächst sowieso erst mit der Zeit, meinst Du nicht?“ Sie lächelte warmherzig und sah ihn dann wieder ernst an „Du hast gesagt, Du bist nur meinetwegen hier, was meinst Du damit? Hast Du keinen Spass mehr am Shadowrunner sein?“ Sie grinste „Wenn es Dir hier im Team nur um meine Gegenwart geht, dann kann ich Dich beruhigen, ich würde mich jederzeit auch privat mit Dir treffen.“ Sie stupste ihn an. 

Er lächelte zurück „Ja, da ist sie wieder, meine Katze! Nein, es geht mir nicht um Deine Gegenwart, also nicht nur. Das auch. Vor allem geht es mir um Deine Sicherheit. Und ja, auch um Spaß. Klar bin ich gerne Runner, aber vielleicht nicht unbedingt in so einer großen Horde.“

Snowcat lachte leise, „Wenn wir wollen, sind wir zumindest die leiseste Horde der Welt. Stimmt, wir sind ein großes Team, aber gerade derzeit finde ich, dass es da viele gibt, denen wir, Du und ich, sehr wohl trauen und auf die wir uns verlassen können. An erster Stelle nenne ich FTW, Thunderstrike, TriXhot, Sugmani und Starbuck. Wenn Du als Teamkamerad deren Hilfe brauchst, sind sie sofort da und zu allem bereit und zwar mit jeglichem Sachverstand und in jedem Bereich. Gleich darauf kommen Blood, Steel, Shark Finn, Doc und Mystère, Sparky und Arcade, die nur auf Grund ihrer unterschiedlichen Risikobereitschaft und ihres Temperaments nicht in die erste Gruppe fallen. Nimmst Du Dir jetzt die Liste mit den Mitgliedern von UC vor, dann habe ich nur Average, Butcher, Tuareg, Violet Rain und Mystique nicht genannt, was nicht mal heißt, dass man ihnen nicht trauen kann, sie sind eben nur viel schwieriger einzuordnen.“ 

Sie sah Blackstone nun tief in die Augen. „Siehst Du das anders? Und wenn die Antwort darauf ein ‘Nein’ ist. Was stört Dich dann? Was möchtest Du?“

Er löste seinen Blick und schaute in die Runde. „Mal ehrlich, mit wem hätte ich Dich da irgendwohin gehen lassen können? Liam! Aber der ist nicht UC. Dem traue ich das zu, was ich von mir verlange. Starbuck, ja, er würde alles für Dich tun, aber wie erfolgreich? FTW, Thunderstrike? Gute Kämpfer, aber sie haben nicht unbedingt den Blick auf das Ganze. Soll ich weiter machen? OK. TriXhot – jung und unberechenbar, aber gut. Sugmani, erfahren, liebäugelt aber doch eher mit dem Ruhestand. Zu den anderen hast Du ja schon was gesagt...“ Jetzt schaute Blackstone wieder in Snowcats Augen. „Mein Gefühl sagt mir, dass ich aussteigen und auf die Insel zu den Drakes gehen sollte. Aber das kann ich nicht. Mein Kopf sagt mir, dass Du mich brauchen wirst. Und dann will ich da sein und mich nicht fragen müssen, was ich in dem Moment getan habe.“ Er fasste mit der rechten Hand in seine Jackentasche und hielt dort irgendetwas fest.

Snowcat wandte sich Blackstone nun völlig zu, griff nach seiner linken Hand und nahm diese in ihre Hände. "Wenn ich mich zwischen Bauchgefühl und Kopf entscheiden muss, höre ich immer auf meinen Bauch. Du musst Dir um mich auch keine Sorgen machen, wenn es hart auf hart kommt, dann weiß ich sehr gut, wie man rennt oder auch fliegt. Und sollte mir dennoch mal was passieren, dann ist doch die Frage nicht, was Du in dem Moment getan hast, sondern die, was du jetzt tun kannst!" Snowcat drückte Blackstones Hand kurz, "Was ich in keinem Fall möchte, ist, Dich unglücklich zu sehen." Sie ließ seine Hand los, legte den Kopf schief, deutete auf seine rechte Hand und fragte neugierig, "Was hast Du da?"

Er schaute auf seine Hand. "Och, bloß ne olle Karte." 

Snowcat konnte einen kurzen Blick darauf erhaschen und erkannte einen Joker darauf. Die Karte sah ein wenig abgegriffen aus. Doch da hatte Blackstone sie auch schon wieder weggesteckt. "Vielleicht wird es Zeit, die anderen mal etwas genauer kennen zu lernen. Lass uns feiern gehen, Katze. Du hast es Dir verdient." Er lächelte sie an. "Man kann den Kopf halt nicht einfach ausschalten."

Am frühen Vormittag des 2. Februar 2073 setzte Liam die TransSky in einer butterweichen Landung auf dem Boden von Seattle auf. Die Temperatur lag bei 4 Grad Celsius und es regnete stark, gleichmäßig und stetig. 

Puck verabschiedete sich noch am Flughafen von ihnen. Er umarmte Snowcat ehrlich und herzlich. „Noch mal danke für alles, Snowcat.“

„Nichts zu danken, Du hast uns doch bezahlt.“

Puck schüttelte den Kopf, „Ihr habt viel mehr gemacht, als nur den Job.“

Liam brachte sie alle noch zum Bootshaus, denn sie waren irgendwie alle von dort aus auf dem Run gestartet. 

Snowcat blieb gleich im Wagen sitzen, die Zwillinge stiegen in den zweiten Wagen um und nachdem Blackstone Liam sehr männlich zugenickt hatte, setzten sich die beiden Ares Roadmaster in Bewegung, um Gregor noch zu Jake zu bringen. 

Snowcat wusste schon nach wenigen Minuten, dass Jake Gregor gern aufnahm und als Gregor freudig kicherte, als zwei Eihörnchen auf ihm herumtollten, war klar, dass Gregor hier auch gern bleiben würde.

„Bleibt Ihr noch zum Essen?“, fragte Jake.

Zum Bedauern der Zwillinge schüttelte Snowcat den Kopf, „Nein. Nicht böse sein, aber ich habe Sehnsucht nach meiner Badewanne und frischer Kleidung.“

Gregor zog schnuppernd die Luft ein, kam Snowcat dabei aber nicht zu nah, „Du riechst gut, Snowfeather.“, 

Sie lachte, „Danke für das Kompliment Gregor und ich komme Euch ganz bald besuchen und bringe Zeit mit, versprochen.“

Augenblicklich winkten SpArcade Jake, Gregor und den Tieren zum Abschied, „Na dann bis ganz bald, Schwester.“

Im Appartement angekommen, ließ Snowcat die Tür zu und die Taschen zu Boden fallen, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür und schloss die Augen.

Sie atmete mehrmals tief durch.

Als sie die Augen wieder öffnete, hatte Henry die Taschen bereits weggeräumt und stand mit strahlendem Clownsgesicht bereit, um ihr aus der Jacke zu helfen.

„Ich freue mich so sehr, Dich wieder zu sehen, Henry.“

Henrys Wangen röteten sich vor Verlegenheit.

Dank Henry musste sie sich nicht ums Auspacken kümmern, das tat er sofort leise summend. 

Snowcat duschte und wusch sich die Haare, im Anschluss warf sie sich im Morgenmantel und mit Handtuch um den Kopf auf die Couch und kraulte Softpaw ausgiebig, bevor sie sich ihr Commlink schnappte. Sie hielt es einige Sekunden ganz bewusst in der Hand, es war beruhigend, das wieder zu können und rief erst dann die Commcall-Funktion auf. 

Harlequin nahm das Gespräch ziemlich schnell an.

Sie zeigte ihm ihr schönstes Lächeln, „Hey. Ich bin wieder zurück.“, erklärte sie kurz und knapp.

Harlequin grinste breit, „In Seattle?“

„Ja, genau!“

„Wie passend. Dann komm ich nachher vorbei.“

Snowcat strahlte, „Hach, Du hast immer so gute Ideen.“

„Nicht wahr?! Dann bis später.“

Einen Moment lang blieb sie zufrieden liegen, doch dann stand sie auf einmal auf, was ihr einen missmutigen Laut von Softpaw einbrachte.

Snowcat warf das Handtuch in den Wäschepuff, band das Haar mit dem nächstbesten Zopfgummi zusammen, zog einen Kittel und zusätzlich Armschoner über den Morgenmantel, ging barfuss ins Atelier und stellte eine DIN A 3 grosse Leinwand auf die Staffelei. Snowcat griff nach einigen Farben und betrachte die weiße Leinwand, doch dann entschied sie sich anders, stellte die Leinwand zurück und suchte sich eine doppelt so große aus ihrem Vorrat heraus.

Dann begann Snowcat mit der Arbeit an einem Bild. Die Farben spritzten nur so auf die Palette und die Pinsel flogen nur so über die Leinwand. Sie wurde immer schneller, wilder leidenschaftlicher, so dass schon nach gut zwei Stunden Tenoch und Twinbow mit Riven in der Mitte auf dem Bild zu sehen waren. Riven beherrschte das Bild und zugleich die beiden Männer. Die Gesichter aller drei Figuren waren zweigeteilt. Twinbows attraktives Gesicht mit fröhlichem Lachen, neben seiner entstellten, viel zu ernsten Seite. Tenoch, als stolzer, ernster und grausamer Shorn One, neben seinem verwirrten, geistig kastrierten Gegenstück. Und Rivens Gesicht, wunderschön, liebreizend und freundlich, neben der grausam-schönen, arroganten Fratze einer Rachegöttin. Ein feiner, gezackter Riss teilte die Hälften kaum merklich von einander.

Snowcat malte weiter und fügte Detail um Detail und Schattierung um Schattierung hinzu und während sie malte, begangen Tränen ihre Wangen hinunter zu fließen.

Die Farben mischte sie schon eine Weile rein intuitiv zusammen.

Sie weinte um die schönen Dinge, die verloren gegangen waren. Ihre Tränen liefen ungehindert und landeten auch in der Farbe.

Sie weinte um Twinbows Lebenslust.

Sie weinte um Tenochs Kriegerehre.

Sie weinte um die unschuldige Seele des Mädchen, dass Riven einst gewesen war.

Sie weinte um ...

Als Snowcat durch den Schleier aus Tränen nichts mehr sehen konnte, hielt sie inne.

Rivens Seele hatte am Ende ihre Erfüllung gefunden, auch wenn das nicht die Erfüllung gewesen war, die Snowcat sich für sie erhofft hatte. 

Sie wischte ihre Tränen beiseite. Ihr Nase lief ebenfalls und sie musste sie hochziehen.

›Na zum Glück sieht das keiner, Elfenmädchen. Schluchzen und Rotz hochziehen ist nicht gerade ästhetisch. Obwohl ich zugeben muss, dass bei Dir selbst das noch erträglich aussieht.‹

›Ich habe gerade einfach kein Taschentuch zur Hand, das ist alles Katze.‹

›Ach,‹ meinte Katze süffisant, ›Nase schnäuzen ist auch nicht viel anziehender, Elfenmädchen.‹

Snowcat musste lachen und wischte sich dabei mit dem rechten Unterarm den Schweiß von der Stirn.

›Oh, das ist natürlich gleich viel besser, Elfenmädchen!‹ sagte Katze sarkastisch, ›Bist Du jetzt fertig mit dem Bild und dem Geheule oder soll ich später noch mal wieder kommen?‹

Snowcat trat ein paar Schritte zurück und betrachte ihr Werk, ›Das Bild ist fertig, aber ich habe noch nicht um die enge, jahrzehntelange Freundschaft geweint, die zwischen mir und Riven hätte sein können, Katze.‹

›Na wie gut, dass Du nicht wegen ,hätte, wenn und aber‘ weinst, Elfenmädchen.‹

Snowcat zuckte mit den Schultern und stellte die Farbpalette an der Staffelei ab. Das Schwarz darauf war ganz wässrig von ihren Tränen. Sie blickte auf das Bild und erst jetzt fiel ihr auf, dass die Schatten, die sie mit der schwarzen Farbe auf die Leinwand gebracht hatte, aussahen, wie schwarze Vogelfedern, die mit Abstand betrachtet die Silhouette einer Frau ergaben.

Snowcat grinste schief. Sie war wirklich verdammt talentiert.

Sie war schon fast aus der Tür raus, als sie ein leises Scheppern hörte. Sie drehte sich um. Die Farbpalette war in den Papierkorb gefallen und von Katze war nur noch der Schwanz zu sehen, der gerade hinter dem Holz für die Rahmen verschwand.

Snowcat badete ausgiebig und dachte ein klein wenig länger als sonst darüber nach, was sie anziehen sollte. Am Ende entschied sie sich für ein einfach geschnittenes, langärmliges Minikleid aus dunkelblauen Samt nebst farblich passenden Dessous und Seidenstrümpfen. Ihr Make Up hielt sie gewohnt dezent, selbstverständlich durfte das Parfum ,A Kiss Of Winter‘ nicht fehlen, Sie steckte ihr langes, schneeweißes Haar am Nacken zu einem verspielten Knoten hoch, band den Rest von immer noch über einem Meter Länge mit einem blauen Samtband zusammen und ließ den entstandenen Pferdeschwanz über ihre rechte Schulter nach vorn fallen.

Als sie ins Wohnzimmer trat, bemerkte sie, dass es vom Atelier her überhaupt nicht mehr nach Ölfarbe oder Terpentin roch. Seit Henry da war, tat es das fast nie. Die Pinsel hatte er auch schon ausgewaschen und zum Trocknen in die Halterung gestellt. „Henry, Du bist ein wahrer, unbezahlbarer Schatz.“, rief sie ihm zu, als er lautlos an ihr vorbei in die Küche schwebte. 

Ihr Commlink summte, Der Portier der Wohnanlage teilte ihr mit, dass ein Mr. Harley Quinn für sie da war und gerne vorgelassen werden würde. 

Snowcats Herz tat einen kleinen Freudenhüpfer. 

Nur wenig später summte es an der Tür und Snowcat ließ es sich nicht nehmen Harlequin selbst zu öffnen.

Er hatte Kuchen mitgebracht, den Henry ihm abnahm, „Oh, Kuchen. Wenn mir auch jemand gesagt hätte, dass Snowcat heute nach Hause kommt, hätte ich selber welchen gebacken.“ brabbelte er, als er davon schwebte. 

Als Harlequin tadelnd eine Augenbraue hob, verdreifachte Henry sein Tempo.

Softpaw kam in den Flur gelaufen und begann augenblicklich Harlequin schnurrend um die Beine zu streichen. Er beachtete das Tier nicht weiter. Er nahm Snowcat in den Arm und küsste sie lang und ausgiebig zur Begrüßung.

Der Kuchen schmeckte köstlich und Henrys Espresso dazu vervollkommnete den Genuss.

Snowcat leckte sich die letzten Krümel von den Lippen, lehnte sich dann lässig-elegant auf der Couch zurück und zog die Knie seitlich an.

„Und, wie war es in Genf?“, fragte Harlequin, der sich in der anderen Ecke der Couch zurückgelehnt hatte und seine Beine noch viel lässiger übereinander legen konnte, als Snowcat.

Snowcat begann mit einem großen Augenaufschlag, „In erster Linie ungewohnt ruhig und alles im allem sehr aufregend.“

Er grinste, allerdings fehlte der Spot darin, „Ruhig und aufregend gleichzeitig? Na das klingt nach einer interessanten Kombination. Erzähl mir bitte mehr davon.“

Snowcat drehte sich ihm zu, ihre Unterschenkel berührten seine Beine. Seine Nähe tat ihr gut. 

Dann fing sie an die gesamte Tenoch-Twinbow-Riven Geschichte zu erzählen. Um sie verständlich und rund zu machen, erwähnte sie sowohl die Lage in Genf, als auch die dissonanten Technomancer. 

Harlequin hörte ihr aufmerksam und verständnisvoll zu und wenn er eine Zwischenfrage stellte, dann nur um sie sanft zurück in die Story zu führen, wenn sie den Faden verloren hatte oder um ihr zu helfen, sich an ein Detail zu erinnern. Zudem machten seinen Fragen klar, dass es ihm einzig und allein um Snowcats Befinden bei der ganzen Angelegenheit ging. Die anderen waren ihm völlig egal.

Henry hatte Snowcat irgendwann eine Flasche ihres Lieblingswassers hingestellt.

„... im Wrack des Wagens war auch die Leiche des Anführers und so konnten wir unseren Auftrag letztendlich erfolgreich abschließen.“

Harlequin nahm ihre Hand in seine. „Genau, Du warst erfolgreich. Was beschäftigt Dich nun noch so, dass Du es gleich in einem Bild verarbeiten musstest?“

Snowcat sah auf die ineinander verschlungenen Hände. Seine Finger waren lang und kräftig, seine Haut war leicht gebräunt und wettergegerbt. Ihr Haut war perlweiß und zarter, ihre Finger waren zierlicher und dennoch hatten die beiden Hände eine Menge gemeinsam. Sie beide hatten Künstlerhände. „Nun, es ist irgendwie trotzdem nicht leicht gewesen, den Befehl zu geben, meine Freunde oder zumindest ehemalige Freunde in die Luft jagen zu lassen.“ 

Harlequins Stimme war voller Gefühl, „Du hättest den Befehl nicht geben müssen. Wenige Sekunden, nachdem Du die Kirche verlassen hattest, wäre sie so oder zu hoch gegangen.“

Snowcat nickte, „Das glaube ich auch. Versteh mich nicht falsch, wäre ich da noch mal, dann würde ich den Befehl noch einmal geben und wieder würde ich nicht zögern.“

Er streichelte mit dem Daumen zart über ihren Handrücken, „Warum hast Du den Befehl denn gegeben? Warum mussten sie Deiner Meinung nach dort sterben?“

Snowcat seufzte tief, „Riven hätte nicht aufgehört. Ich konnte nicht zulassen, dass sie in einer 20 Millionen-Stadt wie Tenochtitlán das selbe Chaos wie in Genf anrichtet. Sie hatte ja recht, die Metamenschen dort wären nie so diszipliniert gewesen. Kein Sprawl könnte damit umgehen. Es wäre die sprichwörtliche Hölle auf Erden geworden. Unabhängig von ihrem Glauben und der Blutmagie, hätte es am Ende die Flaschen getroffen. Abgesehen davon, kann man Chaos nicht kontrolliert einsetzten. Es hätte sich von da aus auch leicht ausbreiten können.“

Snowcat sah zu Harlequin auf, er lächelte und da war Stolz in seinem Gesichtsausdruck.

„Du hast als so junger Metamensch aus so viel weiser Voraussicht heraus entschieden. Dies sogar unabhängig von Deinen eigenen Gefühlen für Deine Freunde, womit Du viele Metamenschen gerettet hast.“

Snowcats Lächeln kehrte in ihr Gesicht zurück und verwandelte sich in ein Grinsen, „Hey, jetzt muss ich wenigstens keine Angst mehr davor haben, dass Tenoch kommt, um mir das Herz rauszureißen. Nicht dass ich davor Angst gehabt hätte, aber das ist dennoch eine gute Sache. Ich muss jetzt zwar den Hexenzirkel auf meine Feindesliste setzten, aber auch davor habe ich keine Angst.“

„Du scheinst überhaupt vor wenig Dingen Angst zu haben.“

Snowcat überlegte leicht übertrieben. „Ja da stimmt. Mir macht nicht sonderlich viel Angst. Spontan fällt mir da gar nichts ein. Was nicht heißt, dass es bisher nie Situationen gab, in denen ich nicht auch Angst hatte und die wird es sicher auch wieder mal geben.“

Harlequin grinste ein bisschen, „Etwas anderes hätte ich auch nie behauptet. Was den Hexenzirkel angeht, ich denke mal, der wird zunächst danach streben, der Göttin gerecht zu werden. Ich glaube nicht, dass die Jagd nach UC da hoch auf der Prioritätenliste steht.“

Snowcat setzte sich ein wenig auf, „Oh, mir ist etwas eingefallen. Weißt Du, wovor ich mich irgendwie fürchte? Davor, dass Riven plötzlich wie ,Jack in the Box‘ aus einer Ecke hervorspringt.“

Harlequin lachte und küsste ihre Hand, ließ sie aber auch danach nicht los.

Snowcat lachte ebenfalls, „Ich weiß gar nicht, woher das kommt? Vielleicht hat Ehran doch zu viele Gruselstories auf die Leseliste gesetzt.“

„Ich rate mal: Mary Shellys Frankenstein zum Beispiel?“

„Ja, genau!“, sie strahlte ihn an, „Volltreffer.“

Harlequin nickte wissend, „Das war leicht. Ehran hat sich immer gut mit Lord Byron verstanden.“

Snowcat horchte auf.

„Ach und George konnte Feste geben. Die dann übrigens oft mit dem Erzählen von Geschichten endeten. Manchmal waren die Erzählungen frivol, manchmal gruselig. Wie im Sommer 1816, wo man wegen des schlechten Wetters nach dem Vulkanausbruch so selten das Haus verlassen konnte. Wobei mir gerade einfällt, Genfer See, da muss ich sowieso immer an Frankenstein denken, dort schieb Mary nämlich den Roman.“ Harlequin verzog sein Gesicht auf einmal zu einem wirklich fiesen Grinsen, das durch sein Make Up besonders gruselig aussah, dann zwinkerte er Snowcat zu, „Nein, Dir macht wirklich nicht viel Angst. Übrigens schrieb John Pollidory, der Leibarzt von Byron, dort zu selben Zeit den ,Vampyr‘, -lange bevor Bram Stoker Dracula schrieb, wie Du sicher bemerkt hast - der ,Vampyr‘ steht jedoch bestimmt nicht auf Deiner Leseliste, da Ehran Pollidory nicht sonderlich gut leiden konnte.“ 

Harlequin kam mit seinem Gesicht Snowcats ganz nahe. Sie hatte ganz ruhig zugehört und keine Zwischenfrage gestellt, obwohl sie ein Menge Zwischenfragen gehabt hätte. Sie wollte Harlequin jedoch nicht von diesem höchst interessanten Thema abbringen. 

Er bewegte seinen Kopf hin und her, so als versuche er in ihren Augen etwas zu finden, „Ah, ich erkenne nun große Aufmerksamkeit und unglaubliche Neugier in dem eisblauen Meer, das zum Ertrinken einlädt, eine gefährliche Kombination.“ Er zog sich ein bisschen zurück und sagte dann ernster, „Wenn Riven irgendwann wirklich wie Jack in The Box aus der Ecke springt, dann komm ich mit Klatsche. Versprochen!“

Sie nickte und sagte leise, „Einverstanden!“

„Fein. Ansonsten macht eine gewisse Ungewissheit doch alles ein wenig spannender.“ Dann verschwand plötzlich jeglicher Schalk aus seinem Ausdruck und er blickte ernst und ein wenig traurig drei, „Ich weiß, ein kleiner Schatten bleibt dennoch. Es ist schwer die töten zu müssen, die man einst seine Freunde nannte.“

Snowcat nickte erneut, „Da hast Du leider recht. Ich weiß ja, dass das da nicht mehr Riven und Twinbow waren, ich hab das sogar Blackstone gesagt, aber trotzdem...“

Harlequin sah Snowcat mitfühlend an, „Ich weiß, dass es böse Wesen gibt, die einen Metamenschen zum Dunklen verführen. Und ich weiß auch, wie es ist, wenn man plötzlich feststellen muss, dass der Freund, den man gekannt hat, schon vor langer Zeit getötet wurde.“

Snowcat sah Harlequin nun direkt und tief in die Augen, seine ,Mauer‘ brach weg und sie blickte ihm zum allerersten mal direkt in die Seele. In ihr entstand die Gewissheit, dass er so etwas wirklich schon erlebt hatte und das nicht nur einmal. Neben den Narben auf dem Körper, trug er auch welche auf seiner Seele. 

Snowcat näherte sich Harlequin ganz langsam, um ihn zu küssen. Sie hielt seinen Blick fest, damit die direkte Verbindung ihrer beider Seelen, ihrer beider Herzen solange wie möglich bestand.

Sie legte ihm die freie Hand auf die Wange und küsste ihn. Zart, innig, leidenschaftlich, intensiv und tröstend. Und als Snowcat ihn küsste, wurde ihr schlagartig bewusst, dass sie in Harlequin verliebt war.


                                                             UC - UNIVERSAL CONSULTANTS - UC

                              UC - Unknown Consequences -das TOP-Runnerteam aus Seattle- You See!


Was die Zukunft für Snowcat und die Runner von UC bereit hält, wird demnächst hier zu lesen sein. Schau also bald mal wieder vorbei, omae.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*