Termin 26/12 am 05.10.12 Run 40/4

Der Spieler von Average/Gumshoe war nicht dabei!

Die Ereignisse fügen sich nahtlos an die des vorherigen Spieltermins an und sind aus dem Blickwinkel von Snowcat beschrieben.

Die Runner sind auf der Suche nach dem zweiten Teil von Shantayas Kompass, einer außergewöhnlichen Kette, die auch ohne die ihr innewohnende Magie wertvoll ist. (Achtung, enthält Spoiler für "Dawn Of The Artifacts Part 4: New Dawn" by Catalyst Game Labs.) Die Spur dieser Kette führt die Runner in die sich bewegende Stadt Karavan. 


Snowcat reckte uns streckte sich genüsslich. Ihr Commlink erinnerte sie mit einem Signalton daran, dass es Zeit war, das Färben von Haut und Haar in Gang zu halten. Sie zog einen Taschenspiegel aus ihrer Bauchtasche und warf einen Blick hinein. 

„Ey, Twinbow“, meinte die noch schläfrig klingende Stimme von Riven, die schöne Zauberin gähnte, „´atten wir gestern Nacht nicht noch zwei Decken?“ Ihr französischer Akzent gepaart mit dem noch verschlafen klingenden Ton, verlieh ihr etwas Unschuldiges.

Twinbow zuckte mit den Schultern, „Weiß nicht. Aber war Dir kalt?“

Riven grinste leicht, „Nein, das nicht.“, ihr Gesichtsausdruck wurde wieder ernst, „aber wenn man uns die Decke geklaut hat, hat man uns vielleicht noch was anderes weggenommen.“ Die zierliche Hexe fing an, ihre Sachen zu kontrollieren. 

Average seufzte und stöhnte: „Man! Mir tut echt alles weh, hier auf dem harten, kalten Boden schläft es sich echt scheiße. Wenn uns jetzt noch jemand was geklaut hat dann...“

Sunrise unterbrach ihn, sein russischer Akzent war stark wie eh und je: „Average mein bester. Du sprichst nicht Japanisch.“

Average verzog skeptisch das Gesicht: „Äh, nein, wie kommst Du darauf?“

„Weil ich Dich verstanden habe.“, er grinste jungenhaft und führte aus, „es war doch abgemacht, dass Du hier in Karavan nur noch japanisch sprichst. Und was das andere angeht. Mach Dir keine Sorgen, niemand hat uns etwas gestohlen, Blackstone und ich haben die gesamte Zeit über Wache gehalten.“

Snowcat strich derweil zwei dicke Decken glatt und legte sie ordentlich zusammen. 

Twinbow lachte: „Ja genau Average Du sprichst gar nicht Japanisch.“

Average wirkte ein wenig beleidigt: „Aber über den Teamkanal kann ich die Sprache sprechen, die ich will! Auch Englisch.“

„Schade.“, kam es von Twinbow und Sunrise beinah gleichzeitig. Twinbow sah sich um: „Aber so richtig mit Stil haben die es hier wirklich nicht und das Essen ist auch mehr so Lala.“ Er trank einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht, „Bäh und der Kaffee ist ein widerliches Gebräu.“

Mystique wandte sich an Twinbow und fragte herausfordernd: „Welche Sprachen sprichst Du denn eigentlich so außer Englisch?“

Twinbow überlegte: „Deutsch.“

Mystique schüttelte den Kopf: „Das ist nicht gut, das versteht man hier vielleicht.“

„Polnisch.“

„Das ist noch schlechter. Was noch?“

Twinbow überlegte etwas länger und sagte dann: „Sperethiel.“

Mystique schien zufrieden. „Gut, Sperethiel. Sprich Sperethiel, das dürfte hier auch keiner verstehen und das ist besser für uns alle.“

Average warf Twinbow einen grimmigen Blick zu, der zu sagen schien: ,Ha! Da siehst Du mal, wie das so ist.‘

Mystique betrachtete Riven und Twinbow kurz abschätzig und stellte dann fest, dass die beiden als Einzige im gesamten Lager keine herkömmlichen Schusswaffen trugen. Riven war dieser Umstand auch schon aufgefallen und sie ließ sich zur Abschreckung gerne eine Pistole aus Mystiques Koffer leihen. Nach einem weiteren kleinen Wortgefecht zwischen den beiden Elfen, nahm sich auch Twinbow eine Pistole. Mystique fügte noch hinzu: „Das ist kein Geschenk, sondern eine Leihgabe und Twinbow, nimm auch von niemanden sonst Geschenke an und verteil auch keine, wir wollen ja nicht, dass Du am Ende noch verheiratet bist und hier bleiben musst.“

Twinbow verbeugte sich und meinte übertrieben charmant auf Sperethiel: „Viele Dank Mystique, es erfreut mich sehr, Deine Sorge um mich zu bemerken.“

Mystique spiegelte seine Verbeugung und sagte ebenfalls auf Sperethiel: „Gerne doch. Ich wäre wirklich untröstlich, wenn dem ,Loverboy‘ von Riven etwas geschieht.“

Riven stupste Twinbow neckisch an: „Hat sie eben Loverboy zu Dir gesagt?“, Snowcat glaubte eine winzige Spur von Eifersucht in Rivens Stimme zu hören.

Riven erhielt ihre Antwort in Form eines kurzen Kopfschüttelns, eine weitere Erklärung blieb aus, denn in diesem Moment kamen zwei Kizil Kristall, um sie abzuholen und zum Lobo zu bringen. 

Der Rädelsführer strahlte Snowcat förmlich an. Höflich ließ er ihr den Vortritt und begann einen lockeren Smalltalk. Dann erblickte er das Loch samt Beule im Lobo und machte große Augen. Er sprach türkisch: „Oh, das ist aber ein großer Kratzer, was habt ihr zum Tauschen?“ Snowcat zählte ein paar ihrer mitgebrachten Güter auf. „Das können die Kizil Kristall nicht reparieren. Das ist ein Fall für die Lasso, aber für zwei Medkits stelle ich den Kontakt her!“ Sie einigten sich auf ein Medkit. 

Average verschwand in seinem Kokon, Riven und Twinbow blieben beim Lobo und begannen damit schon mal aufzuräumen, so gut es eben ging. 

Sunrise und Gumshoe wollten sich etwas zu Trinken ertauschen gehen. 

Mystique gab Snowcat ein Zeichen und teile ihr so mit, dass sie sich mal in Ruhe in Karavan umsehen wollte. So war Blackstone der einzige, der Snowcat zu den Lasso begleitete. 

Das Bild der Stadt änderte sich ein wenig, als sie ein anderes Kreissegment des Lagers betraten. Die Fahrzeuge, die nun zu sehen waren, waren stärker gepanzert, top gepflegt und mit weniger Schnickschnack drumherum aufgebaut worden. Dann näherten sie sich eine kleineren Wagenburg, an deren Eingang Wachen standen. Ihr Führer unterhielt sich kurz, schnell und gestenreich mit einer der Wachen. Irgendewann wechselte irgendetwas den Besitzer und dann verabschiedete sich der Mann bei ihnen. „Hier wird man Ihnen weiter helfen. Wir sehen uns sicher bald.“

Die Wache rief einen Jungen herbei, der schnell ,Remi‘ bescheid sagen sollte. Snowcat sah zu Blackstone, der ruhig und gewissenhaft die Lage peilte. Mit ihm unterwegs zu sein, war wirklich angenehm. 

Der Junge kam zurück, man winkte sie ins Innere der Wagenburg und brachte sie zur Werkstatt von Remi. Hämmern und das charakteristische Geräusch von Schweißgeräten, hätte sie auch ohne Führung in die richtige Richtung gelotst. Drei große LKW‘s waren so zusammen gestellt und überdacht worden, dass sie eine richtige Werkstatt bildeten. Es gab Kräne, eine Hebebühne und ein Empfangskomitee aus neugierigen, überwiegend männlichen Metamenschen. Einige stupsten einander an und deuteten mit den Köpfen in Richtung von Snowcat. Die Lasso waren gegenüber den Kizil Kristall besser bewaffnet, aber vor allem waren ihre Waffen eindeutig besser gepflegt. 

Ein Pfiff ertönte und die Gruppe aus Metamenschen löste sich auf und verteilte sich in der Werkstatt, nur einer blieb am Eingang stehen und deutete in den hinteren Teil. 

Snowcats erster Blick fiel auf drei junge, männliche Metamenschen, einen Menschen und zwei Orks, die sich um einen Tisch gescharrt hatten. Hinter dem Tisch stand ein Hüne von einem Troll, der in einen Overall im Tarnmuster gekleidet war. Er war nicht sonderlich hübsch, schließlich war er ein Troll, aber als er einen Karton mit Waffenteilen über dem Tisch der Jungen auskippte, grinste er und zeigte eine Reihe gepflegter Zähne, was zumindest mal ein guter Anfang war. Snowcat schluckte ihre Vorurteile hinunter und setzte ihrerseits ein freundliches Lächeln auf. 

Der Troll schien Snowcat und Blackstone erst zu bemerken, als sich die Jungen bereits begeistert auf ihr Waffenpuzzle gestürzt hatten. Blackstone flüsterte Snowcat halblaut zu, „Ich sehe da grob geschätzt Teile, die gut zu einem Dutzend unterschiedlicher Waffen gehören, keine leichte Aufgabe!“ Snowcat grinste kurz bei der Erinnerung an die Aufgaben, die sie vor Jahren bei den Ancients bekommen hatte. 

Der Troll wischte sich seine Hände ordentlich mit einem Tuch ab, welches einem Kind locker als Decke gereicht hätte. Eine Geste, die nicht unbedingt nötig gewesen wäre, da seine Hände nicht ölverschmiert gewesen waren, aber Sauberkeit war immer etwas, was Snowcat mit Wohlwollen bemerkte. 

Das Gesicht des Trolls erstrahlte förmlich und er kam direkt auf Snowcat zu. Er sprach Englisch und sein Englisch hatte einen französischen Akzent: „Welch Glanz in meiner bescheidenen Hütte. Enchanté Madamoiselle. Ich bin Remi und ich bin überaus erfreut sie kennen zu lernen.“ Er streckte seine Hand aus, um nach Snowcats Hand zu greifen, dann deutete er mit überraschender Sanftheit einen Handkuss an. Blackstone blieb wachsam, wirkte aber nicht sonderlich angespannt. Offenbar hatte er ein gutes Gefühl bei Remi. 

Natürlich musste sich auch Remi den Schaden am Lobo erst einmal ansehen. „Oh ha!“, sagte er nur. Dann klappte er sein elektronisches Monokel vor und begutachtete den Schaden genauer. „Das Teil ist ja brandneu und ,made‘ in Hong Kong. Warum hat sich denn Euer Pilot da so ein Loch reinstanzen lassen?“

Snowcat lächelte niedlich: „Die Kampfpiloten waren gut, und es war sein erster Flug mit dem Lobo.“

Remi riss die Augen weit auf und ein Hauch von Empörung zeichnete sich darin ab. „Ihr lasst einen Anfänger an ein nagelneues Multi-Millionen-New-Yen-Teil?“

„Naja, irgendwann muss man damit ja mal anfangen.“

Average fluchte auf Japanisch über den Teamkanal über Remis Äußerung, und Snowcat lernte einige neue Worte. Remi sah Snowcat entschuldigend an: „Ich wollte Dir natürlich nicht zu Nahe treten, aber ich kann es nicht leiden, wenn man mit seinen Sachen unpfleglich umgeht.“

Snowcat lächelte: „Dann haben wir ja etwas gemeinsam. Und, was wird uns die Reparatur kosten?“

Remi sah sich um, „Was habt ihr denn zum Tauschen.“ Nachdem Snowcat ihre Güter aufgezählt hatte, kratzte er sich am Kopf: „Was ist mit dem neuen, unbenutzten Geschützturm da.“

Snowcat verneinte: „Ich befürchte, den brauchen wir noch.“

Remi wollte etwas antworten, sah Snowcat dann kurz in die eisblauen Augen, ließ den Blick an ihr herab gleiten, zögerte, überlegte und meinte dann, „Schade. Ähm. Ihr habt nicht zufällig Magier dabei? Es gibt hier ein paar Wagen, in denen müssten Hüter aufgestellt werden. Kann jemand von Euch so etwas?“

Sie einigten sich bei vier Hütern. 

Im Anschluss musste der Lobo in die Werkstatt gebracht werden. Hierzu musste ,Häuser‘ in Karavan verschoben werden, was die Runner so einiges an Kleinteilen, Milchpulver, Kaffee und Kakao kostete. Noch während der Lobo zur Werkstatt gebracht wurde, stieß Mystique wieder zu ihnen. Sie hatte für hier typische Kleidung getauscht und sie hatte dabei an jeden von ihnen gedacht. Snowcat bekam ein Kleid und einen Wollumhang. Zum Schluss zauberte sie noch für jeden einen Beutel hervor, in dem man hier seine Tauschware mit sich führte. Außerdem hatte sie identische afghanische Mützen für Twinbow und Sunrise mitgebracht. Der Elf betrachtete sie missbilligend, setzte seine dann aber auf. 

Kurz nachdem sie die Werkstatt erreicht hatten, gesellten sich auch Sunrise und Gumshoe wieder zu ihnen. Sunrise hatte weniger Probleme damit, die Mütze zu nutzen, ohne zu zögern setzte er sie auf und grinste. Die beiden Menschen hatten es tatsächlich geschafft, eine Kiste russischen Wodka gegen ein paar Stunden Waffen-Pflegearbeit zu tauschen. Stolz präsentierten sie ihren Schatz und öffneten sofort ein Flasche. 

Average zog sich wieder in seinen Kokon zurück, Karavan war so gar nicht nach seinem Geschmack. Zum Glück hatten sie auf dem Flug hierher genügend Cola besorgt, so sank seine Laune wenigstens nicht völlig in den Keller.

Remi und seine Crew begannen augenblicklich damit, sich an die Reparatur des Lobo zu machen. Die ersten zwei Stunden ging Snowcat Remi dabei zur Hand, so gut sie konnte. Sie plauderte mit dem Troll über dieses und jenes und erfuhr dabei unter anderem, dass er früher bei der Fremdenlegion gewesen war und es ihn schließlich über Umwege hierher zu den Lasso verschlagen hatte. Nach diesen zwei Stunden hatte die Elfe eine Möglichkeit in der Tasche, um mit dem Troll jederzeit in Kontakt zu treten. Sie war zufrieden, schließlich konnte man nie zu viele Kontakte haben. 

Twinbow und Sunrise kamen zu ihr geschlendert. Sie hatten sich unterdes gegenüber am größten Waffenstand der Lasso umgehört. Twinbow grinste Snowcat schelmisch an: „Weißt Du was? Der Typ da drüben, der guckt gar nicht auf Dich, der interessiert sich nur für Deine Fubuki.“

In übertriebenem Entsetzten riss Snowcat die Augen weit auf und meinte empört: „Oh nein! So etwas kann ich gar nicht ertragen! Ich fühle mich so gekränkt, wahrscheinlich habe ich meinen Charme verloren, da muss ich wohl augenblicklich abreisen und Euch alleine zurücklassen.“ Dann wurde sie todernst und sagte ruhig: „Vergiss es, Du kannst meine Fubuki nicht haben, egal, was Du sagst.“

„Hab ich danach gefragt?“, meinte Twinbow nur.

Blackstone grinste breit, Snowcat zwinkerte ihm zu. 

Auf ihren Rundgängen hatten Twinbow, Sunrise, Mystique und Gumshoe Informationen zusammengetragen, die sich auf Folgendes kürzen ließen. Man konnte sowohl bei den reichen Asma, mit ihren prächtig geschmückten Wagen und Zelten, als auch bei den kriegerischen und stolzen Celljucoak Schmuck erwerben. In den letzten 10 Tagen war eine überschaubare Menge an Yabanci, -so nannte man Leute von Außerhalb in Karavan-, hier gewesen und einige wenige von ihnen hielten sich immer noch hier auf. 

Langsam war es an der Zeit sich direkter nach der Kette umzuhören. Bis auf Average, der im Lobo in der Werkstatt bleib, um aufzupassen, machten sich am Nachmittag des 29.03.2072 alle Runner gemeinsam auf den Weg und zogen mit Tauschware, die sie in Säcken trugen, durch Karavan. 


Schnell wurde klar, dass die Asma in den letzten zwei Wochen keinen Handel mit einem Yabanci betrieben hatten, also blieb der Celljucoak-Stamm übrig. Nach einer weiteren halben Stunde des Umherlaufens, hatten sie einen Namen, Serek, und den Standort eines Zeltes, in dem Serek wohnte. Diesmal drangen sie tiefer in das Segment des riesigen Lagers ein, welches der Stamm stolzer Krieger sein Eigen nannte. Auch hier war jeder bewaffnet, aber es blieb dabei, die Waffen der Lasso waren besser gepflegt, doch der Stolz in der Haltung eines jeden Celljucoak war unverkennbar. 

Der türkische Ork mittleren Alters begrüßte die Runner zuvorkommend und freundlich. Gerne bat er die Yabanci, von denen er schon so viel gehört hatte, in sein stillvoll eingerichtetes Zelt. Die Mischung aus praktisch und verziert verschmolz hier zu einem gelungenen Konzept. Die Runner setzten sich auf Kissen und Serek bot Tee an, kein Geschenk, sondern einfach nur Gastfreundschaft. 

Immer wieder lächelte der Ork Snowcat zu und schnell war klar, dass er nur als zu gern ein Geschäft mit ihr abschließen würde. Snowcat streckte ihre magischen Fühler aus und kam, ebenso wir Riven, zu der Erkenntnis, dass hier in der nahen Umgebung absolut nichts magisch war. Als Snowcat jedoch die Kette beschrieb, verriet Sereks Körpersprache ebenso wie seine Aura, dass er von einer solchen Kette schon mal gehört hatte, obwohl er ein wirklich gutes Pokerface aufgesetzt hatte, als die Beschreibung zur Sprache gekommen war. 

Snowcat hatte etwas von einer Zwillingskette erzählt, die sie suche und Serek wollte gerade direkt darauf eingehen, als eine stolze, hochgewachsene, gut aussehende menschliche Frau, die eine Panzerjacke über ihrer Kleidung trug und ihr dunkles Haar zu einem festen Zopf geflochten hatte, das Zelt betrat und sich mit gebieterischen Blick umsah: „Was ist hier los?“, fragte sie. Sie war recht ansehnlich -für einen Menschen- und strahlte Autorität aus. 

Serek erhob sich beflissen und die Runner folgten seinem Beispiel. „Wir sitzen wegen Geschäften beisammen.“, erklärte der Ork. 

Erst als sich die Frau gesetzt hatte, setzte sich auch Serek und wieder folgten die Runner seinem Bespiel. 

„Ich bin Yasamin, die Tochter von Ozgar.“, stellte die Frau sich vor. Ozgar war der Name der Sultanin des Stammes, soviel hatten sie schon gehört.

Snowcat stellte ihrerseits die anwesenden Runner der Reihe nach vor. Yasamins Blick blieb an Twinbow kleben und sie musterte ihn unverhohlen interessiert und wandte ihren Blick auch nicht von ihm ab, als sie Snowcat fragte: „Was für Geschäfte genau?“

Snowcat erzählte von der Kette, Yasamin nickte und sagte: „Twinbow, ich kann Dir sagen, wo die Kette ist.“

Twinbow war überrascht, so direkt angesprochen zu werden. Augenblicklich trafen mehrere Warnungen auf seinem Commlink ein, denn Snowcat war nicht die einzige, die schrieb: ,Achtung, dass ist ein Geschenk, sie will dich heiraten!‘

In Snowcat machte sich Anspannung breit. Es war für sie unübersehbar, dass Riven kurz davor stand, in irgendeiner Form einzuschreiten. In der Hexe brodelte es heftig. 

Twinbow zögerte, dann sagte er langsam: „Es tut mir leid, aber ich kann das Angebot nicht annehmen.“

Yasamin brauste auf: „Das ist ein Nein? Du lehnst mein Angebot ab?“, ihre Wut war ebenso unverhohlen, wie es zuvor ihr Interesse gewesen war. 

Twinbow nickte ungerührt, „Ich fühle mich geehrt, aber ich bin derzeit bereits mit einer anderen verbunden.“, er deutete mit dem Kopf in Richtung von Riven. „Das reicht mir völlig.“

Snowcat schlug sich innerlich mit der Hand gegen die Stirn. Riven nickte zufrieden. Yasamin entspannte sich ein wenig: „Na und? Die Yassa erlaubt viele Ehegatten, das ist also kein Problem.“

Twinbow widersprach: „Die Yassa mag das erlauben, aber mein Kopf sagt etwas anderes.“

Beinah hätte Snowcat sich wirklich mit der Hand gegen die Stirn geschlagen. Blackstone neben ihr spannte vorsichtshalber seine Muskeln an.

Yasamin sprang wutentbrannt auf und tobte: „Du bleibst bei Deinem Nein?“ Sie holte tief Luft, um ihren Zorn ein wenig zu kontrollieren, „Die Verhandlungen werden im Haus der Sultanin weitergeführt. Serek, bring die Yabancis dahin.“ Hoch erhobenen Hauptes stampfte Yasamin davon.

Kleinlaut meinte Serek: „Wenn Ihr mir bitte folgen würdet.“

Snowcat nickte lächelnd und atmete innerlich auf, zum Glück war Riven nicht ausgerastet, so konnte alles noch gut werden. Sie flüsterte Twinbow auf Sperethiel zu: „Solltest du jemals wieder in eine solche Situation kommen, dann lüg bitte, was das Zeug hält und erzähl etwas von einem heiligen Eid, der Dich daran hindert, einer Frau nahe zu sein.“

Twinbow blickte ungläubig drein: „Wieso?“

„Weil man einer Frau in einer überlegenen Position niemals sagt, dass man ihr eine andere Frau vorzieht!“

Twinbow zuckte nur mit den Schultern und Mystique sagte zynisch: „Du bist einfach der Schärfste, Loverboy, Dir kann keine widerstehen. Ud warum in aller Welt hast Du nicht Sperethiel gesprochen?“

Twinbow konnte nicht verbal zurückschlagen, denn in diesem Moment erreichten sie das Zelt der Sultanin und wurden unter Bewachung hinein geführt. 

Yasamin sprach noch ein paar Worte mit einer Frau, die sicher in ihrer Jugend der Schönheit ihrer Tochter in nichts nachgestanden hatte. Irgendwann in ihrer Vergangenheit hatte Ozgar jedoch beschlossen, dass Kriegerinnen kräftig gebaut sein mussten, was ihr einen Großteil ihrer Weiblichkeit genommen hatte. Snowcat schätze die Frau auf Ende vierzig bis Anfang fünfzig. Ihr dunkelbraunes Haar trug sie zu vielen Zöpfen geflochten, die  dicht am Kopf entlang liefen. Sie wandte sich den Runnern zu und wies mit neutralem Gesichtsausdruck auf eine gemütliche Sitzgruppe aus Kissen am Boden. Yasamin zog sich in den Hintergrund zurück. Nachdem Ozgar und Runner sich gesetzt und einander vorgestellt hatten, wurde ihnen Tee und Gebäck serviert. Dann begann die Sultanin in relativ milden, aber befehlsgewohntem Ton: „Die Verhandlungen mit meiner Tochter sind gescheitert, aber vielleicht können wir ja doch noch zu einer Einigung kommen.“

Snowcat schlug zunächst kurz einen falschen Weg in den Verhandlungen ein, indem sie vorgab, so wichtig sei ihnen die Kette gar nicht, doch zum Glück bemerkte sie ihren Fehler schnell genug und konnte ihn korrigieren, bevor auch Ozgar die Fassung verlor.

Ozgar hatte zu Snowcat Erleichterung keinen für das Team unerfüllbaren Handel im Sinn. Natürlich hätte Snowcat Riven bitten können, der Frau die nötige Information aus dem Schädel zu saugen, aber sie wusste nur all zu gut, welche Abneigung die schöne Hexe dagegen verspürte. 

Seit Frosty das mal als ,Gehirnvergewaltigung‘ bezeichnet hatte, stieß sie selbst bei dem Gedanken an solche Mittel zwar immer noch nicht sauer auf, aber wenn es anders ging, war es ihr nur recht. Sie verwarf den Gedanken an eine moralische Diskussion mit sich selbst schnell, denn hier ging es ja anders.

Ozgar wies auf den Tisch weiter hinter sich, auf dem eine Landkarte der Umgebung aufgeblendet war. „Ich beabsichtige meine Krieger noch heute Nacht loszuschicken, um Fahrzeuge in Yargul Ghara zu besorgen. Wie wäre es, wenn Sie sie dabei unterstützten?“

Snowcat nickte und überlegte kurz: „Das hört sich nach einem guten Vorschlag an. Allerdings habe ich zuvor eine Frage. Ist Karavan bereits länger als drei Tage hier in der Gegend?“

Die Sultanin lächelte erfreut: „Gut das Sie die Yassa aufmerksam gelesen haben. Ja, wir sind bereits seit mehr als einer Woche hier.“

Die Verhandlungen begannen und endeten schon bald darauf erfolgreich, denn Ozgar wusste genau, was sie wollte. Das Team würde noch heute Nacht begleitet von vier Celljucoak in zwei Wagen in Richtung der Kleinstadt aufbrechen. Wenn sie von dort mit mindestens zwei erbeuteten Fahrzeugen zurückkommen würden, würde die Sultanin ihnen im Austausch die Aufenthaltsort der Kette nennen. Außerdem überlies sie die Planung und die Wahl der Vorgehensweise dem Team. 

Noch bevor die untergehende Sonne Karavan in ein orangenes Licht getaucht hatte, stand der Plan.

Mystique, die nach kurzer Überlegung mit Twinbow und Riven in einem Team sein würde, grinste Snowcat wölfisch an: „Dafür hab ich was gut bei Dir.“ Dann zeigte sie auf Blackstone, „Und bei dir auch!“


Nicht einmal zwei Stunden später lagen sie 1,5 km von Yargul Ghara entfernt auf dem kargen Boden von Afghanistan und betrachteten die Bilder, die Snowcats kleine Flugdrohne lieferte. Die beiden Pick Up‘s der Celljucoak warteten wenige Meter hinter ihnen versteckt hinter einem Hügel. Den Rest des Wegs würden die Runner zu Fuss zurücklegen. Sie bestätigten die Ziele und Back-Up Ziele, die sie ausgesucht hatten, falls die erste Wahl keine ausreichende Menge Benzin im Tank haben sollte. Dann suchte Snowcat mit Hilfe der Sensoren die Soldaten der Stadtmiliz, die in ihrem Zielgebiet Patrouille liefen und gab der Drohne den Befehl den bewaffneten Männer zu folgen. Jedes Team kannte seine Route und wusste dank Twinbow um die Sicherheitsvorkehrungen, die es zu beachten gab. 

Schnell hatte Snowcat Team B, mit Sunrise und Gumshoe und Team C, bestehend aus Mystique, Riven und Twinbow aus den Augen verloren, nur über ihr Netzwerk konnte sie noch sehen, wo die anderen waren. 

Blackstone schlich zunächst hinter ihr durch das Gelände, dunkel, wie seine Haut nun mal war, war er nachts nur schwer zu entdecken, aber Snowcat konnte seine vertraute Gegenwart spüren. Es war nun bald ziemlich genau zwei Jahre her, als sie zum ersten Mal gemeinsam geschlichen waren. Sie lächelte in sich hinein. Ja, Blackstone hatte recht, sie hatten sich seitdem verändert, aber irgendwie auch nicht.

Heimlich still und leise traten sie keinen einzigen kleinen Stein beiseite, als sie sich über den Boden bewegten.

Als sie die kleine Stadt erreicht hatten, wurden Snowcats Schritte sogar noch sicherer. In urbanen Gegenden war sie nun einmal aufgewachsen. Unzählige Male hatte sie bereits mit den Ancients LKWs und andere Nutzfahrzeuge gestohlen. Sie wusste genau, was zu tun war und wie man die Schatten einer Stadt zu Deckung nutzen konnte. 

Auf ihrem Weg zum Zielobjekt hatten Blackstone und Snowcat kein einziges Wort miteinander gewechselt, so, wie es ihnen am Liebsten war. Noch lieber wäre es ihnen gewesen, wenn auch von Team B und C nichts gekommen wäre. Aber Gumshoe und Sunrise ließen den einen oder anderen Kommentar zum Weg und der traurigen Stadt ab und auch über den Kanal von Riven und Twinbow kamen ein paar Bemerkungen, die sie offenbar machen mussten. Funkstill wurde es erst, als sie sich ihren Zielwagen innerhalb der Stadt näherten. 

Hier angekommen blendete Snowcat sowieso alles in den Hintergrund. Das große SUV, was sicher schon einige Meilen auf dem Buckel hatte, lag friedlich vor ihnen. Sie warteten ab, bis alle Teams in Position waren, er dann schlugen sie zu. 

Blackstone übernahm das Schmiere stehen, als sie sich am Wagen zu schaffen machte. Snowcat vertraute ihm völlig und blickte sich nicht um. Nach wenigen Sekunden ertönte ein Knacken, das anzeigte, dass der Wagen offen war. 

Snowcat blickte erfahren unter das Auto, um sicher zu stellen, dass ihnen niemand Steine in den Weg gelegt oder andere Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatte. Dann öffnete sie die Tür und ließ sich auf den Fahrersitz fallen. Blackstone stieg auf der anderen Seite ein und setzte sich neben sie. 

Sie schloss den Wagen kurz, obwohl Kurzschließen natürlich nicht mehr das technisch korrekte Wort für den Vorgang war. Die elektronischen Anzeigen im Inneren erwachten zum Leben. Der Tank war noch zu drei Vierteln voll. Snowcat sorgte dafür, dass die Scheinwerfer ausblieben, wenn der Wagen gestartet wurde, gab ihr Go und wartete dann auf das entsprechende Signal von Team B und C

Kurz darauf gab auch Team B ,grünes Licht‘. 

„Man, Gumshoe, mach hinne. Wie sind die letzten.“, drängelte Sunrise

Gumshoe räusperte sich: „Es ist wohl nachträglich ein besseres Schloss eingebaut worden, es dauert noch einen Moment.“

Blackstone und Snowcat grinsten einander an. Weitere Sekunden verstrichen, dann kam auch von Team C das Go.

Als der Diebstahl von den Bewohnern entdeckt wurde, hatten die Diebe schon fast den Treffpunkt mit den Celljucoak erreicht, die sich zwar sehr freuten, aber sich dennoch professionell verheilten und keine Freudenschüsse abgaben. 

Alles war erwartet glatt gelaufen.

Auch Ozgar war mehr als zufrieden mit dem Ergebnis. Es gab sogar ein Festessen und der Stamm feierte. Fahrzeuge waren offenbar ein wirklich wertvoller Besitz in Karavan. Yasamin ließ sich bei der Feier nicht blicken.

Gumshoe und Sunrise hingegen stiegen sofort ins Party machen mit ein. Alkohol ging für sie wohl immer. Ihren frischen Vorrat an Wodka hatten die zwei inzwischen um ein Drittel geleert, da konnte kostenloser Nachschub nicht schaden, egal welcher Art er auch sein mochte.

Riven und Twinbow gaben ein harmonisches Bild hab, aber sie hielten sich mit Zärtlichkeiten zurück, um die Tochter der Gastgeberin nicht weiter zu reißen, sollte sie doch vorbeischauen. 

Ozgar wandte sich direkt an Snowcat: „Gute Arbeit. Ich würde mich freuen, wenn sie alle heute Nacht meine Gäste wären.“

Snowcat lächelte: „Danke, das Angebot nehmen wir gerne an.“

„Schön zu hören. Nun will ich meinen Teil des Geschäfts einhalten. Wir haben die Kette vor einigen Tagen von ein paar Yabancis erworben und sie dann unserer Stammes-Spende zum Wohle Karavans hinzugefügt. Die Kette befindet sich also bei den Kapitänen auf der Aman Iki. Normaler Weise ist es üblich, die Spende zu Ehren des Spenders ein Jahr lang nicht zu verkaufen. Sie müsste also noch an Bord sein.“

Snowcat nickte: „Das heißt also, wir müssen mit den Kapitänen der Aman Iki sprechen.“

Ozgar seufzte kurz: „Was nicht ganz einfach ist. Für solche besonderen Geschäfte braucht man eine Einladung auf das Luftschiff, die nicht leicht zu bekommen ist. Außerdem werden die Verhandlungen immer nur geführt, wenn Karavan in Bewegung ist.“

Snowcat trank einen schluck Tee und überlegte: „Könnten Sie uns eine Einlandung besorgen?“

Die Sultanin bewegte den Kopf ein paar mal hin und her und meinte dann: „Ja, generell schon...“

„Es ist alles eine Frage des Preises.“, ergänze Snowcat.

Twinbow warf gelassen ein: „Na, immerhin haben wir ja einen Wagen mehr besorgt, als gefordert. Reicht das nicht?“

Ozgar lächelte leicht: „Ja, ich denke, darauf kann ich mich einlassen. Aber das ist nicht die wichtigste Frage. Ich kann mich für Euch verbürgen. Die wichtige Frage ist nur, was habt ihr den Kapitänen anzubieten?“

Snowcat zählte ihre Möglichkeiten auf, wobei ihr selber klar war, dass das wohl nicht reichen würde.

Ozgar wollte wirklich helfen und fragte deshalb: „Habt Ihr vielleicht einen Kontakt, der Karavan hilfreich sein könnte? Irgend jemanden in einer Regierung oder einem Konzern vielleicht?“

Snowcat überlegte, aber jeder, der ihr einfiel, war entweder kein verlässlicher Kontakt oder aber nicht wichtig genug. Allerdings konnte sie ja jemanden anderen fragen. Sie entschuldigte sich kurz, zog sich unter der Begleitung von Mystique und Blackstone an einen ruhigeren Ort zurück und setzte sich mit Average in Verbindung. Er nörgelte zwar, als er hörte, dass er über das Satelite-Uplink eine sichere Verbindung herstellen sollte, aber natürlich machte er es dann doch. 

Auch diesmal hatte sich in Snowcats Bauch ein warmes Gefühl ausgebreitet, als sie mit Ehran gesprochen hatte. Zum Glück kannte er wirklich jemanden, der diesbezüglich nützlich sein konnte. Nicht mal eine halbe Stunde später hatte Snowcat den Namen und die Comm-ID vom Hafenmeisters des Flughafens von Baku, wo es sogar eine Luftschiff-Werkstatt gab. Sicher ein wertvoller Kontakt für ganz Karavan. Ozgar versprach die Einladung zu besorgen.


Den nächsten Tag in Karavan verbrachten Snowcat und Riven damit, die Reparatur des Lobo zu bezahlen, indem sie Hüter aufstellen. 

Ozgar übergab ihnen am Abend die Einladung. Sie galt für das gesamte Team, also für bis zu acht Personen. Sie entschieden jedoch, dass Average und Gumshoe an Bord des Lobo bleiben sollten. 

Average nörgelte erneut: „Habt ihr mal daran gedacht, dass sich Karavan langsam wie eine Schnecke fortbewegen wird? Das heißt dann, ich sitz mit GUMSHOE als einzigen Schutz hier in der Landschaft rum und darf Euch alle 10 Stunden mal ein Stück hinterher hoppeln.“

Snowcat lächelte ihn an: „Dafür hast Du aber eine Satelite Uplink dabei und Du darfst jede Sprache sprechen, die Dir gefällt. Du bist nun mal der einzige, der die Velvet Two gut fliegen kann. Leider kann ich nicht mehr als eine Person zu Deinem Schutz abstellen, da ich nicht weiß, was uns an Bord der Aman Iki erwartet. Gumshoe bietet sich in diesem Fall einfach an.“ Dann sprach sie flüsternd weiter, „Außerdem würde ich gerne Shantayas Anhänger hier bei Dir lassen. Ich habe die Tasche mit einem TAG versehen und möchte Dich darum bitten, gut darauf aufzupassen. Bis auf Mystique weiß niemand, dass Du ihn jetzt hast, bitte belass es dabei. Ihn mit an Bord des Luftschiffes zu nehmen, ist einfach zu gefährlich. Wenn irgendetwas passiert, könnte jemand anderes beide Teile bekommen. Wenn Dir irgendetwas komisch vorkommt oder irgendwas Unvorhergesehenes geschieht und wir den Kontakt zueinander verlieren und Du Dir nicht sicher bist, dann frag bei Liam um Rat, aber denk daran, dass er nicht im Bild darüber ist, worum es genau geht.“

Average nickte und Snowcat wusste, dass sie sich bei all seiner merkwürdigen Art wirklich auf ihn verlassen konnte. Er würde sie nicht enttäuschen. 

Snowcat trieb noch einige Dinge auf, die Schmuckhändler so brauchten, um eine Kette auf ihre Echtheit zu prüfen. Dann trainierte sie unter den wachsamen Augen von Mystique und Blackstone, wie man unbemerkt eine Kette austauschen konnte. Schließlich war nicht davon auszugehen, dass sich an Bord der Aman Iki nur Metamenschen befanden, deren Verstand leicht auszutricksen war.


Karavan im Aufbruch zu erleben, hatte etwas davon, einen Ameisenhaufen zu betrachten. Man verstand nicht wirklich, was vor sich ging, aber dennoch schien jeder Einzelne zu wissen, was zu tun war und am Ende folgte alles dem selben Plan. 

Als Sunrise, Mystique, Riven, Twinbow, Blackstone und Snowcat vor der dicht über dem Boden schwenden Aman Iki standen, war Karavan bereits startbereit. Lager waren abgebaut, Materialien verstaut und alles stand in Fahrtrichtung beisammen. Snowcat empfand das als überaus beeindruckend. 

Unter dem imposanten Luftschiff hingen drei riesige Frachtgondeln. Die Rampe des Luftschiffes war offen und ließ einen Blick auf das außergewöhnliche Innere erhaschen. Natürlich hatte Snowcat nicht erwartet, dass es sich bei dem Kapitäns-Palast von Karavan um einen simplen Frachtcontainer handelte, aber so etwas wie einen pompösen Ballsaal aus einem Schloss der Renaissance hatte sie auch nicht erwartet.

Ein Zwerg, der in die Galauniform eines Offiziers gekleidet war, stand in gerader Haltung Eingang zum Luftschiff und wartete mit grimmigen Gesichtsausdruck auf sie. Er ließ sich die Einladung geben und sagte gelangweilt und monoton: „Willkommen auf der Aman Iki. Mein Name ist Tapio und ich bin Ihr Verbindungsoffizier für die Dauer ihres Aufenthalts an Bord. So kurz ihr Aufenthalt auch immer sein mag.“ Sein eiskalter Ton und sein überheblicher Blick strafte seine Worte lügen und er sprach Finnisch, was bis auf Snowcat und Mystique niemand sonst von ihnen verstand. 

Snowcat lächelte freundlich und charmant, so als ob Tapio seine Worte ernst gemeint hätte und antwortete ebenfalls auf Finnisch: „Nun, ich hoffe doch unser Aufenthalt dauert zumindest bis zur nächsten Landung der Aman Iki.“ Diese Bemerkung ließ die Mundwinkel ihres Verbindungsoffiziers kurz zucken. Na also, es ging doch, und dass Snowcat Finnisch sprach, schien ihm auch zu gefallen, „Sind sie alle des Finnischen mächtig?“, wollte er dann wissen.

Snowcat schüttelte den Kopf, ihre immer noch dunkelbraunen, extrem langen Haare, die sie locker zusammengebunden hatte, wogten dabei hin und her, „Leider nein, nur ich spreche Finnisch und das auch nicht besonderes gut.“

Tapio wechselte Kommentarlos ins Englische und wiederholte seine montone Begrüßung. 

„Vielen Dank für den höflichem Empfang, wir bitten um die Erlaubnis an Bord treten zu dürfen.“, sagte Snowcat, als er geendet hatte.

Tapio schenkte Snowcat ein flüchtiges Lächeln, bevor er einen Schritt beiseite trat und meinte: „Erlaubnis erteilt. Wenn ich Sie kurz einweisen darf?“

Twinbow musterte Tapio genau und sagte: „Du bist unser Verbindungsoffizier?“

„Ja, wie ich bereits sagte.“, antwortete dieser. 

„Dann bist Du also für unser leibliches Wohl zuständig?“, harkte der Elf nach.

Tapio lächelte kalt: „Oh ja, zögern sie nicht, mich jederzeit anzusprechen, wenn Sie etwas benötigen.“

Sunrise warf dazwischen, „Das sind dann aber keine Geschenke, sondern nur Gastfreundschaft, oder?“

„Selbst ver-ständ-lich. Sir!“, der Offizier betonte jede Silbe, so als spräche er mit einem Idioten.

Twinbow rieb sich erfreut die Hände: „Klasse. Dann hätte ich gern was zu Essen.“ Als er Snowcats Blick bemerkte, schaute er fragend zurück und erklärte: „Was denn? Ich hab Hunger.“

Snowcat ignorierte das und sagte stattdessen zu Tapio: „Wenn Sie vielleicht zunächst so freundlich wären, uns das Wichtigste an Bord zu erklären und uns unsere Unterkunft zu zeigen, wäre ich ihnen zu Dank verpflichtet.“

Wieder zuckten die Mundwinkel des Zwerges kurz, dann setzte er sich in Bewegung und begann die einstudierte Erklärungen herunter zu spulen, wie eine in die Jahre gekommene Stewardess. „Die Aussichtsdecks befinden sich oben und unten. Bitte halten sie sich fern von den Luftschleusen und betätigen sie auf keinen Fall...“

Nach 10 Minuten standen sie vor nummerierten Kabinentüren, hinter denen sich überraschend komfortabel eingerichtete Räume befanden. In jeder waren zwei Schlafkojen übereinander und obwohl sie durchaus auch acht Personen hätte sein können, teilte ihnen Tapio nur drei Kabinen zu. Er verabschiedete sich mit den Worten: „Zögern Sie nicht, mich jederzeit über die Bordkommunikation zu rufen, wie werden in sechs Minuten abheben.“ Er sah Snowcat kurz, aber fest in die eisblauen Augen und fügte hinzu: „Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt an Bord der Aman Iki.“ Was in Snowcats Fall eventuell auch der Wahrheit entsprach. 

Die Paarungen für die Kabinen waren schnell ausgemacht. Snowcat teilte sich ihre Kabine mit Mystique, Riven ging zu Twinbow und in der letzten Kabine verschwanden Blackstone und Sunrise. Allerdings warfen alle sechs nur schnell ihr Zeug auf die Kojen, denn sie alle wollten den Start des Luftschiffs über eine der Aussichtsplattformen miterleben. 


Als das Treiben unter ihnen kleiner wurde, schloss Snowcat kurz die Augen, um den Moment zu genießen. Das leise Summen der Luftschiff-Motoren verlieh der Fahrt etwas Erhabenes, was Snowcat sonst nur von ihrem Flug als Drake kannte. Sie schwebte über die Landschaft hinweg, genau so, wie in ihrem Traum vor zwei Nächten. Karavan bewegte sich mit erstaunlichen 50 Kilometern pro Stunde über die Strassen unter ihnen. 

Der Prunk der Asma wurde auf der Aman Iki geschmackvoll übertroffen und war hier allgegenwärtig. So kam etwas von dem Gefühl auf, sich auf einem Kreuzfahrtschiff des beginnenden 20.Jahrhunderts zu befinden. Allerdings gab es hier keinen luxuriösen Zimmerservice, der einem alles von einer Speisenkarte bringen konnte. Laut AR-Auslage war jedoch für das leiblich Wohl ausreichend gesorgt. Wann die Verhandlungen stattfinden würden, konnte Snowcat dem Text jedoch nicht entnehmen und so erkundigte sie sich ein paar Minuten später bei Tapio. Dieser erklärte ihr relativ freundlich, dass man nach ihnen rufen würde, dass aber alle Verhandlungen innerhalb der drei Tage, die ihre Reise bis zum Kaspischen Meer ungefähr dauern würde, beendet wären. 

Diese Aussage entlockte Average ein tiefes, genervtes Stöhnen, bevor er zu ersten Mal an diesem Tag aus der Reichweite ihres Teamnetzwerks verschwand. Zum Glück hatten sie ein Satelite Uplink dabei. 

Sie zählten drei weitere Gruppen Yabanci an Bord. 

Zunächst einmal waren da ein älteres Ehepaar, die in saubere, viel genutzte Marken-Explorer-Sachen gekleidet waren. Sie wurden von zwei bewaffneten Orks begleitet, bei denen es sich offenbar um ihre Bodyguards handelte. Ja, das Tragen von Waffen war an Bord der Aman Iki nicht verboten. Allerdings gab es Gefahrenzonen, in denen das Abfeuern von Waffen sehr wohl verboten war. Snowcat kam mit dem Ehepaar leicht und schnell ins Gespräch. Sie stellten sich ihr als Gritta und Henrik Petersen aus Norwegen vor. Beide hielten einen Anthropologie-Lehrstuhl an der Universität von Prag inne und waren Mitglieder der ALEF- Society. Sie hatten in der Nähe von Yargul Ghara den Verlauf von Ley-Linien studiert, ohne selbst magisch aktiv zu sein und sie sahen in der Aman Iki eine sichere und komfortable Reisemöglichkeit. 

Als sie später wieder Kontakt mit Average aufnahmen, konnte er diese Informationen bestätigen und eine Menge Bilder des Ehepaars, einen Wissenschaftsblog, Interviews und Dissertationen hinzufügen. Ihre Agenda war soweit bestätigt. 

Die zweite Gruppe von Yabancis war da schon außergewöhnlicher. Es handelte sich um sieben Japaner, die in ähnliche, gut sitzenden Anzüge gekleidet waren und klischeemäßig Sonnenbrillen trugen. Einer von ihnen unterschied sich ein wenig stärker von seinen Kollegen, denn er trug einen dunklen Bart der seinen Mund umrahmte und dann unter dem Kinn in zwei Spitzen herunter hing, er schien auch der ;Anführer‘ zu sein. Sunrise beäugte die Gruppe argwöhnisch und hielt dabei so viel Abstand wie möglich. „Scheiß Chinesen.“, verkündete er angewidert. 

„Japaner!“, korrigierte Snowcat leise. 

„Für mich sieht der Bart chinesisch aus. Japaner, Chinesen. Pah, diese Asiaten sehen doch alle gleich aus.“

Snowcat kam gar nicht dazu, weiter darauf einzugehen. Erstens unterhielt sie sich noch mit Gritta und zweitens trudelten gerade die Informationen von Rivens astralem Blick auf die Japaner ein. Vier von ihnen hatten sich mittelschwer mit Bio -und Cyberware verstärken lassen. Zwei weitere waren magisch und hatten immerhin ein Magieattribut von sechs auf der nach oben offenen Villeire-Skala. Der siebte, der mit dem Bart, barg die größte Überraschung in sich. Er hatte ein wenig seiner Essenz aufgegeben und sie durch Ware im Kopfbereich, hauptsächlich Augen und Ohren, ersetzt. Sein Magieattribut war etwas niedriger, als dass seiner Kollegen und ein mächtiger Reflexe-steigender Zauber wirkte permanent auf ihn, dessen feiner, glühender Ursprungsfaden irgendwo in den Himmel verschwand. Aber das war noch nicht alles. Denn seine Aura war die eines östlichen Drachen. Zweispitzbart war also ein Drake, der seine Aura nicht verhüllte. 

Snowcat trank einen Schluck Wasser und biss sich innerlich auf die Unterlippe, um besser nachdenken zu können. 

Derweil sah sich Riven die dritte Gruppe Yabanci ebenfalls astral an. Drei Frauen saßen beisammen, ein Zwerg, ein Mensch und ein Elf. Die Mädchen waren alle hübsch anzusehen und ihr Grad an Verdrahtung verhielt sich entgegengesetzt zu ihrer Körpergröße, was heißen sollte, dass die Zwergin am stärksten verdrahtet war. Riven hatte ihre Ausführungen kaum zu Ende gesprochen, als Twinbow auch schon über den Teamkanal verkündete, „Ich setzt mich mal zu den Mädels, mal sehen, was ich rausbekommen kann.“ Rivens schnaufende Antwort folgte augenblicklich. 

Twinbow fand leicht Anschluss an die Damen und nicht mal als er sich ihnen als Jan van Berg vorstellte, schoben sie ihn ab, sondern lachten stattdessen einfach. Die Elfe hieß Alecto, das Menschenmädchen Megara und die Zwergen-Frau nannte sich Tisiphone. Alles drei Furien aus der Griechischen Mythologie, wenn Snowcat sich nicht irrte. 

Sie irrte sich nicht, wie Average kurz darauf bestätigte. Außerdem fand der Mann im Lobo heraus, dass es sich bei den dreien um ein Runnerteam handelte, welches schon längere Zeit zusammenarbeitete. Als Twinbow sie nach dem Grund ihres Aufenthaltes an Bord befragte, gab Alecto an, dass sie mal eine Weile von der Bildfläche hatten verschwinden wollen und dass ihnen ein Flug ans Kaspische Meer da gerade Recht kam.

Average meldete sich bei Snowcat, die sich von den Petersons verabschiedete. „Du, aber über deine Gruppe Chinesen finde ich nichts.“

„Japaner.“ korrigierte Snowcat geduldig.

„Bist Du Dir sicher? Der Bartträger sieht aus wie ein Chinese,“, fragte Average nach.

„Ha, sag ich ja, die sehen alle gleich aus.“, kam es von Sunrise.

Snowcat blieb ruhig. „Ja, ich bin mir sicher.“

„Na denn eben Japaner, aber mit den Bildern, die Blackstone geschickt hat, kann ich nichts anfangen. Ruf doch noch mal durch, wenn Du einen Namen hast.“, Average unterbrach die Verbindung.

Snowcat sagte: „Na dann versuch ich mal einen Namen zu bekommen.“, schaltete den Teamkanal auf Textausgabe, das würde zwar zu einer verzögerten Ankunft der Worte ihrer Kollegen bei ihr führen, war dafür aber von ihrem Gegenüber so gut wie nicht mitzubekommen. Das Wasserglas fest in der Hand, schlenderte sie hüftschwingend umher  und an den Japanern vorbei.

„Die gucken Dir definitiv nach, auch wenn sie es unauffällig tun.“, kam es von Mystique.

Snowcat drehte eine Runde und näherte sich den Männern in Anzügen schließlich ein weiteres Mal, warf dabei absichtlich einen verstohlen-neugierigen Blick auf die Gruppe, so als gefiele ihr jemand daraus. Dann tat sie so, als wolle sie unbemerkt gehen, nur um dann extrem ungeschickt direkt in die Arme von zwei der verdrahteten Japaner zu stolpern, die sie sanft auffingen, bevor auch nur ein Tropfen Wasser verschüttet worden war. Snowcat wurde rot und entschuldigte sich augenblicklich. 

„Sehr glaubwürdig.“, bestätigte Mystique.

Snowcat tat so, als wolle sie gehen, doch der Bartträger hatte bereits angebissen. „Mein Name ist Masaaki Tokita. Vielleicht dürfen wir Sie noch zu etwas einladen Miss?“ Mit Japanischer Höflichkeit ging er nicht weiter auf Snowcats Ungeschick ein. 

Snowcat verbeugte sich angemessen; „Ich bin Cathrine Foxborough.“, ein wenig schüchtern fügte sie hinzu, „Ein frisches Glas Wasser wäre nett.“

„Arrggh,“ kam es von Riven, „Snowcat, was machst Du? Du hast doch jetzt Deinen Namen. Ach Merde. Könntet ihr zwei nicht damit aufhören, Euch gleichzeitig in Gefahr zu begeben! Ich kann Euch nicht beide im Auge behalten.“

Blackstone erwiderte: „Guck nach Twinbow, ich pass schon auf Snowcat auf.“

Masaaki stieg japanisch formvollendet auf Snowcats Smalltalk ein. Innerlich musste Snowcat ein wenig grinsen, als sie die Bemerkung machte: „Wie hier im Luftschiff zu reisen, so muss es sich anfühlen, wenn man selber fliegen kann.“

Masaaki neigte leicht den Kopf: „Das mag sein, aber dennoch empfinde ich diese Art der Fortbewegung als Verschwendung von Zeit.“

Tokita erklärte, dass er hier sei, um für seinen Konzern einen Geschäftsabschluss mit Karavan zu erwirken. Dann ging Snowcat dazu über, von einem Aufenthalt in Tenochtitlan zu berichten, woraufhin er lobte, wie weit Japan in Puncto Bekämpfung der Luftverschmutzung sei. Auf Masaakis Frage, welchen Ort sie Heimat nenne, antwortete Snowcat ohne zu zögern mit Seattle. Schließlich saß sie hier mit dunkler Haut und dunklem Haar und es würde schwer werden, sie nur an Hand ihrer Augen wieder zu finden. Snowcat schwärmte von der Schönheit des Seattler Zoos. Massakis Lächeln wurde eine Spur breiter und er sagte im charmanten Ton: „In Ihnen hat Seattle eine wunderbare Reiseführerin. Es schneit sich wirklich zu lohnen, die Stadt einmal zu besuchen.“

Blackstone kam diskret an sie heran und meinte: „Cathrine, auf ein Wort?“

Snowcat entschuldigte sich bei Maasaki, trat dann einen Schritt beiseite und beugte sich zu Blackstone hinunter. Blackstone flüsterte: „Sei bitte vorsichtig bei dem. Ich hab da ein ungutes Gefühl.“

Snowcat nickte: „Okay, ich komm zum Ende.“

Blackstone ergänzte ruhig, „Mach mal, wie Du meinst, aber geh nirgends allein mit ihm hin. Nicht mal zur Aussichtsplattform. Auch nicht, obwohl die Rundrum geschlossen ist.“

Natürlich hoffte Masaaki, dass Snowcat keine schlechten Nachrichten erhalten hatte und natürlich konnte sie ihn diesbezüglich beruhigen. Zum Abschluss wünschten sie sich gegenseitig Glück für ihre Verhandlungen, schließlich war es ja klar, dass sie beide nicht aus dem selben Grund an Bord waren. Snowcat konnte nur hoffen, dass dem wirklich so war. 

„Ich würde mich freuen, wenn wir uns beim Dinner sehen.“, erklärte der Japaner noch höflich.

Snowcat ging schnell zu Mystique und meinte halblaut: „Ach herrje Sharon, hast Du gesehen, wie ungeschickt ich wieder mal war?“  

Sie harkten sich unter und Mystique antwortete: „Naja, er hat es Dir ja nicht übel genommen.“ Über Commlink fügte sie hinzu: „Und er scheint sich wirklich gerne mit Dir unterhalten zu haben.“

Inzwischen hatte Average sich gemeldet und erklärt, dass der Name Masaaki Tokita auch der eines Managers von Yakashima, einem Japanischen AA-Konzern war. Allerdings hatte er betont, dass das kein Chinese sei und der Konzern-Mann auch keinen Bart hatte. Die Bilder stimmten seiner Meinung nach nicht überein. 

Nun, einen Bart konnte man sich wachsen lassen, aber immerhin gab es Unstimmigkeiten, die Snowcat zur Sicherheit im Hinterkopf behalten wollte. Zum Glück war ihre eigene Aura gut maskiert. 

Snowcat schaltete den Teamkanal auf laut und bekam gerade mit, wie Tisiphone sich erneut über „Jans“ Mütze lustig machte. Sie flirtete dabei heftig mit ihm. Die Zwergin fragte: „Was ist denn eigentlich mit den Schnallen, mit denen Du hier bist? Läuft da was?“

Nun, da Snowcat wieder bei Mystique saß, schien das für Riven das Stichwort zu sein, worauf sie gewartet hatte. Sie ging zu den Mädchen rüber.

Riven präsentierte ihnen ihre tätowierte ,Lillith-Insignie‘, als sie sich unter ihrem Namen Riven vorstellte, rief aber keine Reaktion mit dem Tattoo hervor. 

„Bist Du seine feste Freundin,“, fragte Tisiphone sofort.

Riven zögerte mit ihrer Antwort: „Fest würde ich nicht unbedingt sagen.“

Tisiphone grinste breit: „Das heißt, Du verborgst den auch mal?“

Riven zögerte erneut und sagte dann ungewohnt leise: „Das kann er selbst entscheiden.“

Die Zwergin sah sofort wieder Twinbow an: „Und wie sieht es aus, Lust auf ein bisschen Extra-Spass?“ Als Twinbow nicht sofort antwortete, fragte sie nach: „Oder ist sie doch Deine feste Freundin?“

Snowcat sandte eine Nachricht zu Twinbow: „Was immer Du auch sagst, lehn Tisiphones Angebot bitte eindeutig ab, Riven steht total auf Dich und wenn Du nun gleich mit einer anderen losziehst, würde sie das verletzten, auch wenn sie es niemals zugeben würde.“

Snowcat konnte Rivens Anspannung beinahe spüren, so greifbar war sie für sie. 

„Sagen wir mal so,“ begann Twinbow, „Momentan kann ich mir nichts anderes, als mit ihr vorstellen.“

Rivens Gesicht erstrahlte und nahm danach kurz einen überraschten Gesichtsausdruck an, so, als wundere sie sich über sich selbst.

Tisiphone meinte ein wenig enttäuscht: „Ooch! Du bist ja doch ein richtiger Romantiker.“

Riven lächelte: „Tja, sorry.“

Plötzlich meldete sich Sunrise über Commlink und soufflierte, „...aber ich hab da noch einen Freund.“

Riven schaltete schnell und wiederholte die Worte laut, dann verabschiedete sie sich mit Twinbow und kurz darauf erschien Sunrise tatsächlich am Tisch der Furien. Tisiphone brach in schallendes Gelächter aus, als sie Sunrises Mütze sah, aber schon bald unterhielten sich die zwei angeregt- allerdings nur kurz, denn dann verschwanden sie auch schon in Richtung der Kabinen.

Blackstone schüttelte leicht den Kopf: „Na, so lange sie zu ihr gehen.“

Twinbow und Riven schlenderten dicht nebeneinander über das Deck.

Als die Zeit zum Dinner gekommen war, hatte Masaaki Snowcat tatsächlich einen Platz freihalten lassen. Sie setzten ihren Smalltalk fort. Wie zuvor unterhielten sie sich auf Japanisch. Snowcat reduzierte Mimik und Gestik auf ein Minimum. Eine gerade Haltung legte sich eh stehst an den Tag, da gab es für sie nichts anzupassen. Sie lächelte dezenter und schüchterner und sie vermied jegliche laute Worte. Kurzum, Snowcat verhielt sich einfach etwas Japanischer. Die Elfe erfuhr, dass Insekten-Sushi derzeit der neueste Schrei in Neo Tokyo war. Sie konnte nicht sagen, ob ihr das schmecken würde, aber der Gedanke daran schreckte sie auch nicht ab. Wer sich schon einmal von Teufelsratten-Eintopf und Abfall ernährt hatte, dem kam nichts so leicht grundsätzlich ekelhaft vor.

Nach dem Dinner zogen sich alle in ihrer Kabinen zurück. Offenbar war der heutige Tag noch kein Tag für Verhandlungen gewesen. 

Riven zögerte an der Tür zu ihrer Kabine, Snowcat konnte hören, wie sie leise sagte: „Mir wäre es lieber, wenn ich heut Nacht alleine schlafen könnte. Ich brauche Zeit zum Nachdenken.“

Twinbow hatte nichts einzuwenden und versprach artig in seiner Koje zu bleiben. Riven wäre es wahrscheinlich lieber gewesen, wenn sie noch weiter von einander getrennt übernachtet hätten, aber offenbar wollte sie auch keine große Szene daraus machen. 

Snowcat seufzte, anstatt sich die schöne Hexe ganz ihrer wundervollen Verliebtheit hingab, begann sie wieder nach zu denken. Snowcat wusste nicht wovor Riven sich fürchtete, aber sie ahnte, dass ihr ihre eigne Unsicherheit und noch mehr ihrer eigne Verletzlichkeit im Weg stand. Riven hatte gerade was Beziehungen anging so viel Leiden erfahren, dass es ihr wohl schwer fiel, sich fallen zu lassen.


Am nächsten Morgen wollte Snowcat zu früh wie möglich mit Riven sprechen. Natürlich hatte Riven nicht gut schlafen können und so fand Snowcat Riven, wie sie alleine auf dem Aussichtsdeck saß und auf den unter ihr dahinziehenden Konvoi blickte. Das Mädchen sah so zart und verloren aus. Snowcat setzte sich zu ihr und so blieben sie eine Weile schweigend nebeneinander sitzen. „Na Riven, nun erzähl mal, was ist los mit Dir und Twinbow?“; begann Snowcat irgendwann leise.

Erst kamen die Worte der jungen Frau nur zögerlich, aber dann kam eine Menge hoch und sprudelte hervor. Sie erinnerte sich daran, wie sehr sie einst von einem Mann verletzt worden war, versicherte immer wieder, dass sie Twinbow nie etwas antun würde und wollte schwören, das ihr die Freundschaft zu Snowcat und ihr Auftrag sie zu schützen über alles ging, als Snowcat das aufgelöste Mädchen unterbrach: „Schwöre mir nichts, egal, wie wichtig es Dir ist. Schwüre werde so oft gebrochen, da ist es besser sie gar nicht erst zu geben. Ich weiß, dass Du mich beschützen willst und dafür bin ich Dir auch dankbar, aber darum geht es hier doch gerade gar nicht. Es geht um Dich und Twinbow, wobei es mir ausschließlich um Dein Wohl geht. Du bist doch bereist in ihn verliebt.“

„Ich glaube, dass ist mir auch gerade klar geworden.“, Riven zitterte leicht.

„Na siehst Du. Dann steh doch dazu. Tu nicht so, als wäre Twinbow Dir egal. Aber beanspruche ihn auch nicht für Dich. Twinbow ist ein Softer-Macho und er trifft seine Entscheidungen allein.“

„Das weiß ich ja, aber ich ,,, ich weiß nicht... manchmal.“

„Riven, es gibt doch gar keinen Grund zu zweifeln. Du bist so schön. Wenn er andere ansieht, dann ruf Dich ihm in Erinnerung, dann kann er gar nicht anderes, als zu Dir zurück zu gehen.“

Ein erneutes Schaudern durchlief den zarten Körper der Frau. „Du hast leicht reden, aber ich bin nicht wie Du.“

Snowcat lächelte: „Das bist Du nicht, aber das musst Du auch gar nicht sein. Du bist selbst schön und mächtig und klug. Lebe einfach. Twinbow wird Dich nicht absichtlich verletzten. Aber Liebe kann man nun mal nicht erzwingen. Die Zeit wird zeigen, was aus Euch wird. Versuch zu genießen, was Du jetzt hast.“

Auch wenn sich immer noch einige Zweifel auf Rivens Gesicht abzeichneten, so hoffe Snowcat doch, dass sie der gequälten Seele der jungen Frau ein wenig hatte helfen können. 

Snowcat blickte auf das Farbenspiel unter ihnen. 

Karavan zog durch das Land. 

Ein neuer Tag erwachte. 

Snowcat hoffte, dass dieser Tag sie der Kette von Shantayas Kompass näher bringen würde. Schließlich war sie deshalb hier. 


                                                            UC - UNIVERSAL CONSULTANTS - UC

                              UC - Unknown Consequences -das TOP-Runnerteam aus Seattle- You See! 


Ob die Kette überhaupt noch an Bord ist, ob die Runner sie sich schnappen können, wie sich die Sache zwischen Twinbow und Riven weiter entwickelt und wohin sie alle die Reise noch führt, wird demnächst hier zu lesen sein.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*